06.12.2012 · IWW-Abrufnummer 123649
Oberlandesgericht Düsseldorf: Urteil vom 26.06.2012 – I-1 U 149/11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Düsseldorf
I-1 U 149/11
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kleve, Az.: 3 O 106/11, teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Unter Abweisung der Klage im Übrigen werden die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 2.687,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.02.2011 zu zahlen und den Kläger bezüglich der vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 316,18 € gegenüber den Rechtsanwälten XXX pp., XXX, freizustellen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger weiteren Schadensersatz aus dem Unfallereignis vom 27.11.2010 in Form von Nutzungsausfallentschädigung und Ersatz noch anfallender Mehrwertsteuer mit einer Quote von 1/2 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens erster Instanz werden den Parteien je zur Hälfte auferlegt. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 47 % und die Beklagten 53 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 27.11.2010 gegen 19.15 Uhr in XXX auf der XXXstraße in Höhe der Hausnummer XX ereignete.
Zum Unfallzeitpunkt war der Kläger Halter des bei dem Unfall beschädigten geleasten Pkws Ford Focus mit dem amtlichen Kennzeichen XXX. Die Leasinggeberin hat den Kläger ermächtigt, die Schadensersatzansprüche in eigenem Namen geltend zu machen und Zahlung an sich zu verlangen. Der Beklagte zu 1) war zum Unfallzeitpunkt Fahrer eines Pkws VW Touran, der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war.
Der Kläger hatte sein Fahrzeug in einer Parkbucht am rechten Rand der ca. 6 m breiten XXXstraße, einer Tempo 30-Zone, ordnungsgemäß in Fahrtrichtung XXX geparkt. Von hinten näherte sich der Beklagte zu 1) mit dem Pkw VW Touran und kollidierte, während er an dem Klägerfahrzeug vorbeifuhr, mit dessen geöffneter Tür hinten links. Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger folgenden Schaden geltend:
Reparaturkosten netto
gemäß Sachverständigengutachten XXX: 4.189,32 €
Wertminderung: 500,00 €
MwSt aus Notreparatur: 94,20 €
Sachverständigenkosten: 566,44 €
allgemeine Kostenpauschale: 25,00 €
gesamt: 5.374,96 €
Der Kläger hat behauptet:
Im Zeitpunkt der Kollision habe seine Ehefrau an der leicht geöffneten Tür hinten links des Pkws Ford Focus gestanden, um ein Kind in einem Kindersitz hinten links in dem Fahrzeug anzuschnallen. Der Beklagte zu 1) sei, obwohl ihm kein Fahrzeug entgegen gekommen sei, auf der XXXstraße äußerst rechts gefahren, so dass er mit der leicht geöffneten Tür kollidiert sei. Hätte er seine Fahrspur mittig befahren, h ätte er den Unfall vermeiden können. Das Klägerfahrzeug sei für ihn auch leicht wahrnehmbar gewesen. Als hingegen seine Ehefrau sich in das Fahrzeug gebeugt habe, um das Kind anzuschnallen, sei kein Verkehrsteilnehmer auf der XXXstraße zu erkennen gewesen.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn 5.374,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.01.2011 zu zahlen,
2. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihm weiteren Schadensersatz aus dem Unfallereignis vom 27.11.2010 zu zahlen,
3. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, ihn bezüglich der vorgerichtlich angefallenen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 546,69 € gegenüber seinen Prozessbevollmächtigten freizustellen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben behauptet:
Der Beklagte zu 1) habe die XXXstraße mit einer Geschwindigkeit von ca. 30 km/h befahren, wobei er zu den am rechten Fahrbahnrand geparkten Fahrzeugen einen Abstand von ca. 1 m eingehalten habe. Als er sich in Höhe des klägerischen Fahrzeugs befunden habe, sei die Tür plötzlich und für ihn unerwartet weit aufgestoßen worden, so dass er einen lauten Knall wahrgenommen habe, der aus dem Anprall der Tür gegen das von ihm geführte Fahrzeug hergerührt habe. Da es unstreitig dunkel gewesen sei, habe er vor der Kollision Personen nicht wahrgenommen. Die Ehefrau des Klägers sei mit einer schwarzen Hose und einer schwarzen Jacke bekleidet gewesen, so dass er sie selbst dann nicht hätte wahrnehmen können, wenn sie in der bereits geöffneten Tür gestanden hätte. Da das Klägerfahrzeug zum Unfallzeitpunkt bereits älter als sechs Jahre gewesen sei und die Laufleistung mehr als 100.000 km betragen habe, sei ein merkantiler Minderwert nicht entstanden.
Das Landgericht Kleve hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen XXX sowie XXX und XXX und die Beklagten sodann zur Zahlung von 3.583,31 € nebst Zinsen und Freistellung von anteiligen vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren verurteilt sowie festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger weiteren Schadensersatz aus dem Unfallereignis vom 27.11.2010 mit einer Quote von 2/3 zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Sachverständige Dipl.-Ing. XXX habe im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens festgestellt, dass der Beklagte zu 1) mit einem Seitenabstand von ca. 0,8 m zum klägerischen Fahrzeug gefahren sei. Dies stelle einen Verstoß gegen § 1 StVO dar. Der vom Beklagten zu 1) eingehaltene Seitenabstand sei zu gering gewesen, da es zur Kollision gekommen sei. Das Verhalten der Zeugin XXX stelle einen Verstoß gegen § 14 Abs. 1 StVO dar. Ihr habe es oblegen, bei Herannahen des Beklagtenfahrzeugs die Tür ganz zu schließen und sich hinter das Fahrzeug zu begeben. Es sei nicht ausreichend gewesen, sich in das Fahrzeug hineinzubeugen und die Tür zu sich heranzuziehen. Unter Abwägung der Verursachungsbeiträge sei eine Haftungsquote von 1/3 zu 2/3 zu Lasten der Beklagten gerechtfertigt. Der fließende Verkehr dürfe nur darauf vertrauen, dass die Tür nicht plötzlich geöffnet werde. Den Beklagten zu 1) treffe der gröbere Verkehrsverstoß, indem er, obwohl die Gefährdung für ihn zu erkennen gewesen sei, so nah dem Klägerfahrzeug vorbeigefahren sei, dass es zur Kollision gekommen sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten. Sie machen geltend, der Unfall sei nicht überwiegend durch den Beklagten zu 1) verursacht worden. Es sei lediglich von einer Mithaftung der Beklagten in Höhe von 1/3 auszugehen. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. XXX sei der Beklagte zu 1) nicht mit überhöhter Geschwindigkeit und überdies mit einem ausreichenden Abstand zum Klägerfahrzeug gefahren. Nach dem Gutachten stehe fest, dass die Tür des Klägerfahrzeugs weit, nämlich jedenfalls 80 cm weit, geöffnet worden sei und zwar erst kurz vor dem Passieren bzw. während des Passierens deutlich in die Fahrlinie des Beklagten zu 1) hinein. Die dunkel gekleidete Zeugin XXX sei für diesen nicht zu erkennen gewesen. Deshalb habe er nicht damit rechnen müssen, dass die Tür des Klägerfahrzeugs plötzlich weit aufgestoßen würde. Es sei für die Zeugin auch nicht notwendig gewesen, das Anschnallen von der linken Seite des Fahrzeugs aus vorzunehmen. Die Höhe des geltend gemachten Schadens bleibe insoweit bestritten, als ein merkantiler Minderwert in Ansatz gebracht worden sei.
Die Beklagten beantragen,
unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Kleve vom 18.10.2011 die Klage abzuweisen,
1. soweit sie als Gesamtschuldner verurteilt worden sind, an den Kläger mehr als 1.624,99 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.02.2011 zu zahlen und den Kläger bezüglich vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten in Höhe von mehr als 229,55 € freizustellen,
2. soweit festgestellt worden ist, dass sie verpflichtet sind, dem Kläger – zudem nicht beschränkt auf die anfallende Umsatzsteuer sowie die Nutzungsausfallentschädigung – weiteren Schadensersatz aus dem Unfallereignis vom 27.11.2010 mit einer höheren Quote als 1/3 zu zahlen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, das Urteil des Landgerichts Kleve sei im Ergebnis richtig, obwohl die Verwertung des Sachverständigengutachtens aus einem Strafverfahren rechtsfehlerhaft sei. Da die Zeugin XXX ihrer Aussage nach im Unfallzeitpunkt ein weißes Kopftuch getragen habe und die Straße durch Laternen hell erleuchtet gewesen sei, sei die Zeugin für den Beklagten zu 1) bei der erforderlichen Aufmerksamkeit sehr wohl erkennbar gewesen. Die Zeugin selbst treffe nur ein geringes Mitverschulden an dem Unfall. Da sie eigenen Angaben zufolge die in Rede stehende Tür vor dem Unfall zu sich herangezogen habe, sei die Tür maximal noch 30 cm geöffnet gewesen.
Die Akte der Staatsanwaltschaft Kleve – Zweigstelle Moers -, Az.: 604 Js 43/11, ist beigezogen worden und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz aus dem Verkehrsunfall vom 27.11.2010 in Höhe von lediglich 2.687,48 € gemäß §§ 18 StVG, 115 VVG.
Nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme und dem Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. XXX aus dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Kleve – Zweigstelle Moers -, Az.: 604 Js 43/11, haften die Parteien für die Folgen des Unfallereignisses entgegen der Annahme des Landgerichts mit einer Quote von 50 : 50.
Die Beklagten haften grundsätzlich für die Folgen des Unfalls vom 27.11.2010 nach den genannten Vorschriften, weil sich der Unfall bei dem Betrieb des vom Beklagten zu 1) gelenkten Pkws VW Touran ereignet hat, als dieser die XXXstraße in XXX in Richtung XXX befuhr. Der Unfall ist unstreitig nicht durch höhere Gewalt verursacht worden, § 7 Abs. 2 StVG. Zudem haben die Beklagten nicht den Nachweis geführt, dass der Unfall für den Beklagten zu 1) ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG gewesen ist, weil vielmehr davon auszugehen ist, dass der Beklagte zu 1) den Unfall durch Unaufmerksamkeit zumindest mit verursacht hat, wie noch ausgeführt werden wird.
Allerdings haftet auch der Kläger für das Unfallereignis. Denn der Unfall hat sich auch bei dem Betrieb des von ihm geleasten Pkws Ford Focus ereignet, der zum Unfallzeitpunkt in einer Parkbucht auf der XXXstraße abgestellt war. Als Leasingnehmer ist der Kläger Halter des Pkws im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG (Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl. 2009, § 7 StVG, Rn. 16a). Wegen der heute hohen Verkehrsgefahr ist der Betriebsbegriff weit zu fassen. Parkende Kraftfahrzeuge sind in Betrieb, solange sie – wie hier das Klägerfahrzeug – den Verkehr irgendwie beeinflussen können (Hentschel/König, a.a.O., § 7 StVG, Rn. 8). Auch der Kläger hat den Nachweis nicht geführt, dass der Unfall für die Zeugin XXX, deren Verhalten er sich zurechnen lassen muss (vgl. Hentschel/König, a.a.O., § 7 StVG, Rn. 46), ein unabwendbares Ereignis darstellte, da die Zeugin jedenfalls ein erhebliches Mitverschulden an dem Unfall trifft, wie ebenfalls noch zu zeigen sein wird.
Steht somit die grundsätzliche Haftung der Parteien für das Schadensereignis fest, so hängt in ihrem Verhältnis zueinander die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes gemäß § 17 Abs. 1, 2 StVG von den Umständen und insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Die Schadensverteilung richtet sich auch nach dem Gewicht einer etwaigen Schuld der Beteiligten. Für das Maß der Verursachung ist ausschlaggebend, mit welchem Grad von Wahrscheinlichkeit ein Umstand allgemein geeignet ist, einen solchen Schaden herbeizuführen. Jedoch können im Rahmen dieser Abwägung zu Lasten einer Partei nur solche unfallursächlichen Tatsachen berücksichtigt werden, die zugestanden, unstreitig oder erwiesen sind (BGH NJW 2007, 506; Senat, Urteil vom 08.10.2011, Az.: I - 1 U 17/11; KG Berlin NZV 2003, 281). Jeder Halter hat aber die Umstände zu beweisen, die dem anderen zum Verschulden gereichen und aus denen er für die nach § 17 Abs. 1, 2 StVG vorzunehmende Abwägung für sich günstige Rechtsfolgen herleiten will (BGH NZV 1996, 231).
Die Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den Entscheidungsfall ergibt, dass der Kläger Schadensersatz aus dem Verkehrsunfall vom 27.11.2010 in Höhe eines Haftungsanteils von 1/2 von den Beklagten verlangen kann, weil der Unfall sowohl durch die Zeugin XXX als auch durch den Beklagten zu 1) selbst verschuldet worden ist.
Im Einzelnen gilt Folgendes:
1. Verursachungsbeitrag der Zeugin XXX
Die Zeugin XXX hat, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, gegen § 14 Abs. 1 StVO verstoßen.
Gemäß § 14 Abs. 1 StVO muss sich derjenige, der ein- oder aussteigt, so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Unfälle durch unvorsichtiges Türöffnen sind häufig, aber nahezu immer vermeidbar (Hentschel/König, a.a.O., § 14 StVO, Rn. 5, mit Hinweis auf die amtliche Begründung zu § 14 StVO). Dabei gehört ebenso wie das Herausnehmen von auf dem Rücksitz abgelegten Gegenständen (Senat, Urteil vom 28.12.1994, Az.: 1 U 241/93) auch das im Stehen an der geöffneten Fahrzeugtür vorgenommene Anschnallen eines Kindes auf der Rückbank noch zum Einsteigevorgang, innerhalb dessen der Fahrzeugführer äußerste Sorgfalt aufbringen muss (BGH NJW 2009, 3791; Senat, Urteil vom 16.01.2006, Az.: I-1 U 102/05).
Wird, wie hier, beim Einsteigen ein anderer Verkehrsteilnehmer geschädigt, so spricht bereits der Beweis des ersten Anscheins für eine fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung des Einsteigenden (vgl. Senat, Urteil vom 26.04.2004, Az.: 1 U 158/03, mit Verweis auf OLG Hamm DAR 2000, 64).
Darüber hinaus steht nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme und dem Gutachten des Dipl.-Ing. XXX auch fest, dass die Klägerin gegen § 14 Abs. 1 StVO verstoßen hat, als sie ihr Kind bei geöffneter Fondtür anschnallte.
Zunächst kommt es für das Vorliegen eines Verstoßes der Zeugin gegen § 14 Abs. 1 StVO nicht darauf an, ob das von dem Beklagten zu 1) geführte Fahrzeug bereits sichtbar war, als sie sich in das Fahrzeuginnere beugte, um ihr Kind anzuschnallen. Denn selbst wenn das Beklagtenfahrzeug für die Zeugin zu dem Zeitpunkt, als sie die Fondtür des Pkws Ford Focus öffnete, noch nicht sichtbar gewesen sein sollte, konnte sie nicht darauf vertrauen, dass der während des Anschnallens herannahende Verkehr ausreichend Sicherheitsabstand einhalten würde. Sie musste sich vielmehr während des gesamten Anschnallvorgangs bei geöffneter Fondtür ständig weiter vergewissern, ob Fahrzeugverkehr herannahte, um gegebenenfalls den Anschnallvorgang unterbrechen und die geöffnete Tür wieder schließen zu können (vgl. Senat, Urteil vom 28.12.1994, Az.: 1 U 241/93). Dieser Verpflichtung ist die Zeugin – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – nicht nachgekommen.
Darüber hinaus ist unstreitig, dass es zu dem Zusammenstoß kam, weil die Fondtür in den Verkehrsraum der XXXstraße hineinragte. Wie zudem der Sachverständige Dipl.-Ing.XXX in seinem Gutachten festgestellt hat, lässt sich aus der Beschädigungscharakteristik an beiden Fahrzeugen ein Türöffnungswinkel von ca. 60 Grad rekonstruieren. Ein kleinerer Türöffnungswinkel hätte nach den Ausführungen des Sachverständigen massivere Aufstauchungen in Längsrichtung der Türe mit deutlich stärkerer Intensität zur Folge gehabt. Der rekonstruierte Türöffnungswinkel lasse aus sachverständiger Sicht einen Seitenabstand des Pkws VW Touran zum Pkw Ford Focus von ca. 0,8 m folgern. Betrachte man die Beschädigungscharakteristik am Pkw VW Touran, so liege der Erstkontakt ca. 5 cm hinter der Blinkleuchtenaufnahme. Hier sei eine abrupt beginnende, leicht diagonal nach oben verlaufende linienförmige Einbeulung des rechten Kotflügels mit deutlich nach hinten zunehmender Intensität festzustellen. Dies weise darauf hin, dass die hintere linke Tür des Pkws Ford Focus während der Vorbeifahrt des Pkws VW Touran zumindest weiter geöffnet worden sei und dass unmittelbar zum Zeitpunkt des Erstkontaktes eine Abbremsung des Pkws VW Touran eingeleitet worden sei. Sachverständigerseits sei aus den analysierten Parametern zu folgern, dass die hintere linke Tür des Pkws Ford Focus erst kurz vor dem Passieren des Pkws VW Touran deutlich in die Fahrlinie des Pkws VW Touran hinein geöffnet worden sei, so dass für eine vorkollisionäre Abbremsung kein Zeitraum mehr verblieben sei bzw. die Zeit für Reaktion und Bremsung zur Vermeidung des Verkehrsunfallgeschehens ausschließlich von der Reaktionszeit aufgezehrt worden sei.
So mag zwar die Zeugin XXX – wie die Vernehmung der Zeugen durch das Landgericht ergeben hat – beim Herannahen des Beklagten zu 1) in der bereits geöffneten Tür des Pkws Ford Focus gestanden und bei Wahrnehmung des sich nähernden Fahrzeugs die Tür zu sich herangezogen haben. Die Feststellungen des Sachverständigen lassen aber darauf schließen, dass die Tür dann während der Vorbeifahrt des Beklagtenfahrzeugs noch weiter geöffnet worden ist. Angesichts der hohen Sorgfaltsanforderungen des § 14 Abs. 1 StVO musste die Zeugin XXX aber sicherstellen, dass die Fahrzeugtür nicht weiter aufschlagen und so zu einem Hindernis werden konnte. Sie hätte die Tür jedenfalls so weit zu sich heranziehen müssen, dass diese nicht 80 cm in die Fahrbahn des Beklagten zu 1) hineinragte. Dies hat die Zeugin nach den Feststellungen des Sachverständigen gerade nicht getan.
2. Verursachungsbeitrag des Beklagten zu 1)
a) Demgegenüber fällt dem Beklagten zu 1) ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO bzw. gegen § 3 Abs. 1 S. 2, 4 StVO zur Last, weil er mit zu geringem Seitenabstand an dem klägerischen Fahrzeug vorbeigefahren bzw. mit nicht angepasster Geschwindigkeit gefahren ist.
Beim Vorbeifahren an haltenden Fahrzeugen bzw. zum rechten Fahrbahnrand ist ein ausreichender Seitenabstand einzuhalten, dessen Größe sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet. Der regelmäßig verlangte Mindestabstand beträgt 1 m (Hentschel/König, a.a.O., § 2, Rn. 35, § 6, Rn. 11). An rechts parkenden, ersichtlich leeren Fahrzeugen darf auch mit weniger als 1 m seitlichem Abstand vorbeigefahren werden (Hentschel/König, a.a.O., § 6 StVO, Rn. 11). Das klägerische Fahrzeug war indes nicht ersichtlich leer. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme hat vielmehr die Zeugin XXX in der geöffneten hinteren linken Tür des Pkws gestanden und war damit befasst, ein Kind auf dem Rücksitz des Wagens anzuschnallen. Selbst wenn dies – wie die Beklagten vortragen – für den Beklagten zu 1) aufgrund der herrschenden Dunkelheit nicht zu erkennen war, was zweifelhaft ist (s.u.), konnte er ebenso wenig davon ausgehen, dass das Klägerfahrzeug leer war. Vor allem bei Dunkelheit ist vom rechten Fahrbahnrand ein angemessener Sicherheitsabstand einzuhalten. Der vom Beklagtenfahrzeug nach den Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. XXX eingehaltene Seitenabstand zum Klägerfahrzeug von etwa 0,8 m ist allein danach schon als zu gering anzusehen sein.
Zwar ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der XXXstraße in XXX um eine relativ schmale Straße handelt. Nach den Messungen des Sachverständigen ist die Fahrbahn nur ca. 5,4 m breit mit rechts- und linksseitigen ca. 0,3 m breiten Rinnsteinen. Die Messungen der Polizei weichen hiervon nur marginal ab. Nach den Angaben der vom Landgericht vernommenen Zeugen herrschte zum Unfallzeitpunkt aber keinerlei Gegenverkehr. Der hier anzunehmende Abstand zwischen Kläger- und Beklagtenfahrzeug von ca. 0,8 m kann daher auch bei den gegebenen Abmessungen der Straße als eine Unterschreitung des gebotenen Sicherheitsabstands angesehen werden.
Hinzu kommt Folgendes: Bei der Vorbeifahrt an einem haltenden Fahrzeug kann ein Seitenabstand von weniger als 1 m zwischen den Fahrzeugen zu gering sein, wenn sich eine Person in den haltenden Pkw hinein beugt, der mit auf der Fahrerseite geöffneter Tür auf einem Seitenstreifen neben der Fahrbahn steht; denn es muss jederzeit mit einem weiteren Öffnen der Tür gerechnet werden (Senat, Urteil vom 16.01.2006, Az.: I-1 U 102/05; OLG Hamm NZV 2004, 408; so auch OLG Nürnberg DAR 2001, 130). So liegt der Fall hier. Dementsprechend war der Beklagte zu 1) gemäß § 1 Abs. 2 StVO grundsätzlich verpflichtet, in einem so groß bemessenen Abstand an der geöffneten Fahrzeugtür des Klägerfahrzeugs vorbeizufahren, dass es auch bei einer Vergrößerung ihres Öffnungswinkels nicht zu einer Kollision kommen konnte, oder, wenn dies nicht möglich war, vor der geöffneten Fahrzeugtür anzuhalten.
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass es zum Unfallzeitpunkt dunkel war. Denn nach den gegebenen Umständen ist davon auszugehen, dass die in der Fahrzeugtür stehende Zeugin XXX als Gefahrenquelle für den Beklagten zu 1) rechtzeitig erkennbar war.
Auch in der Dunkelheit bildete die geöffnete Tür des Klägerfahrzeugs ein für den Beklagten zu 1) rechtzeitig wahrnehmbares Hindernis. Ausweislich der vorliegenden Lichtbilder vom Pkw des Klägers verfügte zwar die hintere linke Tür weder über eine Eigenbeleuchtung noch steht nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme hinreichend sicher fest, dass der Innenraum des Klägerfahrzeugs beleuchtet war, weil die Zeugen hierzu keine konkreten Angaben haben machen können. Allerdings ging von der geöffneten Tür schon aufgrund der Farbe des klägerischen Pkws eine Signalwirkung aus. Die Lichtbilder von der Unfallstelle lassen erkennen, dass der silberfarbene Pkw des Klägers auch bei den gegebenen Lichtverhältnissen hinreichend gut zu erkennen war. Die XXXstraße verfügte über eine ausreichende Straßenbeleuchtung. Auch die Zeugin XXX hat im Rahmen der Beweisaufnahme vor dem Landgericht von mehreren Laternen gesprochen, die den Unfallort „hell beleuchtet“ hätten. Zwar mag die Zeugin XXX selbst überwiegend dunkel gekleidet gewesen sein. Sie hat aber, wie sie bei ihrer Vernehmung bekundet hat, ein weißes Kopftuch getragen. Aufgrund dessen war auch sie für herannahende Verkehrsteilnehmer erkennbar, zumal sie im Vorfeld um den Pkw des Klägers herum laufen musste, um schließlich die hintere linke Tür zu öffnen.
Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die geöffnete Tür am Klägerfahrzeug für den Beklagten zu 1) einen deutlichen Hinweis auf einen noch nicht beendeten Einsteigevorgang darstellte. Dies gilt umso mehr, wenn man zudem berücksichtigt, dass der Beklagte zu 1) sich der Unfallstelle mit Abblendlicht näherte, dessen Ausstrahlweite regelmäßig etwa 30 m beträgt. Bei einer Geschwindigkeit von maximal 30 km/h hatte er mit etwa 3,6 Sekunden ausreichend Zeit, den Einsteigevorgang der Zeugin XXX zu erkennen und angemessen, nämlich gefahrvermeidend, hierauf zu reagieren. Der Beklagte zu 1) hat auf das Geschehen jedoch überhaupt nicht reagiert, was sich nur mit einem Aufmerksamkeitsverschulden seinerseits erklären lässt.
b) Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte zu 1) die an der Unfallstelle zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h überschritten hat, liegen demgegenüber nicht vor. Die Zeugen haben weder im Beweisaufnahmetermin vor dem Landgericht noch im Rahmen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens hierzu konkrete Angaben gemacht. Auch der Sachverständige Dipl.-Ing. XXX hat eine überhöhte Geschwindigkeit des Beklagten zu 1) insofern nicht feststellen können.
3. Abwägung
Die Abwägung der Verursachungsbeiträge führt zu einer hälftigen Quotierung des unfallbedingten Schadens (vgl. BGH NJW 2009, 3791; OLG Hamm NZV 2004, 408). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Zeugin XXX die sie gemäß § 14 Abs. 1 StVO treffende Verpflichtung zu größtmöglicher Sorgfalt verletzt hat. Aber auch den Beklagten zu 1) trifft eine erhebliche Mitverantwortung für den Unfall, weil er angesichts der Umstände einen zu geringen Seitenabstand eingehalten hat. Die Verantwortungs- und Verursachungsbeiträge gewichtet der Senat auf beiden Seiten gleich hoch. Aufgrund der Regelung des § 14 Abs. 1 StVO hat zwar regelmäßig beim Anstoß eines vorbeifahrenden Fahrzeugs mit einer sich öffnenden Tür der Führer des stehenden Fahrzeugs den größeren Haftungsanteil zu tragen. Hier handelt es sich aber um einen Sonderfall, weil feststeht, dass die hintere linke Tür am stehenden Fahrzeug des Klägers bereits vorher geöffnet war und die Zeugin XXX in der geöffneten Fahrzeugtür stand. Aufgrund der dadurch gegebenen Signalwirkung für den Beklagten zu 1) erscheint dem Senat hier eine hälftige Schadensteilung sachgerecht.
4.
Ohne Erfolg ziehen die Beklagten allerdings die Richtigkeit des im Gutachten des Sachverständigen XXX ausgewiesenen Ansatzes des merkantilen Minderwertes von 500,00 € in Zweifel. Sie dringen insoweit nicht mit dem Einwand durch, der Pkw Ford Focus des Klägers sei zum Unfallzeitpunkt bereits 6,5 Jahre alt gewesen und habe eine Laufleistung von über 100.000 km gehabt.
Zu berücksichtigen ist, dass auch bei älteren Fahrzeugen mit hoher Laufleistung sich ein Unfall nachteilig auf die Preisbildung bei einem Verkauf auswirkt. Denn auch beim Verkauf älterer Fahrzeuge pflegt ein Käufer nach der Unfallfreiheit zu fragen und erwartet einen deutlichen Preisnachlass, wenn die Frage verneint werden muss. Deswegen hat der Senat für ein über fünf Jahre altes Fahrzeug mit einer Laufleistung von fast 140.000 km einen merkantilen Minderwert als ersatzfähigen Schadensposten anerkannt (Urteil vom 17.11.1986, Az.: I‑1 U 229/85; veröffentlicht in MDR 1987, 1023). Insgesamt geht die Tendenz der Instanzgerichte dahin, auch bezogen auf mehrere Jahre alte Fahrzeuge mit hoher Laufleistung einen merkantilen Minderwertbetrag zuzusprechen (vgl. die Übersicht bei Eggert, Verkehrsrecht aktuell, 2010, 132, 134, 135, sowie bei Notthof in Ludovisy/Eggert/Burhoff, Praxis des Straßenverkehrsrechts, 5. Aufl., Teil 4, Rn. 891, 892). Dem folgt aus den oben genannten Gründen im Grundsatz auch der Senat, auch wenn seine Ausführungen im Urteil vom 27.03.2012, Az.: I-1 U 139/11, in einem anderen Sinne aufzufassen gewesen sein können.
Im vorliegenden Fall ist zusätzlich zu beachten, dass in dem Schadensgutachten XXX ein Wiederbeschaffungswert von noch 8.500,00 € ausgewiesen und der Allgemeinzustand des klägerischen Pkws Ford Focus immerhin als „normal“ bezeichnet worden ist (Bl. 8R, 9 d.A.). Zum Zeitpunkt des Kollisionsereignisses war das Fahrzeug ca. 6,5 Jahre und damit noch nicht besonders alt und hatte die 100.000 km‑Grenze mit 111.021 km jedenfalls noch nicht weit überschritten. Im Ergebnis bestehen deshalb keine Bedenken dagegen, den klagegegenständlichen Minderwertbetrag von 500,00 € in die Schadensberechnung einzubeziehen (§ 287 Abs. 1 ZPO).
5.
Somit ergibt sich ein Schadensersatzanspruch des Klägers in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe. Danach richtet sich auch die Höhe seines Freistellungsanspruchs im Hinblick auf die vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten. Der Ausspruch zum Feststellungsanspruch war entsprechend anzupassen und hinsichtlich Nutzungsausfallentschädigung und Ersatz noch anfallender Mehrwertsteuer konkreter zu fassen.
6.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
Berufungswert: 2.958,32 € (3.583,31 + 2.000 – 1.624,99 – 1.000)