26.11.2013 · IWW-Abrufnummer 133576
Oberlandesgericht Frankfurt/Main: Beschluss vom 20.06.2013 – 3 U 159/12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
3 U 159/12
Tenor
In dem Rechtsstreit … wird darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Klägerin durch Beschluss nach § 522 II ZPO zurückzuweisen.
Nach Vornahme der gemäß § 522 I und II ZPO gebotenen Prüfungen ist der Senat einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Die Sache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch Urteil.
Gründe
I.
Die Klägerin - eine Finanzdienstleistungsvermittlerin - verlangt von der beklagten Versicherung Deckungsschutz aus einer zwischen den Parteien bestehenden Vermögenschadenshaftpflichtversicherung, für die die AVB 9/2001 der Klägerin (Bl. 11 ff. d.A.) gelten.
Durch Urteil des LG München I vom 4.10.2010, Az. 27 O 23571/09 (Anlage K 2 = Bl. 19 ff.), wurde die Klägerin verurteilt, Schadenersatz in Höhe von 13.875,73 € nebst Zinsen an einen ihrer Kunden - A - zu zahlen. Diesem hatte sie 2002 die Beteiligung an der "B GmbH & Co. … KG" empfohlen. Nach den Feststellungen des Urteils haftet die Beklagte, weil sie sich einen Beratungsfehler vorwerfen lassen müsse, der darin zu sehen sei, dass sie das Anlagerisiko unter Vorlage eines sog. "Vermögensaufbauplanes" (Anlage K 19 = Bl. 102 f. d.A.) verharmlosend dargestellt habe.
Das Urteil wurde rechtskräftig, nachdem das OLG München die Berufung der Klägerin zurückgewiesen hatte (Beschluss vom 18.2.2011 = Anlage K 4 = Bl. 23 ff. d.A.).
Das vorgerichtliche Verlangen der Klägerin nach Versicherungsschutz wegen dieser Verurteilung lehnte die Beklagte ab (Anlage K 6 = Bl. 25 d.A.), weshalb die Klägerin ihr Begehren mit der vorliegenden Klage weiterverfolgt. Neben der eigentlichen Schadenssumme, die die Klägerin mit 13.620,85 EUR berechnet (14.620,85 abzüglich Selbstbeteiligung in Höhe von 1.000,- €), fordert sie auch die Kosten des vorangegangenen Haftpflichtprozesses (6.673,75 € + 1.120,62 €) sowie die vorgerichtlichen Anwaltskosten dieses Verfahrens.
Das Landgericht hat die Klage - nach informatorischer Anhörung des Geschäftsführers der Klägerin (Bl. 156 ff. d.A.) - mit dem angefochtenen Urteil (Bl. 226 ff. d.A.) abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin könne keinen Versicherungsschutz verlangen, da die von der Beklagten geltend gemachten Ausschlusstatbestände eingriffen.
So unterfalle der streitgegenständliche Sachverhalt als Anlageberatung schon nicht dem vertraglichen Versicherungsschutz, der nur für Anlagevermittlung gelte.
Darüber hinaus ergebe sich der Ausschluss des Versicherungsschutzes unter dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung. Die Klägerin müsse sich entgegenhalten lassen, mit dem Vermögensaufbauplan einen Prospekt in Umlauf gebracht zu haben, durch den ihrem Kunden "Sicherheit auf Dauer" suggeriert worden sei. Insoweit reiche für den vereinbarten Ausschlusstatbestand nach den Versicherungsbedingungen, dass der Versicherungsnehmer den Prospekt in Umlauf bringe. Dass daneben auch nötig sei, dass der Versicherungsnehmer ausdrücklich auch unter dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung in Anspruch genommen werde, könne den Versicherungsbedingungen nicht entnommen werden.
Weiterhin sei der Risikoausschluss auch nach den Grundsätzen der unterlassenen Risikoprüfung gegeben. Dem Verkaufsprospekt zufolge sei die streitbefangene Beteiligung mit Anlagen in Immobilien, Investmentfonds und sonstigen Anlageformen verbunden. Es sei für die Klägerin ohne weiteres erkennbar gewesen, dass dies mit Kursschwankungen verbunden gewesen sei und somit die Anlage alles andere als "sicher" sei. Wie die Klägerin dessen ungeachtet eine gehörige Risikoprüfung durchgeführt haben wolle, erschließe sich nicht.
Schließlich sei auch der Ausschlusstatbestand einer wissentlichen Pflichtverletzung gegeben. Nach den Ausführungen des Geschäftsführers der Klägerin sei der Vermögensaufbauplan bewusst und gewollt an den Kläger übergeben worden. Dass das fragliche Papier vermeintlich nur als Berechnungsbeispiel und nur für den internen Gebrauch bestimmt gewesen sein soll, ändere nichts daran, dass der Aufbauplan auf eine Art und Weise an den Kunden gelangt sei, die sich die Klägerin zurechnen lassen müsse.
Hiergegen richtet sich die zulässige Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Begehren unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags weiterverfolgt (vgl. Bl. 273 ff. und 309 f. d.A.).
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil (vgl. Bl. 303 ff. d.A.).
II.
Die Berufung kann keinen Erfolg haben. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass die Klägerin keine Leistungen aus der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung verlangen kann, da der von der Klägerin vorgetragene Sachverhalt, aus der sich ihre Haftpflicht ergeben soll, einem der unter Ziffer V. der AVB dargestellten Risikoausschlüsse unterfällt.
Die Klägerin muss sich vorwerfen lassen, dass ihre Haftung durch "sonstige wissentliche Pflichtverletzung" im Sinne von Ziffer V. e) AVB eingetreten ist.
Eine solche Pflichtverletzung setzt keinen Vorsatz - oder gar eine Absicht, wie die Klägerin meint - voraus. Der Versicherungsnehmer muss lediglich seine Pflicht positiv gekannt haben und der Pflichtverstoß muss für den Schaden ursächlich gewesen sein (Prölss/Martin VVG, AVB Vermögen/WB § 4 Rn 5).
Hier hat die Klägerin durch das ihr zurechenbare Verhalten ihres Geschäftsführers wissentlich gegen ihre Aufklärungs- und Hinweispflichten aus dem mit dem Anleger A zustande gekommenen Beratungsvertrag verstoßen, weil sie diesem den Flyer "Vermögensaufbauplan" vorgelegt hat, der auf dem Deckblatt mit den Worten "Sicherheit von Dauer" wirbt, wodurch bei dem Anleger der Anschein erweckt wurde, die Anlage sei "sicher", obwohl es sich in Wahrheit um eine Unternehmensbeteiligung handelte, die mit entsprechenden wirtschaftlichen Risiken verbunden ist. Damit hat die Klägerin das Risiko der Anlage gegenüber Herrn A verharmlost.
Dass hierin eine Pflichtverletzung zu sehen ist, die zu einem Schaden des Anlegers geführt hat, und zwar in Form der Zeichnung der Beteiligung, die ansonsten unterblieben wäre, hat das Landgericht München I im vorausgehenden Regressprozess insoweit bindend festgesellt.
Dass es sich um eine wissentliche Pflichtverletzung handelt, die im vorliegenden Deckungsprozess zu einem Risikoausschluss führt, kann die Klägerin nicht entkräften. So stellt die Klägerin zu Recht nicht infrage, dass sie ihre Verpflichtung, als Finanzdienstleistungsvermittlerin den Anleger A anleger- und objektgerecht zu beraten, positiv gekannt hat. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass ihr jedenfalls keine wissentliche Pflichtverletzung vorgeworfen werden könne, kann sie damit keinen Erfolg haben.
Die Verpflichtung zur anleger- und objektgerechten Beratung gehört zu den grundlegenden Pflichten des Beraters, weshalb im Falle einer Abweichung regelmäßig darauf geschlossen werden kann, dass die Pflichtverletzung auch wissentlich geschah (OLG Köln vom 22.9.2008, 20 W 43/08 - mit weiteren Nachweisen).
Dass dies hier ausnahmsweise anders zu sehen ist, ergibt sich auch dann nicht, wenn man der Beurteilung nur den entsprechenden Vortrag der Klägerin zugrunde legt. Ihr Einwand, der - für die Frage der Haftung der Klägerin entscheidende - Flyer sei lediglich "versehentlich" in den für den Anleger A bestimmten Ordner gelangt, führt zu keiner anderen Beurteilung. Selbst wenn es so gewesen ist, dass - wie der Geschäftsführer der Klägerin in seiner persönlichen Anhörung ausgeführt hat - der Flyer von einem Auszubildenden in den Ordner gelegt wurde, bestreitet die Klägerin jedenfalls nicht, dass dem Geschäftsführer bei der Beratung des Anlegers A bekannt war, dass dieser (auch) diese Information erhalten hatte. Wenn der Geschäftsführer der Kläger aber wusste, dass der Anleger A den Webeflyer erhalten hatte, dann waren ihm alle Umstände bewusst, auf die das LG München I die Verurteilung der Klägerin wegen einer Pflichtverletzung bei der Beratung des Anlegers A gestützt hat. Er musste dann auch davon ausgehen, dass der Anleger A eine falsche Vorstellung über die Sicherheit seiner Anlage hatte. Selbst wenn der Geschäftsführer der Klägerin hoffte oder - wie erstinstanzlich vorgetragen - "sich nicht vorstellen konnte, dass die Aussage des Flyers für die Entscheidung des Anlegers A bedeutsam sein konnte", ändert dies nichts daran, dass er positiv erkannt hat, dass die Beratung insoweit nicht pflichtgemäß erfolgt war.
Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob das Landgericht angesichts des Umstands, dass die Beklagte selbst diesen Einwand fallengelassen hat, prüfen durfte, ob der Haftpflichtschaden, für den die Klägerin Deckungsschutz verlangt, überhaupt dem vereinbarten Versicherungsschutz unterfällt.
Auf sich beruhen kann auch, ob die Beklagte die Versicherungsleistung auch wegen weiterer Risikoausschlüsse verweigern kann. Die entsprechenden Erwägungen des Landgerichts sind jedoch nicht von vornherein von der Hand zu weisen.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, zum beabsichtigten Vorgehen binnen zweier Wochen ab Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Es wird darauf hingewiesen, dass bei Rücknahme der Berufung Gerichtsgebühren in nicht unerheblicher Höhe vermieden werden können.