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  • · Fachbeitrag · Reparaturkosten

    Versicherer fordert zu Unrecht Regress von der nach Gutachten reparierenden Werkstatt

    | Das Schadenrecht schützt den Geschädigten in der Weise, dass er sich auf das Schadengutachten verlassen und den Auftrag erteilen darf, gemäß Gutachten zu reparieren. Dann, so hat auch ein Versicherer mal erkannt, muss dem Geschädigten der Schaden in diesem Umfang ersetzt werden. Nun aber will dieser Versicherer Regress von der Werkstatt, weil diese überflüssige Arbeiten vorgenommen habe. Ein UE-Leser fragt: Zurecht? Antwort: „Nein“. |

     

    Frage: Ein Versicherer schreibt uns: „Wir haben Ihre Werkstattrechnung geprüft und festgestellt, dass nicht alle Rechnungspositionen zur Beseitigung des Schadens erforderlich waren. Gleichwohl mussten wir Ihren Rechnungsbetrag Ihrem Kunden gegenüber in voller Höhe erstatten, da wir nicht erwarten können, dass er fachkundig genug ist, die unberechtigten Positionen in Ihrer Rechnung zu erkennen. Sie haben im Rahmen der Vertragsdurchführung eine Pflichtverletzung begangen, die zu einem erhöhten, nicht zur Schadenbeseitigung erforderlichen Regulierungsaufwand geführt hat. Als eintrittspflichtiger Versicherer sind wir in den Vertrag, den Sie mit Ihrem Kunden geschlossen haben, einbezogen (Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter). Aus diesem Grund haben wir Ihnen gegenüber einen Erstattungsanspruch. Wir fordern Sie auf, uns die Differenz in Höhe von 811,71 Euro, die sich aus dem Prüfbericht ergibt, bis zum 31.12.2015 auf das unten genannte Konto zu überweisen.“ Wir haben uns bei der Reparatur an das Schadengutachten gehalten. Unterstellt, es gebe wirklich überflüssige Positionen: Hat der Versicherer dann wirklich einen Anspruch gegen uns?

     

    Antwort: Es ist interessant und vielleicht ein Vorbote einer neuen Strategie, dass der Versicherer diesen Weg geht. Den behaupteten Anspruch hat er aber jedenfalls nicht.

    Die behauptete Anspruchsgrundlage gibt es nicht

    Das beginnt schon bei der behaupteten Anspruchsgrundlage. Richtig ist, dass es in seltenen Ausnahmefällen die Hilfskonstruktion des „Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter“ gibt. Bei der Unfallschadenabwicklung sieht die Rechtsprechung den Versicherer allerdings nur in den Schutzbereich des zwischen dem Geschädigten und dem Gutachter bestehenden Vertrags einbezogen, aber nicht in den mit der Werkstatt. Diese enge Ausnahme wird damit gerechtfertigt, dass der Geschädigte dem Schadengutachten nahezu ausnahmslos vertrauen darf. Der Versicherer wäre dem dann tatsächlich schutzlos ausgeliefert, was nicht sein soll.

     

    Teilweise wird die Ansicht vertreten, der Versicherer könne sich vom Geschädigten Ansprüche gegen die Werkstatt abtreten lassen (§ 255 BGB analog). Dann wäre der Anspruch ggf. formal begründet, aus nachfolgend beschriebenem Grund aber auch nicht gegeben.

    Der Anspruch als solcher besteht ebenfalls nicht

    Der Anspruch besteht nicht, weil es die vom Versicherer behauptete Pflichtverletzung nicht gibt. Sie haben pflichtgemäß genau das getan, was der Kunde beauftragt hat: Sie haben im Rahmen der gutachterlichen Feststellungen den Schaden am Fahrzeug beseitigt.

     

    Eine Pflicht gegenüber dem Versicherer haben Sie schon deshalb nicht verletzt, weil es keine Rechtsbeziehungen zwischen Ihnen und dem Versicherer gibt. In dem von Ihnen beschriebenen Fall hat der Kunde ja offensichtlich auch selbst mit dem Versicherer abgerechnet, und ebenso offensichtlich war er dabei sehr gut beraten. Denn es ist alles andere als üblich, dass der Versicherer einsieht, da nichts kürzen zu können. Ließe sich der Versicherer nach obiger Rechtsmeinung Ansprüche des Kunden gegen Sie analog § 255 BGB abtreten, hätte er zwar einen formalen Anspruch, aber der wäre inhaltsleer.

    Und wenn die Werkstatt aus abgetretenem Recht abrechnet?

    In Ihrem Fall ist ja Geld vom Versicherer an den Geschädigten, also Ihren Kunden geflossen. Variiert man den Fall so, dass Sie direkt mit dem Versicherer abrechnen, bleibt das Ergebnis identisch. Denn Sie machen ja nicht Ihren Werklohn beim Versicherer geltend, sondern den abgetretenen Schadenersatzanspruch des Geschädigten.

     

    Dennoch behaupten Versicherer, sie könnten in der Situation Ihnen gegenüber mit diesem behaupteten Regressanspruch aufrechnen. Mit einem nicht bestehenden Anspruch kann man aber nicht aufrechnen. Tut er es dennoch, müssen Sie klagen. Das (Prozesskosten-)Risiko ist gering. Die Vortrags- und Beweislast für die angebliche aufrechenbare Forderung hat der Versicherer.

    Gegen den Schadengutachter kann das anders sein

    Die einzige Chance des Versicherers läge darin, gegen den Schadengutachter vorzugehen. Der ist ja in den Schutzbereich des Vertrags zwischen dem Geschädigten und dem Versicherer einbezogen. Da gibt es also einen Direktanspruch des Versicherers. Die behauptete Pflichtverletzung ist die Hereinnahme von Arbeitspositionen in das Gutachten, die nicht notwendig seien, auf die sich der Geschädigte aber nach den Regeln des Schadenersatzrechts verlassen dürfe. Das habe zu einem erhöhten Regulierungsaufwand geführt.

     

    Der Versicherer muss dann aktiv gegen den Schadengutachter vorgehen. Spätestens vor Gericht wird er erkennen, dass zwischen Überflüssigkeitsbehauptungen der Prüfdienstleister und tatsächlich überflüssigen Arbeiten ein Unterschied besteht. Die volle Vortrags- und Beweislast liegt bei ihm. Und dem Schadengutachter wird von der Rechtsprechung ein Ermessensspielraum zugebilligt. Deshalb sind bisher keine Vorgänge bekannt, in denen der Versicherer Ernst gemacht hat.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Textbaustein 408: Versicherer fordert Regress von der Werkstatt (H)
    Quelle: Ausgabe 01 / 2016 | Seite 7 | ID 43768236