11.06.2010 · IWW-Abrufnummer 093600
Oberlandesgericht Karlsruhe: Urteil vom 08.10.2009 – 4 U 113/09
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
4 U 113/09
verkündet am 8. Oktober 2009
Oberlandesgericht Karlsruhe
4. Zivilsenat in Freiburg
Im Namen des Volkes
Urteil
Im Rechtsstreit XXX
wegen einstweiliger Verfügung
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 24. September 2009 durch XXX
für Recht erkannt:
I.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 25.05.2009 - 9 O 32/09 KfH - im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen wie folgt abgeändert:
1.
Den Verfügungsbeklagten wird untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Dienstleistungen mit folgenden Formulierungen anzubieten:
„Was müssen Sie tun?
Uns den Auftrag erteilen
Kosten entstehen nur, wenn sie sozialversicherungsfrei und wenn Beitragsrückerstattungen durch uns erreicht werden
Vollmachten unterzeichnen, damit wir direkt mit den Sozialversicherungsträgern in Kontakt stehen ...“
2.
Den Verfügungsbeklagten wird weiter untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs ihre gewerbliche Dienstleistung mit folgender Formulierung anzubieten:
a) „Sozialversicherungs-Befreiung“, wenn dies geschieht, wie auf der Seite „Altersversorgung“ der Homepage der Beklagten Ziff. 1, oder
b) „.... Sie überlassen das Spezialgebiet den Profis, die mit spezifischer EDV und Fachwissen Ihnen die rechtliche Sicherheit über Ihren aktuellen Sozialversicherungsstatus geben“, wenn dies geschieht wie in der von der Homepage der Beklagten Ziff. 1 als PDF-Datei herunterzuladenden Werbebroschüre „...-INFO zur Sozialversicherungspflicht“.
3.
Den Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen gemäß Ziff. 1 und Ziff. 2 ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 € oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten - Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann - angedroht, wobei die Ordnungshaft bei der Verfügungsbeklagten Ziff. 1 am Geschäftsführer zu vollziehen ist.
4.
Der weitergehende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
II.
Im übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
III.
Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen tragen der Kläger zu 1/4, die Beklagte Ziff. 1 zu 3/8 und der Beklagte Ziff. 2 zu 3/8.
G r ü n d e :
I.
Der Verfügungskläger (im folgenden: Kläger) ist von Beruf Rechtsanwalt. Er ist berechtigt, die Bezeichnung Fachanwalt für Sozialrecht zu führen. Die Verfügungsbeklagte Ziff. 1 (im folgenden: Beklagte Ziff. 1) ist eine Versicherungsmaklerin in der Rechtsform einer GmbH. Der Verfügungsbeklagte Ziff. 2 (im folgenden: Beklagter Ziff. 2) ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten Ziff. 1.
Die Beklagte Ziff. 1 stellt auf ihrer Homepage unter anderem die Leistungen dar, die sie anbietet. Wenn man auf der Startseite den Begriff „Altersversorgung“ anklickt, öffnet sich eine neue Seite mit folgender Überschrift:
„Altersversorgung
Kompetente und ausführliche Beratung für alle Durchführungswege erhalten sie durch unsere geschulten Spezialisten.“
Sodann werden auf dieser Seite - senkrecht untereinander, jeweils korrespondierend mit einem Bild - bestimmte Stichworte aufgeführt. Eines dieser Stichworte ist „Sozialversicherungs-Befreiung“. Die weiteren Stichworte lauten: „Pensionszusagen“, „Entgeltumwandlung“, „Direktversicherung“, „Pensionskasse/ -fonds“, „Altersteilzeit-Versicherung“, „Förderrente“ und „Info-Briefe“. Im übrigen wird auf den vom Kläger vorgelegten Auszug aus dem Internet Anlage A 1 verwiesen.
Die Beklagte Ziff. 1 bietet zudem auf ihrer Homepage eine Informations-Broschüre (19 Seiten) an, die auf dem Deckblatt den Titel „...-INFO zur Sozialversicherungspflicht“ trägt. Die Broschüre kann als PDF-Datei aus dem Internet heruntergeladen werden, wenn man auf der Seite „Altersversorgung“ die Stichworte „Sozialversicherungs-Befreiung“ und „Sozialversicherung“ anklickt. Wegen der Einzelheiten der Broschüre wird auf den vom Kläger vorgelegten Ausdruck Anlage A 2 verwiesen.
Der Kläger hat erstinstanzlich im Wege der einstweiligen Verfügung Unterlassungsansprüche gegen die Beklagten geltend gemacht. Die Beklagte Ziff. 1 biete auf ihrer Internet-Seite Rechtsdienstleistungen im Bereich der Sozialversicherung an, zu denen sie nach den Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetzes nicht berechtigt sei. Als Versicherungsmaklerin sei die Beklagte Ziff. 1 nicht berechtigt, über Fragen der Sozialversicherungspflicht und einer etwaigen Sozialversicherungsbefreiung zu beraten. Keinesfalls sei die Beklagte Ziff. 1 berechtigt, Kunden gegenüber den Sozialversicherungsbehörden zu vertreten, um Anträge auf Sozialversicherungsbefreiung zu stellen. Selbst wenn man der Beklagten Ziff. 1 in gewissem Umfang die Möglichkeit zugestehen würde, bestimmte Rechtsdienstleistungen im Bereich der Sozialversicherung als Nebenleistung im Sinne von § 5 Abs. 1 RDG zu erbringen, wäre die Werbung zu beanstanden. Denn die Werbung der Beklagten Ziff. 1 sei nicht auf Nebenleistungen, sondern auf eine - in jedem Fall unzulässige - Hauptleistung im Bereich der rechtlichen Beratung gerichtet.
Das Landgericht hat nach mündlicher Verhandlung den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Beklagten abgelehnt. Ein Unterlassungsanspruch stehe dem Kläger nicht zu. Aus der Werbung der Beklagten Ziff. 1 ergebe sich, dass sie die Prüfung von Sozialversicherungsfragen im Rahmen ihrer Leistungen als Versicherungsmaklerin lediglich als Nebenleistung anbiete. Dies sei gemäß § 5 Abs. 1 RDG zulässig.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Er hält an seiner erstinstanzlichen Ausfassung fest, wonach einem Versicherungsmakler eine Beratung im Bereich der Sozialversicherung generell - auch als Nebenleistung - verboten sei. Würde man dies rechtlich anders beurteilen, sei zumindest zu beanstanden, dass die Werbung der Beklagten Ziff. 1 auf ihrer Homepage nicht auf eine Nebenleistung, sondern auf Rechtsdienstleistungen im Sinne einer Hauptleistung gerichtet sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 25.05.2009 - Aktenzeichen 9 O 32/09 KfH - aufzuheben, und den Verfügungsbeklagten und Berufungsbeklagten unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 € oder einer Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten - Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, bei der Verfügungsbeklagten und Berufungsbeklagten zu Ziff. 1 am Geschäftsführer zu vollziehen -, wegen jeder Zuwiderhandlung zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs, ihre gewerbliche Dienstleistung der Überprüfung der Sozialversicherungspflicht mit folgender Formulierung anzubieten:
1.
a) „Sozialversicherungs-Befreiung“ oder
b) „.... Sie überlassen dies Spezialgebiet Profis, die mit spezifischer EDV und Fachwissen Ihnen die rechtliche Sicherheit über Ihren aktuellen Sozialversicherungsstatus geben“ oder
c) „Was müssen sie tun?
Uns den Auftrag erteilen
Kosten entstehen nur, wenn Sie sozialversicherungsfrei und wenn Beitragsrückerstattungen durch uns erreicht werden
Vollmachten unterzeichnen, damit wir direkt mit den Sozialversicherungsträgern in Kontakt stehen ...“,
2.
hilfsweise
die Werbung zu 1. a), 1. b) oder 1. c), wenn dies so geschieht, wie in dem vom Kläger vorgelegten Ausdruck der Internetseite der Beklagten Ziff. 1 (Anlage A 1 hinsichtlich „Sozialversicherungs-Befreiung“), bzw. in der von der Beklagten Ziff. 1 im Internet zum Herunterladen zur Verfügung gestellten Broschüre „...-INFO zur Sozialversicherungspflicht“ (Anlage A 2).
Die Beklagten beantragen,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Beklagten verteidigen das Urteil des Landgerichts. Die Beklagte Ziff. 1 vermittle Produkte im Bereich der privaten Altersvorsorge. Außerdem biete die Beklagten Ziff. 1 Firmenkunden Deckungskonzepte der betrieblichen Altersversorgung an. Diese Maklerdienstleistungen könne die Beklagte Ziff. 1 nur sinnvoll und sachgerecht anbieten, wenn sie gleichzeitig prüfe, ob und inwieweit ihre Kunden - bzw. die Mitarbeiter ihrer Firmenkunden - im Rahmen der Sozialversicherung abgesichert seien. Prüfung und Beratung zu Fragen der Sozialversicherungspflicht seien daher im Sinne einer nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz erlaubnisfreien Nebenleistung mit der Maklertätigkeit verknüpft. Die Werbung der Beklagten Ziff. 1 im Internet gehe über das Angebot solcher Nebenleistungen nicht hinaus. Die Werbung sei insbesondere nicht irreführend. Entgegen der Auffassung des Klägers sei der Werbung ohne weiteres zu entnehmen, dass die Beklagte Ziff. 1 Prüfung und Beratung von Fragen der Sozialversicherung keineswegs ohne konkreten Bezug zur Vermittlung privater Altersvorsorgekonzepte anbiete.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers ist überwiegend begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagten ein Unterlassungsanspruch zu, den er im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen kann.
1.
Der Unterlassungsanspruch des Klägers beruht auf §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Ziff. 1 UWG in Verbindung mit §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Ziff. 1 UWG. Die beanstandete Werbung der Beklagten Ziff. 1 ist irreführend und daher unlauter. Sowohl die Beklagte Ziff. 1 als verantwortliches Unternehmen, als auch der Beklagte Ziff. 2 als deren Geschäftsführer, sind für den Anspruch des Klägers passivlegitimiert. Als Fachanwalt für Sozialrecht erbringt der Kläger Rechtsdienstleistungen im Bereich des Sozialversicherungsrechts und ist daher als Mitbewerber im Sinne von § 8 Abs. 3 Ziff. 1 UWG berechtigt, die Beklagten auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen.
2.
Die Werbung der Beklagten Ziff. 1 ist irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 Ziff. 1 UWG, weil die Beklagte Ziff. 1 als Versicherungsmaklerin nur in eng begrenztem Umfang im Rahmen von § 5 Abs. 1 RDG berechtigt ist, Rechtsdienstleistungen auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts zu erbringen. Die Berechtigung der Beklagten Ziff. 1 stellt sich im einzelnen wie folgt dar:
a)
Als Versicherungsmaklerin vermittelt die Beklagten Ziff. 1 den Abschluss von privaten Verträgen im Bereich der Altersvorsorge, und zwar zum einen gegenüber Privatpersonen und zum anderen gegenüber Firmen, die ein Deckungskonzept für eine betriebliche Altersversorgung benötigen. Die Prüfung, ob eine bestimmte Person sozialversicherungspflichtig ist und die auf konkrete Einzelfälle bezogene Beratungsleistung stellen Rechtsdienstleistungen im Sinne von § 2 Abs. 1 RDG dar (vgl. zum Begriff „Rechtsdienstleistung“ die amtliche Begründung, BT-Drucksache 16/3655, S. 46 ff.). Entsprechendes gilt für eine „Sozialversicherungsbefreiung“. Mit diesem Begriff wird üblicherweise von entsprechenden Dienstleistern die Rückforderung erheblicher Sozialversicherungs-Beiträge bezeichnet, wenn eine bestimmte Person - oft über einen längeren Zeitraum - zu Unrecht von den Behörden als sozialversicherungspflichtig behandelt wurde (vgl. ähnliche Angebote im Internet, die dort regelmäßig oder dem Stichwort „Sozialversicherungsbefreiung“ zu finden sind).
Die Beklagte Ziff. 1 zählt nicht zu den „registrierten Personen“ gemäß §§ 10 ff. RDG. Daher ist sie zu den genannten Dienstleistungen im Bereich des Sozialversicherungsrechts nur insoweit befugt, als es sich um eine erlaubte Nebenleistung im Sinne von § 5 Abs. 1 RDG handelt. Die Erlaubnisfreiheit von Nebenleistungen gemäß § 5 Abs. 1 RDG trägt dem Umstand Rechnung, dass viele gewerbliche Tätigkeiten, deren Schwerpunkt im wirtschaftlichen Bereich liegt, notwendig auch mit rechtsbesorgender Tätigkeit (bzw. Rechtsdienstleistungen) verbunden sind. Nebenleistungen sind daher erlaubnisfrei, wenn sie in unmittelbarem sachlichen Zusammenhang mit einer Hauptleistung stehen,
deren Schwerpunkt auf nicht rechtlichem Gebiet liegt (vgl. Kleine-Cosack, Rechtsdienstleistungsgesetz, 2. Aufl. 2008, § 5 RDG Rdn. 14 ff., 34 ff.; amtliche Begründung, a.a.O., Seite 37 f., 51 ff.). Das Gesetz regelt in § 5 Abs. 1 Satz 2 RDG, dass sich der Charakter einer Nebenleistung nach dem Inhalt, nach dem Umfang der Rechtsdienstleistung, nach dem sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit und unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse richtet, die für die Tätigkeit erforderlich sind.
Von diesen Grundsätzen ausgehend kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Beklagte Ziff. 1 in einem gewissen (begrenzten) Umfang zu Rechtsdienstleistungen im Bereich des Sozialversicherungsrechts berechtigt ist. Ein Versicherungsmakler, der eine private Vorsorgeversicherung vermitteln soll, muss die Notwendigkeit und die Angemessenheit der jeweiligen Verträge für den Kunden prüfen. Dazu gehört auch eine Prüfung, ob und inwieweit ein Kunde bereits in der Sozialversicherung abgesichert ist. Nur auf dieser Basis kann ein Versicherungsmakler einen Kunden vernünftig über den Abschluss (eventuell ergänzender) privater Vorsorgeverträge beraten. Entsprechendes gilt für die Erarbeitung von Deckungskonzepten in der betrieblichen Altersversorgung. Auch für eine solche Tätigkeit, die zum Berufsbild eines Versicherungsmaklers gehört, muss der Makler prüfen, in welchem Umfang die Betriebsangehörigen bereits durch die gesetzliche Rentenversicherung für ihr Alter abgesichert sind. Die Einbeziehung von Fragen der gesetzlichen Sozialversicherung in ein privates Vorsorgekonzept gehört gleichzeitig zu den berechtigten Erwartungen, die ein Kunde dem Versicherungsmakler entgegenbringt, wenn er private Vorsorgeverträge nachfragt. Zu Recht weisen die Beklagten in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Grundkenntnisse des Sozialversicherungsrechts heute zum Berufsbild des Versicherungsmaklers gehören. Dem entspricht beispielsweise auch die Regelung in § 1 Abs. 2 Ziff. 2 b) der Versicherungsvermittlungsverordnung, die bei der Sachkundeprüfung für Versicherungsvermittler Kenntnisse der „sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen“ für erforderlich hält.
Für die praktische Tätigkeit eines Versicherungsmaklers ergeben sich folgende Konsequenzen: Entscheidend - und Voraussetzung einer Anwendung von § 5 Abs. 1 RDG - ist das Vorliegen eines Kundenauftrags für eine maklertypische Hauptleistung, also ein Auftrag, Vorschläge für eine private Altersvorsorge (oder ein Deckungskonzept für eine betriebliche Altersversorgung) zu machen, bzw. entsprechende private Verträge zu vermitteln. Im Rahmen und bezogen auf einen solchen Hauptauftrag ist der Versicherungsmakler berechtigt, die Sozialversicherungspflicht und die Möglichkeit einer Sozialversicherungsbefreiung des Kunden (bzw. der Betriebsangehörigen) zu prüfen und den Kunden hierüber zu beraten. Die Tätigkeit des Versicherungsmaklers bleibt eine Nebenleistung im Sinne von § 5 Abs. 1 RDG, solange die Beratung über die sozialversicherungsrechtlichen Fragen einen konkreten Bezug zur Hauptleistung (Konzeption und Vermittlung privater Verträge) hat.
b)
Zum Berufsbild des Versicherungsmaklers gehört grundsätzlich eine umfassende Betreuung der Versicherungsangelegenheiten des Kunden. Der Versicherungsmakler hat insoweit in weitem Umfang die Interessen seines Kunden zu wahren. Daraus ergibt sich, dass eine erlaubte Rechtsdienstleistung im Sinne von § 5 Abs. 1 RDG nicht nur dann in Betracht kommt, wenn es darum geht, dass der Versicherungsmakler neue Versicherungsverträge vermittelt, sondern auch dann, wenn er von seinem Kunden beauftragt wird, bereits bestehende (nicht von ihm selbst vermittelte) Verträge zu überprüfen (vgl. hierzu zur entsprechenden Rechtslage nach Art. 1 § 5 Ziff. 1 Rechtsberatungsgesetz a.F. OLG Hamm, Versicherungsrecht 1985, 59). Dies muss auch für eventuelle Nebenleistungen im Bereich des Sozialversicherungsrechts gelten. Das heißt: Wenn ein Versicherungsmakler von seinem Kunden beauftragt wird, bestehende private Vorsorgeverträge im Hinblick auf ihre Angemessenheit zu prüfen, dann darf der Makler in diesem Zusammenhang auch Fragen der Sozialversicherungspflicht und einer eventuellen Sozialversicherungsbefreiung prüfen und den Kunden darüber beraten, wenn und soweit dies zur Beurteilung der privaten Vorsorge des Kunden sinnvoll ist.
c)
Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass ein Versicherungsmakler nicht berechtigt ist, einen Kunden über die Frage seiner Sozialversicherungspflicht - oder einer möglichen Sozialversicherungsbefreiung - zu beraten, wenn die Voraussetzungen einer Nebenleistung im Sinne von § 5 Abs. 1 RDG nicht vorliegen. Ein Versicherungsmakler ist mithin nicht berechtigt, die Prüfung der Sozialversicherungspflicht oder die Prüfung einer möglichen Sozialversicherungsbefreiung als (selbständige) Leistung anzubieten, ohne dass ein konkreter Zusammenhang zu einer für den Versicherungsmakler typischen Haupttätigkeit (Erarbeitung eines privaten Vorsorgekonzepts, siehe oben) bestünde. Eine solche selbständige Rechtsdienstleistung auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts muss der Versicherungsmakler den rechtsberatenden Berufen, insbesondere Rechtsanwälten, überlassen.
d)
Die erlaubnisfreien Nebentätigkeiten des Versicherungsmaklers (siehe oben) beschränken sich auf Prüfung der Rechtslage und Beratung des Kunden. Hingegen gehört die Vertretung des Kunden in Sozialversicherungsangelegenheiten gegenüber den entsprechenden Behörden nicht zur erlaubnisfreien Nebenleistung gemäß § 5 Abs. 1 RDG. Das heißt, ein Versicherungsmakler ist auch dann nicht berechtigt, mit einer Vollmacht seines Kunden einen Antrag auf Sozialversicherungs-Befreiung bzw. Rückzahlung von Beiträgen bei der zuständigen Behörde zu stellen, wenn ein Zusammenhang mit einem privaten Vorsorge-Konzept besteht.
Auszugehen ist insoweit gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 RDG vom üblichen Berufs- oder Tätigkeitsbild des Versicherungsmaklers. Zu diesem Berufsbild gehört zwar, dass der Makler Schriftverkehr mit den privaten Versicherern übernimmt und beispielsweise bei Schadensregulierungen für den Kunden tätig wird (vgl. OLG Hamm, a.a.O.; Kleine-Cosack, a.a.O., Anhang zu den §§ 1 bis 5 RDG, Rdn. 164 ff.). Die Vertretung eines Kunden gegenüber einem Sozialversicherungsträger gehört in Deutschland allerdings bisher nicht zum üblichen Berufs- oder Tätigkeitsbild eines Versicherungsmaklers. Es ist davon auszugehen, dass Kunden - anders als bei Kontakten zu den privaten Versicherern - eine solche Tätigkeit ihres Maklers auch nicht als Nebenleistung erwarten. Ein Versicherungsmakler kann seine Hauptleistung - die Erarbeitung eines privaten Vorsorgekonzepts - ohne Schwierigkeiten erbringen, indem er seinen Kunden beispielsweise auf die Möglichkeit einer Sozialversicherungsbefreiung hinweist, die Antragstellung gegenüber der Behörde jedoch dem Kunden selbst, bzw. einem von diesem zu beauftragenden Rechtsanwalt, überlässt. Für eine solche Verfahrensweise spricht auch der Umstand, dass eine Sozialversicherungs-Befreiung nicht selten mit schwierigen rechtlichen Problemen einerseits und erheblichen Auswirkungen für den Kunden andererseits verbunden ist, so dass die Einschaltung eines speziellen Fachmanns, beispielsweise eines Fachanwalts für Sozialrecht, sinnvoll sein kann.
Das Sozialgesetzbuch enthält in § 13 SGB X keine eigenständige Regelung darüber, welche formellen Anforderungen Bevollmächtigte erfüllen müssen, die einen Beteiligten gegenüber der Behörde vertreten wollen. § 13 Abs. 5 SGB X nimmt insoweit lediglich auf die Regelungen im Rechtsdienstleistungsgesetz Bezug. Im Umkehrschluss lässt sich dem entnehmen, dass die verfahrensrechtlichen Regelungen im Sozialgesetzbuch jedenfalls keine zusätzlichen Kompetenzen für das Auftreten von Versicherungsmaklern gegenüber den Sozialversicherungsbehörden vorsehen.
e)
Gemäß § 1 Abs. 2 RDG würden der Beklagten Ziff. 1 allerdings weitergehende Befugnisse im Bereich der Rechtsdienstleistungen zustehen, wenn sich diese aus anderen gesetzlichen Vorschriften ergeben würden. Solche Regelungen, die für den vorliegenden Fall günstige Auswirkungen für die Beklagte Ziff. 1 haben könnten, gibt es jedoch nicht.
aa)
Aus § 34 d Abs. 1 S. 4 Gewerbeordnung ergibt sich - jedenfalls für den vorliegenden Fall - keine weitergehende Befugnis von Versicherungsmaklern zur rechtlichen Beratung. Die Beratungsbefugnis in dieser Vorschrift - gegenüber Unternehmern - gilt nur „bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen.“ Vorliegend kann die Frage, ob § 34 d Abs. 1 S. 4 Gewerbeordnung unter bestimmten Voraussetzungen zu einer erweiterten Beratungsbefugnis des Versicherungsmaklers führen kann, allerdings dahinstehen. Denn aus dem Wortlaut des Gesetzes („bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen“) ergibt sich, dass bei der Beratungstätigkeit des Maklers in jedem Fall Versicherungsverträge im Vordergrund stehen müssen. Der Begriff „Versicherungsverträge“ meint nach seinem eindeutigen Wortlaut private Versicherungen und nicht etwa die Sozialversicherung. Eine Beratung über Fragen der Sozialversicherung („Sozialversicherungs-Befreiung“) kann daher durch § 34 d Abs. 1 S. 4 Gewerbeordnung auch gegenüber einem Unternehmer nicht als Hauptleistung gerechtfertigt werden. Ohne einen Zusammenhang zu privaten Versicherungsverträgen, die Gegenstand der Hauptleistung des Maklers sind, kommt eine Beratung über Fragen der Sozialversicherung für den Makler auch gemäß § 34 d Abs. 1 S. 4 Gewerbeordnung nicht in Betracht.
bb)
Der Beklagte Ziff. 2 hat zudem ein Zertifikat des Berufsbildungswerks der Versicherungswirtschaft S., vorgelegt, wonach er an einer Weiterbildung „Fachberater für betriebliche Altersversorgung“ mit Erfolg teilgenommen hat (im Anlagenheft Beklagte). Auch dieses Zertifikat verleiht den Beklagten keine weitergehenden Befugnisse. Dies ergibt sich schon daraus, dass das angegebenen Zertifikat nicht auf einer gesetzlichen Regelung beruht, die - im Sinne von § 1 Abs. 2 RDG - zusätzliche Befugnisse zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen regelt.
f)
Die Parteien streiten im übrigen über die Rechtsfrage, in welchem Umfang die Beklagte Ziff. 1 bei der Erarbeitung von Deckungskonzepten für die betriebliche Altersversorgung berechtigt ist, die entsprechenden Firmenkunden auch über steuerrechtliche, arbeitsrechtliche, gesellschaftsrechtliche und sonstige zivilrechtliche Fragen zu beraten. Diese Fragen spielen für die Entscheidung des Senats keine Rolle. Denn zur Entscheidung über die Anträge des Klägers kommt es nur darauf an, in welchem Umfang und unter welcher Voraussetzung die Beklagte Ziff. 1 zur Rechtsdienstleistung im Bereich des Sozialversicherungsrechts berechtigt ist (dazu siehe oben).
3.
Die Unterlassungsanträge des Klägers haben insoweit Erfolg, als die Werbung der Beklagten Ziff. 1, für welche der Beklagte Ziff. 2 als Geschäftsführer verantwortlich ist, irreführend ist (§ 5 Abs. 1 Ziff. 1 UWG). Die Werbung ist teilweise irreführend, weil die Beklagte Ziff. 1 in ihrem Internet-Auftritt Leistungen anbietet, zu deren Erbringung sie nach den Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetzes nicht berechtigt ist. Die Irreführung liegt darin, dass ein potentieller Kunde (Verbraucher oder Firmenkunde) damit rechnet, dass die Beklagte Ziff. 1 - entsprechend ihrer Werbung - bestimmte für den Kunden möglicherweise interessante Leistungen anbieten kann, obwohl solche Leistungen nach den Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetzes ausgeschlossen sind, und von den Beklagten - jedenfalls nach ihren Angaben - auch nicht erbracht werden. Maßgeblich für die Beurteilung der Irreführung ist die Auffassung der Verkehrskreise, an die sich die Werbung richtet, also von Verbrauchern einerseits und Unternehmern andererseits.
Nach Auffassung des Senats ist davon auszugehen, dass auch verständige Verbraucher in erheblichem Umfang die Werbung der Beklagten Ziff. 1 missverstehen müssen. Im Einzelnen:
a)
Generell irreführend ist die folgende Werbung:
„Was müssen sie tun?
Uns den Auftrag erteilen
Kosten entstehen nur, wenn Sie sozialversicherungsfrei und wenn Beitragsrückerstattungen durch uns erreicht werden
Vollmachten unterzeichnen, damit wir direkt mit den Sozialversicherungsträgern in Kontakt stehen.“
Die Werbung erweckt den Eindruck, die Beklagte Ziff. 1 dürfe bei Anträgen auf Befreiungen von der Sozialversicherungspflicht für Kunden gegenüber den Behörden auftreten. Dies ist jedoch unzutreffend (siehe oben). Zudem erweckt die Formulierung hinsichtlich der Kosten den Eindruck, die Beklagte Ziff. 1 dürfe bei der Frage der Sozialversicherungsbefreiung unabhängig von einer Versicherungsvermittlung tätig werden (daher gesonderte Kosten bei Sozialversicherungsbefreiung). Auch dies ist irreführend. Denn die Beklagten dürfen die Fragen von Sozialversicherungspflicht und Sozialversicherungsbefreiung nur prüfen, wenn es sich um eine Nebenleistung im Rahmen eines konkreten Hauptauftrags (privates Vorsorgekonzept) handelt (siehe oben 2. a) und b)).
b)
Irreführend ist auch die Werbung mit dem Schlagwort „Sozialversicherungs-Befreiung“.
aa)
Der Begriff „Sozialversicherungs-Befreiung“ geht in dem von der Beklagten Ziff. 1 verwendeten Kontext über eine Prüfungs- oder Beratungstätigkeit der Beklagten Ziff. 1 hinaus. Der Begriff wird auf der vom Kläger beanstandeten Seite der Homepage der Beklagten Ziff. 1 im Sinne einer Tätigkeit gebraucht, die auf einen bestimmten Erfolg gerichtet ist, nämlich auf die Befreiung eines Kunden von der Sozialversicherungspflicht (bzw. auf die Rückzahlung von Beiträgen). Bei einem potentiellen Kunden muss so die Vorstellung entstehen, er könne die Beklagte Ziff. 1 damit beauftragen, eine solche „Sozialversicherungs-Befreiung“ für ihn zu erreichen. Dies ist jedoch unzutreffend, da die Beklagten nicht berechtigt sind, entsprechende Anträge gegenüber den Sozialversicherungsträgern für einen Kunden zu stellen (s. oben).
bb)
Der Kläger hat hinsichtlich dieses Begriffs allerdings nur mit seinem Hilfsantrag Erfolg. Denn der Senat kann nicht feststellen, dass der Gebrauch des Begriffs „Sozialversicherungs-Befreiung“ durch die Beklagten immer - das heißt, in jedem beliebigen Kontext - unzulässig wäre. Sollte die Beklagte Ziff. 1 bei einer Werbung für jeden Leser eindeutig klarstellen, dass die Beklagte Ziff. 1 zum Einen nur eine Beratungstätigkeit (keine Vertretung gegenüber Behörden) anbietet, und zum Anderen, dass die Beratung nur als Nebenleistung im Zusammenhang mit einer maklertypischen Hauptleistung erfolgen kann, wäre eine Verwendung des Begriffs „Sozialversicherungs-Befreiung“ in einer Werbung möglicherweise zulässig.
c)
Schließlich ist auch die Formulierung
„.... Sie überlassen dieses Spezialgebiet Profis, die mit spezifischer EDV und Fachwissen Ihnen die rechtliche Sicherheit über Ihren aktuellen Sozialversicherungsstatus geben“
irreführend.
aa)
Allerdings ist die Formulierung als solche unter Umständen nicht zu beanstanden, wenn sie von der Beklagten Ziff. 1 gegebenenfalls in einem anderen Zusammenhang verwendet wird. Denn - im Sinne einer unselbständigen Nebenleistung (siehe oben) - ist die Beklagte Ziff. 1 zu einer entsprechenden rechtlichen Prüfung des Sozialversicherungsstatus ihrer Kunden berechtigt (siehe oben). Daher hat der Unterlassungsantrag des Klägers insoweit keinen Erfolg, als er eine generelle Untersagung dieser Werbung erreichen möchte.
bb)
Die Werbung ist allerdings im konkreten Zusammenhang der entsprechenden Broschüre der Beklagten Ziff. 1 irreführend. Denn im Zusammenhang dieser Broschüre erweckt die Beklagte Ziff. 1 den - unzutreffenden - Eindruck, sie sei berechtigt, eine Prüfung des Sozialversicherungsstatus als Hauptleistung (ohne Zusammenhang mit einer Versicherungsvermittlung) anzubieten. Der Unterlassungsantrag des Klägers hat daher in der Form des Hilfsantrags Erfolg, mit der Maßgabe, dass die Beklagten eine entsprechende Werbung zu unterlassen haben, wenn dies in einem Zusammenhang erfolgt, wie in der vorliegenden Werbebroschüre.
Die Werbebroschüre (Anlage A 2) erweckt bereits nach der äußeren Aufmachung den Eindruck, dass die Beklagte Ziff. 1 Rechtsdienstleistungen zur Prüfung der Sozialversicherungspflicht von Kunden selbständig anbiete, also ohne Zusammenhang mit einem privaten Vorsorgekonzept. Dies ergibt sich bereits aus der Überschrift der Broschüre auf der Titelseite „...-INFO zur Sozialversicherungspflicht“, die keinen Bezug zur privaten Altersvorsorge enthält. Auch die auf dem Deckblatt links oben angegebenen Beschreibungen zum Leistungsspektrum der Beklagten Ziff. 1 („Leistungsstarke Deckungskonzepte ...“, vgl. die Anlage A 2), sind so allgemein gehalten, dass eine Begrenzung der Hauptleistungen auf private Vorsorgekonzepte nicht ersichtlich wird. Die gesamte Broschüre befasst sich ausschließlich mit Fragen der Sozialversicherung, insbesondere der Sozialversicherungspflicht, so dass auch aus dem weiteren Inhalt der Werbung ein - für die Beklagte Ziff. 1 erforderlicher - Bezug zu privaten Versicherungsverträgen nicht erkennbar wird. In der gesamten Broschüre findet sich zudem keine Erläuterung, die dem Leser die Beschränkung der Rechtsdienstleistungen auf Nebenleistungen im Sinne von § 5 Abs. 1 RDG verständlich und eindeutig erklärt.
d)
Die Irreführung der Beklagten ist wettbewerbsrechtlich relevant. Es handelt sich um eine Irreführung über positive Leistungsmerkmale, die jedenfalls zu einem Anlockeffekt führt (vgl. hierzu Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 27. Auflage 2009, § 5 UWG Rdn. 2.192 ff.). Durch die Werbung der Beklagten werden auch solche Kunden angelockt, die nur an Dienstleistungen interessiert sind, welche die Beklagten nicht erbringen dürfen. Auch wenn die Beklagten für diese Kunden zunächst keine Dienstleistung (insbesondere Auftrag zur „Sozialversicherungs-Befreiung“) erbringen dürfen, werden Kundenkontakte hergestellt, die den Beklagten im Wettbewerb nützlich sind (vgl. zur wettbewerbsrechtlichen Relevanz in derartigen Fällen auch Senat, Urteil vom 08.11.2007 - 4 U 178/06 -, Seite 11).
4.
Gemäß § 12 Abs. 2 UWG kann der Kläger das Unterlassungsbegehren im Wege der einstweiligen Verfügung verfolgen.
5.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.