03.12.2009 · IWW-Abrufnummer 093316
Landgericht Dortmund: Urteil vom 24.06.2009 – 2 O 141/08
1. Einen Versicherungsmakler, der den Wechsel zu einem anderen privaten Krankenversicherer begleitet, treffen weitgehende Pflichten.
2. Er muß explizit von einer Kündigung des Vertrages mit dem Altversicherer abraten, solange nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Gesundheitsprüfung des Neuversicherers zu einer Ablehnung oder Einschränkung des Versicherungsschutzes führt.
Landgericht Dortmund
2 O 141/08
Tenor:
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche Mehrkosten aus dem Versicherungsvertrag zur Versicherungsscheinnummer #######-### vom 27.11.2007 bezüglich des Sohnes U zu erstatten gegenüber dem Versicherungsvertrag bei der V Versicherungsscheinnummer #########-### vom 27.11.2006, insbesondere die höheren monatlichen Prämien zu erstatten sowie Krankheitskosten für Motopädie, Ergotherapie und Logopädie (im Umfange des Versicherungsschutzes vor wirksam werden der Kündigung vom 31.07.2007) zu erstatten, soweit die Schadensersatzpflicht nicht bereits von dem Tenor zu 2) und 3) umfasst ist.
2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger 743,90 € (in Worten: siebenhundertdreiundvierzig 90/100 Euro) nebst 5 Prozent-punkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.05.2008 zu zahlen.
3. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger beginnend mit April 2008 bis Dezember 2008 monatlich im Voraus bis zum 3. Werktag eines jeden Monats 148,78 € zu zahlen, sowie beginnend mit Januar 2009 jeweils 173,78 € bis zum 3. Werktag eines jeden Monats an den Kläger zu zahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
Der Kläger macht gegen die Beklagte – eine Versicherungsmaklerin – Schadensersatzansprüche aus einem Maklervertrag geltend.
Der am 19.08.2002 geborene Sohn des Klägers U war bei der V Krankenversicherung a.G. (im Folgenden: V) mit den Tarifen A310, ST2/100 und PVN/K krankenversichert.
Am 22.12.2006 schlossen die Parteien einen Maklervertrag, der u. a. die Vermittlung von Bauspar- und Versicherungsverträgen zum Gegenstand hatte. Es fanden Beratungen statt, in die auch die Ehefrau des Klägers, welche ebenfalls einen Maklervertrag mit der Beklagten geschlossen hatte, einbezogen war. Die Klägerin handelte im Folgenden auch für den Kläger.
Der Krankenversicherungsvertrag führ den U sollte neu eingedeckt werden, um günstigere Tarife und ein weitergehendes Leistungsangebot zu erhalten. Um eine Beendigung des laufenden Krankenversicherungsvertrages zum 31.10.2007 (Ablauf des Versicherungsjahres) zu erreichen, war eine Kündigung bis zum 31.07.2007 erforderlich. Nach einem Telefonat mit der Ehefrau des Klägers, dessen Inhalt zwischen den Parteien streitig ist, erklärte der Mitarbeiter der Beklagten E gegenüber der V am 31.07.2007 die Kündigung. Zu diesem Zeitpunkt war die Neueindeckung des Risikos bei der gewünschten neuen Versicherung I nicht gesichert. Die Gesundheitsfragen aus dem Antragsformular der I lagen dem Kläger und seiner Ehefrau noch nicht vor. Das nach Kenntnis der Mitarbeiter der Beklagten von der I in vergleichbaren Fällen stets angeforderte Vorsorgeuntersuchungsheft hinsichtlich Kindervorsorgeuntersuchungen hatten die Mitarbeiter der Beklagten noch nicht vorliegen und eingesehen.
Am 28.09.2007 unterzeichnete der Kläger den Antrag auf Abschluss einer Krankenversicherung für U bei der I und überreichte dessen Mitarbeiter Q das o. g. Untersuchungsheft. In dem Antrag gab der Kläger folgende Vorerkrankungen/Behandlungen an:
- Halswirbel ausgerenkt
- entzündete Augen nach der Geburt
- Rother Virus
- OP Leistenbruch und Phimose
- Verdacht auf Meningitis (5 Tage stationär)
- Lungenentzündung
- Arm gebrochen
- Finger genäht-
- Windpocken.
Die Auswertung des Vorsorgeuntersuchungsheftes ergab, dass bei U im 3./4. Lebensmonat ein Asymmetriesyndrom links festgestellt wurde. Im Rahmen der U 8 (43. bis 48. Monat) waren Koordinations- und Symmetriestörungen festgestellt worden, die zu einer Verordnung von Mototherapien führten. Im Rahmen der U 9 wurde eine Dyslalie sowie motorische Koordinationsstörungen diagnostiziert, weswegen Logopädie und Mototherapie verordnet wurden.
Wegen des Asymmetriesyndroms wollte die I den Antrag nicht annehmen. Hierüber informierte Q am 29.09.2007 E.
Am 01.10.2007 (so die Beklagte) oder am 08.10.2007 (so der Kläger) informierte E den Kläger von der Ablehnung des Antrages. Jedenfalls unterzeichnete der Kläger ein ihm von der Beklagten gefaxtes "Beratungsprotokoll" vom 01.10.2007, in welchem u. a. formuliert wird: "Nach Angaben des Mandaten bestehen für seinen Sohn U keine nennenswerten Erkrankungen/Vorerkrankungen". Dieses faxte er am 02.10.2007 an die Beklagte zurück. Diese beantragte mit Schreiben vom 02.10.2007 die "Kündigungsrücknahme" bei der V und erklärte mit Schreiben vom 23.10.2007 die Anfechtung der Kündigungserklärung mit der Erklärung, bei der Kündigung des Vertrages habe es sich um ein "Büroversehen" gehandelt. Hierauf ließ sich die V nicht ein.
Die Beklagte bot dem Kläger in der Folgezeit an, Versicherungsschutz über die I2 Versicherung zu organisieren. Der Kläger stellte diesbezüglich mit E-Mail vom 17.11.2007 Nachfragen. Wegen der Einzelheiten dieser E-Mail wird auf die Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 18.09.2008 (Blatt 73 f der Akten) Bezug genommen. Zuvor hatte E der Ehefrau des Klägers mitgeteilt, dass nur unter der Voraussetzung U bei der I2 Versicherung versichert werden sollte, wenn auch der Kläger mit zu dieser Versicherung wechselt. Dies war bis Ende 2008 nicht möglich. E wandte sich dann noch mit einer E-Mail vom 20.11.2007 an den Kläger (Anlage B 7 zur Klageerwiderung). Dem Kläger gelang es, U wieder über die V zu versichern, allerdings nur mit folgenden Einschränkungen:
- Risikozuschlag von 150 % auf die allgemeinärztlichen Tarife
- Motopädie, Ergotherapie und Logopädie wurden von der Erstattung ausgeschlossen.
Für die Zeit von November 2007 bis Dezember 2008 musste der Kläger um 148,78 € monatlich höhere Versicherungsprämien für U zahlen als nach dem früheren Vertrag bei der V. Ab Januar 2009 betrug die Mehrbelastung monatlich 173,78 €.
Der Kläger behauptet, E habe erstmals bei einem Telefonat mit der Ehefrau des Klägers am 30.07.2007 gefragt, ob U "gesund" sei. Er habe erklärt, dass eine Kündigung der privaten Krankenversicherung nur noch bis zum morgigen Tag erfolgen könne, sonst werde eine Verlängerung um ein weiteres Jahr eintreten. Die Ehefrau des Klägers habe daraufhin erklärt, dass U nach ihrem Verständnis gesund sei. Er bekomme Motopädie, die im Rahmen der Frühförderung vom Sozialamt getragen werde. Seine Ehefrau habe konkret nachgefragt, ob mit der Kündigung ein Risiko verbunden sei, z. B. wenn man sich gegen die von der Beklagten einzuholenden Angebote entscheiden würde. E habe mehrfach versichert, die Kündigung könne jederzeit während der Kündigungsfrist zurückgenommen werden. Unter dieser Voraussetzung habe seine Ehefrau die Zustimmung der Kündigung der privaten Kranken- und Pflegeversicherung für den Sohn U zugestimmt.
Am 08.11.2007 habe der Zeuge E telefonisch erklärt, dass er Schadensersatz leisten werde, wenn keine andere Gesellschaft Versicherungsschutz gewähren würde, wie zuvor die V.
Der Kläger beantragt,
1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche Mehrkosten aus dem Versicherungsvertrag zur Versicherungsschein-Nr. ######-### vom 27.11.2007 bezüglich des Sohnes U zu erstatten gegenüber dem Versicherungsvertrag bei der V, Versicherungsschein-Nr. #####-### vom 27.11.2006, insbesondere die höheren monatlichen Prämien zu erstatten sowie Krankheitskosten für Motopädie, Ergotherapie und Logopädie U zu erstatten, soweit die Schadensersatzpflicht nicht schon von den Anträgen zu 2. und 3. umfasst wird, 2. die Beklagte ferner zu verurteilen, an den Kläger 743,90 € (Prämiendifferenz für die Zeit von November 2007 bis März 2008) nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.05.2008 zu zahlen. 3. die Beklagte ferner zu verurteilen, an den Kläger, beginnend mit April 2008, monatlich im voraus bis zum 3. Werktag eines jeden Monats 148,78 M€ nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen, 4. die Beklagten ferner zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Kosten in Höhe von 837,52 € (Rechtsanwaltsgebühren) nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.05.2008 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, bei einer Besprechung vom 14.12.2006 seien der Kläger und seine Ehefrau im Rahmen der Datenaufnahme befragt worden, ob gesundheitliche Belastungen bzw. Vorerkrankungen vorlägen. "Unisono" sei erklärt worden, dass die Familie "gesund" sei. Im Rahmen der Präsentation der Analyseergebnisse vom 24.01.2007 habe die Ehefrau des Klägers mitgeteilt, dass U in der Vergangenheit mal einen Arm gebrochen habe, dies allerdings ausgeheilt sei. Ansonsten habe er mal einen Schnupfen gehabt, sei aber insgesamt gesund. Die Beklagte behauptet weiter, der Kläger und seine Ehefrau seien nachhaltig darauf hingewiesen worden, dass insbesondere Gesundheitsfragen im Zusammenhang mit Versicherungsanträgen äußerst sorgfältig beantwortet werden müssten, da anderenfalls Versicherungen auch längere Zeit nach einem Vertragsschluss Rücktrittsmöglichkeiten bezüglich des Vertrages hätten. Die "ebenfalls nochmals" gestellte Nachfrage hinsichtlich der gesundheitlichen Situation bei U habe indes nur zu den Mitteilungen des Klägers bzw. seiner Ehefrau (ausgeheilter Armbruch, Schnupfen, im Übrigen gesund) geführt.
E habe am 25.07.2007, nachdem der für diesen Tag vorgesehene Besprechungstermin von der Ehefrau des Klägers abgesagt worden sei, mit dieser telefoniert. Er habe darauf gedrängt, dass er zumindest die Kopie des Kinder-Vorsorge-Untersuchungsheftes benötige, um den Antrag auf Abschluss einer Kranken-/Pflegeversicherung für U stellen zu können. Ferner benötige er zumindest in Kopie das ausgefüllte Antragsformular. In diesem Zusammenhang habe E darauf hingewiesen, dass die Kündigung des bisher bestehenden Krankenversicherungsvertrages für U bei der V am 31.07.2007 erfolgen müsse, wenn der Vertrag zum 31.10.2007 (Ablauf des Versicherungsjahres) beendet werden solle (3-monatige Kündigungsfrist zum 31.10.2007). E habe auch darauf hingewiesen, dass deswegen nunmehr kurzfristig das Antragsformular wie auch die Kopie des Untersuchungsheftes benötigt würden, um vor diesem Kündigungszeitpunkt die Neueindeckung der Krankenversicherung herbeizuführen. Dieses wäre bei Vorlage der Unterlagen unproblematisch binnen 24 Stunden möglich gewesen. Die Ehefrau des Klägers habe erklärt, dass sie diese Unterlagen nicht kurzfristig beibringen könne. Sie habe weiterhin erklärt, dass unabhängig davon der Kündigungszeitpunkt für die V nicht verpasst werden solle und die Versicherung in jedem Fall gekündigt werden solle. E habe sich daraufhin nochmals bei der Ehefrau der Klägerin, ob sich an dem Gesundheitsstatus von U gegenüber den bisher gemachten Angaben irgendetwas geändert habe. Dies habe die Ehefrau des Klägers verneint; U sei gesund.
E habe darauf hingewiesen, dass auf Basis dieser Information der Abschluss eines Neuvertrages bei der I problemlos sei, da bei U keine relevanten Gesundheitsvorbelastungen existierten. Der ausschließlich mitgeteilte zurückliegende und voll ausgeheilte Armbruch spiele keine Rolle. E habe die Ehefrau des Klägers darauf hingewiesen, dass bei Ausspruch einer Kündigung gegenüber der V ohne schon eingeholte Neueindeckung das Risiko bestehe, dass bei einem "sich verändernden oder verändert darstellenden Gesundheitszustand" von U nach der Kündigung Probleme bei einer Neueindeckung entstehen könnten. Die Ehefrau des Klägers habe erklärt, dass sie dieses Risiko eingehen wolle und in jedem Fall die teure Police bei der V gekündigt werden solle. Auf Grund dieser "nachhaltigen Vorgaben" habe E zum letztmöglichen Zeitpunkt per Fax am 31.07.2007 den Vertrag bei der V gekündigt.
Die Beklagte meint, eine Pflichtversicherung treffe sie nicht. Im Übrigen sei ein Mitverschulden des Klägers zu berücksichtigen. Dieser sei verpflichtet gewesen, den Schaden durch Abschluss eines Vertrages bei der I2 Versicherung zu minimieren.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die zulässige Klage ist im erkannten Umfange begründet. Nur wegen Nebenforderungen ist sie unbegründet.
Dem Kläger steht ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung vertraglicher Pflichten zu, §§ 280 Abs. 1, 652 BGB.
I.
Die Parteien haben einen Versicherungsmaklervertrag geschlossen. Hierbei handelt es sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienst- und Werkvertragselementen. Die vertraglichen Beratungspflichten eines Versicherungsmaklers sind sehr weitgehend (OLG Hamm, NJOZ 2008, 38; OLG Frankfurt, r+s 2009, 218). Er wird regelmäßig als Interessen- oder sogar Abschlussvertreter des Versicherungsnehmers angesehen. Er ist üblicherweise nicht nur zum Abschluss des gewünschten Versicherungsvertrages verpflichtet, sondern gilt im Hinblick auf den Versicherungsschutz als Vertrauter und Berater des Versicherungsnehmers und hat diesem gegenüber die Stellung eines treuhänderischen Sachverwalters (BGH, NJW 1985, 2526; OLG Hamm, a. a. O.), so dass er weitgehende Aufklärungs- und Beratungspflichten hat. Insbesondere schuldet er Beschaffung und Aufrechterhaltung eines bestmöglichen Versicherungsschutzes und in diesem Rahmen Beratung und Betreuung seines Auftraggebers (OLG Hamm, a. a. O. mit weiteren Nachweisen).
Die so skizzierten Pflichten hat der Mitarbeiter der Beklagten E verletzt, als er nicht davon abriet, ohne Vorliegen des ausgefüllten Antragsformulars für die I und des Untersuchungsheftes die Krankenversicherung für U bei der V zu kündigen. Dies gilt auch auf der Grundlage der streitigen Behauptungen der Beklagten. Ohne hinreichend Klärung der für die Antragsannahme bei der I relevanten Informationen handelte E auf einer unsicheren Tatsachengrundlage. Dies musste ihn veranlassen, von einer Kündigung der Versicherung bei der V abzuraten, denn Nutzen und Risiken standen in keinem angemessenen Verhältnis. Ein Wechsel von der V zur I wäre auch ein Jahr später, nach hinreichender Klärung der relevanten Tatsachen möglich gewesen. Demgegenüber bestand das Risiko, dass U durch die Kündigung des Krankenversicherungsvertrages bei der V seinen Versicherungsschutz verliert und nur – wie hier geschehen – unter erschwerten Bedingungen neuen Versicherungsschutz erlangen kann. Mithin stand lediglich eine Mehrprämienbelastung für ein Jahr einem Risiko im existenziellen Bereich der Krankenversicherung gegenüber.
Zu einem Wechsel durfte die Beklagte nur dann raten, wenn die für die Antragsannahme durch die I relevanten Informationen hinreichend geklärt waren. Bei der Beratung zu einem Wechsel des Krankenversicherers müssen zum einen die für die Beratung notwendigen Informationen durch die Befragung des Kunden beschafft werden. Soweit darüber hinaus andere Quellen zugänglich sind, sind diese auszuwerten und bei der Beratung zu berücksichtigen (vgl. OLG Frankfurt, a. a. O.). Es war daher nicht ausreichend, den Kläger und seine Ehefrau oberflächlich zu fragen, ob U "gesund" sei. Es bedurfte vielmehr einer eingehenden Überprüfung, in welcher Weise die Antragsfragen des ins Auge gefassten Versicherers zu beantworten waren. Eine solche genaue Prüfung der maßgeblichen Tatsachen anhand der von dem Versicherer gestellten Gesundheitsfragen kann nicht durch eine bloße allgemeine Befragung überspielt werden. Denn die sogenannten "Gesundheitsfragen" werden von jedem Versicherer in unterschiedlichen Formulierungen und verschiedene Zeiträume betreffend gestellt. Auch differieren die Gesundheitsfragen danach, ob primär nach Erkrankungen oder darüber hinaus auch bereits intensiv nach Behandlungen gefragt wird.
Vorliegend bestand die noch die Besonderheit, dass E bekannt war, dass die I bei dem Abschluss einer Krankenversicherung für Kinder auch das Vorsorgeuntersuchungsheft anfordert. Ohne Einsichtnahme in dieses musste E erst Recht von einer Kündigung des Versicherungsvertrages bei der V explizit abraten. Die Verpflichtung zur kritischen Überprüfung des Vorsorgeuntersuchungsheftes musste für E auf der Hand liegen. Es liegt nahe, dass Eltern Entwicklungsstörungen nicht als Krankheiten einordnen. Dies, zumal die Abgrenzung von Entwicklungsstörungen zu krankhaften Zuständen auch bei objektiver Betrachtung schon Schwierigkeiten aufwerfen kann. Gerade aber dann, wenn wegen der Komplexität einer Materie mit Missverständnissen zu rechnen ist, sind die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten des Versicherungsmaklers besonders hoch (OLG Celle, NJOZ 2008, 1496). Es war nach alledem ersichtlich ungenügend, nochmals nachzufragen , ob U weiterhin " gesund" sei und auf Risiken bei einem sich "verändert darstellenden Gesundheitszustand" hinzuweisen, wie es E nach der Behauptung der Beklagten getan haben soll.
Die Pflichtverletzung der Beklagten ist für den eingetretenen Schaden auch kausal geworden. Die Beklagte hat keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Ehefrau des Klägers oder der Kläger selbst einem Rat, die Versicherung bei der V mangels hinreichender vorhergehender Sachaufklärung nicht zu kündigen, nicht gefolgt wäre (zur Beweislastverteilung vgl. OLG Frankfurt, a. a. O.). Soweit man den Behauptungen der Beklagten entnehmen mag, dass auf Klägerseite ein gesteigertes Interesse an günstigeren Versicherungsprämien vorgelegen haben mag, so vermag das Gericht daraus nicht abzuleiten, dass der Kläger oder dessen Ehefrau bereit gewesen wäre, unvernünftigerweise ein nicht zu beherrschendes Risiko einzugehen.
II.
Den Kläger trifft kein Mitverschulden.
1.
Soweit der Kläger oder seine Ehefrau Angaben zum Gesundheitszustand des Sohnes U machten, begründet dies kein Mitverschulden. Auch wenn die Angaben durch den Kläger und seine Ehefrau hier nach den Behauptungen der Beklagten lückenhaft und teilweise objektiv unrichtig gewesen sein mögen, so entlastet dies die Beklagte nicht. Denn der Mitarbeiter der Beklagten durfte sich ohnehin in keiner Weise auf diese Angaben verlassen. Wie bereits dargelegt, oblag ihm die Pflicht, zunächst die notwendigen Informationen abzufragen, die für die Beantwortung der Gesundheitsfragen der I erforderlich waren und das Vorsorgeuntersuchungsheft einzusehen, bevor er zu einer Kündigung der Krankenversicherung bei der V raten konnte. Auch wenn man demgegenüber annehmen wollte, der Kläger und seine Frau hätten fahrlässig den allgemeinen Gesundheitszustand von U beschönigend beschrieben, so träte ein hierauf gegründetes etwaiges Mitverschulden jedenfalls hinter dem Verschulden der Beklagten zurück.
Dass der Kläger und seine Frau zutreffende Angaben gemacht hätten, wenn sie anhand des Antragsformulars von E befragt worden wären, bevor er zu einer Kündigung des Versicherungsvertrages bei der V riet, wird durch den späteren Ablauf belegt. Der Kläger hat unstreitig den Gesundheitszustand seines Sohnes und stattgehabte Behandlungen in hinreichender Form in dem Antragsformular niedergelegt. Er hat im Übrigen auf das Vorsorgeuntersuchungsheft verwiesen, aus welchem das Asymmetriesyndrom hervorging.
2.
Ein Mitverschulden an der Entstehung des Schadens kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass der Kläger nicht bereit war, den Versicherungsvertrag später bei der I2 Versicherung abzuschließen. Zwar hat die Beklagte sich bemüht, Versicherungsschutz bei der I2 zu erlangen. Hierauf musste der Kläger sich aber aus mehreren Gründen nicht einlassen. Zum einen hat die Beklagte bereits die Nachfragen des Klägers aus der E-Mail 17.11.2001 nicht hinreichend beantwortet. Unstreitig war die I2 nur bereit, U zu versichern, wenn auch der Kläger mit wechselt. Dies war dem Kläger bis Ende 2008 nicht möglich. Der Kläger musste mithin nicht auf das Angebot der Beklagten vom 20.11.2007 eingehen. Ohnehin kann dem Kläger kein Vorwurf daraus gemacht werden, auf die Vorschläge der Beklagten zur Schadensminimierung noch einzugehen, nachdem der Schaden durch die Fehlberatung der Beklagten erst entstanden war, so dass die Vertrauensgrundlage gestört sein musste.
III.
Nach § 249 Abs. 1 BGB ist von einem Schädiger der Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Diese sogenannte Naturalrestitution besteht hier darin, dass der Kläger für die Zukunft so gestellt wird, als habe E von einer Kündigung des Vertrages bei der V abgeraten und er sei dem gefolgt. Dann aber hätte der Kläger die Mehraufwendungen wegen der Risikozuschläge nicht gehabt. Die Behandlungen wie Motopädie etc. wären weiterhin erstattet worden. Dem Rechnung tragend waren die Anträge zu 1. bis 3. zu tenorieren. Das Feststellungsinteresse hinsichtlich des Klageantrages zu 1. rechtfertigt sich aus einer Ungewissheit daraus, in welcher Höhe sich in der Zukunft Prämiendifferenzen ergeben werden. Offen ist auch, ob weitergehende Nachteile für den Kläger entstehen. Hinsichtlich des Klageantrages zu 2. waren bereits entstandene Prämiendifferenzen für zurückliegende Monate (November 2007 bis März 2008 = 5 x 148,78 €) zu tenorieren. Geschuldet wurden hier zudem Rechtshängigkeitszinsen. Der Klageantrag zu 3. ist nach § 258 ZPO zulässig und begründet. Aus dem Schadensersatzanspruch ergeben sich künftige wiederkehrende Leistungen, denn die Beklagte hat die Prämiendifferenz auch in der Zukunft monatlich zu tragen. Dabei reicht es aus, dass die Leistungen bereits der Höhe nach bestimmbar sind, d. h. mit ausreichender Sicherheit feststehen, wobei noch nicht konkretisierbare Möglichkeiten künftiger Einwendungen des Schuldners dem Verfahren gemäß § 258 nicht entgegenstehen (Zöller, ZPO, 27. Auflage, § 258, Rn. 1 b mit weiteren Nachweisen). Hierbei – und auch bei dem Tenor zu 1. – wird zu beachten sein, dass eine Schadensersatzpflicht gegenüber dem Kläger nur im Rahmen von dessen Unterhaltspflicht gegenüber dem Sohn U bestehen kann.
Soweit der Kläger die außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren geltend macht, ist die Klage unbegründet. Der Kläger hat nichts Hinreichendes zu den Voraussetzungen eines materiell-rechtlichen Schadensersatzanspruches diesbezüglich vorgetragen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte sich bei der Inanspruchnahme rechtsanwaltlicher Hilfe bereits in Verzug mit der begehrten Schadensersatzleistung befand. Da vorliegend nur eine Nebenforderung betroffen ist, bedurfte es eines gesonderten Hinweises auf die Unschlüssigkeit der Klage insoweit nicht, § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
Soweit das Gericht im Tenor zu 1. hinsichtlich der Erstattung der Krankheitskosten für Motopädie, Ergotherapie und Logopädie einen einschränkenden Klammerzusatz eingefügt hat, so beruht dies darauf, dass im Rahmen der Schadensersatzpflicht die Krankheitskosten für die genannten Therapien nur im vertraglichen Umfang des ursprünglichen Versicherungsschutzes geschuldet werden. Insofern bedurfte der Klageantrag der Präzisierung.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Zuvielforderung des Klägers war geringfügig und hat keine höheren Kosten veranlasst.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.