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08.02.2005 · IWW-Abrufnummer 050368

Bundesgerichtshof: Urteil vom 13.01.2005 – III ZR 238/04

Ein Versicherungsmakler verliert seinen Provisionsanspruch, wenn die Versicherung die Betreuung eines Sachversicherungsvertrags mit einjähriger Laufzeit und Verlängerungsklausel selbst übernimmt und nach dem Handelsbrauch bei derartigen Verträgen der Provisionsanspruch im Fall des Maklerwechsels dem Erstmakler ebenfalls verloren geht.


BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

III ZR 238/04

Verkündet am:
13. Januar 2005

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2005 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Streck, Dr. Kapsa, Galke und Dr. Herrmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bremen vom 7. April 2004 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der beklagten Versicherung Auskunft über die Prämienzahlungen einer Versicherungsnehmerin, um anschließend Courtageansprüche durchzusetzen. Die Klägerin ist freie Versicherungsmaklerin. Sie vermittelte am 29. Januar 1992 einen Transportversicherungsvertrag zwischen der D. GmbH (Versicherungsnehmerin) und der Beklagten. Der Vertrag hatte eine Laufzeit von einem Jahr und verlängerte sich jeweils von Jahr zu Jahr, sofern er nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gekündigt wurde. Die Klägerin erhielt von der Beklagten einen Anteil an der jeweils zu zahlenden Versicherungsprämie, deren Höhe von dem Umfang der durchgeführten Transporte abhing.

Im Juli 1995 kündigte die Versicherungsnehmerin ihren Betreuungsvertrag mit der Klägerin. Das Versicherungsvertragsverhältnis wird seither von dem Außendienst der Beklagten unmittelbar betreut.

Die Beklagte entrichtete noch bis 1997 Courtagen an die Klägerin. Im Laufe dieses Jahres stellte sie jedoch ihre Zahlungen ein und leistete nur noch 1999 einmalig einen weiteren Betrag. Das Versicherungsvertragsverhältnis zwischen der Beklagten und der Versicherungsnehmerin bestand über 1997 hinaus fort.

Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe weiterhin Maklercourtage zu. Die Beklagte hingegen vertritt die Auffassung, spätestens zum 1. Januar 1996 sei ein Provisionsanspruch der Klägerin entfallen, weshalb sie die 1996 und 1997 geleisteten Beträge widerklagend zurückverlangt hat. Das Berufungsgericht hat die von der Vorinstanz ausgesprochene Abweisung der Klage bestätigt und die Widerklage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Auskunftsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Klägerin habe gegen die Beklagte keine Courtageansprüche mehr, da ein Versicherungsmakler, der einen befristeten Vertrag mit Verlängerungsmöglichkeit vermittelt habe, die Einflußmöglichkeit auf das Versicherungsvertragsverhältnis verliere, so daß die Wahrnehmung der Verlängerungsoption nicht mehr auf eine Beratungs- oder Betreuungstätigkeit des Maklers zurückzuführen sei. Ein Handelsbrauch, nach dem der Versicherungsmakler seinen Provisionsanspruch auch nach Beendigung des Maklervertrages zwischen ihm und dem Versicherungsnehmer behalte, bestehe nicht.

II.

Dies hält der revisionsgerichtlichen Nachprüfung stand.

Der Auskunftsanspruch besteht nicht, weil die Klägerin gegen die Beklagte über 1996 hinaus keine Provisionsansprüche wegen der Vermittlung des Versicherungsvertrages mit der D. GmbH hat.

1. Der Versicherungsmakler erhält seine Vergütung in der Regel nicht vom Versicherungsnehmer, sondern aufgrund einer gleichförmig bestehenden Übung des Versicherungsvertragsrechts (BGHZ 94, 356, 359) vom Versicherer. So liegt es auch hier.

2. Ob der Versicherungsmakler Provision auch für solche Zeitabschnitte verlangen kann, die nach dem erstmöglichen Kündigungszeitpunkt liegen, ist durch Auslegung der vertraglichen Abreden zu ermitteln (vgl. für Folgeverträge BGH, Urteil vom 27. November 1985 - IVa ZR 68/84 - NJW 1986, 1036, 1037; Urteil vom 13. Juni 1990 - IV ZR 141/89 - NJW-RR 1991, 51). Versicherungsmaklerverträge sind unter Berücksichtigung der Besonderheiten dieses Geschäftszweiges auszulegen. Der Versicherungsmakler ist Handelsmakler im Sinne des § 93 Abs. 1 HGB. Für die Auslegung der von ihm abgeschlossenen Verträge, insbesondere auch für die Bemessung und die zeitliche Reichweite des Provisionsanspruchs, kommt es daher entscheidend auf den Handelsbrauch und auf die in den Kreisen der Versicherungsmakler, der Versicherer und der versicherten Wirtschaft herrschenden Auffassungen an (BGH, Urteil vom 27. November 1985 aaO).

Während etwa beim Immobilienmakler, im wesentlichen aber auch im Bereich der Lebens- und Krankenversicherung, die Auszahlung der Provision als einmalige Abschlußcourtage erfolgt, wird sie für Sachversicherungsverträge in der Regel nicht bei Vertragsschluß im Ganzen fällig. Sie ist vielmehr in laufenden Raten zu zahlen, deren Fälligkeitsdaten mit denen der Versicherungsprämien übereinstimmen (BGH, Urteil vom 27. November 1985 aaO; Dehner, Das Maklerrecht, 2001, Rn. 318; vgl. auch BGHZ 124, 10, 13). Dabei entspricht es nahezu einhelliger Meinung, daß ab dem zweiten Vertragsjahr in der Courtage neben dem eigentlichen Vermittlungsentgelt auch ein Betreuungsentgelt ("Verwaltungsentgelt" oder "Bestandspflegegeld"; vgl. zu diesen Begriffen Prölss/Martin/Kollhosser, VVG, 27. Aufl., nach § 48 Rn. 31) enthalten ist (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 1985 aaO; OLG Hamm VersR 1987, 155, 156; Prölss/Martin/Kollhosser aaO, Rn. 40 und 47; Griess/Zinnert, Der Versicherungsmakler, 3. Aufl., S. 159; Baumann, Versicherungsvermittlung durch Versicherungsmakler, 1998, S. 311; a.A.: Odendahl ZfV 1993, 390, 391).

Welches Schicksal der aus diesen beiden Komponenten zusammengesetzte Provisionsanspruch des Versicherungsmaklers erfährt, wenn der Vertrag zwar über den ersten Kündigungszeitpunkt hinaus läuft, der Versicherungsnehmer das Vertragsverhältnis mit dem Makler jedoch kündigt und die Betreuung statt dessen durch einen anderen Versicherungsmakler oder die Versicherung selbst erfolgt, hängt von den individuell getroffenen Abreden und dem herrschenden Handelsbrauch ab. Ob ein Handelsbrauch besteht, hat der Tatrichter festzustellen, der sich hierbei erforderlichenfalls sachverständiger Hilfe bedienen muß (BGH aaO).

3. a) Das Berufungsgericht hat, von der Revision unbeanstandet, festgestellt, daß die zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und der Beklagten getroffene Vereinbarung vom 27. September/12. Oktober 1988 nicht auch zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits wirkt, so daß eine einem etwaigen Handelsbrauch vorgehende Individualabrede nicht vorliegt.

b) Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, daß für die hier vorliegende Fallgestaltung - Übernahme der Vertragsbetreuung nicht durch einen anderen Versicherungsmakler, sondern durch den Versicherer selbst - ein spezieller Handelsbrauch hinsichtlich des Provisionsanspruchs des Maklers besteht. Es hat die entsprechenden Ausführungen des vom Amtsgericht bestellten Sachverständigen in dessen Gutachten über die Handelsusancen zutreffend als Äußerung von Rechtsansichten eingeordnet.

c) Beanstandungsfrei ist, daß das Berufungsgericht nicht dem in der Berufungsinstanz wiederholten Vortrag der Klägerin nachgegangen ist, es entspreche dem Handelsbrauch, daß der Erstvermittler im Falle des Eintritts eines neuen Vermittlers, der die Betreuungspflichten übernehme, lediglich die Hälfte der Courtage abtrete.

Der Sachverständige Dr. J. hat zwar in seinem vor dem Amtsgericht erstatteten Gutachten einen derartigen Handelsbrauch, bei einem Maklerwechsel die für die Restlaufzeit anfallenden Courtageansprüche aufzuteilen, für mehrjährige Versicherungsverträge bestätigt, jedoch gerade für Versicherungsverträge mit einjähriger Laufzeit und Verlängerungsklausel festgestellt, daß nach dem Handelsbrauch im Fall des Maklerwechsels der Erstmakler seinen Provisionsanspruch ab dem Folgejahr vollständig verliert, wenn der Wechsel vor dem Prolongationszeitpunkt stattfindet. Wird der Erstmakler nach diesem Zeitpunkt gekündigt, behält er für das Folgejahr seine Vergütung ungekürzt.

Das Berufungsgericht hat es nicht verfahrensfehlerhaft unterlassen, aufgrund der widersprechenden Behauptung der Klägerin, es bestehe ein abweichender Handelsbrauch, eine ergänzende oder neue Begutachtung durch einen anderen oder denselben Sachverständigen (§ 412 Abs. 1 ZPO) einzuholen. Zwar hat sich das Berufungsgericht in seinem Urteil nicht mit der Frage befaßt, ob dies erforderlich ist. Es obliegt dem Tatrichter jedoch nicht, auf jedes einzelne Beweismittel ausführlich einzugehen. Das Urteil muß lediglich erkennen lassen, daß eine umfassende Beweiswürdigung überhaupt in sachgerechter Weise stattgefunden hat (Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl. § 286 Rn. 21 m.w.N.). Dazu gehört auch die Auseinandersetzung mit dem zweifelhaften Erkenntniswert eines Beweismittels (Zöller/Greger aaO). Gründe, die ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der gutachterlichen Feststellungen begründen konnten, hat die Klägerin aber nicht aufgezeigt. Sie hat sich für ihre pauschale, weil nicht zwischen ein- und mehrjährigen Verträgen differenzierende Behauptung, es sei Handelsbrauch, daß der Erstmakler im Fall des Maklerwechsels die Hälfte der Folgeprovisionen behalte, auf das in Versicherungswirtschaft 1994, 708 referierte Urteil des Landgerichts München I vom 30. März 1994 bezogen. Aus dieser Entscheidung läßt sich jedoch - ebenso wie aus dem von der Revision herangezogenen Urteil des Oberlandesgerichts Hamm (VersR 1995, 658) - für den hier vorliegenden Fall eines Versicherungsvertrages mit einjähriger Laufzeit und Verlängerungsoption nichts herleiten. Die Aufteilung der Provision zwischen Erst- und Zweitmakler ist in der Literatur als teilweise verbreiteter Handelsbrauch ausdrücklich nur für Versicherungsverträge mit mehrjähriger Laufzeit anerkannt (Griess/Zinnert aaO, S. 188 f; Prölss/Martin/Kollhosser aaO, Rn. 49 m.w.N.). Den von der Klägerin angeführten Entscheidungen läßt sich nicht entnehmen, daß ihnen nicht ein solcher Versicherungsvertrag, sondern einer mit einjähriger Laufdauer zugrunde lag. Die Einleitung des Artikels, in dem das Urteil des Landgerichts München I wiedergegeben wird, deutet eher auf einen mehrjährigen Vertrag hin. Aus diesem Grunde ist auch dem Schreiben der Beklagten vom 22. August 1995, mit dem sie unter Bezugnahme auf eine durch dieses Urteil festgestellte "im Markt praktizierte Verfahrensweise" die hälftige Teilung der Provision anbot, kein Hinweis darauf zu entnehmen, daß der von der Klägerin geltend gemachte Handelsbrauch auch für Verträge mit einjähriger Dauer besteht.

4. Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, daß die Klägerin unter Zugrundelegung des rechtsfehlerfrei festgestellten Handelsbrauchs im Fall des Maklerwechsels bei Sachversicherungsverträgen mit einjähriger Laufzeit und Verlängerungsoption keinen Provisionsanspruch gegen die Beklagte mehr hat. Der Umstand, daß nicht ein neuer Makler, sondern die Versicherung selbst die Betreuung des Versicherungsverhältnisses übernommen hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Wie bereits oben (Nr. 2) ausgeführt, setzt sich bei Sachversicherungsverträgen die dem Makler geschuldete Courtage ab dem zweiten Vertragsjahr aus zwei Komponenten zusammen, einer Vermittlungsprovision und einem Betreuungsentgelt.

a) Letzteres kann der Makler nicht mehr beanspruchen, wenn er den Versicherungsnehmer nicht betreut. Das Betreuungsentgelt ist die - über die Prämie wirtschaftlich vom Versicherungsnehmer getragene - Gegenleistung für die dem Kunden in Ergänzung der Vermittlungstätigkeit geschuldete Geschäftsbesorgung (vgl. BGHZ 94, 356, 363; Prölss/Martin/Kollhosser aaO, Rn. 46 f). Sobald der Makler seine Leistung nicht mehr erbringt, entfällt grundsätzlich sein Anspruch auf die Gegenleistung. Dabei ist es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht von Bedeutung, daß der Versicherer im Rahmen seiner Betreuung nicht dieselben Leistungen wie ein unabhängiger Makler erbringt, der den Kunden neutral berät.

b) Der Anspruch auf das Vermittlungsentgelt kann zwar zunächst über die Beendigung des Vertragsverhältnisses zwischen dem Versicherungsmakler und dem Versicherungsnehmer hinaus weiterbestehen (OLG Hamm VersR 1995, 658; Prölss/Martin/Kollhosser aaO, Rn. 47). Handelt es sich, wie hier, um einen Sachversicherungsvertrag mit einjähriger Laufzeit und einer Verlängerungsklausel, tritt die Vermittlung des Vertragsschlusses durch den Makler mit fortschreitender Zeit jedoch, wie sich in dem festgestellten Handelsbrauch widerspiegelt, alsbald in den Hintergrund. Das Vermittlungsentgelt honoriert statt dessen das erfolgreiche Bemühen um die Aufrechterhaltung des Versicherungsvertrages (Prölss/Martin/Kollhosser aaO, Rn. 50: "Nichtkündigungsprovsion"). Bei einer an Treu und Glauben orientierten Auslegung der zwischen den Beteiligten getroffenen Abreden (§ 157 BGB) entspricht es daher einer sachgerechten Interessenabwägung, dem Erstmakler einen Anspruch auf das Vermittlungsentgelt jedenfalls dann nicht mehr zuzuerkennen, wenn der (Fort-)Bestand des Vertragsverhältnisses bei wertender Betrachtung überwiegend nicht mehr auf seine (Erst-)Vermittlungsleistung, sondern auf das Bemühen eines Dritten um die Vertragsfortsetzung über die ursprüngliche Dauer hinaus zurückzuführen ist. Dies gilt für die Fälle des Maklerwechsels (siehe hierzu Prölss/Martin aaO Rn. 48-51) und der Übernahme der Vertragsbetreuung durch die Versicherung gleichermaßen, da die zugrundeliegenden Erwägungen auf beide Konstellationen zutreffen.

Das Berufungsgericht hat in rechtlich nicht zu beanstandender tatrichterlicher Würdigung festgestellt, daß die Tätigkeit der Klägerin sich nicht mehr auf die Vertragsverlängerung für den hier maßgeblichen Zeitraums ausgewirkt hat.

Für die von der Revision befürchteten Fälle, in denen der Versicherer den Versicherungsnehmer treuwidrig zur Kündigung des Vertrages mit dem Makler veranlaßt, gelten die vorstehenden Erwägungen nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB nicht. Dafür, daß hier eine derartige Fallkonstellation gegeben wäre, ist nichts ersichtlich.

RechtsgebietBGBVorschriftenBGB § 652