Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Haftung

Falsche Angaben des Maklers im Versicherungsantrag ‒ Folgen für VN und Makler

von Holger Sassenbach, Brase & Collegen AG, München

| Falsche Angaben zu den Gesundheitsfragen des Versicherungsnehmers (VN) im Versicherungsantrag können den Versicherer zur Anfechtung des Vertrags wegen arglistiger Täuschung berechtigen. Und zwar selbst dann, wenn der VN den Makler über seine Krankheitsgeschichte informiert hat, der Makler sie aber nicht in den Antrag aufgenommen hat. WVM erläutert anhand eines Urteils zur Krankenversicherung, wann die Arglist des Maklers dem VN zugerechnet wird und wie sich dies auf die Haftung des Maklers und dessen Berufshaftpflichtversicherung auswirkt. |

Beratung über Krankenversicherungsschutz

Ein VN war seit 2007 privat krankenversichert. 2010 wurden bei ihm Herzprobleme diagnostiziert. Im Jahr 2011 nahm der Makler beim VN einen neuen Antrag für eine Krankenversicherung bei einem anderen Versicherer auf. In diesem Antrag wurden die relevanten Gesundheitsfragen verneint. Die Herzprobleme fehlten, die bei dem VN im Jahr 2010 diagnostiziert worden waren.

 

Kündigung und Neuabschluss mit unzutreffenden Gesundheitsangaben

Mit der Einreichung des Antrags kündigte der Makler den bestehenden Krankenversicherungsvertrag. Der neue Versicherer nahm den Antrag an.

 

Der VN erhielt eine Ablichtung des Antrags. Er erkundigte sich bei einem Mitarbeiter des Maklers, warum im Antrag der Gesundheitszustand nicht ordnungsgemäß wiedergegeben sei. Der Makler ließ den VN daraufhin den neuen Versicherungsvertrag widerrufen bzw. kündigen und die Kündigung des alten Versicherungsvertrags widerrufen. Diesen Widerruf akzeptierte der alte Versicherer nicht. Deswegen ging der neue Versicherer von einer Fortsetzung des Versicherungsvertrags aus.

 

VN ohne Krankenversicherungsschutz

Drei Jahre später, im Jahr 2014, erteilte der VN eine Selbstauskunft zu seinen von Anfang an bestehenden Herzkrankheiten. Daraufhin focht der neue Versicherer den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung an bzw. trat davon zurück und forderte auch zwischenzeitlich erbrachte Leistungen aus zurück. Hiergegen klagte der VN. Ohne Erfolg. Das OLG Düsseldorf hat die Klage abgewiesen. Das hat für den VN zur Folge, dass er

  • 4.167,37 Euro zurückerstatten muss und
  • rückwirkend seit 2011 ohne Krankenversicherungsschutz dasteht (OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.03.2017, Az. I-4 U 191/15, Abruf-Nr. 198674).

OLG hält Anfechtung durch Versicherer für rechtens

Das OLG hält die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung für wirksam.

 

Falsche Angaben auf dem Antrag

Der Antrag des VN auf den Abschluss der neuen Krankenversicherung war nicht korrekt ausgefüllt. So spricht das OLG von „grob falschen Angaben“, weil bestimmte Gesundheitsfragen mit „Nein“ beantwortet wurden, obwohl es „Ja“ hätte heißen müssen.

 

Makler im Lager des VN als dessen Sachwalter

Hätte der VN selbst die falschen Angaben gemacht, wäre der neue Versicherer in jedem Fall zur Anfechtung berechtigt gewesen. Dadurch dass aber der Makler die falschen Angaben gemacht hat, kam es darauf an, ob dessen Verhalten dem VN über § 166 BGB zugerechnet wird oder ob der Makler „Dritter“ im Sinne von § 123 Abs. 2 BGB ist.

 

  • Wäre der Makler „Dritter“, hätte der VN die Täuschung durch seinen Makler tatsächlich gekannt haben oder aber kennen müssen (§ 123 Abs. 2 BGB). Nur dann hätte der neue Versicherer den Vertrag erfolgreich anfechten können.

 

  • Als „Dritter“ zählen allerdings nur solche Personen, die unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt dem VN als Empfänger der Anfechtung zuzurechnen sind.

 

  • Das OLG hat entschieden, dass der Makler kein „Dritter“ ist. Denn er hat den Antrag als Versicherungsmakler und nicht als Agent abgegeben. Er hatte dem VN mindestens zwei unterschiedliche Vorschläge für Krankenversicherungen bei zwei unterschiedlichen Versicherern unterbreitet. Zusätzlich war der Makler bevollmächtigt, die alte Krankenversicherung zu kündigen. Damit war der Makler in der Sphäre des VN eingebunden. Für den neuen Versicherer hatte es den Anschein, dass der Makler die Erklärung des VN weitergegeben hat und somit als dessen Bote tätig geworden ist. Für den Versicherer stand der Makler damit im Lager des VN, nachdem er im Antrag ausdrücklich als „Vermittler“ bezeichnet wurde.

 

Wichtig | Der Makler hat die Antragsformulare des Versicherers verwendet. Damit will der Versicherer sicherstellen, dass die Gesundheitsfragen als Fragen des Versicherers nach § 19 Abs. 1 S. 1 VVG anzusehen sind. Dies dient also rein der organisatorischen Abwicklung. Der Makler wechselt damit nicht ins Lager des Versicherers.

 

Täuschung durch den Makler dem VN zuzurechnen

Der Makler hat als Interessenswahrnehmer des VN im ersten Schritt den VN getäuscht: Diesem hat er vorgetäuscht, die Gesundheitsfragen bei der Antragstellung zutreffend beantwortet zu haben. Dadurch hat der VN eine unzutreffende Erklärung abgegeben.

 

Im zweiten Schritt hat der Makler dann den neuen Versicherer arglistig getäuscht, indem er die Vorerkrankungen verschwiegen hat. Nach Ansicht des OLG wollte er auf den Versicherer einwirken, dass dieser den Vertrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen würde, wenn er die Wahrheit erfahren hätte. Diese Täuschung ist dem VN zuzurechnen.

 

Folgen für VN und Makler

Daher konnte der neue Versicherer den Vertrag wirksam anfechten. Damit ist der Versicherungsvertrag von Anfang an nichtig (§ 142 Abs. 1 BGB), und der VN muss bereits gewährte Leistungen zurückerstatten.

 

Für den VN und den Versicherungsmakler hat das folgende Konsequenzen:

 

  • Der VN steht nun ohne Krankenversicherung da ‒ und das rückwirkend. Zudem muss er die Aufwendungen, die die neue Krankenversicherung für ihn erbracht hat, zurückerstatten.

 

  • Seine Aufwendungen für die Rückerstattung könnte sich der VN vom Makler im Wege des Schadenersatzes erstatten lassen. Dazu müsste ein begründeter Haftungsanspruch gegeben sein. Ob das der Fall ist, kann ohne nähere Kenntnis des Sachverhalts nicht abschließend beurteilt werden.

 

  • Besteht ein solcher Haftpflichtanspruch, dürfte der Versicherungsmakler Schwierigkeiten haben, diesen von seiner Berufshaftpflichtversicherung erstattet zu bekommen. Bei falschen Angaben des Maklers, die eine Arglist begründen, liegt der Verdacht einer wissentlichen Pflichtverletzung nahe. Haftpflichtansprüche hieraus sind aber in aller Regel vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Ob das hier der Fall ist, kann ohne weitere Kenntnis vom Sachverhalt nicht abschließend beurteilt werden.

Bedeutung für die Praxis

Aus dem Urteil lassen sich vier Punkte für die Praxis ableiten:

 

PRAXISHINWEISE |

  • 1. Beantworten Sie Gesundheitsfragen wegen der enormen Haftungsrelevanz für Versicherungsmakler stets sorgfältig und vor allem korrekt. Die zutreffende Beantwortung stellt sicher, dass der VN im Versicherungsfall Versicherungsschutz hat und Leistungen erhält.
  • 2. Tun Sie es nicht, kann es den VN den Versicherungsschutz kosten ‒ und das unter Umständen auch rückwirkend.
  • 3. Der Verlust des Versicherungsschutzes kann dazu führen, dass der VN von Ihnen Ersatz des ihm entstandenen Schadens verlangt, wenn der Versicherer den Vertrag erfolgreich angefochten hat.
  • 4. Diese Haftungsansprüche sind unter Umständen nicht von Ihrer Berufshaftpflichtversicherung abgedeckt ‒ das kann Sie also Ihre Existenz kosten, nicht nur Ihren guten Ruf.
 

 

Weiterführende Hinweise

  • Beitrag „Berufsunfähigkeit und Arglistanfechtung durch Versicherer: Diese Details müssen Sie kennen“, WVM 11/2017, Seite 15 → Abruf-Nr. 44867809
  • Beitrag „Makler rät zum BU-Abschluss trotz erheblicher Vorerkrankungen“, WVM 8/2015, Seite 1 → Abruf-Nr. 43465283
Quelle: Ausgabe 02 / 2018 | Seite 5 | ID 45072165