11.03.2019 · IWW-Abrufnummer 207635
Kammergericht Berlin: Urteil vom 31.01.2019 – 22 U 211/16
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht
In dem Rechtsstreit
xxx
hat der 22. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 31. Januar 2019 durch den Richter am Kammergericht xxx
für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das am 10. November 2016 verkündete Urteil der Zivilkammer 41 des Landgerichts Berlin - 41 O 244/15 – teilweise geändert:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 8.258,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2015 sowie weitere 808,13 € zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
I.
Von der Darstellung des Sachverhaltes wird mit Ausnahme des nachfolgenden kurzen Abrisses gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
Der Kläger hat das in erster Instanz noch in Höhe von 1.000 € geltend gemachte Schmerzensgeld in zweiter Instanz auf 250 € beschränkt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Im Prozess umgekehrten Rubrums ist eine hälftige Quote ausgeurteilt worden. Der Senat gelangt nunmehr zur Alleinhaftung der Beklagten.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers ist im Wesentlichen begründet.
Dem Kläger stehen gegen die Beklagten als Fahrzeugführer sowie Haftpflichtversicherer die geltend gemachten Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche gemäß §§ 823 Abs. 1, 249, 253 Abs. 2 BGB; §§ 7, 11, 17 StVG; § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und S. 4 VVG; § 421 BGB wegen des Verkehrsunfalls vom 30. April 2015 gegen 15.00 Uhr auf der Kreuzung Alexander-/ Holzmarkt-/ Stralauer Straße in Höhe von 8.008,70 € (statt 8.068,70 €) bzw. 250 € zu, weil die Beklagte zu 1. als dem linksabbiegenden Kläger entgegenkommende Rechtsabbiegerin den Unfall allein verschuldete und die Beklagten daher im Ergebnis der Abwägung der Mitverursachungsanteile und des Mitverschuldens der Beklagten zu 1. den Schaden des Klägers in voller Höhe allein zu tragen haben (§ 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG; §§ 254 BGB, 9 StVG).
1. Jede Partei hat die die Mitverursachung sowie das (Mit-) Verschulden des Unfallgegners begründenden Tatsachen vorzutragen und ggfs. auf Bestreiten zu beweisen, weil nur unstreitige, zugestandene oder bewiesene Tatsachen zu Grunde zu legen sind (BGH, Urteil vom 24. September 2013 – VI ZR 255/12 – NJW 2014, 217, 218 [7] und [9]; Kuhnke, Darlegungs- und Beweislast bei Schadenersatzansprüchen aus Verkehrsunfällen, NZV 2018, 447 [1. und 2.]). Das bedeutet für den hier zu entscheidenden Unfall die nunmehr dritte, dieses Mal aber immerhin zutreffende Variante.
2. Ein in die Abwägung einzustellendes (Mit-) Verschulden des Klägers ist nicht festzustellen, denn den Beklagten ist der Beweis, dieser habe seine Pflichten als Linksabbieger verletzt und sei (noch/schon) bei für ihn als Linksabbieger geltendem Rot unter Verstoß gegen § 37 Abs. 2 Nr. 1 S. 7, Nr. 4 S. 1 StVO und nicht erst bei Grün in die Kreuzung eingefahren oder habe sich unter Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO seinen Vorrang erzwingen wollen, nicht gelungen.
a) Anders als das Landgericht gemeint hat, vermögen sich die Beklagten nicht auf eine (angebliche) Verletzung der dem Kläger nach § 9 Abs. 4 S. 1 StVO obliegenden Sorgfaltspflichten und deshalb auch nicht auf einen damit in Zusammenhang stehenden Anscheinsbeweis zu berufen.
c) Es lässt sich auch nicht erkennen, dass der Kläger gegen seine allgemeine Sorgfaltspflicht verstoßen hätte (§ 1 Abs. 2 StVO) und trotz erkennbaren Vorfahrtverstoßes der Beklagten zu 1. sich seinen Vorrang hatte erzwingen wollen. Vielmehr durfte er darauf vertrauen, dass sich die Beklagte zu 1. verkehrsgerecht verhalten und bis zur nächsten Grünphase stehen bleiben würde.
d) In diesem Zusammenhang wird angemerkt, dass im Laufe des Jahres unter anderen Aufsätzen des erkennenden Richters ein Aufsatz in der NZV 2019 abgedruckt werden wird, der näher auf die Besonderheiten des Kreuzungsräumers und ausführlich auf die möglichen rechtlichen Ableitungen des vermeintlichen Vorrangs des Kreuzungsräumers eingeht. Deswegen werden weitere Irrtümer des Landgerichts angemerkt, auf die es hier zwar nicht mehr entscheidend ankommt, die aber ebenfalls bestätigen, dass die Beklagten allein zu haften haben.
3. Ein in die Abwägung einzustellendes (Mit-) Verschulden der Beklagten zu 1. (Rotlichtverstoß bzw. Vorrangmissachtung des durch Lichtzeichen bevorrechtigten Klägers) ist bewiesen bzw. teilweise unstreitig, denn – wie vorstehend bereits ausgeführt – war sie entweder schon nicht Kreuzungsräumer und musste, um einen Rotlichtverstoß zu vermeiden, stehen bleiben oder sie war ohne Beachtung und damit ohne den Versuch der erforderlichen vorherigen Verständigung über einen Verzicht des bevorrechtigten Klägers angefahren. Schließlich belegt die Anstoßkonstellation, dass es nicht wirklich schwierig gewesen wäre, den Kläger herannahen zu sehen und auf sein Fahrzeug angemessen zu reagieren.
4. Die von dem Kläger geltend gemachten materiellen Positionen sind im Wesentlichen nicht im Streit.
a) Jedoch kann eine An- und Abmeldepauschale von 60 € nicht zugesprochen werden. Abgesehen von dem Umstand, dass die Unkostenpauschale eine - zudem auf die Verkehrsunfallabwicklung beschränkte - Ausnahme darstellt (BGH, Urteil vom 8.5.2012 – VI ZR 37/11 – II.3.c) [11]),), die Rechtsprechung hierzu also nichts Verallgemeinerungsfähiges beinhalten kann, gibt es für die Pauschalierung einzelner, zudem konkret anfallender Schadensposten keinerlei Rechtfertigung.
b) Die Beträge ergeben sich zum materiellen Schaden demnach wie folgt:
3. Kostenpauschale 20,00 €
4. An- und Abmeldekostenpauschale ./.
5. Gutachtenhonorar 868,70 €
6. Rezeptgebühr 10,00 €
Summe 1. – 6. 8.008,70 €
6. Dementsprechend ist auch der Zinsanspruch anteilig gemäß §§ 286, 288 BGB begründet.
7. Die dem Kläger entstandenen vorgerichtlichen Kosten waren wegen der Verringerung des Gegenstandswerts in zweiter Instanz auf 8.318,70 € von 887,03 € auf 808,13 € (Berechnung mit entsprechender Software) zu korrigieren, so dass ihm insoweit die Beklagten den Schaden (Anspruchsgrundlage s.o. vor 1.) zu ersetzen haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO.
Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 S. 1 EGZPO; § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO.
Im Namen des Volkes
Geschäftsnummer: 22 U 211/16
verkündet am : 31.01.2019
41 O 244/15 Landgericht Berlin
xxx
hat der 22. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 31. Januar 2019 durch den Richter am Kammergericht xxx
für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das am 10. November 2016 verkündete Urteil der Zivilkammer 41 des Landgerichts Berlin - 41 O 244/15 – teilweise geändert:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 8.258,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2015 sowie weitere 808,13 € zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
I.
Von der Darstellung des Sachverhaltes wird mit Ausnahme des nachfolgenden kurzen Abrisses gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
Der Kläger bog an einer ampelgeregelten Kreuzung links ab. Die ihm entgegenkommende Beklagte zu 1. bog rechts ab. Es kam zur Kollision, wobei das Fahrzeug der Beklagten zu 1. an der Front und das Fahrzeug des Klägers hinten rechts beschädigt wurden.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Im Prozess umgekehrten Rubrums ist eine hälftige Quote ausgeurteilt worden. Der Senat gelangt nunmehr zur Alleinhaftung der Beklagten.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers ist im Wesentlichen begründet.
Dem Kläger stehen gegen die Beklagten als Fahrzeugführer sowie Haftpflichtversicherer die geltend gemachten Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche gemäß §§ 823 Abs. 1, 249, 253 Abs. 2 BGB; §§ 7, 11, 17 StVG; § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und S. 4 VVG; § 421 BGB wegen des Verkehrsunfalls vom 30. April 2015 gegen 15.00 Uhr auf der Kreuzung Alexander-/ Holzmarkt-/ Stralauer Straße in Höhe von 8.008,70 € (statt 8.068,70 €) bzw. 250 € zu, weil die Beklagte zu 1. als dem linksabbiegenden Kläger entgegenkommende Rechtsabbiegerin den Unfall allein verschuldete und die Beklagten daher im Ergebnis der Abwägung der Mitverursachungsanteile und des Mitverschuldens der Beklagten zu 1. den Schaden des Klägers in voller Höhe allein zu tragen haben (§ 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG; §§ 254 BGB, 9 StVG).
1. Jede Partei hat die die Mitverursachung sowie das (Mit-) Verschulden des Unfallgegners begründenden Tatsachen vorzutragen und ggfs. auf Bestreiten zu beweisen, weil nur unstreitige, zugestandene oder bewiesene Tatsachen zu Grunde zu legen sind (BGH, Urteil vom 24. September 2013 – VI ZR 255/12 – NJW 2014, 217, 218 [7] und [9]; Kuhnke, Darlegungs- und Beweislast bei Schadenersatzansprüchen aus Verkehrsunfällen, NZV 2018, 447 [1. und 2.]). Das bedeutet für den hier zu entscheidenden Unfall die nunmehr dritte, dieses Mal aber immerhin zutreffende Variante.
2. Ein in die Abwägung einzustellendes (Mit-) Verschulden des Klägers ist nicht festzustellen, denn den Beklagten ist der Beweis, dieser habe seine Pflichten als Linksabbieger verletzt und sei (noch/schon) bei für ihn als Linksabbieger geltendem Rot unter Verstoß gegen § 37 Abs. 2 Nr. 1 S. 7, Nr. 4 S. 1 StVO und nicht erst bei Grün in die Kreuzung eingefahren oder habe sich unter Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO seinen Vorrang erzwingen wollen, nicht gelungen.
a) Anders als das Landgericht gemeint hat, vermögen sich die Beklagten nicht auf eine (angebliche) Verletzung der dem Kläger nach § 9 Abs. 4 S. 1 StVO obliegenden Sorgfaltspflichten und deshalb auch nicht auf einen damit in Zusammenhang stehenden Anscheinsbeweis zu berufen.
(1) Zwar ist es grundsätzlich zutreffend, dass zugunsten des (Geradeausfahrenden bzw.) Rechtsabbiegers der Anscheinsbeweis gegen den entgegenkommenden Linksabbieger streitet, dieser habe seine ihm nach § 9 (Abs. 3,) Abs. 4 S. 1 StVO obliegenden Sorgfaltspflichten verletzt.
Das setzt jedoch eine typische Sachlage voraus, an der es vorliegend fehlte, denn zum einen scheitert an der betreffenden Kreuzung der rechtliche Anknüpfungspunkt über § 9 Abs. 4 S. 1 StVO, weil die Regelung durch Lichtzeichen vorgeht (§ 37 Abs. 1 S. 1 StVO) und hier für Linksabbieger abschließend ist, zum anderen fehlte es mit Rücksicht auf die gesonderte Lichtzeichenregelung für Linksabbieger aber auch an einem typischen Geschehen (zur vergleichbaren Sachlage bei Vorhandensein eines grünen Räumpfeils BGH, Urteil vom 13. Februar 1996 - VI ZR 126/95 – NJW 1996, 1405, 1406 = NZV 1996, 231, 232 [II.1.d)aa)]; BGH, Urteil vom 6. Mai 1997 - VI ZR 150/96 – NZV 1997, 350 [II.1.b)]; BGH, Urteil vom 13. Februar 2007 - VI ZR 58/06 - NZV 2007, 294, 294 f. [9]; KG, [Hinweis-] Beschluss vom 21. Januar 2016 – 22 U 106/15 – [nicht veröffentlicht]; Kuhnke, Darlegungs- und Beweislast bei Schadenersatzansprüchen aus Verkehrsunfällen, NZV 2018, 447, 452 f. [II.6.(2)(b)]).
b) Die Beklagten hätten demnach einen Rotlichtverstoß des Klägers beweisen müssen, also dass er nicht bei für ihn auf Grün geschalteter Linksabbiegerampel in die Kreuzung einfuhr. Dieser Beweis ist ihnen ersichtlich nicht gelungen.
(1) Der Kläger hat anlässlich seiner Anhörung vor dem Landgericht geschildert, bei Grün (für Linksabbieger) gefahren zu sein.
(2) Der Zeuge (Radfahrer in gleicher Richtung wie die Beklagte zu 1.) konnte nur die für die Beklagte zu 1. geltende Lichtzeichenanlage sehen.
Daraus ergibt sich jedenfalls nicht, dass der Kläger zu früh, also bereits bei Rot losgefahren sein muss. Vielmehr bestätigt sich, dass, bedingt durch regen Rad- und Fußgängerverkehr und spät noch fahrende Radfahrer, für die an der Stelle übrigens – entgegen der Bekundung des Zeugen - keine eigene Radfahrerampel existiert (vorliegender amtl. Lageplan, Google Street View), die Beklagte zu 1. den Rechtsabbiegevorgang nicht rechtzeitig bei für sie geltendem Grün hatte einleiten und abschließen können. Vielmehr hat der Zeuge bekundet, dass die für die Beklagte zu 1. (und ihn) geltende Ampel bereits auf Rot geschaltet hatte.
(3) Insoweit steht dies auch im Einklang mit der Schilderung der Beklagten zu 1. anlässlich ihrer persönlichen Anhörung vor dem Landgericht, es habe eine „Völkerwanderung“ geherrscht, weil so viele Fahrradfahrer unterwegs gewesen seien.
c) Es lässt sich auch nicht erkennen, dass der Kläger gegen seine allgemeine Sorgfaltspflicht verstoßen hätte (§ 1 Abs. 2 StVO) und trotz erkennbaren Vorfahrtverstoßes der Beklagten zu 1. sich seinen Vorrang hatte erzwingen wollen. Vielmehr durfte er darauf vertrauen, dass sich die Beklagte zu 1. verkehrsgerecht verhalten und bis zur nächsten Grünphase stehen bleiben würde.
(1) Da die Beklagte zu 1. allein mit ihrer persönlichen Angabe gegen die Angabe des Klägers sowie die Bekundung des Zeugen nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts (§ 286 ZPO) beweisen kann, schon die Fußgängerfurt überquert und ihr Fahrzeug in Höhe des ersten querenden Fahrstreifens bereits längere Zeit zuvor aufgestellt zu haben, ist davon auszugehen, dass ihr Pkw noch nicht im Kreuzungsbereich, gebildet durch die gedachten Verlängerungen der Fahrbahnränder der kreuzenden Straßen, stand. Deshalb ergab sich kein Anlass für den Kläger, mit einem etwaigen Vorrangverstoß durch die Beklagte zu 1. zu rechnen.
(2) Im Übrigen hätte die Beklagte zu 1. aber auch dann nicht, ohne auf den nun bevorrechtigten linksabbiegenden Gegenverkehr zu achten, unbekümmert losfahren dürfen.
(3) Ferner spricht die Anstoßkonstellation (Front des Fahrzeuges der Beklagten zu 1., rechts hinten am Fahrzeug des linksabbiegenden Klägers) eher dagegen, dass der Kläger noch Gelegenheit zu einer rechtzeitigen Reaktion, also schuldhaft gehandelt hätte, denn grundsätzlich darf der Bevorrechtigte davon ausgehen, sein Vorrang werde beachtet.
d) In diesem Zusammenhang wird angemerkt, dass im Laufe des Jahres unter anderen Aufsätzen des erkennenden Richters ein Aufsatz in der NZV 2019 abgedruckt werden wird, der näher auf die Besonderheiten des Kreuzungsräumers und ausführlich auf die möglichen rechtlichen Ableitungen des vermeintlichen Vorrangs des Kreuzungsräumers eingeht. Deswegen werden weitere Irrtümer des Landgerichts angemerkt, auf die es hier zwar nicht mehr entscheidend ankommt, die aber ebenfalls bestätigen, dass die Beklagten allein zu haften haben.
(1) Selbstverständlich gilt – anders als das Landgericht gemeint hat - die Rechtslage zu Kreuzungsräumern auch für entgegenkommende Rechtsabbieger im Gegenverkehr. Die Anwendung der Grundsätze ist keineswegs – und das wird von niemand anderem vertreten – auf den Querverkehr beschränkt, sondern wird allenfalls leider, wie so oft zu beobachten, nachlässig kommentiert bzw. zitiert.
(2) Dass die Beklagte zu 1. Kreuzungsräumer war, hätten die Beklagten beweisen müssen. Ausweislich der Aussage des Zeugen stand sie jedoch bestenfalls vollständig im Bereich der Fußgängerfurt der Straße, von der aus sie abbiegen wollte. Da sie nicht an erster, sondern wohl an zweiter Stelle stand, erscheint dies nach den Gegebenheiten an der Kreuzung anders auch kaum wahrscheinlich. Es könnte daher schon nicht davon ausgegangen werden, dass sie Kreuzungsräumer war.
(3) Und selbst wenn sie Kreuzungsräumer gewesen wäre, würde dies vorliegend kein anderes Ergebnis rechtfertigen.
(a) Es existiert kein Vorrang des Kreuzungsräumers. Vielmehr darf sich der Bevorrechtigte seinen Vorrang nicht erzwingen (§ 1 Abs. 2 StVO), verliert den Vorrang aber nicht. Der Kreuzungsräumer hat zwar einen Anspruch auf einen Verzicht gegenüber dem Bevorrechtigten, muss sich darüber aber zuvor mit eindeutigem Ergebnis verständigen (§ 11 Abs. 3 StVO). Will der Bevorrechtigte pflichtwidrig nicht verzichten, dann verliert er dennoch seinen Vorrang nicht und der Kreuzungsräumer darf nicht fahren. Ein Vorrang des Kreuzungsräumers ließe sich mit den eindeutigen Regelungen der StVO nicht vereinbaren, ohne die Grenzen zulässiger Auslegungsmethoden zu überschreiten.
(b) Kommt es zu einem Zusammenstoß wäre in der Regel eine hälftige Haftung anzunehmen, weil beide unter Verstoß gegen ihre Sorgfaltspflichten (einerseits § 1 Abs. 2 StVO, andererseits § 11 Abs. 3 StVO) gefahren sind. Der Verstoß des Bevorrechtigten gegen seine Pflicht zum Verzicht bleibt demgegenüber irrelevant, weil der Kreuzungsräumer – wie § 11 Abs. 3 StVO eindeutig erkennen lässt - nur und erst nach positiver Klärung fahren darf.
(c) Vorliegend hatte die Beklagte aber noch nicht einmal für nötig erachtet, eine Verständigung über einen Vorrangverzicht herbeizuführen, und ist dem bereits querenden Kläger hinten seitlich in den Wagen gefahren, so dass auch danach die Alleinhaftung die zwingende Folge bliebe.
3. Ein in die Abwägung einzustellendes (Mit-) Verschulden der Beklagten zu 1. (Rotlichtverstoß bzw. Vorrangmissachtung des durch Lichtzeichen bevorrechtigten Klägers) ist bewiesen bzw. teilweise unstreitig, denn – wie vorstehend bereits ausgeführt – war sie entweder schon nicht Kreuzungsräumer und musste, um einen Rotlichtverstoß zu vermeiden, stehen bleiben oder sie war ohne Beachtung und damit ohne den Versuch der erforderlichen vorherigen Verständigung über einen Verzicht des bevorrechtigten Klägers angefahren. Schließlich belegt die Anstoßkonstellation, dass es nicht wirklich schwierig gewesen wäre, den Kläger herannahen zu sehen und auf sein Fahrzeug angemessen zu reagieren.
4. Die von dem Kläger geltend gemachten materiellen Positionen sind im Wesentlichen nicht im Streit.
a) Jedoch kann eine An- und Abmeldepauschale von 60 € nicht zugesprochen werden. Abgesehen von dem Umstand, dass die Unkostenpauschale eine - zudem auf die Verkehrsunfallabwicklung beschränkte - Ausnahme darstellt (BGH, Urteil vom 8.5.2012 – VI ZR 37/11 – II.3.c) [11]),), die Rechtsprechung hierzu also nichts Verallgemeinerungsfähiges beinhalten kann, gibt es für die Pauschalierung einzelner, zudem konkret anfallender Schadensposten keinerlei Rechtfertigung.
b) Die Beträge ergeben sich zum materiellen Schaden demnach wie folgt:
1. Wiederbeschaffungsaufwand (14.600 € - 8.400 €) 6.200,00 €
2. Nutzungsausfall (14 Tage * 65 €) 910,00 €3. Kostenpauschale 20,00 €
4. An- und Abmeldekostenpauschale ./.
5. Gutachtenhonorar 868,70 €
6. Rezeptgebühr 10,00 €
Summe 1. – 6. 8.008,70 €
5. Das nun im geringfügigen Bereich noch geltend gemachte Schmerzensgeld von 250 € ist den körperlichen Beeinträchtigungen des Klägers, die er anlässlich seiner persönlichen Anhörung vor dem Landgericht glaubhaft schilderte (Übelkeit, Schwindel, in den Schulterbereich ausstrahlende Nackenschmerzen, Einnahme eines Schmerzmittels sowie eines Relaxans, Halskrause, Sport für drei bis vier Wochen unterbrochen, nach etwa 4 ½ Wochen beschwerdefrei) in jedem Fall angemessen.
6. Dementsprechend ist auch der Zinsanspruch anteilig gemäß §§ 286, 288 BGB begründet.
7. Die dem Kläger entstandenen vorgerichtlichen Kosten waren wegen der Verringerung des Gegenstandswerts in zweiter Instanz auf 8.318,70 € von 887,03 € auf 808,13 € (Berechnung mit entsprechender Software) zu korrigieren, so dass ihm insoweit die Beklagten den Schaden (Anspruchsgrundlage s.o. vor 1.) zu ersetzen haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO.
Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 S. 1 EGZPO; § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO.