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03.04.2008 | Offene Steuerfragen vor den Finanzgerichten

So profitieren Sie von Verfahren anderer

Das Steuerrecht wird zunehmend komplizierter. Immer mehr Streitpunkte landen vor den Finanzgerichten (FG). Steuerzahler können von den Verfahren profitieren, wenn sie ihre Steuerbescheide mittels Einspruch offenhalten, bis der Bundesfinanzhof (BFH) oder das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ein Urteil gefällt haben. Bei positivem Ausgang profitieren sie dann vom Erfolg anderer.  

 

Im folgenden Beitrag listen wir die für Versicherungsmakler und ihre Kunden wichtigsten anhängigen Verfahren auf, zeigen, um welche Streitpunkte es geht, und geben Ihnen Tipps für die Praxis.  

 

Übersicht

Der strittige Sachverhalt  

Die aktuelle Verfahrenslage  

Fahrten Wohnung-Büro  

Der BFH und einige FG halten die seit 2007 gekürzte Pendlerpauschale um die ersten 20 Entfernungskilometer für einen Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip im Steuerrecht und haben das BVerfG zur Entscheidung angerufen (BFH, Beschluss vom 10.1.2008, Az: VI R 17/07; Abruf-Nr. 080266; FG Niedersachsen, Beschluss vom 27.2.2007, Az: 8 K 549/06; Abruf-Nr. 070852; FG Saarland, Beschluss vom 22.3.2007, Az: 2 K 2442/06; Abruf-Nr. 071164). Bis zur Entscheidung des BVerfG ergehen Steuerbescheide nur vorläufig. Selbstständige können die Pendlerpauschale bei den Vorauszahlungen auf Antrag ab dem ersten Kilometer berücksichtigen lassen.  

Trotz eindeutiger Vorentscheidungen ist der Verfahrensausgang vor dem BVerfG (Az: 2 BvL 1/07 und 2 BvL 2/07) unsicher.  

Unser Tipp: Versicherungsmakler müssen ihre Einkommensteuerbescheide ab 2007 selbst offenhalten. Denn der Vorläufigkeitsvermerk bezieht sich nur auf Werbungskosten, nicht aber auf Betriebsausgaben. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Steuer erscheint nicht sinnvoll: Sofern die Kürzung der Pauschale zulässig ist, fallen Aussetzungszinsen an. Besser ist daher Abwarten. Denn auf die mögliche Steuerrückzahlung gibt es Erstattungszinsen von sechs Prozent pro Jahr.  

Steuerpflicht von Provisionen  

In der Vermittlung von Lebensversicherungen über Kreuz und der wechselseitigen Auskehrung der Provision unter nahen Angehörigen sieht das FG Münster keine steuerpflichtigen sonstigen Einnahmen, weil es sich um eine Einmalaktion ohne Überschusserzielungsabsicht handelt (Urteil vom 16.5.2007, Az: 10 K 1577/05; Abruf-Nr. 072317; Urteil vom 16.5.2007, Az: 10 K 1746/05 E; Abruf-Nr. 080404).  

Der BFH hatte diese Provision früher als steuerpflichtige Einkünfte angesehen (Urteil vom 27.6.2006, Az: IX R 25/05; Abruf-Nr. 070421). Da nun neue Argumente des FG Münster vorliegen, kann er seine Auffassung in den Revisionen (Az: IX R 34/07 und IX R 35/07) überprüfen.  

Unser Tipp: Fälle mit Vermittlung über Kreuz sollten offengehalten werden.  

Schätzung von Einnahmen auf Privatkonten  

Wickeln Versicherungsmakler gelegentlich geschäftliche Transaktionen über ein Privatkonto ab, müssen sie der Betriebsprüfung anschließend sämtliche Bankbelege sowie Ein- und Ausgangsrechnungen vorlegen. Sind diese nicht vollständig oder wird die Vorlage verweigert, darf das Finanzamt Betriebseinnahmen hinzuschätzen (FG Münster, Urteil vom 19.5.2004, Az: 14 K 767/00; Abruf-Nr. 080835).  

Unser Tipp: Ob die Finanzbeamten hier grundsätzlich Hinzuschätzungen vornehmen dürfen, muss der BFH noch klären (Az: X R 20/05). Mit diesem Problem belastete Makler sollten ihre Schätzungsbescheide nicht bestandskräftig werden lassen.  

Aufteilung von Reisekosten  

Der BFH hatte jüngst in mehreren Urteilen entschieden, dass beruflich und privat veranlasste Reisen bei Arbeitnehmern nicht mehr in voller Höhe zu lohnsteuerpflichtigem Arbeitslohn führen müssen. Denn solche gemischten Veranstaltungen dürfen nun aufgeteilt werden.  

Wichtig: Makler können diese günstige Ansicht (noch) nicht verwenden, weil ein gesetzliches Abzugsverbot für Betriebsausgaben gilt, sofern die Reisen auch private Aspekte enthalten. Der BFH will seine Sicht aber auch auf diesen Bereich übertragen (Beschluss vom 20.7.2006, Az: VI R 94/01; Abruf-Nr. 062738).  

Unser Tipp: Der BFH hat die Grundsatzfrage dem Großen Senat (Az: GrS 1/06) vorgelegt. Daher sollten Selbstständige und auch Angestellte entsprechende Fälle offenhalten, wenn sie beispielsweise eine Fortbildungsreise bezahlt haben, die auch Freizeitaktivitäten umfasste. Im Vorgriff auf einen positiven Verfahrensausgang sollten Versicherungsmakler die bereits akzeptierten Aufteilungsgrundsätze bei Reisen zum Arbeitslohn verwenden. Die Kosten werden zeitanteilig berücksichtigt und rein beruflicher Aufwand wie etwa Seminargebühren voll den Betriebsausgaben zugeschlagen.  

Versicherungsleistungen als Betriebseinnahmen  

  • Stellen Leistungen, die ein Selbstständiger aus einer Praxis-Ausfallversicherung erhält, Betriebseinnahmen dar? Das FG Mecklenburg-Vorpommern bejaht dies, auch wenn die Police nur fortlaufende Aufwendungen bei Krankheit abdecken soll (Urteil vom 20.12.2006, Az: 3 K 384/05; Abruf-Nr. 071645).
  • Muss ein Maklerbüro Leistungen aus der Betriebsunterbrechungs-Versicherung als Betriebseinnahme erfassen? Das FG Rheinland-Pfalz stuft die Police in den privaten Bereich ein, auch wenn außerbetriebliche Risiken wie die Krankheit des Unternehmers versichert sind (Urteil vom 14.4.2007, Az: 2 K 2519/05; Abruf-Nr. 080836).

Unser Tipp:Versicherungsmakler sollten diese Fälle offenhalten.  

  • Im ersten Fall hat der Selbstständige Revision unter Az: VIII R 6/07 eingelegt.
  • Im zweiten Fall spricht vieles dafür, dass die von der Finanzverwaltung unter Az: X R 21/07 eingelegte Revision zugunsten des Unternehmers ausgeht. Denn nach Maßgabe des Aufteilungs- und Abzugsverbots gemäß § 12 Nummer 1 Einkommensteuergesetz (EStG) handelt es sich um einen beruflich und privat vermischten Vorgang. Das hat zur Folge, dass weder die Beiträge noch die späteren Leistungen der Versicherung als Betriebsausgaben oder -einnahmen zu berücksichtigen sind.

Ansatz noch nicht fälliger Lebensversicherungen  

Vor der Erbschaftsteuerreform 2008 nutzen viele Familien letztmals die Möglichkeit des § 12 Absatz 4 Bewertungsgesetz, eine noch nicht fällige Police mit Ansatz von 2/3 der eingezahlten Prämien zu übertragen.  

  • Allgemein wird davon ausgegangen, dass dieser günstige Ansatz nicht mehr gelingt, wenn beim Versichertenwechsel bereits alle Beiträge geleistet sind.

Unser Tipp: Über diese Frage muss der BFH erstmals entscheiden (Az: II R 27/07). Da die Entscheidung wahrscheinlich erst nach Inkrafttreten der Erbschaftsteuerreform erfolgen wird, sollte der Beschenkte zur Sicherheit noch Prämien selbst zahlen.  

Steuerschädliche Darlehenspolicen  

Die Steuerfreiheit bei Kapitallebensversicherungen beschränkt sich auf die Millionen vor 2005 abgeschlossener Verträge. Diese sind steuerpflichtig, wenn kein Sonderausgabenabzug möglich ist (zum Beispiel Ansprüche dienen der Tilgung oder Sicherung eines Kredits, dessen Zinsen Werbungskosten sind).  

Folgende Streitpunkte sind noch offen:  

Zur Frage, ob bei bestimmten Konstellationen ein schädliches Policendarlehen vorliegt, sind noch mehrere Revisionen anhängig.  

Wichtig: Der Ausgang hat auch Bedeutung für die Behandlung durch die Abgeltungsteuer ab 2009, weil der Verkauf schädlich verwendeter Verträge als Kapitaleinnahme erfasst wird.  

  • Ist die Kreditüberweisung zunächst auf ein Sparkonto unschädlich? Dies bejaht das FG Rheinland-Pfalz bei einem Zeitraum von 33 Tagen (Urteil vom 27.9.2006, Az: 1 K 1029/06; Abruf-Nr. 080286), während die Finanzverwaltung von 30 Tagen ausgeht. Dies hat der BFH unter Az: VIII R 29/07 zu klären.

Schuldzinsen bei kreditfinanzierten Lebensversicherungsbeiträgen  

Sind Zinsen für Darlehen zur Finanzierung von Beiträgen für Kapitallebensversicherungen, welche der Besicherung von Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungskosten vermieteter Immobilien dienen, als Werbungskosten bei den Mieteinkünften abziehbar? Das FG Düsseldorf verneint dies, weil Versicherungsbeiträge wegen des privaten Charakters des versicherten Risikos zu den Lebenshaltungskosten gehören (Urteil vom 21.8.2007, Az: 17 K 2330/06 E; Abruf-Nr. 073820).  

Über diese Frage muss der BFH unter Az: IX R 62/07 entscheiden.  

Umfang der digitalen Betriebsprüfung  

Seit 2002 unterliegt Ihre Buchhaltung der Prüfung auf EDV-Basis. Das betrifft auch Unterlagen früherer Wirtschaftsjahre im Rahmen der Aufbewahrungsfristen, sofern das Wiedereinspielen der Daten keinen unverhältnismäßigen Aufwand bedeutet. Streit gibt es, ob steuerlich nicht relevante Daten hierunter fallen. Nach dem Urteil des FG Rheinland-Pfalz unterliegen der Prüfung lediglich die zuvor in Papierform vorhandenen aufbewahrungspflichtigen Unterlagen (Urteil vom 13.6.2006, Az: 1 K 1743/05; Abruf-Nr. 063116). Hinzu kommt noch die Frage, ob der Betriebsprüfer Datenträger mit auswertbaren Daten auch dann verlangen kann, sofern dies über die Aufzeichnungsfrist hinaus reicht. So hat das FG Hamburg entschieden, dass das Finanzamt sein Ermessen überschreitet, wenn es von Selbstständigen die Vorlage sämtlicher Sachkonten verlangt. (Urteil vom 13.11.2006, Az: 2 K 198/05; Abruf-Nr. 071695).  

Endgültige Klärung zum Umfang der vorzulegenden EDV-Daten gibt es erst, wenn sich der BFH zur digitalen Betriebsprüfung in der Revision (Az: VIII R 80/06) äußert.  

Wichtig: In zwei Beschlüssen hat der BFH jedoch bereits definiert, dass das Datenzugriffsrecht der Finanzverwaltung nicht im Belieben des Geprüften steht, einzelne Konten vor dem Zugriff zu sperren (BFH, Beschlüsse vom 26.9.2007, Az: I B 53/07 und I B 54/07; Abruf-Nrn. 073602 und 073603).  

Grundsatz: Der digitalen Betriebsprüfung unterliegen grundsätzlich die zuvor in Papierform vorhandenen aufbewahrungspflichtigen Unterlagen.  

 

Abzug von privaten Steuerberatungskosten  

Bereits seit 2006 sind private Steuerberatungskosten nicht mehr als Sonderausgaben abzugsfähig. Das gilt bei Versicherungsmaklern etwa bei den Honoraren für das Ausfüllen der Einkommensteuererklärung und sogar für die Anlage GSE. Darüber hinaus sind Gebühren für den Mantelbogen und private Aufstellungen wie etwa Vorsorgeaufwendungen oder außergewöhnliche Belastungen ebenso wenig steuerlich absetzbar wie ein Teil der Steuerfachliteratur und -software.  

Gegen das Abzugsverbot für private Steuerberatungskosten ist ein Verfahren beim BFH anhängig (Az: X R 10/08). Das FG Niedersachsen hat zwar in der Vorinstanz entschieden, dass das Abzugsverbot verfassungsgemäß ist (Urteil vom 17.1.2008, Az: 10 K 103/07; Abruf-Nr. 080485). Möglicherweise sieht es der BFH anders.  

Unser Tipp: Mit einem Einspruch sichern Sie sich das Ruhen des Verfahrens.  

Wichtig: Dagegen zählt der Aufwand für eine Makler-GmbH in vollem Umfang zu den Betriebsausgaben.  

03.04.2008 |

Quelle: Ausgabe 04 / 2008 | Seite 18 | ID 118570