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  • · Fachbeitrag · Abtretung

    Neue Kampagne der Versicherer gegen die Abtretung der Ansprüche durch den Geschädigten

    | Versicherer lieben die Schadenregulierung „auf Abtretung“, weil damit der Geschädigte selbst aus der Regulierung herausgehalten wird. Wehe aber, ein Vermieter, ein Abschleppunternehmer, ein Schadengutachter oder eine Werkstatt besinnen sich darauf, dass sie sich aus abgetretenem Recht aus eigener Kraft gegen Kürzungen wehren können! Dann wendet der Versicherer, der eben noch die Abtretung bedient hat und es im nächsten Fall auch wieder tun wird, ein, die Abtretung sei doch unwirksam. Und folglich könne auf deren Grundlage keine Klage erhoben werden. Das ist falsch. |

    Erst war da die Sache mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz

    Vor Jahren lautete der Einwand, die Abtretung sei nichtig, weil sie gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) verstoße. Das hat der BGH geklärt, und zwar ganz und gar nicht im Sinne der Versicherer (BGH, Urteil vom 31.1.2012, Az. VI ZR 143/11, Abruf-Nr. 120454, in Verbindung mit BGH, Urteil vom 11.9.2012, Az. VI ZR 297/11, Abruf-Nr. 123066).

     

    Solange es nicht von Anfang an Streit um die Haftung als solche („Wer ist schuld?“) gibt, ist die Klage aus der Abtretung heraus möglich.

    Danach kam der Bestimmtheitseinwand

    Der nächste Einwand lautete, die Abtretungen seien zu unbestimmt. Jedenfalls für die Formulare mancher Anbieter war da was dran (BGH, Urteil vom 7.6.2011, Az. VI ZR 260/10, Abruf-Nr. 112299). Allerdings haben daraufhin alle Formular-Anbieter ihre Hausaufgaben gemacht und Formulierungen an das BGH-Urteil angepasst. Auch dieser Kritikpunkt ist seit Jahren beseitigt.

    Und nun: Angebliche Unwirksamkeit nach dem AGB-Recht

    Weil aber die Klagen aus abgetretenem Recht den Versicherern ein Dorn im Auge sind (die Geschädigten wollen ja offensichtlich nicht selbst in die Schlacht ziehen, und ohne die Möglichkeit aus abgetretenem Recht zu klagen, wäre Ruhe an der Front), hat nun jemand eine neue Attacke ersonnen.

     

    Seit einiger Zeit beschäftigt folgender Einwand der Versicherer die Gerichte: Unter Anwendung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sei der Geschädigte, der seine Forderung abtritt, unzumutbar benachteiligt. Daher sei die Abtretung nach § 307 BGB unwirksam.

     

    Wichtig | Da der Einwand immer häufiger und von verschiedenen Versicherern kommt, nehmen wir an, dass das ein Ergebnis gemeinsamer Überlegungen verschiedener Versicherer, und nicht die Idee eines Einzelnen ist.

     

    Das Abtretungsformular ist eine AGB

    Richtig ist zunächst einmal, dass das Abtretungsformular als AGB im Sinne des BGB einzuordnen ist. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB definiert nämlich:

     

    •  § 305 Abs. 1 S. 1 BGB

    „Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt.“

     

    Das Formular ist für eine Vielzahl von Verwendungen vorformuliert, und es wird dem Geschädigten vom Autovermieter oder Abschleppunternehmer, vom Schadengutachter oder von der Werkstatt diskussionslos vorgelegt. Damit unterliegt es der Kontrolle durch das AGB-Recht.

     

    Die Versicherer berufen sich in der aktuellen Kampagne auf § 307 Abs. 1 BGB.

     

    •  § 307 Abs. 1 BGB

    „Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.“

     

    Die angebliche unangemessene Benachteiligung

    Die These der Versicherer lautet: Der Geschädigte tritt seine Schadenersatzforderung auf Erstattung einer Schadenposition ab. Zum Beispiel die Schadenersatzforderung auf Erstattung der Reparaturkosten an die Werkstatt. Gleichzeitig allerdings entlässt die Werkstatt den Geschädigten in der Rolle des Kunden der Werkstatt nicht aus der Werklohnforderung. So könne die Werkstatt zweimal kassieren, einmal beim Versicherer und einmal beim Kunden.

     

    Oder die Werkstatt könne, wenn ihr der Kampf gegen den Versicherer zu mühsam werde, umschalten und die Reste beim Kunden einfordern. Der wiederum könne nun den Kampf gegen den Versicherer nicht mehr aufnehmen, weil er die Schadenersatzansprüche nach der Abtretung nicht mehr in den Händen halte. In beiden Fällen wäre der Kunde diesem Treiben der Werkstatt ungeschützt ausgeliefert. Darin liege die unangemessene Benachteiligung.

     

    Der Versicherer kann das formal einwenden

    Die erste Frage ist: Kann der Versicherer diesen Einwand überhaupt bringen oder steht der Einwand aus § 307 BGB nur dem Geschädigten zu? Die Frage ist zugunsten des Versicherers zu beantworten: Er muss ja vor unwirksamen Abtretungen geschützt sein, damit er nicht doppelt in Anspruch genommen werden kann. Eine Zahlung auf eine unwirksame Abtretung hätte im theoretischen Extremfall zur Folge, dass er zweimal zahlen muss. Also steht ihm der gleiche Einwand zu wie dem Geschädigten gegen die Abtretung. So war es auch bei den Streitigkeiten um das „RDG“ und die „Bestimmtheit“.

     

    Inhaltlich ist da aber nichts dran

    Es steht außer Zweifel, dass die Abtretungen, wie sie verwendet werden, in aller Regel Abtretungen „erfüllungshalber“ sind. Das bedeutet: Es wird nicht mit der Abtretung bezahlt, sondern die Werklohnforderung bleibt bestehen. Zahlungen des Versicherers auf die abgetretene Forderung werden auf die Werklohnforderung (bzw. die Mietzinsforderung bei Autovermietungen) angerechnet. Soweit Geld geflossen ist, erlischt also die Werklohnforderung (bzw. die Mietzinsforderung). Das ist die automatische Folge einer solchen Abtretung. Insoweit ist nun überhaupt nicht zu befürchten, dass die Werkstatt oder der andere Dienstleister doppelt kassiert.

     

    So hat es juristisch blitzsauber das AG Bad Neustadt an der Saale (Urteil vom 9.3.2016, Az. 1 C 568/14, Abruf-Nr. 146678, eingesandt von Rechtsanwalt Gernot Spieß, Münnerstadt) herausgearbeitet.

     

    Dass offen gebliebene Reste, die vom Versicherer nicht erstattet wurden (sei es wegen einer Mithaftungsquote, sei es eine Vorteilsausgleichsposition wie eine Wertverbesserung, ein Neu-für-alt-Abzug oder ersparte Eigenkosten), noch immer vom Geschädigten als Kunden der Werkstatt, des Abschleppunternehmers, des Sachverständigen oder des Autovermieters geschuldet werden, ist ebenfalls eine ganz normale und den Kunden in keiner Weise benachteiligende Folge der Abtretung erfüllungshalber. Sie soll ja gerade nicht „die Zahlung“ sein, sondern nur den Geschädigten im Rahmen des nach dem RDG Zulässigen entlasten. Außerdem soll sie dem Dienstleister Sicherheit geben.

     

    Rückabtretungsanspruch aus Treu und Glauben

    Eine weitere rechtliche Selbstverständlichkeit einer solchen Abtretung ist es, dass der Geschädigte die Rückübertragung der abgetretenen Forderung verlangen kann, wenn sich der Empfänger der Abtretung, hier also die Werkstatt etc., entscheidet, das Geld vom Kunden haben zu wollen. Das folgt aus dem Grundsatz von Treu und Glauben sowie aus allgemeinen Vertragsauslegungsgrundsätzen.

     

    Das haben die folgenden beiden Gerichte deutlich herausgearbeitet:

     

     

    Der seltene Fall einer Abtretung „an Erfüllung statt“

    Ganz selten, aber manchmal eben doch, werden Abtretungen „an Erfüllung statt“ verwendet. Das bedeutet: Mit der Abtretung hat der Geschädigte in seiner Rolle als Kunde „bezahlt“. Die Werkstatt etc. kann dann über die Zahlung des Versicherers hinaus vom Kunden nichts mehr verlangen. Dann stellen sich obige Fragen per se nicht, weil der Kunde „draußen“ ist.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Textbaustein 412: Keine Nichtigkeit der Abtretung gemäß § 307 BGB (H). Der Textbaustein ist zur Verwendung durch Ihren Rechtsanwalt bestimmt.
    Quelle: Ausgabe 04 / 2016 | Seite 10 | ID 43946168