31.07.2013 · IWW-Abrufnummer 132355
Oberlandesgericht Koblenz: Urteil vom 11.05.2012 – 10 U 923/11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OLG Koblenz
11.05.2012
10 U 923/11
in dem Rechtsstreit
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
g e g e n
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt
Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und die Richterin am Oberlandesgericht Zeitler-Hetger
auf die mündliche Verhandlung vom 20. April 2012
für R e c h t erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 30. Juni 2011 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 651,52 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.5.2011 sowie weitere Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 22.050 EUR für die Zeit vom 22.9.2010 bis zum 9.11.2010 zu zahlen
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des ersten Rechtszuges haben der Kläger 1/3 und die Beklagte 2/3 zu tragen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 87% und die Beklagte 13% zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
1
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten als Kaskoversicherer Leistungen aus Anlass eines Brandschadens seines versicherten Fahrzeuges Ford S-Max am 10.07.2010.
2
Diesen Pkw hatte der Kläger am 13.11.2009 bei dem Autohaus A. in B. gekauft. Das Fahrzeug war auf dem Transport vom Werk des Herstellers zu dem Autohaus beschädigt worden und wies bei Erwerb durch den Kläger einen unreparierten Dach- und Dachrahmenschaden auf. Als Neufahrzeug hatte der Wagen ausweislich des von der Beklagten vorgelegten Gutachtens einen Wert von 28.305 EUR (netto). Dem Kläger wurde wegen des erheblichen Schadens eine Reduzierung des Kaufpreises in Höhe von 14.920,17 EUR eingeräumt. Erworben hat der Kläger das Fahrzeug daher zu einem Kaufpreis von netto 15.500 EUR bzw. brutto 18.445 EUR.
3
Am 10.7.2010 geriet das Fahrzeug bei der Ortsdurchfahrt C. ohne erkennbaren Grund in Brand und brannte vollständig aus. Am Fahrzeug trat Totalschaden ein. Der von der Beklagten beauftragte Sachverständige D. ermittelte einen Wiederbeschaffungswert in Höhe von brutto 24.000 EUR sowie einen Restwert in Höhe von 1.800 EUR. Die Beklagte rechnete - nach Zustellung der Klage - den Kaskoschaden am 4.11.2010 ab. Sie legte den Wiederbeschaffungswert in Höhe von 24.000 EUR abzüglich des von dem Sachverständigen ermittelten Restwertes in Höhe von 1.800 EUR sowie abzüglich des vereinbarten Selbstbehalts von 150 EUR zu Grunde und zahlte an den Kläger einen Betrag von 22.050 EUR aus. Der Kläger erzielte bei der Verwertung der Fahrzeugreste den vom Sachverständigen angesetzten Betrag von 1.800 EUR.
4
Die Parteien streiten im Wesentlichen um die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Neupreis des Fahrzeuges zu ersetzen oder nicht.
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Die Beklagte verweist auf A. 2.6.2. der dem Versicherungsvertrag zu Grunde liegenden AKB.
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Der Kläger ist der Auffassung, die Voraussetzungen für die Zahlung der Entschädigung nach den Versicherungsbedingungen der Beklagten seien vorliegend gegeben, da er zum Zeitpunkt des Ereignisses Eigentümer des Fahrzeugs gewesen sei und das Fahrzeug von der Firma A. als Neufahrzeug erworben habe, da dieses zuvor noch nicht zugelassen gewesen sei. In den Versicherungsbedingungen sei der vorliegende Fall nicht geregelt, dass das für den Käufer neue Fahrzeug einen Transportschaden aufweise, sei es bei der Überführung vom Hersteller zum Händler oder sei es vom Händler zum Käufer. Nach den Versicherungsbedingungen der Beklagten komme es aber als Voraussetzung für die Entschädigung allein darauf an, dass das vom Versicherungsnehmer vom Händler oder vom Hersteller erworbene technisch neue Fahrzeug in seinem Ersteigentum stehe und die vereinbarte Frist zwischen Erstzulassung und Schadensereignis noch nicht abgelaufen sei.
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Weiterhin macht der Kläger Bergungs- und Standkosten in Höhe von 789,58 EUR geltend.
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Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Hinsichtlich der Begründung des erstinstanzlichen Urteils, gegen welches sich der Kläger mit seiner Berufung wendet, wird auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen. Der Kläger verfolgt sein erstinstanzliches Klagebegehren weiter.
10
II.
Die zulässige Berufung ist nur zu einem geringen Teil begründet.
11
Der Kläger hat gegen die Beklagte aufgrund des zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrages entgegen seiner Auffassung keinen Anspruch auf Entschädigung in Höhe des Neuwertes für das versicherte Fahrzeug gemäß A.2.6.2 der zwischen den Parteien vereinbarten Versicherungsbedingungen. Zwar wurde das Fahrzeug erstmals auf dem Kläger zugelassen und befand sich im Zeitpunkt seiner Zerstörung immer noch in dessen Eigentum. Es war vom Hersteller an den Händler ausgeliefert worden und hatte auch keine längeren Standzeiten hinter sich. Gleichwohl kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger diesen Wagen als Neufahrzeug vom Händler erworben hat. Für die Frage, ob ein PKW ein Neufahrzeug im Sinne der Versicherungsbedingungen darstellt, kann nicht allein darauf abgestellt werden, dass es vom Händler oder vom Hersteller unmittelbar an den Anspruch stellenden Versicherungsnehmer veräußert wurde und dass es noch nicht auf einen Dritten zugelassen gewesen war. Auch kann nicht allein von Bedeutung sein, dass es aus der laufenden Serie stammt und damit technisch den gleichen Standard aufweist wie andere Fahrzeuge, die von diesem Fabrikat zur gleichen Zeit als Neuwagen veräußert werden. Zu beachten sind vielmehr alle mit dem Fahrzeug verbundenen Umstände. Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass das Fahrzeug auf dem Transport in erheblichem Umfang beschädigt worden war und nicht nur einen geringen Blechschaden, sondern einen erheblichen Dachrahmenschaden erlitten hatte. Auch wenn das Auto technisch den neuesten Anforderungen entsprach, hätte der Händler, wenn er selbst den Schaden beseitigt h ätte, dieses Fahrzeug nicht mehr als Neufahrzeug zu dem hierfür angemessenen Preis veräußern können. Er hätte einen möglichen Käufer über Art und Umfang des Schadens aufklären müssen und damit wäre das Fahrzeug für einen Käufer, der sich einen Neuwagen zulegen wollte, nicht mehr von Interesse gewesen.
12
Dementsprechend hat der Kläger, der den Pkw in beschädigtem Zustand erworben hat, auch gegenüber einem Netto-Neupreis eine Preisreduktion von annähernd 50% erhalten. Dieses Geschäft kann nicht - so wie der Kläger dies meint - so angesehen werden, dass er ein Neufahrzeug zu einem "Schnäppchen-Preis" erworben hat, er hat vielmehr ein erheblich beschädigtes Unfallfahrzeug zu einem angemessen herabgesetzten Preis erhalten. Soweit der Kläger geltend macht, dass er die Neupreisentschädigung von der Beklagten erhalten hätte, wenn das Fahrzeug den in Rede stehenden Schaden erst erlitten hätte, nachdem er es gekauft hatte, ist dieses Argument, nicht geeignet im vorliegenden Fall einen Anspruch auf eine Neupreisentschädigung zu begründen. In dem vom Kläger dargestellten Fall hätte er eben ein Neufahrzeug zu dem dafür angemessenen Preis erworben gehabt und die entsprechende Beschädigung wäre erst in seiner Besitzzeit eingetreten und hätte damit die Eigenschaft des Fahrzeugs als Neufahrzeug beim Erwerb nicht tangiert.
13
Auch unter dem Gesichtspunkt eines Schadensersatzes wegen unzulässiger Verzögerung der Auszahlung der Versicherungsleistungen kann der Kläger von der Beklagten eine Entschädigung auf Neupreisbasis nicht verlangen. Im Rahmen des Schadensersatzes wird nur der reale Vermögensschaden ersetzt, und das bedeutet bei einem gebrauchten, bereits annähernd ein Jahr alten Fahrzeug, dass nach Schadensersatzgesichtspunkten lediglich der Zeitwert zu erstatten ist.
14
Weiterhin hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Erstattung der Bergungskosten in Höhe von 138,06 EUR. Gemäß der Regelung in den Versicherungsbedingungen werden bei einer Beschädigung des Fahrzeugs die Kosten für das Abschleppen vom Schadensort bis zur nächstgelegenen für die Reparatur geeigneten Werkstatt ersetzt. Bei einem Totalschaden, wie er hier vorliegt, sind diese Kosten nicht zu ersetzen (Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., AKB 2008 A.2.7 ff. Rdn.21). Zwar behauptet der Kläger in seiner Berufungsbegründung, dass die Beklagte als Kaskoversicherer nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag diese Kosten erstatten müsse. Er hat jedoch keine Vertragsunterlagen vorgelegt, aus denen sich zu seinen Gunsten eine Erstattungspflicht der Beklagten für Bergungskosten auch im Falle eines Totalschadens ergeben.
15
Als Verzugsschaden hat die Beklagte dem Kläger jedoch den insoweit geltend gemachten Teil der Standkosten sowie Zinsen für die Zeit ab Verzugseintritt bis zur Zahlung des von ihr geschuldeten Betrages zu erstatten. Die Beklagte hat insoweit schuldhaft verzögerlich keine Regulierung vorgenommen, obwohl aufgrund des von ihr eingeholten Gutachtens bereits feststand, welchen Betrag sie mindestens schuldete, und obwohl der Hersteller des Pkws ihr bereits Erstattung zugesagt hatte. Der Kläger war auch berechtigt, das Fahrzeug noch nicht zu verwerten, solange die Beklagte ihre Leistungspflicht nicht anerkannt hatte. Er konnte aufgrund des Verhaltens der Beklagten nicht wissen, ob und welche Einwendungen sie gegen ihre Leistungspflicht erheben würde und ob unter Umständen das Fahrzeug nicht einer weiteren Begutachtung entweder durch ihn selbst oder für ein gerichtlich einzuholendes Gutachten zugeführt werden müsste.
16
Da das Landgericht auch in diesen beiden Punkten die Klage abgewiesen hat, ist auf die Berufung des Klägers das landgerichtliche Urteil entsprechend abzuändern. Im Übrigen bleibt es bei der Klageabweisung. Insoweit ist die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
17
Das landgerichtliche Urteil ist auch hinsichtlich der Kostenentscheidung zulasten der Beklagten noch weitergehend abzuändern. Die Beklagte hat erst nach Klageerhebung den von ihr unstreitig geschuldeten Betrag von 22.050 EUR an den Kläger gezahlt. Im Umfang dieses Betrages war die Klage bis zum Zeitpunkt der Zahlung begründet gewesen, so dass die Beklagte, die keine rechtfertigende Begründung für ihre Nichtzahlung vorgetragen hat, auch in diesem Anteil die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.
18
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 91a, 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
19
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.
20
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.094,58 EUR festgesetzt.