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  • 11.06.2024 · IWW-Abrufnummer 241967

    Bundesgerichtshof: Urteil vom 23.04.2024 – VI ZR 348/21

    a) Zur Erstattungsfähigkeit von Kosten für Corona-Schutzmaßnahmen (Desinfektionskosten).

    b) Den Geschädigten trifft eine Obliegenheit zu einer gewissen Plausibilitätskontrolle der von der Werkstatt bei Vertragsschluss geforderten bzw. später berechneten Preise.


    Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. April 2024 durch den Vorsitzenden Richter Seiters, die Richterinnen von Pentz und Dr. Oehler, den Richter Dr. Klein sowie die Richterin Dr. Linder
    für Recht erkannt:

    Tenor:

    Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg - Zivilkammer 23 - vom 21. Oktober 2021 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

    Tatbestand

    1

    Die Klägerin nimmt den beklagten Haftpflichtversicherer auf Zahlung von restlichem Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall in Anspruch.

    2

    Der Pkw der Klägerin wurde bei einem Verkehrsunfall am 25. August 2020 beschädigt. Die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht außer Streit. Zur Ermittlung des Schadens am Fahrzeug holte die Klägerin ein Sachverständigengutachten ein. Das Gutachten wies als Teil der Reparaturkosten einen Betrag von 136,40 € netto für Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus aus, der sich aus zweimal 53,20 € für "Covid Maßnahme vor Rep. 4 AW" und "Covid Maßnahme nach Rep. 4 AW" sowie je 15 € für "Schutzmat. Cov.19 vor Rep." und "Schutzmat. Cov.19 nach Rep." zusammensetzte.

    3

    Die Klägerin ließ ihr Fahrzeug reparieren. Die Werkstatt stellte für CoronaSchutzmaßnahmen insgesamt 157,99 € brutto (inklusive 16 % Mehrwertsteuer) in Rechnung, und zwar in einer ersten Rechnung je 60,60 € netto für "Schutzmaßnahmen COVID-19 vor Rep." und "Schutzmaßnahmen COVID-19 nach Rep." und in einer zweiten Rechnung weitere 15 € netto für "Schutzmaßnahmen COVID-19". Die Beklagte lehnte eine Zahlung hierfür ab. Die Klägerin behauptet, sie habe die Rechnungen der Werkstatt beglichen.

    4

    Das Amtsgericht hat der auf Zahlung von 157,99 € nebst Zinsen gerichteten Klage in voller Höhe stattgegeben und die Berufung zugelassen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und unter Abweisung der Klage im Übrigen und Zurückweisung der weitergehenden Berufung die Beklagte zur Zahlung von 33,18 € nebst Zinsen verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

    Entscheidungsgründe

    I.

    5

    Das Berufungsgericht ( LG Hamburg, Urteil vom 21. Oktober 2021 - 323 S 14/21 , juris) hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren relevant, ausgeführt:

    6

    Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach stehe nicht in Streit. Die Beklagte sei zur Übernahme von im Zusammenhang mit der Fahrzeugdesinfektion anfallenden Kosten grundsätzlich verpflichtet. Kosten hierfür seien aber nur in Höhe von 33,18 € ersatzfähig. Bei einer Plausibilitätskontrolle hätte sich einem wirtschaftlich denkenden Geschädigten aufdrängen müssen, dass die von der Werkstatt in Rechnung gestellten Kosten in Höhe von 157,99 € brutto deutlich überhöht seien. Eine Fahrzeugdesinfektion beinhalte Maßnahmen, die gerade in der Pandemielage im Jahr 2020 typischerweise für jedermann und ohne Weiteres einer überschlägigen Plausibilitätskontrolle zugänglich gewesen seien. Als Arbeitsschritte kämen ein Abwischen bzw. Besprühen von Kontaktflächen innerhalb und außerhalb des Fahrzeugs sowie als Materialbedarf das Reinigungsbzw. Desinfektionsmittel und ggf. Wischtücher sowie Schutzmaterialien für den jeweiligen Mitarbeiter in Betracht. Ein erhöhter Zeitbedarf sei nicht zu erkennen. Sonderkenntnisse in technischer Hinsicht zur Bewertung der Arbeitsschritte seien zur Überprüfung nicht erforderlich. Hieraus folge, dass der tatsächlichen Bezahlung der Rechnung bei Übereinstimmung mit der Preisvereinbarung eine Indizwirkung für die subjektive Annahme einer Erforderlichkeit nicht zukomme. Für den Geschädigten bestünden im Fall von Desinfektionskosten aufgrund der Nähe zum durchschnittlichen Erfahrungswissen keine besonderen Schwierigkeiten, eine Überhöhung im Rahmen der Plausibilitätskontrolle festzustellen. Auf die Behauptung der Klägerin, sie habe tatsächlich einen Betrag von 157,99 € für Fahrzeugdesinfektionsmaßnahmen aufgewendet, komme es daher nicht an. Das Berufungsgericht bestimme den tatsächlich erforderlichen Betrag im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO wie folgt: Erforderlich und angemessen sei ein Desinfizieren der Kontaktflächen. Hierfür schätze das Berufungsgericht als Aufwand eine Dauer von jeweils fünf Minuten bei Hereinnahme und Rückgabe des Fahrzeugs, was einem Arbeitswert (1 AW) je Durchführung entspreche. Da diese Tätigkeit keine besonderen Fähigkeiten voraussetze und von Aushilfskräften erledigt werden könne, sei der niedrigste im Sachverständigengutachten und der Werkstattrechnung ausgewiesene Arbeitslohn in Höhe von 15,43 € brutto anzusetzen. Hinzu komme ein Materialeinsatz für Desinfektionsmittel, ggf. Reinigungstücher, Einmalhandschuhe und Schutzmasken in Höhe von 1,16 € brutto. Insgesamt ergebe sich ein Betrag von 33,18 €.

    II.

    7

    Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

    8

    1. Mit der Revision ist davon auszugehen, dass das Berufungsgericht die Revision unbeschränkt zugelassen hat.

    9

    Die Entscheidungsformel des Berufungsurteils enthält keinen Zusatz, der die Zulassung der Revision einschränkt. Zwar kann sich in einem solchen Fall auch aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils eine wirksame Beschränkung des Rechtsmittels ergeben, sofern sich eine solche mit der erforderlichen Eindeutigkeit entnehmen lässt (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 24. Oktober 2017 - VI ZR 61/17 , NJW 2018, 693 Rn. 11 mwN). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

    10

    Das Berufungsgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen und dies damit begründet, dass die Frage, ob der Geschädigte ein Recht auf Erstattung von Desinfektionskosten habe, für eine Vielzahl vergleichbarer Fälle relevant sei. Zudem finde sich dazu abweichende Rechtsprechung der Instanzgerichte, nicht aber eine höchstrichterliche Entscheidung. Damit hat das Berufungsgericht - entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung - die Revision nicht nur beschränkt auf den Anspruchsgrund zugelassen. Gegen eine beschränkte Zulassung der Revision auf den Anspruchsgrund (zu deren Zulässigkeit vgl. Senatsurteil vom 13. Juli 2004 - VI ZR 273/03 , NJW 2004, 3176, 3177, juris Rn. 10 mwN) spricht bereits, dass zwischen den Parteien nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in Streit gestanden hat, dass der Klägerin dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch gemäß § 7 Abs. 1 StVG , § 249 Abs. 2 BGB und damit ein Direktanspruch gegen die Beklagte gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG zusteht, sondern nur, in welcher Höhe ein solcher Anspruch besteht.

    11

    2. Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Höhe der ersatzfähigen Kosten für Corona-Schutzmaßnahmen.

    12

    Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des dabei nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters und revisionsrechtlich lediglich daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 29. September 2020 - VI ZR 271/19 , NJW 2020, 3591 Rn. 7 mwN). Solche Fehler liegen im Streitfall nicht vor.

    13

    a) Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen (sog. "Ersetzungsbefugnis"). Im Ausgangspunkt ist sein Anspruch auf Befriedigung seines Finanzierungsbedarfs in Form des zur Wiederherstellung objektiv erforderlichen Geldbetrags gerichtet ( Senatsurteil vom 16. Januar 2024 - VI ZR 253/22 ,ZIP 2024, 405Rn. 10 mwN). Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint. Denn Ziel der Schadensrestitution ist es, den Zustand wiederherzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage ohne das Schadensereignis entspricht ( Senatsurteil vom 16. Januar 2024 - VI ZR 253/22 ,ZIP 2024, 405Rn. 11 mwN).

    14

    Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlichsten Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Allerdings ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung, st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 16. Januar 2024 - VI ZR 253/22 ,ZIP 2024, 405Rn. 12 mwN).

    15

    b) Übergibt der Geschädigte das beschädigte Fahrzeug an eine Fachwerkstatt zur Instandsetzung, ohne dass ihn insoweit ein (insbesondere Auswahl oder Überwachungs-)Verschulden trifft, sind dadurch anfallende Reparaturkosten im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger aufgrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung auch dann vollumfänglich ersatzfähig, wenn sie etwa wegen überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit oder wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt unangemessen, mithin nicht erforderlich im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB sind; in einem solchen Fall gegebenenfalls bestehende Ansprüche des Geschädigten gegen den Werkstattbetreiber spielen nur insoweit eine Rolle, als der Schädiger im Rahmen des Vorteilsausgleichs deren Abtretung verlangen kann. Das Werkstattrisiko verbleibt in diesem Fall - wie bei § 249 Abs. 1 BGB - auch im Rahmen des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger beim Schädiger (st. Rspr.; Senatsurteile vom 16. Januar 2024 - VI ZR 253/22 ,ZIP 2024, 405Rn. 14; vom 26. April 2022 - VI ZR 147/21 , NJW 2022, 2840 Rn. 12 mwN; vom 29. Oktober 1974 - VI ZR 42/73 , BGHZ 63, 182, 184 , juris Rn. 9 ff.).

    16

    Dies gilt für alle Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung, deren Entstehung dem Einfluss des Geschädigten entzogen ist und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss. Ersatzfähig sind danach nicht nur solche Rechnungspositionen, die ohne Schuld des Geschädigten etwa wegen überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit oder wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise unangemessen, mithin nicht zur Herstellung erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB sind. Ersatzfähig im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger sind vielmehr auch diejenigen Rechnungspositionen, die sich auf - für den Geschädigten nicht erkennbar - tatsächlich nicht durchgeführte einzelne Reparaturschritte und -maßnahmen beziehen ( Senatsurteil vom 16. Januar 2024 - VI ZR 253/22 ,ZIP 2024, 405Rn. 16).

    17

    c) Freilich führen diese Grundsätze nicht dazu, die Reparaturkostenrechnung der Werkstatt dem nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB für die Instandsetzung des Fahrzeugs geschuldeten Betrag ungeprüft gleichzusetzen ( Senatsurteile vom 16. Januar 2024 - VI ZR 253/22 ,ZIP 2024, 405Rn. 17; vom 29. Oktober 1974 - VI ZR 42/73 , BGHZ 63, 182, 187 , juris Rn. 14). Die dargestellten Bemessungsgrundsätze dürfen nicht dazu führen, dass sich - letztlich zum Schaden der Allgemeinheit - mangelndes Interesse der Vertragsbeteiligten an einer marktgerechten Abwicklung der Instandsetzung im Kostenniveau niederschlägt. An den vom Geschädigten zu führenden Nachweis, dass er wirtschaftlich vorgegangen ist, also bei der Beauftragung aber auch bei der Überwachung der Reparaturwerkstatt den Interessen des Schädigers an Geringhaltung des Herstellungsaufwandes Rechnung getragen hat, dürfen deshalb nicht zu geringe Anforderungen gestellt werden ( Senatsurteile vom 16. Januar 2024 - VI ZR 253/22 ,ZIP 2024, 405Rn. 19; vom 29. Oktober 1974 - VI ZR 42/73 , BGHZ 63, 182, 187 , juris Rn. 14).

    18

    So trifft den Geschädigten eine Obliegenheit zu einer gewissen Plausibilitätskontrolle der von der Werkstatt bei Vertragsschluss geforderten bzw. später berechneten Preise. Verlangt die Werkstatt bei Vertragsschluss Preise, die - für den Geschädigten erkennbar - deutlich überhöht sind, kann sich die Beauftragung dieser Werkstatt als nicht erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erweisen (Auswahlverschulden). Ein Überwachungsverschulden kommt beispielsweise in Betracht, wenn die Rechnung - für den Geschädigten erkennbar - von einer Preisvereinbarung abweicht oder wenn die Werkstatt für den Geschädigten erkennbar deutlich überhöhte Positionen ansetzt (vgl. zu Sachverständigenkosten Senatsurteile vom 12. März 2024 - VI ZR 280/22 , juris Rn. 15; vom 17. Dezember 2019 - VI ZR 315/18 , NJW 2020, 1001 Rn. 15; vom 24. Oktober 2017 - VI ZR 61/17 , NJW 2018, 693 Rn. 27; vom 26. April 2016 - VI ZR 50/15 ,VersR 2016, 1133Rn. 14).

    19

    d) Die Anwendung der genannten Grundsätze zum Werkstattrisiko setzt nicht voraus, dass der Geschädigte die Reparaturrechnung bereits bezahlt hat. Soweit der Geschädigte die Rechnung nicht beglichen hat, kann er - will er das Werkstattrisiko nicht selbst tragen - die Zahlung der Reparaturkosten aber nicht an sich, sondern nur an die Werkstatt verlangen, Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger (dieses Risiko betreffender) Ansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt (näher im Einzelnen Senatsurteil vom 16. Januar 2024 - VI ZR 253/22 ,ZIP 2024, 405Rn. 20 ff.).

    20

    e) Nach diesen Maßstäben steht der Klägerin über den vom Berufungsgericht zuerkannten Betrag hinaus kein Anspruch auf Erstattung weiterer Kosten für Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus zu. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass bei der von der Klägerin durchzuführenden Plausibilitätskontrolle ein verständiger, wirtschaftlich denkender Geschädigter zu dem Schluss kommen musste, dass die Kosten für Corona-Schutzmaßnahmen, wie sie bereits im Sachverständigengutachten enthalten waren und von der Werkstatt in Rechnung gestellt wurden, deutlich überhöht und in dieser Höhe nicht ersatzfähig waren. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler die tatsächlich erforderlichen Kosten gemäß § 287 ZPO mit 33,18 € bemessen.

    21

    aa) Das Berufungsgericht hat dahinstehen lassen, ob die Klägerin die in Rechnung gestellten Kosten gegenüber der Werkstatt beglichen hat. Nach den oben genannten Grundsätzen kann die Klägerin jedoch Zahlung des restlichen Rechnungsbetrags unter Berufung auf die Grundsätze des Werkstattrisikos nur dann, wie beantragt, an sich verlangen, wenn sie die Werkstattrechnung in dieser Höhe beglichen hat. Das ist revisionsrechtlich zugunsten der Klägerin entsprechend ihrer Behauptung zu unterstellen.

    22

    bb) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung scheitert ein weitergehender Ersatzanspruch der Klägerin allerdings nicht bereits daran, dass Kosten für Corona-Schutzmaßnahmen im Zuge einer Fahrzeugreparatur im Jahr 2020 grundsätzlich nicht erstattungsfähig wären.

    23

    (1) Es fehlt insbesondere nicht an der (haftungsausfüllenden) Kausalität zwischen der unfallbedingten Beschädigung des Fahrzeugs und etwaigen im Rahmen der Reparatur durchgeführten Corona-Schutzmaßnahmen. Die unfallbedingte Beschädigung des Fahrzeugs kann nicht im Sinne der Äquivalenztheorie hinweggedacht werden, ohne dass die Reparatur des Fahrzeugs und die dabei durchgeführten Corona-Schutzmaßnahmen entfielen. Erfolgte - wie hier eine Reparatur während der Corona-Pandemie, war die Durchführung von Corona-Schutzmaßnahmen im Zuge der Reparatur des Fahrzeugs grundsätzlich auch adäquat-kausal (vgl. zu Sachverständigenkosten Senatsurteil vom 12. März 2024 - VI ZR 280/22 , juris Rn. 28).

    24

    (2) Bei der Beurteilung, ob die durchgeführten Corona-Schutzmaßnahmen objektiv erforderlich waren, ist zu berücksichtigen, dass einem Werkstattbetreiber als Unternehmer gewisse Entscheidungsspielräume hinsichtlich seines individuellen Hygienekonzepts während der Corona-Pandemie zuzugestehen sind (vgl. entsprechend zu Sachverständigenkosten Senatsurteile vom 12. März 2024 - VI ZR 280/22 , juris Rn. 29; vom 13. Dezember 2022 - VI ZR 324/21 , NJW 2023, 1057 Rn. 16). Dabei geht es entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht nur um den Schutz der Mitarbeiter der Werkstatt vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus, sondern auch um den Schutz, den der Auftraggeber der Reparatur während der Pandemie im Hinblick auf Maßnahmen, die in seinem Fahrzeug durchgeführt werden, üblicherweise bzw. aufgrund der Gepflogenheiten während der Pandemie erwarten darf; diesen Erwartungen zu entsprechen ist ein berechtigtes Anliegen der Werkstatt.

    25

    (3) Es begegnet auch keinen Bedenken, dass die Werkstatt die CoronaSchutzmaßnahmen gesondert in Rechnung gestellt hat. Die betriebswirtschaftliche Entscheidung, ob die für das Hygienekonzept in der Corona-Pandemie anfallenden Kosten gesondert ausgewiesen oder als interne Kosten in die Kalkulation der Reparaturkosten "eingepreist" werden, steht dabei grundsätzlich dem Werkstattinhaber als Unternehmer zu. Angesichts der nur vorübergehenden Natur jedenfalls der verschiedenen Phasen der Corona-Pandemie mag es sogar ein Ausdruck des Bemühens um Kostentransparenz sein, den Preis für CoronaSchutzmaßnahmen für die Dauer des Anfallens gesondert auszuweisen (vgl. zu Sachverständigenkosten Senatsurteile vom 12. März 2024 - VI ZR 280/22 , juris Rn. 30; vom 13. Dezember 2022 - VI ZR 324/21 , NJW 2023, 1057 Rn. 16).

    26

    cc) Das Berufungsgericht hat entgegen der Ansicht der Revision ohne Rechtsfehler ein Auswahl- bzw. Überwachungsverschulden der Klägerin angenommen und die von der Werkstatt in Rechnung gestellten Kosten für CoronaSchutzmaßnahmen in Höhe von 157,99 € als nicht erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB angesehen. Es ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass sich der Klägerin im Rahmen der ihr obliegenden Plausibilitätskontrolle geradezu aufdrängen musste, dass diese Kosten für Desinfektionsmaßnahmen deutlich überhöht waren.

    27

    Das Berufungsgericht hat das jedermann zur Verfügung stehende alltägliche Erfahrungswissen während der Pandemie als Grundlage der der Klägerin obliegenden Plausibilitätskontrolle herangezogen und angenommen, dass besondere Sachkunde für diese Prüfung nicht erforderlich war. Vor diesem Hintergrund hat es die Überzeugung gewonnen, dass die Klägerin auch als Laiin erkennen konnte, dass die in Rechnung gestellten Positionen evident zu hoch angesetzt waren. Das ist angesichts der während der Pandemie im Jahr 2020 in allen Bereichen des täglichen Lebens - und nicht nur im Rahmen einer Fahrzeugreparatur - durchgeführten Desinfektionsmaßnahmen, mit deren Kosten jeder Erwachsene in dieser Zeit konfrontiert war, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. zur Plausibilitätskontrolle bei Kosten des täglichen Lebens Senatsurteil vom 26. April 2016 - VI ZR 50/15 , NJW 2016, 3092 Rn. 14). Aus diesem Grund durfte die Klägerin insoweit auch nicht auf den Kostenansatz in dem von ihr außergerichtlich eingeholten Sachverständigengutachten vertrauen.

    28

    Die Revision rügt ohne Erfolg, dass das Berufungsgericht nicht festgestellt habe, dass andere Werkstätten Kosten in dieser Höhe nicht verlangt hätten, die Klägerin diese also hätte vermeiden können. Sie übersieht, dass der Nachweis, dass der Geschädigte wirtschaftlich vorgegangen ist, nach den oben angeführten Grundsätzen dem Geschädigten obliegt (vgl. Senatsurteile vom 12. März 2024 - VI ZR 280/22 , juris Rn. 15; vom 16. Januar 2024 - VI ZR 253/22 ,ZIP 2024, 405Rn. 19 mwN). Die Revision zeigt keinen übergangenen Vortrag der Klägerin auf, aus dem sich ergäbe, dass andere Werkstätten Kosten für Corona-Schutzmaßnahmen in vergleichbarer Höhe verlangt hätten und es ihr daher nicht möglich gewesen wäre, die in Rechnung gestellten Kosten, die das Berufungsgericht auf der Grundlage alltäglichen Erfahrungswissens als erkennbar deutlich überhöht angesehen hat, zu vermeiden.

    29

    dd) Das Berufungsgericht hat die Kosten für Corona-Schutzmaßnahmen rechtsfehlerfrei nach § 287 ZPO mit 33,18 € bemessen. Es ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin unter den Umständen des Streitfalls nur Ersatz der tatsächlich erforderlichen Kosten für Corona-Schutzmaßnahmen verlangen kann, deren Höhe der Tatrichter gemäß § 287 ZPO zu bemessen hat (vgl. zu Sachverständigenkosten Senatsurteile vom 24. Oktober 2017 - VI ZR 61/17 , NJW 2018, 693 Rn. 17; vom 26. April 2016 - VI ZR 50/15 , NJW 2016, 3092 Rn. 13 mwN). § 287 ZPO gibt die Art der Schätzgrundlage nicht vor. Die Schadenshöhe darf aber weder auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden, noch dürfen wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen außer Acht bleiben. Auch darf das Gericht in für die Streitentscheidung zentralen Fragen auf nach Sachlage unerlässliche fachliche Erkenntnisse nicht verzichten (vgl. Senatsurteil vom 24. Oktober 2017 - VI ZR 61/17 , NJW 2018, 693 Rn. 29 mwN). Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht beachtet.

    30

    Der Vorwurf der Revision, das Berufungsgericht habe die Schätzung ohne objektive Tatsachengrundlage vorgenommen, trifft nicht zu. Das Berufungsgericht hat - von der Revision insoweit auch nicht angegriffen - angenommen, dass das Desinfizieren von Kontaktflächen innerhalb und außerhalb des Fahrzeugs keine besonderen Fähigkeiten voraussetzt und von Aushilfskräften erledigt werden kann. Es hat für diese Arbeiten den im außergerichtlich eingeholten Sachverständigengutachten und in der Werkstattrechnung übereinstimmend angegebenen niedrigsten Arbeitslohn angesetzt. Den Zeitaufwand für eine Fahrzeugdesinfektion hat das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner Feststellung, dass die Fahrzeugdesinfektion Maßnahmen umfasst, mit denen sich in der Pandemie jedermann zu befassen hatte - somit auf der Grundlage alltäglichen Erfahrungswissens - mit jeweils fünf Minuten und damit einem Arbeitswert (1 AW) bei Hereinnahme und Rückgabe des Fahrzeugs bemessen. Für den Materialeinsatz pro Desinfektionsvorgang hat es 1,16 € brutto für Desinfektionsmittel, Reinigungstücher, Einmalhandschuhe und Schutzmasken angesetzt. Da es sich hierbei um Kosten handelt, mit denen ein Erwachsener im Zuge der Pandemie üblicherweise im Alltag konfrontiert war, die also nicht nur bei Kfz-Werkstätten anfielen, konnte das Berufungsgericht deren Höhe selbst schätzen und musste hierzu kein Sachverständigengutachten einholen.

    Seiters von Pentz OehlerKleinLinder

    Von Rechts wegen

    Vorschriften§ 287 ZPO, § 7 Abs. 1 StVG, § 249 Abs. 2 BGB, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, § 249 Abs. 1 BGB