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  • · Fachbeitrag · Kasko

    Kasko-Reparatur über den Wiederbeschaffungswert hinaus ‒ das müssen Sie dazu wissen

    | Aufgrund der Lage am Neuwagenmarkt und am Markt der jüngeren Gebrauchtwagen mit dem sehr reduzierten Angebot rückt immer häufiger auch für Kaskoversicherungsnehmer ins Blickfeld, ein junges Fahrzeug bei einem Kaskoschaden mit hohen Reparaturkosten reparieren zu lassen. Das auch dann, wenn die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert (WBW) überschreiten. Denn ein Totalschaden, der zur Abschaffung des verunfallten Fahrzeugs führt, führt dann ggf. auch in eine lange Zeit ohne Auto. UE stellt Ihnen die Details zur Kasko-Reparatur über den WBW vor. |

    Die 130-Prozent-Rechtsprechung gilt bei Kaskoschäden nicht

    Klar ist: Die Möglichkeit der Reparatur bis zu 30 Prozent über den WBW auf Kosten des Versicherers gibt es nur beim Haftpflichtschaden. Für den Kaskoschaden gilt die 130-Prozent-Rechtsprechung nicht. Dennoch: Auch bei Kaskoschäden geht mehr, als die meisten meinen und die Versicherer vorgaukeln.

     

    Konkreten Versicherungsvertrag einsehen

    Alle nachfolgenden Ausführungen basieren auf den Musterbedingungen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in der Fassung AKB 2015 ‒ Stand: 28.05.2021.

     

    Wie immer bei Kaskoschäden: Es muss im Vertrag des Kunden mit seinem Kaskoversicherer nachgelesen werden, ob die Dinge dort genauso geregelt sind. Das allerdings ist bei diesem Thema sehr wahrscheinlich, weil aus AGB-rechtlichen Gründen eine abweichende Regelung nach unserer Auffassung nicht möglich ist, weil die Kaskoversicherung eine Sachversicherung ist.

     

    Und noch etwas: Das Nachfolgende gilt nur bei „echten“ Kaskoverträgen. Es gibt auch Versicherungen, die für Eigenschäden eintreten, bei denen aber nicht das Fahrzeug, sondern eine Situation versichert ist.

     

    • Beispiel aus der Vermögensschadenversicherung

    Wohl jeder Sportverein unterhält eine Sportversicherung. Grundsätzlich deckt die auch den Fahrzeugschaden ab, wenn ein Mitglied des Vereins auf einer „Vereinsdienstfahrt“ verunfallt und den Schaden wegen Eigenverschuldens ganz oder teilweise selbst tragen müsste. Allerdings ist das keine Sachversicherung, sondern eine Vermögensschadenversicherung. Nach den am häufigsten verwendeten Bedingungen ist die Maximalzahlung der WBW abzüglich des Restwerts, also der Wiederbeschaffungsaufwand. Eine Reparatur über den Wiederbeschaffungsaufwand hinaus ist damit ‒ anders als in der „echten“ Vollkaskoversicherung ‒ nicht möglich.

     

    Ähnlich ist das beim Versicherungsschutz für Feuerwehrleute im Einsatz oder bei der Versicherung für Schäden auf Dienstreisen des Arbeitnehmers, der sein privates Fahrzeug absprachegemäß für die Dienstreise genutzt hat.

     

    Alles „minus Selbstbeteiligung“

    Von allen nachfolgend gefunden Ergebnissen muss jeweils die Selbstbeteiligung in der Höhe abgezogen werden, wie sie im Vertrag vereinbart ist.

    Die Definition des Totalschadens in der Kaskoversicherung

    Bei Kaskoschäden enthalten die Versicherungsverträge regelmäßig eine Definition des Totalschadens. In den AKB 2015 des GDV heißt es in A.2.5.1.5:

     

    • Klausel A.2.5.1.5 AKB 2015

    Ein Totalschaden liegt vor, wenn die erforderlichen Kosten der Reparatur des Fahrzeugs dessen Wiederbeschaffungswert übersteigen.

     

    Liegen die erforderlichen Kosten der Reparatur hingegen unterhalb des WBW, nennt man das in der Kaskoversicherung „Beschädigung“.

     

    Bei Beschädigung geht alles

    Bei Reparaturkosten, die unterhalb des WBW liegen, also bei der Beschädigung des Fahrzeugs, geht alles. Denn der Wiederbeschaffungsaufwand, also die Differenz aus WBW minus Restwert, stellt dabei keine Grenze dar. Also kann bei Schäden oberhalb des Wiederbeschaffungsaufwands, aber unterhalb des WBW, auf Kosten des Versicherers repariert werden. Aber bedingungsgemäß muss die Reparatur dafür vollständig und fachgerecht sein.

     

    Die Regelung zur Höchstgrenze in der „echten“ Kaskoversicherung

    Auf der Suche nach der Obergrenze der Reparatur auf Kosten des Versicherers ist zunächst die Klausel A.2.5.1 in den Blick zu nehmen. Die lautet:

     

    • Klausel A.2.5.1 AKB 2015

    Bei Totalschaden, Zerstörung oder Verlust des Fahrzeugs zahlen wir den Wiederbeschaffungswert unter Abzug eines vorhandenen Restwerts des Fahrzeugs. Lassen Sie Ihr Fahrzeug trotz Totalschadens oder Zerstörung reparieren, gilt A.2.5.2.1.

     

    Der zweite Satz der Klausel regelt also die Reparatur trotz Totalschadens, indem er auf den Inhalt einer anderen Klausel verweist.

     

    Die Obergrenze bei vollständiger und fachgerechter Werkstattreparatur

    Wenn der Versicherungsnehmer, also Ihr Kunde, sein Fahrzeug trotz den WBW übersteigender Reparaturkosten, also trotz eines Totalschadens reparieren lässt, gilt folglich durch diese Verweisung die Beschädigungsklausel A.2.5.2.1. Wegen der Verweisung gilt die trotz ihres Wortlauts auch für Fälle der Reparatur von Totalschäden. Sie lautet, verkürzt auf das hier Relevante:

     

    • A.2.5.2.1 AKB 2015

    Wird das Fahrzeug beschädigt, zahlen wir die für die Reparatur erforderlichen Kosten bis zu folgenden Obergrenzen:

    • a. Wenn das Fahrzeug vollständig und fachgerecht repariert wird, gilt:
    • Wir zahlen die hierfür erforderlichen Kosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts nach A.2.5.1.6, wenn Sie uns dies durch eine Rechnung nachweisen.
     

    Das bedeutet: Wenn das total beschädigte Fahrzeug vollständig und fachgerecht, also strikt nach dem Schadengutachten repariert und darüber die Rechnung vorgelegt wird, muss der Versicherer die Kosten bis zum WBW tragen. Den überschießenden Teil legt der Kunde drauf. So lässt sich manches Auto mit kleiner oder erträglicher Zuzahlung des Kunden retten, wenn der sich bei der aktuellen Marktlage nicht davon trennen kann.

     

    Die Rechnungslegung

    Viele meinen, die Rechnung dürfe den WBW nicht übersteigen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Der Totalschaden hat per Definition Reparaturkosten, die oberhalb des WBW liegen. Und der Schaden muss vollständig und fachgerecht instandgesetzt werden. Der Nachweis wird durch die Rechnung geführt. Also muss diese die vollen ‒ über dem WBW liegenden ‒ Kosten ausweisen.

     

    Kosten senken mit Gebrauchtteilen?

    Wenn es denn unbedingt aus Rücksicht auf den Kunden sein muss und wenn Gebrauchtteile entsprechenden Alters und Erhaltungszustands verfügbar sind, geht die Reparatur mit Gebrauchtteilen nach unserer Auffassung in Ordnung. Ein Urteil dazu können wir aber nicht präsentieren.

    Nachbesichtigung durch den Versicherer zulassen?

    Man kann daran fühlen, dass dem Kaskoversicherer diese hohen Reparaturkosten nicht schmecken. Er wird evtl. durch eine Nachbesichtigung nachweisen wollen, dass die Reparatur nicht vollständig und fachgerecht ist.

     

    Der Nachweis der vollständigen und fachgerechten Reparatur wird lt. der vom Versicherer verwendeten Klausel durch Vorlage der Rechnung geführt. Das LG Nürnberg-Fürth hat die Klausel beim Wort genommen, als ein Versicherer nachbesichtigen wollte. Dazu habe er nach seiner eigenen Klausel kein Recht, denn die vollständige und fachgerechte Reparatur sei bereits nachgewiesen (LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 16.09.2013, Az. 8 O 6658/12, Abruf-Nr. 133470). Ob das andere Gerichte auch so sehen, ist nicht sicher. Und vor allem: Bestätigt die Nachbesserung die vollständige und fachgerechte Reparatur, ist das eine schnelle Lösung. Die andere führt ziemlich sicher über den Rechtsweg.

    Behaltefrist von sechs Monaten?

    Unklar ist, ob mangels konkreter Regelung im Kaskovertrag die sechsmonatige Behaltefrist aus dem Haftpflichtschadenrecht auf diese Fallgruppe zu übertragen ist. Wer sicher gehen will, geht vorsichtshalber davon aus.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Textbaustein 545: Kasko-Reparatur über WBW hinaus möglich (K) → Abruf-Nr. 48360777
    Quelle: Ausgabe 06 / 2022 | Seite 15 | ID 48358291