· Fachbeitrag · Schadensteuerung
EuGH zum Schadenmanagement in Ungarn: Relevant für den deutschen Markt?
| Ein Urteil des EuGH zu einem in Ungarn auffälligen Aspekt der Zusammenarbeit von Versicherern und Autohändlern wird derzeit in der Branche heiß diskutiert. Die Einschätzungen gehen vom euphorischen „Damit ist das Schadenmanagement tot“ bis zum realistischeren „Das ist ohne Bedeutung“. |
Verkaufte Policen verbessern den Stundensatz
Worum geht es? In Ungarn schließen zwei Versicherer mit Autohändlern über deren Händlerverbände Vereinbarungen ab, die die Stundenverrechnungssätze mit dem Vertriebserfolg von Versicherungsprämien kombinieren. Es werden jährlich die Basisstundensätze für Unfallreparaturen ausgehandelt. Die kann der Autohändler aber für sich verbessern, indem er beim Verkauf von Neu- und Gebrauchtwagen Versicherungsverträge für die jeweilige Gesellschaft vertreibt. Je erfolgreicher er dabei ist, desto höher wird sein Stundenverrechnungssatz.
Das ungarische Kartellamt hat diese Art der Zusammenarbeit verboten, die Versicherer haben dagegen geklagt, und das oberste ungarische Gericht hat beim EuGH um eine sogenannte Vorabentscheidung gebeten.
Verknüpfung ist nicht per se verboten
Der EuGH hat darauf hingewiesen, dass eine solche Verknüpfung nicht automatisch kartellrechtswidrig sei. Das sei sie erst, wenn sie den erkennbaren Zweck habe, den Wettbewerb entweder auf dem Markt des Versicherungsvertriebs oder auf dem Markt der Unfallschadenreparatur erheblich zu schwächen. Das muss jetzt das ungarische Gericht prüfen (EuGH, Urteil vom 14.3.2013, Rs. C 32/11 - Allianz Hungária Biztosító u.a.; Abruf-Nr. 131019).
Das ist kein Verbot von „Partnerschaften“
Also hat der EuGH nicht, wie man in Internetforen liest, die Zusammenarbeit von Versicherern und Autohändlern verboten.
Für deutsche Verhältnisse ist auch sofort erkennbar, dass der Versicherer, der dem Marktkenner beim Thema „Partnerwerkstätten“ als erster einfällt, wohl nicht betroffen ist. Denn der vertreibt seine Policen nicht strategisch über die Werkstätten, zumal die Mehrzahl dessen Partnerwerkstätten gar nicht mit Fahrzeugen handelt.
Da muss man wohl eher an die „Versicherungsdienste“ denken, deren „Vorname“ jeweils der einer Automarke ist. Und an die, die auf anderer Ebene Partnerschaften mit Herstellern und Händlerverbänden pflegen.
Aber auch da ist uns nicht bekannt, dass - wie in Ungarn - der Vertriebserfolg Einfluss auf die akzeptierten Reparaturpreise hat. Die Triebfeder der Autohändler ist da eher die jeweilige Provision und mehr noch die mit dem an den Mann gebrachten Kaskoversicherungsvertrag verbundene nicht unberechtigte Hoffnung, dass das später vielleicht einmal verunfallte Kundenfahrzeug nicht von einem anderen Versicherer „vom Hof geholt wird“.
Und wenn es solche Vereinbarungen doch gibt?
Unterstellt, im stillen Kämmerlein gäbe es solche Vereinbarungen nach ungarischem Vorbild doch, wären die zwar auch zweifelhaft. Denn in den grundlegenden Fragen ist das deutsche Kartellrecht dem ungarischen offenbar durchaus ähnlich. Aber das EuGH-Verfahren betrifft aktuell nur das durch das ungarische Kartellamt ausgesprochene Verbot. Bis das ungarische Gericht die Hausaufgaben aus Luxemburg abgearbeitet hat und noch mehr Details bekannt werden, wird auch noch eine Menge Zeit vergehen.
Jedenfalls könnten die kartellrechtlich spezialisierten Juristen der Versicherer und der Hersteller bzw. der Händlerverbände aufgrund des Luxemburger Fingerzeiges nun die Vereinbarungen überarbeiten und ein anderes Incentivsystem entwickeln. Solange die nicht bereits jetzt das deutsche Kartellamt im Nacken haben, wäre dazu komfortabel viel Zeit. Nota bene: Wenn es solche Vereinbarungen am deutschen Markt überhaupt gibt.
Ist das überhaupt der richtige Weg?
Die Erfahrung lehrt, dass das Verbot von Geschäftsmodellen eher nicht funktioniert. Denn es wird ja immer nur eine Ausprägung des Geschäftsmodells angegriffen und im Erfolgsfall verboten. Dann wird das um Nuancen geändert, und weiter geht’s.
Hinzu kommt: Nicht alles, was den einen oder anderen Marktteilnehmer hart trifft, ist verboten. So hat sich zum Beispiel die Allianz in Deutschland auch in der Berufung vor dem OLG München gegen die auf das Fairplay-Konzept gerichtete Unterlassungsklage eines Rechtsanwalts durchgesetzt, der darin einen Boykott zulasten der verkehrsrechtlich tätigen Rechtsanwälte sieht (OLG München, Urteil vom 17.1.2013, Az. 29 U 2338/12; Abruf-Nr. 131018).
Beachten Sie | Das Urteil des OLG zeigt die Schwierigkeiten. Ob das beim BGH anders beurteilt werden wird, steht in den Sternen.
Weiterführender Hinweis
- Beitrag „Wie weit reichen die „Regiemöglichkeiten“ der Versicherung des Schädigers?“, UE 10/2011, Seite 10