· Fachbeitrag · Fiktive Abrechnung
Verweis auf andere Kfz-Werkstatt: Die muss davon wissen und einverstanden sein
| Wenn der Versicherer auf eine andere Kfz-Werkstatt und deren niedrigere Preise verweist, ist das - wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen - nur von Bedeutung, wenn die benannte Werkstatt davon weiß und einverstanden ist, entschied das LG Memmingen. Ein der „UE“-Redaktion vorliegendes Schreiben des Geschäftsführers einer Berliner Werkstatt an das Gericht passt dazu wie die Faust aufs Auge. |
Es ist kein Geheimnis, dass die Versicherer immer wieder auf Preise von Werkstätten verweisen, die niemals erklärt haben und auch nicht erklären werden, dass sie das betroffene Fahrzeug zu dem genannten Gesamtpreis reparieren würden. Letzteres ist aber die Mindestvoraussetzung sagt das LG Memmingen (Urteil vom 25.2.2015, Az. 11 S 1713/14, Abruf-Nr. 144102, eingesandt von Rechtsanwältin Birgit Schwarz, Weißenhorn).
Ein Vorgang aus Berlin unterstreicht die Richtigkeit mit Nachdruck
Dass diese Entscheidung sinnvoll ist, zeigt ein Vorgang, der jüngst aus einem Rechtsstreit vor dem AG Berlin bekannt geworden ist. Der als Zeuge benannte Geschäftsführer eines Betriebs, der für die Gleichwertigkeit im Prozess vom Versicherer genannt wurde, schreibt an das Gericht:
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Nachfolgende Erklärung gebe ich zu dem Rechtsstreit S./.XY-Versicherung AG ab: Ich kann und werde keine kostengünstige Reparatur bestätigen können aus nachfolgend genannten Gründen:
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Ergebnis: Meine möglicherweise geringeren Stundenverrechnungssätze als „freier typenoffener“ Reparaturbetrieb sind auf keinem Fall gleichbedeutend geringere Reparaturkosten als ein markengebundener Reparaturbetrieb.
Ohne Prüfung kann keine Aussage von mir erfolgen. |
Mit gleicher Post hat der Betrieb dem Versicherer mit Nachdruck mitgeteilt, man möge ihn von der Liste der benannten Werkstätten streichen.
Das spricht Bände und ist kein Einzelvorgang
Dieser Vorgang spricht Bände. Die Benennung der Werkstätten erfolgt oft ins Blaue hinein. Es ist aus Berlin ein weiterer Vorgang bekannt, bei dem die Witwe des verstorbenen Betriebsinhabers dem Gericht wiederholt mitteilte, dass die Werkstatt nach dem schon länger zurückliegenden Tod Ihres Gatten geschlossen wurde. Auch das zeigt: Den Verweisen ist mit gesunder Skepsis zu begegnen.
Generelles zur fiktiven Abrechnung
Die Kfz-Branche hat zur fiktiven Abrechnung ja eine gespaltene Haltung.
- Einerseits missfällt ihr, dass eine Abrechnung der Schäden möglich ist, ohne das deutsche Handwerk zu beschäftigen. Da freut man sich manchmal diebisch, wenn der Geschädigte möglichst wenig Geld bekommt.
- Andererseits wird auch immer mal ein Fahrzeug unrepariert in Zahlung genommen, obwohl nur ein Reparaturschaden eingetreten ist. Dann wird auch fiktiv abgerechnet. Und dann fehlt plötzlich das Geld, wenn der Schaden heruntergerechnet wird. Hinzu kommt: Mit einer Rechtsprechung, die dem Geschädigten bei der fiktiven Abrechnung immer weniger Geld zugesteht, steigen die Motivation und das Engagement der Versicherer, den Geschädigten in die fiktive Abrechnung zu treiben. Denn billiger geht es für den Versicherer nimmer:
- 19 Prozentpunkte Mehrwertsteuer gespart.
- Kein Risiko von Ausfallzeitverlängerungen durch Ersatzteilrückstände und andere Widrigkeiten.
- Kein Werkunternehmerpfandrecht nach der Reparatur.
- Kein Prognoserisiko, das sich verwirklichen könnte.
- Und wenn das Fahrzeug abermals in einen Unfall verwickelt wird, kann der Geschädigte nicht beweisen, dass vollständig repariert wurde. Dann bekommt er beim nächsten Schaden im schlimmsten Fall gar nichts.
Weiterführende Hinweise
- Beitrag „Wenn ein Ersatzteil nach Erstellung des Gutachtens plötzlich fast das Doppelte kostet“, UE 4/2015, Seite 16 (zu Punkt 4 des obigen Schreibens)
- Beitrag „Vorschadenproblem verschärft sich zunehmend“, UE 4/2015, Seite 17
- Beitrag „Fiktive Abrechnung: Ein Versicherer legt jetzt konkrete Angebote vor“, UE 3/2015, Seite 7