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  • · Fachbeitrag · Subjektbezogener Schadenbegriff

    Die neuen differenzierenden Prüfberichte des Marktführers ‒ und was davon zu halten ist

    | Nicht nur die Anwälte der Geschädigten testen aus, wie sich die Schadenregulierung durch die Rechtsprechung des BGH zum subjektbezogenen Schadenbegriff optimieren lässt. Die Juristen der Versicherer und derer Dienstleister schlafen auch nicht. Aktuell fällt ein sehr großer Kraftfahrtversicherer damit auf, dass er die Anwälte der Geschädigten anschreibt und ankündigt, nach Eingang der Vorteilsausgleichs-Abtretung die technischen Abzüge nachzuzahlen, weitere Abzüge jedoch nicht. Denn die hätten gar nichts mit dem Unfallschaden zu tun. UE erläutert, was davon zu halten ist. |

    Werkstattrisiko und Ausnahmen ‒ und die BGH-Passage

    Im Grundsatz ist es richtig, dass in den Reparaturkosten Anteile enthalten sein können, die von der Anwendung der Erleichterungen durch das Werkstattrisiko ausgenommen sein können. Denn der BGH sagt zu den Grenzen des subjektbezogenen Schadenbegriffs: „Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass das Berufungsgericht der Frage nachzugehen haben wird, inwieweit die Feststellungen des Sachverständigen darauf schließen lassen, dass die reparierten Fahrzeugschäden nicht unfallbedingt bzw. die durchgeführten Instandsetzungsarbeiten nicht Teil der Reparatur der Unfallschäden sind. Denn insoweit könnte sich die Klägerin nicht auf das Werkstattrisiko berufen (s.o. 2. d) aa)).“ (BGH, Urteil vom 16.01.2024, Az. VI ZR 253/22, Rz. 34, Abruf-Nr. 239194).

     

    Ganz klar ist aufgrund dieser Passage: Unreparierte Vorschäden, die jetzt mitrepariert werden, fallen aus dem Werkstattrisiko heraus.

    Versicherer stellt mit Trick Schadenpositionen in Frage

    Der Trick des Versicherers ist es nun, von manchen Schadenpositionen zu behaupten, die hätten mit der Unfallschadenbeseitigung nichts zu tun. Das macht er mithilfe eines Prüfberichts des Prüfberichts-Marktführers, der neuerdings zwei Spalten für Abzüge enthält. Altbekannt ist die Spalte „Technische Abzüge“. Aber nun gibt es noch eine Spalte mit der Bezeichnung „Schadenfremde Abzüge“.

     

    Position Hohlraumschutz wird mit Prüfbericht angegriffen

    In einem UE vorliegenden Beispielsfall heißt es unter „Ergebnis der schadenfremden Prüfung“: „Die ausgewiesenen Kosten für den Hohlraumschutz in Höhe von 37,09 € sind überhöht und werden auf einen angemessenen Betrag von 18,55 € reduziert.“

     

    Da fällt gleich auf: Das ist offenbar nach Bauchgefühl und deshalb ohne nachvollziehbare Begründung halbiert und minimal aufgerundet, weil 18,545 Euro nicht möglich ist. Aber viel interessanter ist: Offensichtlich wird Hohlraumschutz für die Unfallschadenreparatur benötigt. Das wird ja im Kern akzeptiert, nur am Preis wird gemäkelt. Wieso das dann unfallfremd sein soll, bleibt das Geheimnis des Prüfberichterstellers und des Mitarbeiters des Versicherers, der das Regelwerk für die Prüfberichtsfirma, auf dessen Grundlage geprüft wird, zu verantworten hat.

     

    Dieser Abzug entlarvt sich also schnell. Weil der Hohlraumschutz zu den unfallbedingten Reparaturpositionen gehört, gelten für ihn die Grundsätze des Werkstattrisikos. Der Einwand hinsichtlich der Höhe geht ins Leere. Das wird jedes Gericht auf Anhieb nachvollziehen können.

     

    Der Dauerbrenner der Reinigungskosten

    Dann heißt es im Prüfbericht unter „Ergebnis der schadenfremden Prüfung“: „Die Kosten für die Reinigung des Fahrzeugs gehören nicht zu den unfallbedingten Reparaturen und werden daher nicht übernommen.“ Die Position „WAGEN A.+I. REINIGEN“ mit 0,3 Std wird also gestrichen. Ob das tragfähig ist, hängt davon ab, ob es sich um eine „Wohlfühlreinigung“ für den Kunden handelt oder ob unfall- oder reparaturbedingte Verschmutzungen beseitigt wurden. Wenn ‒ wie zu vermuten ist ‒ Letzeres zutrifft, handelt es sich sehr wohl um Arbeiten zur Beseitigung des Unfallschadens. Und die dürfen nach der Rechtsprechung des BGH zu den Desinfektionskosten, bei denen der Werkstattinhaber entscheidet, ob er sie einpreist oder gesondert berechnet, nach demselben Schema abgerechnet werden. Wenn also ein Zusammenhang der Reinigungsarbeiten mit dem Unfallschaden dargestellt werden kann, greift das Werkstattrisiko hier sehr wohl.

     

    Unterbodenschutz: Hier ist keine Ferndiagnose möglich

    Zur Position „Unterbodenschutz“ heißt es unter „Ergebnis der schadenfremden Prüfung“: „Für den beschriebenen Reparaturweg ist die Verarbeitung von Unterbodenschutz nicht erforderlich.“ Die Position „UNTERBODENSCHUTZ AUSBESSERN“ wird also mit Arbeitslohn und Material gestrichen.

     

    Ob das richtig ist, lässt sich von hier aus nicht beurteilen. Wenn allerdings der Unterbodenschutz im Schadengutachten aufgeführt ist, sieht UE keine Argumente, warum der Geschädigte das dann nicht für notwendig halten dürfen soll. Ist er das nicht, ist der Einwand jedenfalls nicht per se unsinnig.

    Kann ein solches „Klein-Klein“ vom BGH gemeint sein?

    Der subjektbezogene Schadenbegriff soll den Geschädigten schützen. So ist es ohne weiteres nachvollziehbar, wenn ihm der Schutz versagt wird, wenn er unreparierte Vorschäden in den aktuellen Schaden hineinmogeln möchte. Denn dann ist er nicht schutzwürdig.

     

    Dass der Geschädigte aber wissen soll, ob Unterbodenschutz benötigt wird, erscheint UE absurd. Vor solchen Streitigkeiten unter Technikern soll er doch gerade bewahrt werden. Und da braucht er den Schutz auch. So spricht vieles dafür, dass der Versicherer mit dieser Detailklauberei scheitern wird.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Textbaustein 611: „Der differenzierende Prüfbericht und das Werkstattrisiko (H)“ → Abruf-Nr. 50103071
    Quelle: Ausgabe 08 / 2024 | Seite 13 | ID 50100325