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  • 25.10.2021 · IWW-Abrufnummer 225453

    Amtsgericht Ottweiler: Urteil vom 12.05.2009 – 2 C 187/08

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    AG Ottweiler

    12.05.2009

    2 C 187/08

    Tenor

    I.

    1. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in Höhe von Euro 1.821,21 erledigt ist.
    2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner dazu verurteilt, an die Klägerin Euro 836,74 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus Euro 2.658,55 vom dem 24.05.2008 bis 16.10.2008 und aus Euro 836,74 ab dem 17.10.2008 sowie vorgerichtliche Rechtsan-waltsgebühren in Höhe von Euro 316,18 zu zahlen.
    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    II.

    Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.

    III.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Den Beklagten wird gestattet, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Si-cherheit in gleicher Höhe leistet.

    Tatbestand

    1
    Die Klägerin verfolgt Schadensersatzansprüche aufgrund eines Schadensereignisses vom 01.03.2008.

    2
    Die Klägerin hatte ihren Pkw Opel Corsa, amtliches Kennzeichen ..., in der ... in ... ordnungsgemäß abgestellt. Ebenfalls in der ... befand sich der auf den Beklagten zu 1) zugelassene, in seinem Eigen-tum stehende und bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherte Kfz-Anhänger abgestellt. Das Stützrad an dem Anhänger war heruntergelassen, die Räder des Anhängers waren durch zwei Vier-kanthölzer gegen Wegrollen gesichert.
    Wegen des Zustandes des Anhängers wird auf das Lichtbild Blatt 66 der Gerichtsakten verwiesen.

    3
    In der Saarbrücker Zeitung vom 29.02.2008 sowie in der Samstagsausgabe vom 01.03.2008 war eine Sturmwarnung für den Bereich des Saarlandes abgedruckt.

    4
    Am 01.03.2008 gegen 8.18 Uhr wurde der Anhänger der Beklagten von einer Sturmböe erfasst und über die Straßenfahrbahn der ... gegen das abgestellte Fahrzeug der Klägerin geweht.

    5
    Die Klägerin erlitt aus diesem Anlass folgende Schäden:

    6
    1. Reparaturkosten netto Euro 1.971,81
    2. Wertminderung Euro 250,00
    3. Gutachterkosten Euro 411,74
    4. Unkostenpauschale Euro 25,00
    Euro 2.657,55.

    7
    Mit der Klage verfolgt die Klägerin Zahlung ihres Schadens sowie Zahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus dem Schadensbetrag in Höhe von insgesamt Euro 316,18.

    8
    Die Klägerin behauptet, der Beklagte zu 1) sei von dem Nachbarn, Herrn M, vor dem Sturm über den drohenden Sturm aufgeklärt worden, dieser habe ihm angeboten, den Anhänger bei ihm si-cher unterzustellen. Auch die Zeugin M habe ihn vor dem Sturm gewarnt und gleiches angeboten.

    9
    Die Klägerin ist des Weiteren der Auffassung, dass der Beklagte zu 1) den Anhänger nicht ausrei-chend gesichert habe, wegen des drohenden Sturms seien besondere Maßnahmen erforderlich gewesen.

    10
    Darüber hinaus ist die Klägerin der Auffassung, dass die Gefährdungshaftung des § 7 St-VG greife, ein Fall der höheren Gewalt liege im vorliegenden Fall nicht vor.

    11 Die Klägerin hat ursprünglich mit am 23.05.2008 der Beklagten zugestellter Klage beantragt:

    1.
    12
    Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin Euro 2.6578,55 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 15.03.2008 zu zahlen.

    2.
    13
    Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von Euro 316,18 zu zahlen.

    14
    Die Beklagten haben ursprünglich beantragt :

    15
    Klageabweisung.

    16
    Mit am 07.11.2008 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin den Rechtsstreit in Höhe von Euro 1.821,81 teilweise für erledigt erklärt im Hinblick auf eine Teilregulierung ihrer Kaskoversi-cherung.

    17 Die Beklagten haben der Erledigungserklärung widersprochen.

    18 Die Klägerin beantragt :

    19
    Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin Euro 836,74 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus Euro 2.658,55 vom 15.03.2008 bis 16.10.2008 so-wie in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.10.2008 aus Euro 836,74 so-wie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von Euro 316,18 zu zahlen.

    20
    Die Beklagten widersprechen der teilweisen Erledigungserklärung und beantragen insgesamt

    21
    Klageabweisung.

    22
    Die Beklagten sind der Auffassung, dass die grundsätzliche Haftung der Beklagten nicht gegeben sei. Sie sind der Auffassung, dass der Zurechnungszusammenhang zwischen der Betriebsgefahr des ordnungsgemäß am Straßenrand abgestellten Anhängers und des späteren Schadensereignisses aufgrund der orkanartigen Böen fehle. Es habe sich im vorliegenden Fall nicht die spezifische Ge-fahr des Kfz-Anhängers verwirklicht, sondern demgegenüber das Naturereignis des Sturmes. In-soweit beziehen sich die Beklagten auf eine Wetterauskunft vom 12.03.2008 für den Schadenstag, wonach für den Bereich der ... Sturmböen mit einer Windgeschwindigkeit von bis zu 110 km bestä-tigt wurden (Blatt 31 der Gerichtsakten).

    23
    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften vom 02.09.2008 (Blatt 45 f. der Gerichtsakten), vom 27.01.2009 (Blatt 74 f. der Gerichtsakten) und vom 28.04.2009 (Blatt 85 ff. der Gerichtsakten) verwiesen.

    24
    Das Gericht hat zur Rechtslage Hinweise gemäß Hinweisbeschluss vom 23.09.2008 (Blatt 50 ff. der Gerichtsakten) erteilt und gemäß Beweisbeschluss vom 17.02.2009 (Blatt 79 ff. der Gerichtsakten) Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen G und U M.

    25
    Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 28.04.2009 verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    26
    Die zulässige Klage ist ‒ bis auf einen Teil der Zinsforderung ‒ begründet.

    I.

    27
    Zum Feststellungsantrag:

    28
    Nachdem die Beklagten der teilweisen Erledigungserklärung der Klägerin widersprochen haben, war das Begehren der Klägerin dahingehend auszulegen, dass sie in Höhe des für erledigt erklärten Teilbetrages von Euro 1.821,81 Feststellung begehrt, dass der Rechtsstreit in dieser Höhe erledigt ist.

    29
    Der Feststellungsantrag ist insoweit zulässig, er ist auch begründet, denn die ursprünglich in dieser Höhe zulässige und begründete Klage ist durch die Zahlung der Teilkaskoversicherung der Klägerin unbegründet geworden durch die Klaglosstellung und den Anspruchsübergang auf die Versiche-rung, so dass auf den dahingehend auszulegenden Antrag der Klägerin die Feststellung der Erledi-gung in diesem Teilbereich erfolgen musste.

    30
    Denn die Beklagten haften dem Grunde nach für den Schaden der Klägerin, dessen Höhe im Übri-gen unstreitig ist, aufgrund des Schadensereignisses vom 01.03.2008 aus § 7 I StVG i. V. m. § 3 I Nr. 1 PflVG und § 823 I BGB unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht.

    31
    Soweit sich die Haftung des Erstbeklagten auf § 7 I StVG stützt, so sind die Voraussetzungen dieser Vorschrift gegeben. Denn der Schaden am Pkw der Klägerin hat sich beim Betrieb des Kfz-Anhängers des Erstbeklagten ereignet, so dass die grundsätzliche Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz zunächst gegeben ist. Der Betrieb des Anhängers endete nämlich ent-gegen der Auffassung der Beklagten nicht bereits mit dem Abstellen des Anhängers im Straßen-raum der ... und mit dem Herablassen des Stützrades sowie den auf dem Lichtbild Blatt 66 der Ge-richtsakten erkennbaren beiden Vierkanthölzern gegen das unbeabsichtigte Weggleiten des Anhä-ngers. Denn der Kfz-Anhänger befindet sich solange in Betrieb, als sich eine Gefahr verwirklicht, die von ihm ausgeht (vgl. BGH, NJW 80, 1579).

    32
    Da das Fahrzeug der Klägerin ohne den im Verkehrsraum der ... abgestellten Anhänger nicht be-schädigt worden wäre, hat sich gerade die Gefahr des Anhängers verwirklicht, so dass der Schaden dem Betrieb des Anhängers noch zuzuordnen ist.

    33
    Die Ersatzpflicht der Beklagten ist im vorliegenden Fall nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht gemäß § 7 II StVG ausgeschlossen.

    34
    Nach dieser Vorschrift ist die Ersatzpflicht nach § 7 I StVG ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird. Der Tatbestand der höheren Gewalt ist zunächst beschränkt auf extreme Ausnahmesituationen und auf plötzlich hereinbrechende Katastrophen, auf die man sich nicht einstellen oder vorbereiten kann und die auch nicht wegen ihrer Häufigkeit hinzunehmen ist (Geigel-Kuntscher, Der Haftpflichtprozess, 24. Aufl., Kapitel 25, RN 96). Eine solche extreme Aus-nahmesituation kann beispielsweise dann vorliegen, wenn ein außergewöhnlich starker und vor-hersehbarer Orkan einen Kfz-Anhänger wegträgt, der gemäß den Sicherungsvorschriften der StVZO am Straßenrand abgestellt war (Geigel-Kuntscher, a. a. O.).

    35
    Im vorliegenden Fall hat jedoch die Beweisaufnahme ergeben, dass es sich bei dem Orkan vom 01.03.2008 keineswegs um ein plötzlich und unvorhersehbar aufgetretenes Naturereignis gehan-delt hat.

    36
    Zum einen hat die Klägerin nunmehr unbestritten vorgetragen, dass in der Saarbrücker Zeitung vom 29.02.2008 (also am Vortag des Schadensereignisses) und am 01.03.2008 Unwetterwarnungen abgedruckt waren. Im Zusammenhang mit der heutzutage sehr gesicherten Wetterprognose und der ständigen Berichterstattung durch Rundfunk, Fernsehen und regionale Presse kann damit da-von ausgegangen werden, dass die Unwetterwarnung bereits am Vortrag, dem 29.02.2008, allge-mein bekannt war. Dabei ist letztlich nicht darauf abzustellen, ob der Beklagte zu 1) durch die tat-sächliche Inanspruchnahme von Informationsmedien diese Kenntnis definitiv hatte, sondern es ist auf einen objektiven Beobachterstatus abzustellen, der im Hinblick auf die unbestrittenen Berichte in der Regionalpresse (SZ vom 29.02.2008 und 01.03.2008) zu unterstellen ist.

    37
    Gerade im Hinblick darauf, dass die Unwetterwarnung herausgegeben war, hätte der Beklagte zu 1) jedoch besondere Sicherungsmaßnahmen an dem Pkw-Anhänger treffen müssen und insbe-sondere auf das durch die Aussage der Zeugen M nachgewiesene Angebot unter Umständen ein-gehen müssen, den Anhänger sicher in deren Einfahrt abstellen zu können.

    38
    Das Gericht hat insoweit keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugen, auch wenn der Zeuge M angegeben hat, zur Mittagszeit mit dem Beklagten zu 1) sich unterhalten zu haben. Denn dieses Gespräch kann im Hinblick auf die Berichterstattung wegen des drohenden Sturms am Vortag stattgefunden haben zur Mittagszeit, so dass der Beklagte zu 1) bereits zu diesem Zeitpunkt in der Lage gewesen wäre, auch vor der Nacht auf den 01.03.2008 geeignete spezielle Sicherungs-maßnahmen zu treffen.

    39
    Eine höhere Gewalt im Sinn des § 7 II StVG liegt dann aber nicht mehr vor.

    40
    Diese unterlassenen Sicherungsmaßnahmen begründen auch eine Haftung aus § 823 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht.

    41
    Nach alledem war die ursprünglich begründete Klage durch die Teilregulierung infolge der cessio legis auf die Versicherung übergegangenen Anspruchsstellung unbegründet geworden, so dass die Erledigung in Höhe von Euro 1.821,81 festzustellen war.

    II.

    42
    Zum Zahlungsanspruch:

    43
    Die Beklagten waren des Weiteren nach §§ 7 I StVG, 3 I Nr. 1 PflVG zur Zahlung weiterer Euro 836,74 zuzüglich Rechtshängigkeitszinsen aus dem ursprünglich eingeklagten Betrag von Euro 2.658,55 ab Rechtshängigkeit der Klage gegenüber der Haftpflichtversicherung bis zum 16.10.2008 und ab dem 17.10.2008 lediglich noch aus Euro 836,74 sowie zur Zahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von Euro 316,18 zu verurteilen.

    44
    Wegen der Begründetheit wird vollinhaltlich auf die obigen Ausführungen verwiesen, aus denen sich die grundsätzliche Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz ergibt.

    45
    Da die Klägerin einen früheren Zinslauf als mit Rechtshängigkeit nicht schlüssig dargelegt hat, waren ihr lediglich Prozesszinsen insoweit zuzusprechen.

    46
    Unter Berücksichtigung einer 1,3-Geschäftsgebühr, der üblichen Auslagenpauschale und Mehr-wertsteuer ergibt sich ein Rechtsanwaltsgebührenanspruch in Höhe von Euro 316,18, der der Kläge-rin ebenfalls zugesprochen werden konnte.

    III.

    47
    Die Entscheidungen im Übrigen folgen aus §§ 92 II, 708 Nr. 11 und 711 ZPO.

    RechtsgebieteStVG, BGB, PflVGVorschriften§ 7 Abs. 1 StVG, § 7 Abs. 2 StVG, § 823 Abs. 1 BGB, § 3 Abs. 1 Nr. 1 PflVG