23.09.2013 · IWW-Abrufnummer 132973
Oberlandesgericht Naumburg: Urteil vom 25.07.2013 – 2 U 23/13
1. Das Pflichtversicherungsrecht geht davon aus, dass regelmäßig zuerst das Bestehen eines Haftpflichtanspruchs nach Grund und Höhe im Verhältnis zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten festgestellt wird und erst danach der Pflichtversicherer des Schädigers auf Deckung in Anspruch genommen wird.
2. Für einen vorweggenommenen Deckungsprozess des Geschädigten gegen den Pflichtversicherer des Schädigers fehlt es regelmäßig an einem rechtlichen Interesse; etwas Anderes kann allenfalls bei der Gefahr des Verlustes des Deckungsanspruchs (vgl. BGH, Urteil vom 15.11.2000, IV ZR 223/99) bzw. bei einer dem Verlust gleichstehenden Ungewissheit (in Abgrenzung zu BGH, Beschluss vom 22.07.2009, IV ZR 265/06) gelten.
OLG Naumburg
25.07.2013
2 U 23/13
In dem Rechtsstreit
...
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Engel, den Richter am Oberlandesgericht Wiedemann und die Richterin am Oberlandesgericht Joost auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juli 2013
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14. Dezember 2012 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Halle abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.
Gründe
A.
Die Klägerin beabsichtigt, die auf sie als Unfallversicherer übergegangenen Schadenersatzansprüche ihres Versicherungsnehmers U. S. gegen S. H. wegen einer am 23.01.2011 eingetretenen Gesundheitsbeschädigung geltend zu machen. Die Beklagte ist der Privathaftpflichtversicherer des S. H. Die Klägerin begehrt von ihr in einem vorweggenommenen Deckungsprozess die Feststellung der Freistellungsverpflichtung der Beklagten in Höhe ihrer behaupteten Aufwendungen.
Der Versicherungsnehmer der Beklagten verbrachte den 23.01.2011, einen Sonntag, gemeinsam mit seiner von ihm getrennt bei seiner ehemaligen Lebensgefährtin wohnenden minderjährigen Tochter. Nachdem diese um ca. 17:30 Uhr abgeholt worden war, begann er nach eigenen Angaben, alkoholische Getränke zu sich zu nehmen. Ab 19:00 Uhr wandte er sich mehrfach - offenkundig erregt und verzweifelt - an seine Nachbarin A. Hf., um sie dazu zu bewegen, zwischen ihm und seiner ehemaligen Lebensgefährtin zu vermitteln und eine Rückkehr seiner Tochter zu ihm zu ermöglichen. Gegen 20:45 Uhr kündigte er in einem weiteren Telefonat ihr gegenüber an, sich selbst zu töten. Die Nachbarin informierte hierüber die Eltern des S. H.. Gegen 21:25 Uhr rief H. erneut bei seiner Nachbarin an und erklärte, dass in fünfzehn Minuten das Haus brennen werde, und bat sie, seinen Nachbarn U. S. und dessen Familie zu warnen, damit sie rechtzeitig das Haus verlassen könnten. U. S. befand sich zu diesem Zeitpunkt bei A. Hf. und deren Lebensgefährten D. K.. Alle drei begaben sich zum Haus des S. H., wo sie auch dessen Eltern vorfanden. S. H. näherte sich ihnen in aggressiver Haltung. Sie versuchten, ihn festzuhalten, was jedoch misslang. S. H. riss sich los und rannte in sein Haus. D. K. und U. S. verfolgten ihn, wobei sie im Treppenhaus einen Benzinkanister und am Treppengeländer ein Seil mit Schlinge wahrnahmen. Nachdem sie ihn eingeholt hatten, wandte sich H. zunächst dem K. zu und würgte ihn. Dabei äußerte er sinngemäß, dass er sein Gegenüber abstechen werde. Sodann rannte H. in die Küche und öffnete eine Schublade mit Besteck. U. S. folgte ihm und versuchte, den H. zu Fall zu bringen; dabei stürzten beide zu Boden. Infolge des Sturzes verletzte sich U. S. am rechten Knie. Bei dem kurz darauf erfolgenden Eintreffen der von A. Hf. gerufenen Polizei wurde eine starke Erregung des H. sowie eine Blutalkoholkonzentration von 1,96 g ‰ festgestellt. Er wurde vorübergehend in die geschlossene psychiatrische Abteilung eines Krankenhauses eingewiesen.
In einem darauffolgenden Strafverfahren wurde gegen S. H. wegen Bedrohung des D. K. ein Strafbefehl über eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen erlassen (vgl. Strafbefehl des Amtsgerichts Eisleben vom 09.05.2011, 11 Cs 425 Js 9605/11, rechtskräftig seit dem 18.06.2011). Der Senat hat die Akte beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Das Ermittlungsverfahren wegen vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil des U. S. wurde nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt (vgl. "Teileinstellung" Bl. 49 BeiA).
Die Klägerin erbrachte im Rahmen der Unfallversicherung Zahlungen an die Erbringer medizinischer Leistungen für ihren Versicherungsnehmer U. S.. Sie forderte die Beklagte zur Regressleistung auf. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 23.09.2011, mit dem sie die geltend gemachten Ansprüche gegen ihren Versicherungsnehmer wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 827 Abs. 1 BGB - Deliktsunfähigkeit - zurückwies. Unter Verweis auf die vorübergehende Unterbringung des H. in der geschlossenen psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses führte die Beklagte weiter aus:
"... Zwar begründet dieser Umstand bzw. die Selbsttötungsabsicht noch nicht alleine den Ausschluss der Verantwortlichkeit gem. § 827 Abs. 1 BGB. Dass von einer solchen auszugehen ist, ergibt sich jedoch aus den Gesamtumständen, wie z. B., dass für den Selbstmord sowohl ein Seil zum Erhängen als auch ein Benzinkanister zum Abbrennen des Hauses bereit gestellt war.
Ihre Ansprüche weisen wir daher wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 827 Abs. 1 BGB zurück.
Rein vorsorglich weisen wir darauf hin, dass wir für den Fall, dass diese Annahme in einem eventl. Rechtsstreit widerlegt würde, den Versicherungsschutz wegen Vorsatztat zu versagen hätten. ..."
Auf nochmalige Intervention der Klägerin, dass sie die Ablehnung ihres Anspruchs so nicht hinnehmen könne, weil ein Nachweis der Deliktsunfähigkeit nicht geführt sei, Herr H. gezielt auf eine Selbsttötung und Brandstiftung hin gehandelt habe und daher auch davon auszugehen sei, dass er sehr wohl gewusst habe, was er tue, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 28.11.2011:
"Falls man den Ihnen (der Klägerin - Anm. d. Senats) geschilderten Sachverhalt als zutreffend unterstellt, wäre wegen Vorsatztat der Versicherungsschutz zu versagen.
Nach wie vor halten wir jedoch an unserer Rechtslagebeurteilung gem. Schreiben vom 23.09.2011 fest und sind auch gern bereit, diese gerichtlich überprüfen zu lassen. ..."
Die Klägerin wandte sich mit Schreiben vom 18.01.2012 an S. H., teilte ihm mit, dass die Beklagte ihr gegenüber "... den Versicherungsschutz vollumfänglich ..." abgelehnt habe und dass gerichtliche Schritte gegen die Beklagte geprüft würden. Dies geschehe auch im vermuteten Interesse des Adressaten. Die Klägerin bat den H. um Beantwortung von vier Fragen, darunter:
"1. Hat die ... (Beklagte - Anm. d. Senats) Sie über die Ablehnung des ihr gegenüber geltend gemachten Anspruchs informiert? Wenn ja, ...
2. Beabsichtigen Sie gegen die Ablehnung vorzugehen oder stehen Sie wegen der Ablehnung des Versicherungsschutzes mit der Versicherung bereits in Verhandlungen? ..."
Der Versicherungsnehmer der Beklagten beantwortete diese Fragen am 06.02.2012 jeweils mit "nein" und machte keine Angaben zu seiner telefonischen Erreichbarkeit.
Die Klägerin hat behauptet, dass ihr Versicherungsnehmer U. S. durch den Sturz u.a. einen Bruch im oberen Schienbeindrittel (Tibiakopffraktur) mit Gelenkflächenbeteiligung und einen Bruch des Wadenbeins (proximale Fibulafraktur) erlitten habe, deren Heilung in einem langwierigen und kostenintensiven Prozess erfolgt sei, und dass sie unfallbedingte Aufwendungen in Höhe von insgesamt 31.202,98 € erbracht habe.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass sie ein rechtlich schutzwürdiges Interesse an einer Direktklage gegen die Beklagte auf Gewährung von Deckungsschutz für den S. H. habe, weil S. H. eine Verfolgung seines versicherungsrechtlichen Anspruchs gegen die Beklagte nicht beabsichtige. Ein Vorsatz des S. H., den U. S. zu Fall zu bringen und zu verletzen, sei nicht ersichtlich; dies zeige auch das Ergebnis der strafrechtlichen Verfolgung.
Die Beklagte hat die Unzulässigkeit der Klage gerügt. Sie hat bestritten, dass sie ihrem Versicherungsnehmer S. H. den Versicherungsschutz verweigert habe. Die Gefahr eines Untergangs des Deckungsanspruchs als Befriedigungsobjekt der Klägerin bestehe nicht.
Im Übrigen hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen für einen Schadenersatzanspruch des Versicherungsnehmers der Klägerin gegen den Versicherungsnehmer der Beklagten nicht vorlägen, weil S. H. sich z.Zt. des Vorfalls in einem Zustand der Schuldunfähigkeit befunden habe. Ihre Erklärung im Schreiben vom 28.11.2011 sei im Lichte der Rechtsprechung dahin zu verstehen, dass sie den Rechtsschutz unter dem Vorbehalt übernehme, die Deckung je nach Ausgang des Haftpflichtprozesses abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen der widerstreitenden Rechtsauffassungen der Parteien des Rechtsstreits und wegen des Verlaufs des Verfahrens in erster Instanz, nimmt der Senat auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und diese Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass ein Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO vorliege, weil die Beklagte auf die Anfrage der Klägerin, ob Versicherungsschutz bestehe, eine unklare Antwort gegeben habe, die es nicht ausschließe, dass sie sich auf eine Versagung von Versicherungsschutz wegen einer Vorsatztat berufe. Hinsichtlich der Begründetheit der Feststellungsklage sei von der Darstellung des Geschädigten vom Geschehensablauf auszugehen. Danach sei ein Vorsatz auszuschließen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 09.01.2013 zugestellte Urteil mit einem am 06.02.2013 beim Oberlandesgericht vorab per Fax eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese Berufung innerhalb der bis zum 11.03.2013 (Montag) laufenden Berufungsbegründungsfrist auch begründet.
Mit der Berufung macht sie geltend, dass ein Feststellungsinteresse der Klägerin nicht bestehe, weil sie, die Beklagte, ihre Bereitschaft zur Abwehr des geltend gemachten Anspruchs auch im Falle einer gerichtlichen Geltendmachung angekündigt habe. Die Formulierung "nach wie vor" deute auf eine - tatsächlich beibehaltene - Rangfolge der Verteidigungsmittel hin. Gegenüber ihrem Versicherungsnehmer habe sie versicherungsrechtliche Gründe zur Versagung des Deckungsschutzes nicht herangezogen. Die Fragen der Klägerin an S. H. im Schreiben vom 18.01.2012 seien ungenau gewesen, so dass aus den Antworten keine Rückschlüsse auf eine Ungewissheit des Eintritts der Beklagten abzuleiten seien. Im Übrigen beanstandet die Beklagte die Tenorierung der erstinstanzlichen Entscheidung, weil danach Deckungsschutz unabhängig von der Frage der Schuldform - Vorsatz oder Fahrlässigkeit - und in der von der Klägerin geltend gemachten Höhe zu gewähren sei. Hilfsweise meint die Beklagte, dass eine Klärung der Schuldform im Deckungsprozess auf der Grundlage einer Beweiserhebung erforderlich sei.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils
die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie verteidigt im Wesentlichen das erstinstanzliche Urteil und vertieft die Argumentation, dass sie sich ohne die begehrte Feststellung der Gefahr des Forderungsausfalls aussetze, weil der Versicherungsnehmer der Beklagten den Anspruch auf Deckungsschutz gegen die Beklagte nicht geltend machte und selbst nicht in der Lage sei, im Falle eines Unterliegens im Haftpflichtprozess die Zahlungen zu leisten.
Der Senat hat am 17.07.2013 mündlich zur Sache verhandelt; wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls des Senats vom selben Tage Bezug genommen.
B.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig; insbesondere ist sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Das Landgericht ist zu Unrecht von der Zulässigkeit der Feststellungsklage im vorweggenommenen Deckungsprozess ausgegangen. Die Klägerin hat kein rechtlich schutzwürdiges Interesse an der begehrten Feststellung.
I. Die gesetzlichen Regelungen zur Pflichtversicherung und die Rechtsprechung gehen grundsätzlich davon aus, dass der Geschädigte bzw. der an seine Stelle getretene Versicherungsträger (künftig: der Geschädigte) den Anspruch auf Schadenersatz zunächst gegenüber dem Schädiger selbst geltend macht und dadurch - ggf. unter Inanspruchnahme von Rechtsschutz - den Anspruch dem Grund und der Höhe nach feststellen lässt (sog. Haftpflichtprozess). Regelmäßig soll erst im Anschluss daran aus abgetretenem oder durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss übergegangenem Recht die Haftpflichtversicherung des Schädigers in Anspruch genommen werden (sog. Deckungsprozess). Die Feststellungen im vorangegangenen Haftpflichtprozess haben im nachfolgenden Deckungsprozess Bindungswirkung, soweit Voraussetzungsidentität besteht (vgl. nur BGH, Urteil v. 30.09.1992, IV ZR 314/91, BGHZ 119, 276; Urteil v. 18.02.2004, IV ZR 126/02, VersR 2004, 590). Zum Umfang der Versicherungsleistungen der Haftpflichtversicherung gehört nach § 100 VVG (in der hier anwendbaren Fassung vom 23.11.2007) auch die Gewährung von Rechtsschutz im Haftpflichtprozess. Ein Direktanspruch des Geschädigten gegen die Haftpflichtversicherung des Schädigers ist nach § 115 Abs. 1 VVG nur in eng begrenzten Ausnahmefällen begründet. Der Gesetzgeber hat sich bewusst gegen eine Ausweitung der Möglichkeit der unmittelbaren Inanspruchnahme des Pflichtversicherers entschieden. Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen für einen Direktanspruch gegen die Beklagte nach übereinstimmender und zutreffender Rechtsauffassung beider Prozessparteien nicht erfüllt: Bei der Privathaftpflicht handelt es sich nicht um eine nach dem Pflichtversicherungsgesetz bestehende Versicherungspflicht (Nr. 1), eine eingetretene oder drohende Insolvenz des S. H. liegt nicht vor (Nr. 2), der Aufenthaltsort des S. H. ist bekannt (Nr. 3).
II. Dem gegenüber ist schon der vorweggenommene Deckungsprozess des Schädigers gegen seinen Haftpflichtversicherer ein Ausnahmefall, weil ein Rechtsschutzinteresse regelmäßig das Bestehen eines Haftpflichtanspruchs des Geschädigten gegen den Schädiger voraussetzt. Der Schädiger hat jedoch als Versicherungsnehmer Anspruch auf eine eindeutige Auskunft darüber, ob der Versicherer im Haftpflichtprozess den Rechtsschutz übernimmt (vgl. BGH, Urteil v. 07.02.2007, IV ZR 149/03, BGHZ 171, 56). In diesem vorweggenommenen Deckungsprozess findet eine Prüfung des Haftpflichtanspruchs und der damit zusammenhängenden Tatfragen im Übrigen nicht statt, sondern es ist grundsätzlich die Richtigkeit der Behauptungen des Geschädigten zu unterstellen (vgl. BGH, Urteil v. 15.11.2000, aaO.; OLG Frankfurt, Beschluss v. 27.10.2010, 12 U 99/09; Retter in: Schwintowski/Brömmelmeyer, Praxiskomm. z. Versicherungsvertragsrecht, 2. Aufl. 2011, § 100 Rn. 72; Betz in: Veith/Gräfe, Der Versicherungsprozess, 2. Aufl. 2010, § 12 Rn. 76). Im Deckungsprozess wird damit nicht geprüft, ob eine Haftungslage gegeben ist, weil es Aufgabe des Haftpflichtversicherungsschutzes ist, nicht nur festzustellen, ob der Versicherer Befreiung von begründeten Ersatzansprüchen schuldet, sondern vor allem auch, dass er die Abwehr von unbegründeten Ansprüchen in eigener Zuständigkeit herbeizuführen hat (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil v. 24.03.2005, 12 U 432/04, VersR 2005, 781). Daher ist der Feststellungsantrag im vorweggenommenen Deckungsprozess des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer auch regelmäßig auf die Gewährung "bedingungsgemäßen" Versicherungsschutzes zu richten, d.h. dem Versicherer soll dadurch nicht das Recht genommen werden, bei Begründetheit der Haftpflichtforderung des Geschädigten zu prüfen, ob der Deckungsschutz aus anderen, aus dem Versicherungsverhältnis herrührenden Gründen zu versagen ist.
III. Der vorweggenommene Deckungsprozess des Geschädigten direkt gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers ohne vorherige Abtretung, wie er hier vorliegt, ist eine sehr seltene Ausnahme (vgl. Betz, aaO., § 12 Rn. 61 und 71). Grundsätzlich begründet das Interesse des Geschädigten, sich über die Möglichkeiten der Realisierung seines Haftpflichtanspruchs vorab zu orientieren, für sich allein kein rechtliches Interesse an einer gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers gerichteten Deckungsschutz-Feststellungsklage. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Versicherer auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichtet und seinem Versicherungsnehmer den Versicherungsschutz nicht eindeutig entzogen hat (vgl. BGH, Beschluss v. 30.05.1984, IVa ZR 205/83, VersR 1984, 787). Dem Geschädigten wird von der Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen ein rechtliches Interesse an einer gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers gerichteten, dem Haftpflichtprozess vorhergehenden Feststellungsklage im Deckungsprozess zugebilligt, wobei sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zwei Fallgruppen ergeben, die im Lichte des vorgenannten Grundsatzes aufzufassen sind:
1. Ein Feststellungsinteresse i.S. von § 256 ZPO wird bejaht, wenn wegen der Untägigkeit des Versicherungsnehmers die Gefahr besteht, dass dem Haftpflichtgläubiger der Deckungsanspruch als Befriedigungsobjekt verloren geht. Dies ist angenommen worden, wenn der Versicherungsnehmer insolvent ist und weder der Versicherungsnehmer noch der Konkurs- bzw. Insolvenzverwalter gegen eine unberechtigte Deckungsversagung vorgehen und deshalb (auch ohne Verweigerung der Übernahme des Rechtsschutzes durch den Haftpflichtversicherer) der Rechtsverlust durch Verjährung droht (vgl. BGH, Urteil v. 15.11.2000, IV ZR 223/99, VersR 2001. 90 - in juris Tz. 10 m.w.N.; OLG Celle, Urteil v. 05.07.2012, 8 U 28/12 VersR 2013, 750).
2. Der Bundesgerichtshof hat in einer weiteren Entscheidung angenommen, dass der Geschädigte ein eigenes rechtliches Interesse i.S. von § 256 ZPO an der Feststellung, dass der Versicherer dem Schädiger Deckungsschutz zu gewähren habe, auch dann haben kann, wenn der Versicherer auf seine Anfrage, ob Versicherungsschutz bestehe, keine oder keine eindeutige Antwort gibt oder die Auskunft verweigert (vgl. BGH, Beschluss v. 22.07.2009, IV ZR 265/06, VersR 2009, 1485 - in juris Tz. 2). Im entschiedenen Fall hatte das Berufungsgericht festgestellt, dass der Versicherer verpflichtet sei, seiner Versicherungsnehmerin im Rahmen eines bestimmten Versicherungsverhältnisses "bedingungsgemäß Deckung" anlässlich zweier Schadensfälle zu gewähren; der Bundesgerichtshof hat die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Versicherer die Unsicherheit über sein Eintreten für den Fall der rechtskräftigen Titulierung der Haftpflichtansprüche bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufrecht erhalten habe und daher ungewiss geblieben sei, ob er bisher nicht vorgebrachte versicherungsrechtliche Einwände nachholen werde. Dem Deckungsprozess war ein Haftpflichtprozess gegen den Schädiger vorausgegangen, der wegen der Insolvenz des Schädigers unterbrochen war (vgl. Vorinstanz: OLG Düsseldorf, Urteil v. 27.09.2006, I-18 U 17/06 - zitiert nach juris).
IV. Nach diesen Maßstäben ist hier ein rechtliches Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung nicht gegeben.
1. Ein Verlust des Deckungsschutzes i.S. der ersten Fallgruppe droht hier nicht. Über das Vermögen des Schädigers ist ein Insolvenzverfahren nicht eröffnet, welches den Schädiger etwa handlungsunfähig machen könnte. Die Beklagte hat gegenüber ihrem Versicherungsnehmer, dem Schädiger, die Übernahme des Rechtsschutzes nicht verweigert. Jedenfalls hat die Klägerin eine solche Auskunft der Beklagten gegenüber S. H. schon nicht substantiiert behauptet oder gar unter Beweis gestellt. Die an den Versicherungsnehmer der Beklagten gestellte Frage nach einem Vorgehen gegen eine Verweigerung der Übernahme von Rechtsschutz unterstellte eine solche Verweigerung, so dass in der bloß verneinenden Antwort des H. keine Bestätigung dieser Unterstellung zu sehen ist. Der Adressat übersandte zudem auch keine Kopie einer entsprechenden Nachricht der Beklagten über die Ablehnung des Deckungsschutzes. In der Korrespondenz zwischen den Parteien des Rechtsstreits gab die Beklagte vielmehr jeweils zu erkennen, dass sie bei gerichtlicher Geltendmachung des Haftungsanspruches dem Schädiger Rechtsschutz gewähren werde. Ohne ausdrückliche Verweigerung der Beklagten gegenüber ihrem Versicherungsnehmer ist dessen Untätigkeit in der Sache derzeit belanglos. Insbesondere stand der Eintritt der Verjährung des Deckungsanspruches (drei Jahre nach Geltendmachung im September 2011) auch nicht etwa unmittelbar bevor.
2. Eine dem Verlust des Deckungsanspruchs gleich stehende Ungewissheit, wie sie der zweiten Fallgruppe in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu entnehmen ist, liegt hier ebenfalls nicht vor.
a) Die Beklagte hat die Auskunft nicht verweigert. Sie hat in ihren beiden Schreiben vielmehr eine eindeutige, nachvollziehbare Auskunft erteilt.
Sie hat sich darin zum Ersatzanspruch geäußert und diesen Anspruch - für ihren Versicherungsnehmer - mit dem Verweis auf die fehlende Deliktsfähigkeit i.S. von § 827 BGB als unbegründet abgewehrt. Auch wenn die danach offensichtliche Gewährung von Rechtsschutz zugunsten ihres Versicherungsnehmers das Interesse des Geschädigten an der Feststellung der versicherungsrechtlichen Deckungspflicht nicht zu beseitigen vermag, so liegt in dieser Auskunft zugleich eine konkludente gleichlautende Auskunft an den Versicherungsnehmer; dieser hätte mithin kein rechtlich anerkanntes Interesse mehr für eine Feststellungsklage im vorweggenommenen Deckungsprozess. Hieraus ergeben sich bereits erhebliche Bedenken, ob das Rechtsschutzinteresse des Geschädigten weiter gehen kann, als die Rechte des Versicherungsnehmers, obwohl ihm in beiden Fallgruppen das Feststellungsinteresse allein wegen der Untätigkeit des Versicherungsnehmers zugebilligt worden ist.
b) Die Beklagte hat sich auch zu den versicherungsrechtlichen Fragen objektiv nicht missverständlich geäußert. Ihre Auskunft ist dahin auszulegen, dass sie den Deckungsschutz nur teilweise - hinsichtlich des Rechtsschutzes - und im Übrigen nur unter dem Vorbehalt der Feststellung einer vorsätzlichen Herbeiführung des Schadens i.S. von § 103 VVG gewährt. Anders, als das Landgericht meint, hat die Beklagte mit dem zweiten Schreiben vom 28.11.2011 ihre vorherige Auskunft nicht abgeändert oder relativiert, sondern bekräftigt. Sie hat lediglich die Reihenfolge und Intensität des Vorbringens - in Reaktion auf die Äußerungen der Klägerin - variiert, ohne den Sinngehalt zu verändern. Auf ihr nach dem Inhalt des Versicherungsvertrages bestehendes Recht, im Falle des Vorliegens eines Risikoausschlussgrundes die (weitere) Versicherungsleistung zu verweigern, musste sie auf Anfrage des Geschädigten nicht verzichten.
c) Entscheidend gegen ein rechtliches Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung spricht jedoch der Umstand, dass die Klägerin mit einer - hier nur unterstellt rechtskräftig werdenden - Feststellung, dass die Beklagte "bedingungsgemäß" Versicherungsschutz zu gewähren habe, nichts gewonnen hätte. Entsprechend den im vorweggenommenen Deckungsprozess geltenden Grundsätzen wären die Angaben des Geschädigten, hier des Versicherungsnehmers der Klägerin, in diesem Prozess als wahr zu unterstellen, so dass der Feststellungsanspruch ohne weitere inhaltliche Prüfung als begründet anzusehen wäre. Im Falle eines erfolgreichen Haftpflichtprozesses der Klägerin gegen den Versicherungsnehmer der Beklagten müsste die Klägerin u.U. mangels Bindungswirkung dieser Feststellungen erneut Deckungsklage erheben; erst in diesem - nachlaufenden - Deckungsprozess wäre dann u.U. Beweis zu erheben über die streitige Frage, ob die Voraussetzungen für einen Risikoausschluss nach § 103 VVG vorlagen oder nicht (vgl. BGH, Urteil v. 29.10.2008, IV ZR 272/06, VersR 2009, 517; OLG Frankfurt, Urteil v. 02.07.2010, 3 U 21/10, VersR 2011, 1314). Hierfür hätte die im Haftpflichtprozess zu treffende Feststellung der Deliktsfähigkeit bzw. Deliktsunfähigkeit des Schädigers wegen teilweiser Voraussetzungsidentität mit der Frage des Vorliegens einer Vorsatztat eine teilweise Bindungswirkung.
d) Einer endgültigen Klärung der Frage der Deckungspflicht der Beklagten im vorliegenden vorweggenommenen Deckungsprozess des Geschädigten steht schließlich auch entgegen, dass der Versicherungsnehmer der Beklagten am Prozess nicht beteiligt ist, eine solche Feststellung aber erheblich in seinen Rechtskreis eingreifen würde.
C.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nr. 8 EGZPO i.V. mit §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.