08.07.2013 · IWW-Abrufnummer 132113
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht: Urteil vom 05.06.2013 – 7 U 11/12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit
hat der 7. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 16.05.2013 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Amtsgericht
für Recht erkannt:
Tenor:
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin 80 % des materiellen und immateriellen Schadens zu ersetzen, der der Klägerin aus dem Verkehrsunfall vom 7. April 2011 in G. entstanden ist und noch entsteht soweit er nicht bereits auf Dritte übergegangen ist bzw. übergehen wird.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten 80 % und die Klägerin 20 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Der Berufungsstreitwert wird auf 6.000,00 € festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin begehrt Feststellung der Schadensersatzverpflichtung aus einem Verkehrsunfall, der sich am 7. April 2011 in der C.-Straße in G. ereignete.
Am Unfalltage befuhr die Klägerin gegen 15:45 Uhr mit ihrem Fahrrad die C.-Straße in G. in Richtung Zentrum auf dem Weg zu ihrer dort befindlichen physiotherapeutischen Praxis. Die Klägerin trug keinen Fahrradhelm. Am rechten Fahrbahnrand parkte die Beklagte zu 1) mit ihrem Pkw BMW, der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist. Die Beklagte zu 1) öffnete unmittelbar vor der sich nähernden Klägerin die Fahrertür ihres PKW, so dass die Klägerin nicht mehr ausweichen konnte und gegen die Fahrertür fuhr. Die Klägerin stürzte zu Boden, fiel auf den Hinterkopf und zog sich schwere Schädel-Hirnverletzungen zu, nämlich einen zweifachen Schädeldachbruch am Stirnbein und hohen Scheitelbein linksseitig und Blutungen sowie Hirnquetschungen rechtsseitig.
Sie befand sich bis zum 16. Juni 2011 in stationärer Krankenhausbehandlung - zunächst in Flensburg und ab dem 18. April 2011 in Hamburg/Boberg.
Zum Zeitpunkt des erstinstanzlichen Urteils dauerte die Behandlung der Klägerin in ambulanter Weise fort. Ab dem 8. August 2011 hatte die Klägerin mit einem täglichen Arbeitseinsatz von 4 Stunden ihre Tätigkeit als Physiotherapeutin im Rahmen einer Belastungsprobe, vergleichbar dem Hamburger Modell, wieder aufgenommen.
Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagte zu 1) den Unfall allein verursacht hat. Streitig ist allein die Frage, ob die Klägerin ein Mitverschulden trifft, weil sie beim Fahrradfahren keinen Helm getragen hatte.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr sämtlichen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihr aus dem Verkehrsunfall vom 07.04.2011 in G. entstanden ist und noch entsteht und soweit er nicht bereits auf Dritte übergegangen ist bzw. übergehen wird.
Die Beklagten haben beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie sind der Auffassung, dass die Klägerin an der Entstehung der Kopfverletzung ein Mitverschulden von 50 % treffe, weil sie keinen Schutzhelm getragen habe. Ihre hälftige Eintrittspflicht hat die Beklagte außergerichtlich anerkannt.
Das Landgericht hat der Klage ohne Beweisaufnahme vollumfänglich stattgegeben mit der Begründung, die Klägerin treffe kein Mitverschulden, da es eine allgemeine Helmpflicht nicht gäbe und sie ihr Fahrrad (im Gegensatz zu Rennradfahrern) als gewöhnliches Fortbewegungsmittel genutzt habe.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie machen geltend, dass die Klägerin mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Schädel-Hirntrauma erlitten hätte, wenn sie einen geeigneten Fahrradhelm getragen hätte.
Es entspreche dem Alltagswissen, dass das Risiko von Kopfverletzungen beim Fahrradfahren durch das Tragen eines Helms vermindert werden könne. Gerade der "normale" Radfahrer im alltäglichen Straßenverkehr sei den größten Risiken eines Unfalls ausgesetzt, so dass gerade er gehalten sei, einen Fahrradhelm zu tragen. Ein Mitverschulden setze nicht voraus, dass eine gesetzliche Helmpflicht bestehe, vielmehr käme es darauf an, dass die Klägerin durch das Unterlassen des Tragens eines Helmes beim Radfahren im öffentlichen Straßenverkehr dem Gebot, die eigenen Interessen zu wahren und dabei Sorgfalt walten zu lassen, in vorwerfbarer Weise zuwider gehandelt habe.
Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Der Senat hat zu der Frage, ob die von der Klägerin als Radfahrerin bei dem Unfall vom 7. April 2011 erlittenen Kopfverletzungen auch dann ebenso schwer gewesen wären, wenn die Klägerin einen Helm getragen hätte, Beweis erhoben durch Einholung eines neurologischen Sachverständigengutachtens des Leitenden Arztes für Neurologie Dr. A. G (...).
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.
1.) Die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage ist nach wie vor zulässig, da ihr Feststellungsinteresse zumindest bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht im Dezember 2011 vorgelegen hat. Zu jenem Zeitpunkt war es der Klägerin noch nicht möglich, eine bezifferte Leistungsklage zu erheben, weil ihre ärztliche Behandlung und ihre berufliche Wiedereingliederung noch nicht abgeschlossen waren.
Dies hat sich inzwischen geändert, denn es sind seither anderthalb Jahre vergangen und die Klägerin übt mittlerweile wieder vollumfänglich ihren Beruf als selbständige Physiotherapeutin aus. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Anspruchsteller aber
- jedenfalls in zweiter Instanz - nicht gezwungen, zu bezifferter Leistungsklage überzugehen, wenn diese nachträglich möglich geworden ist (BGH, Urt. v. 17.10.2003, V ZR 84/02, NJW-RR 2004,79 mwN).
2.) Zutreffend hat das Landgericht einen Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gegen die Beklagten aus §§ 7, 18 StVG und bzgl. der Beklagten zu 2) zusätzlich aus § 115 VVG, bejaht.
Die Beklagte zu 1) hat gegen ihre Sorgfaltspflichten aus § 14 Abs. 1 StVO verstoßen. Nach dieser Vorschrift hatte sie sich beim Aussteigen aus ihrem Kraftfahrzeug so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war. Es handelt sich dabei um die höchste Sorgfaltsanforderung, die das Straßenverkehrsrecht kennt. Vor dem Öffnen der Fahrertür hätte die Beklagte zu 1) den rückwärtigen Verkehrsraum beobachten müssen, etwa durch Blicke in den Rück- und Außenspiegel und nach hinten über die Schulter, um festzustellen, ob sich jemand von hinten nähert. Dies hat sie unstreitig nicht getan, sondern unmittelbar vor der herannahenden Klägerin die Fahrertür vollständig geöffnet, so dass die Klägerin mit dem Fahrrad gegen die sich öffnende Pkw-Tür fuhr und zu Boden stürzte. Dies stellt ein grob fahrlässiges Verhalten der Beklagten zu 1) dar.
3.) Zu Unrecht hat das Landgericht aber ein Mitverschulden der Klägerin nach §§ 9 StVG, 254 Abs. 2 BGB an dem Zustandekommen des konkreten Schadens, hier der Kopfverletzung, verneint. Vielmehr liegt ein Mitverschulden der Klägerin darin begründet, dass sie keinen Helm getragen und damit Schutzmaßnahmen zu ihrer eigenen Sicherheit unterlassen hat (sog. Verschulden gegen sich selbst).
a) Das Nichttragen eines Schutzhelmes war kausal für das Ausmaß der Kopfverletzungen, die die Klägerin durch den Unfall vom 07.04.2011 erlitten hat. So ist schon mit der herrschenden Meinung (BGH, Urt. v. 25.01.1983 , VI ZR 92/81, NJW 1983, 1380; OLG Stuttgart VRS 97, 15; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 41. Auflage 2011, § 21 a StVO, Rn 22 mwN) davon auszugehen, dass der Anscheinsbeweis für einen Kausalzusammenhang zwischen Nichtbenutzung des Helmes und der eingetretenen Kopfverletzung spricht, wenn ein Radfahrer bei einem Unfall - wie im vorliegenden Fall - Kopfverletzungen erleidet, vor denen der Schutzhelm gerade schützen soll.
Zudem steht der Kausalzusammenhang nach dem Ergebnis des vom Senat eingeholten schriftlichen Sachverständigengutachtens des Facharztes für Neurologie Dr. G vom 26.11.2012 und seinen ergänzenden Erläuterungen vom 08.03.2013 fest. Der Sachverständige hat nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass die Verletzungsfolgen mit Blutungen innerhalb und außerhalb des Schädels, sowie die Hirnverletzung des Scheitellappens und beider Schläfenlappen und insbesondere die Schädelbrüche auf eine massive Gewalteinwirkung auf den Kopf der Klägerin hindeuteten mit dem Ergebnis eines mittelschweren bis schweren Schädel-Hirn-Traumas. Das Verletzungsmuster spreche dabei für eine überwiegend lineare Akzeleration und Krafteinwirkung in Längsrichtung des Kopfes. Gerade bei linearen Krafteinwirkungen mit entsprechenden Hirnquetschungen an den Grenzen des Schädels und bei Schädelbrüchen böten Fahrradhelme (im Gegensatz zu Verletzungen durch Rotationsbeschleunigungen des Kopfes oder durch penetrierende Gewalteinwirkung) den größten Schutz. Die Helme hätten die Funktion einer Knautschzone, welche die stumpf einwirkenden Energien absorbierten. Die Kraft des Aufpralls würde auf eine größere Fläche verteilt und dadurch abgemildert.
Damit wäre die Wahrscheinlichkeit eines Schädelbruchs verringert und die Bewegung des Gehirns gebremst, das auf der gegenüberliegenden Seite eine weniger starke Quetschung erführe (sog. Contre-coup-Verletzung). Da Fahrradhelme naturgemäß ihre größte Schutzwirkung bei leichten bis mittelgradigen Traumen entfalten würden und beim Fahrradsturz der Klägerin nach Art und Schwere eine starke Krafteinwirkung auf den Kopf stattgefunden habe, hätte ein Helm das Trauma zwar nicht verhindern, aber zumindest in einem gewissen Umfang verringern können.
b) Entgegen der bisher herrschenden obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Karlsruhe NZV 1991, 25; OLG Nürnberg DAR 1991, 173; OLG Stuttgart VRS 97, 15, 18; OLG Nürnberg DAR 1999, 507; OLG Hamm NZV 2001, 86; OLG Hamm NZV 2002, 129, 131;OLG Düsseldorf NZV 2007, 619; OLG Saarbrücken NZV 2008, 202, 303) begründet nach Auffassung des Senats das Radfahren ohne Schutzhelm bei einer Kopfverletzung durch Fahrradsturz auch den Vorwurf des Mitverschuldens eines Radfahrers, wenn er am öffentlichen Straßenverkehr teilnimmt.
aa) Das Hauptargument derjenigen, die - zumindest bei Erwachsenen - ein Mitverschulden ablehnen, besteht in dem Fehlen einer gesetzlichen Verpflichtung, da das Tragen eines Helmes bisher nach § 21 a Abs. 2 StVO nur für Fahrer von Krafträdern mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von über 20 km/h vorgeschrieben ist. Dafür würden Gründe der Rechtssicherheit und Praktikabilität sprechen, die der Bundesgerichtshof (BGH, Urt. v. 10.04.1979, VI ZR 146/78, NJW 1979, 1363-1366; ebenso Greger, Zivilrechtliche Haftung im Straßenverkehr, 1985, Band 2, § 9 Rn 37 f) für die Frage der Anschnallpflicht in Personenkraftwagen als entscheidend betrachtet habe (vgl. OLG Nürnberg DAR 1991, 173; OLG Stuttgart VRS 97, 15).
Dem ist entgegenzuhalten, dass der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ein Mitverschulden des Geschädigten auch ohne das Bestehen gesetzlicher Vorschriften angenommen hat, wenn dieser "diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt" (BGH, Urt. v. 30.01.1979, VI ZR 144/77, NJW 1979, 980 mwN); er müsse sich insoweit "verkehrsrichtig" verhalten, was sich nicht nur durch die geschriebenen Regeln der Straßenverkehrsordnung bestimme, sondern auch durch die konkreten Umstände und Gefahren im Verkehr sowie nach dem, was den Verkehrsteilnehmern zumutbar sei, um diese Gefahr möglichst gering zu halten (BGH aaO.).
So hatte es für die Mithaftung eines geschädigten Motorradfahrers, der Kopfverletzungen erlitten und keinen Schutzhelm getragen hatte, lange vor Einführung der Helmpflicht im Januar 1976 ausgereicht, dass sich bereits zur Unfallzeit im Juli 1961 ein "allgemeines Verkehrsbewusstsein" dahingehend gebildet hatte, dass dem Schutzhelm größte Bedeutung zur Abwehr und Minderung von Unfallverletzungen zukam (BGH, Urt. v. 09.02.1965, VI ZR 253/63, NJW 1965, 1075).
Diese Ansicht hat sich auch ganz überwiegend in der Literatur durchgesetzt, die es für sinnvoll erachtet, den Fortschritt der Sicherheitstechnik bei § 254 BGB auch dann zu berücksichtigen, wenn der Gesetzgeber (noch) schweigt (Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearbeitung 2005, § 254 Rn 51 mwN).
Im Bereich sportlicher Betätigungen wie Reiten oder Skifahren, wo es ebenfalls an einer gesetzlich geregelten Pflicht zum Tragen eines Schutzhelms fehlt, hat sich nach der Rechtsprechung dagegen seit langem eine Obliegenheit zum Tragen von Helmen im Sinne des § 254 BGBgebildet. Dies wird damit begründet, dass sich z.B. auf den Skipisten die Anzahl der Skifahrer und die dort gefahrenen Geschwindigkeiten stark erhöht hätten, so dass die Mehrzahl der Skifahrer inzwischen mit einem Helm unterwegs sei (OLG München DAR 2012, 205). Warum dies bei einem Radfahrer, der im Straßenverkehr einer erhöhten Sturzgefahr ausgesetzt ist, anders sein soll, erschließt sich nicht.
bb) Dass sich das "allgemeine Verkehrsbewusstsein" in Bezug auf das Tragen von Schutzhelmen beim Fahrradfahren in den letzten Jahren ebenfalls stark gewandelt hat, dürfte außer Frage stehen. Dies wird auch vom OLG Düsseldorf (NZV 2007, 614), auf welches sich das Landgericht in seiner Entscheidung stützt, hervorgehoben.
Es hat - insbesondere bedingt durch die zunehmende Akzeptanz des Tragens von Fahrradhelmen - einen differenzierten Standpunkt eingenommen und zwischen dem "normalen" Freizeitfahrer, der sein Gefährt als normales Fortbewegungsmittel im Straßenverkehr ohne sportliche Ambitionen einsetzt und sportlich ambitionierteren Fahrern, wie etwa Rennradfahrern, unterschieden und nur bei letzteren eine Obliegenheitsverletzung beim Nichttragen von Schutzhelmen angenommen.
Der Bundesgerichtshof hat in seiner anschließenden Revisionsentscheidung (BGH, Urt. v. 04.11.2008, VI ZR 171/07, VersR 2009, 234-236)diese Frage offen gelassen, da nach den Feststellungen des OLG Düsseldorf der Kläger keine Kopfverletzungen erlitten hatte, mithin das Tragen eines Fahrradhelms nicht den Eintritt seiner sturzbedingten Verletzungen hätte verhindern können.
Die Differenzierung zwischen den verschiedenen Arten von Radfahrern, die gleichsam am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen, ist wegen der durch sie aufgeworfenen Abgrenzungsschwierigkeiten nachvollziehbaren Bedenken ausgesetzt (Kettler NZV 2007, 603). Schon angesichts des Umstandes, dass die technische Entwicklung bei modernen Tourenfahrrädern heute derart fortgeschritten ist, dass man auch, wenn es sich nicht um spezielle Renn- oder Geländeräder handelt, hohe Geschwindigkeiten erreichen und sein Fahrverhalten überaus flexibel gestalten kann, überzeugt diese Unterscheidung nicht.
Entscheidend ist vielmehr das besondere Verletzungsrisiko, dem Fahrradfahrer heutzutage im täglichen Straßenverkehr ausgesetzt sind, wie dieser Streitfall plastisch zeigt. Der gegenwärtige Straßenverkehr ist besonders dicht, wobei motorisierte Fahrzeuge dominieren und Radfahrer von Kraftfahrern oftmals nur als störende Hindernisse im frei fließenden Verkehr empfunden werden. Aufgrund der Fallhöhe, fehlender Möglichkeit, sich abzustützen (die Hände stützen sich auf den Lenker, der keinen Halt bietet) und ihrer höheren Geschwindigkeit, z.B. gegenüber Fußgängern, sind Radfahrer besonders gefährdet, Kopfverletzungen zu erleiden. Gerade dagegen soll der Helm schützen. Dass der Helm diesen Schutz auch bewirkt, entspricht der einmütigen Einschätzung der Sicherheitsexperten und wird auch nicht ernsthaft angezweifelt. Die Anschaffung eines Schutzhelms ist darüber hinaus wirtschaftlich zumutbar. Daher kann nach dem heutigen Erkenntnisstand grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens beim Radfahren einen Helm tragen wird, soweit er sich in den öffentlichen Straßenverkehr mit dem dargestellten besonderen Verletzungsrisiko begibt (Geigel, Haftpflichtprozess, 26. Auflage 2011, Rn 3).
Die immer größere Verbreitung des Tragens eines Sturzhelms ist im täglichen Straßenbild auch inzwischen so deutlich wahrzunehmen, dass man von einer allgemeinen Überzeugung im Sinne dieser von der Rechtsprechung gebrauchten Formel sprechen kann (Staudinger/Schiemann BGB § 254 Rn 51).
Da die Klägerin die im eigenen Interesse gebotene Umsicht nicht gewahrt und dem Risiko, beim Radfahren eine Kopfverletzung zu erleiden, nicht nach - zumutbarer - Möglichkeit vorgebeugt hat, ist ihr ein Mitverschulden an der Schadensentstehung anzulasten ist.
c) Den Mitverschuldensanteil der Klägerin bemisst der Senat mit 20 %. Dies berücksichtigt zum einen, dass ein Helm nach den Feststellungen des Sachverständigen die Kopfverletzung der Klägerin zwar in einem gewissen Umfang hätte verringern, aber nicht verhindern können und zum anderen, dass das grob fahrlässige Verhalten der Beklagten zu 1) den Mitverschuldensanteil der Klägerin deutlich überwiegt.
....
Wegen der grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wird die Revision zugelassen, § 543 ZPO.
Verkündet am: 05.06.2013