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29.01.2014 · IWW-Abrufnummer 140307

Oberlandesgericht Köln: Urteil vom 16.07.2013 – 9 U 30/13

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Oberlandesgericht Köln

9 U 30/13

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 30.01.2013 verkündete Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 20 O 176/11 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten beider Rechtszüge trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO)

Die Berufung ist zulässig und führt in der Sache zum Erfolg. Der Klägerin steht kein Anspruch in Höhe von 5.046,61 € gemäß § 1 VVG i.V. mit §§ 12 Abs. 1 I. b), 13 der in den Teilkaskoversicherungsvertrag der Parteien einbezogenen AKB 1997 zu. Die Beklagte wendet mit Erfolg ein, dass die Klägerin nach dem Ergebnis der im Berufungsverfahren wiederholten Beweisaufnahme den Beweis des äußeren Bildes eines Diebstahls des versicherten Motorrads, einer E Typ Y, zwischen dem 01. und 02.04.2010 von einem Stellplatz in L nicht geführt hat.

1.

Nach ständiger Rechtsprechung kommen dem Versicherungsnehmer bei einem behaupteten Fahrzeug-Diebstahl Beweiserleichterungen zugute. Er genügt seiner Beweislast, wenn er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung darlegt und beweist, also ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen (st. Rspr.; vgl. BGH VersR 2002, 431; BGH VersR 1996, 319, jeweils m.w.N.). Der Mindestsachverhalt des äußeren Bildes eines Entwendungsgeschehens, dass nämlich das versicherte Fahrzeug zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort abgestellt und später dort nicht mehr aufgefunden wurde (vgl. BGH a.a.O.), ist allerdings durch Vollbeweis zu erbringen. An dieser Voraussetzung fehlt es.

Soweit die Kammer auf der Grundlage der Vernehmung des Sohnes der Klägerin, des Zeugen N, in Kürze festgestellt hat, dass die Klägerin das äußere Bild eines bedingungsgemäßen Diebstahls bewiesen habe, entfaltete dies im Hinblick auf die mit der Berufung aufgezeigten Bedenken an der Richtigkeit dieser Feststellung keine Bindungswirkung nach Maßgabe des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Der Senat hat deshalb die Beweisaufnahme insoweit wiederholt, vermochte sich auf der Grundlage der Aussage des Zeugen N vom äußeren Bild eines Entwendungsgeschehens aber nicht zu überzeugen.

Der Zeuge N hat neben den Vernehmungen vor Kammer und Senat bereits vorgerichtlich Angaben zum äußeren Bild eines Diebstahls gemacht, nämlich bei der im beigezogenen Ermittlungsverfahren 53 UJs 236/10 StA Köln aufgenommenen Anzeigenerstattung am 02.04.2010 sowie der - nach eigenem Bekunden von ihm für die Klägerin ausgefüllten und von dieser nur unterzeichneten - Schadenanzeige an die Beklagte vom 30.04.2010 (Anlage B 2, 81 ff). Die bei den verschiedenen Gelegenheiten zu Tage getretenen Ungereimtheiten und Widersprüche sind auch durch die erneute Befragung vor dem Senat nicht ausgeräumt und einer nachvollziehbaren Erklärung zugeführt worden:

In der Schadenanzeige an den Versicherer hat der Zeuge die Frage nach der Abstellzeit des Motorrads beantwortet mit „ca. 19 h“ am 31.03.2010. In seiner Vernehmung vor dem Landgericht (GA 148 unten) hat er demgegenüber bekundet, das Motorrad am fraglichen Tag „morgens“ abgestellt zu haben. Vor dem Senat hat der Zeuge sodann spontan bekundet, das Motorrad „in den Vormittagsstunden“ auf seinem Stellplatz geparkt zu haben. Auch wenn zwischen den ohnehin eher ungenauen Zeitangaben „morgens“ und „vormittags“ kein nennenswerter Unterschied bestehen mag und der Zeuge auf Nachfrage überdies erklärt hat, sich hinsichtlich der (Vormittags-)Zeit „nicht ganz genau erinnern“ zu können, so bleibt dennoch unerklärlich und ist insbesondere nicht mit Erinnerungsschwächen zu erklären, wieso er in der Schadenanzeige mit 19 Uhr eine abendliche Uhrzeit eingetragen hat. Dies gilt insbesondere in Anbetracht dessen, dass der Zeuge sich vor dem Senat noch zutreffend an den fraglichen Wochentag, einen Mittwoch, zu erinnern vermochte und die Abstellzeit überdies mit bestimmten Umständen – Abholen der E bei seinen Eltern zum Zweck einer TÜV-Vorführung – verknüpfte.

Zeitliche Ungenauigkeiten zeichnen auch die weiteren Angaben des Zeugen zu dem Zeitpunkt am 01.04.2010 aus, zu welchem er auf dem Weg zur Arbeit das Motorrad zuletzt auf dem Stellplatz gesehen haben will. Bei der Anzeigenerstattung (BA 3) hat der Zeuge noch angegeben „gegen 14.20 h“. In seiner Vernehmung vor der Kammer hat er demgegenüber bekundet, das Fahrzeug zuletzt vor seinem Arbeitsantritt „gegen 12.00 bzw. 14.00 Uhr“ gesehen zu haben. Vor dem Senat hat er den Zeitpunkt sodann mit „etwa 14 Uhr“ bezeichnet und bekräftigt, hieran noch „eine ganz konkrete Erinnerung“ zu haben. Auf Vorhalt der ca. 1 1/2 Jahre früher und damit deutlich zeitnäher zum vorgetragenen Entwendungsgeschehen angegebenen Zeitspanne in der erstinstanzlichen Vernehmung hat der Zeuge sich dahingehend geäußert, mit der damaligen Angabe eines Zeitraums von 12.00 bis 14.00 Uhr die Zeiten seines üblichen Arbeitsbeginns gemeint zu haben. Diese Erklärung vermag indes deshalb nicht zu überzeugen, nachdem das Landgericht auch seine vorangegangene Angabe protokolliert hat, der Zeuge müsse (oft) „morgens um 10.00 oder 12.00 Uhr anfangen“.

Gänzlich ungeklärt geblieben ist überdies der Widerspruch in den Angaben zu den äußeren Umständen der Situation des Nicht-Wiederauffindens in der Nacht des 02.04.2010.

Die Klägerin hat in der Klageschrift vortragen lassen, der Zeuge habe am 02.04.2010 nachts um 1.20 h zu einer „Freizeitfahrt“ aufbrechen wollen. Auf entsprechenden Vorhalt der Kammer hat der Zeuge dieses zumindest ungewöhnlich anmutende Vorbringen als „absurd“ bezeichnet und – in Übereinstimmung mit seinen Angaben bei der polizeilichen Anzeigenerstattung – erklärt, er sei um diese Zeit von der Arbeit nachhause zurückgekehrt und habe deshalb das Fehlen des Motorrads bemerkt.

Der Senat hat dem Zeugen diese Umstände vorgehalten sowie ergänzend seine Angabe zu der Frage Nr. 4.a) der Schadenanzeige vom 30.04.2010 („Was war der Anlass der Fahrt“ – Antwort: „Freizeitfahrt“). Der Zeuge hat darauf zunächst spontan geantwortet, dass ja die Fahrt zum TÜV geplant gewesen sei. Selbst wenn der Zeuge, wie die Klägerin dies mit Schriftsatz vom 25.06.2013 behauptet hat, grundsätzlich nur zwischen „Freizeitfahrten“ und Fahrten von und zu der Arbeitsstätte unterscheiden sollte und deshalb auch eine Vorführungsfahrt zum TÜV als „Freizeitfahrt“ bezeichnen sollte, so erfährt seine erste Erklärung vor dem Senat deshalb eine Abschwächung, weil er im Laufe der Vernehmung in einer beliebig wirkenden Weise als weitere Erklärung für die Bezeichnung als „Freizeitfahrt“ in der (von ihm selbst ausgefüllten) Schadenanzeige den Umstand genannt hat, dass er die letzte Fahrt von seinem Elternhaus zu sich nach Hause unternommen habe. Ein eventuelles Missverständnis der Frage zu Nr. 4 a) des Sinnes, ob dort die Fahrt anlässlich des Abstellens gemeint ist oder eine (allenfalls geplante) Fahrt anlässlich des Nicht-Wiederauffindens, kann sich insoweit nicht ausgewirkt haben. Denn beide Erklärungen des Zeugen beziehen sich, wie dies einem richtigen Verständnis der Frage zu Nr. 4 a) entspricht, auf die Umstände des Abstellens am 31.01.2010.

Der Senat verkennt nicht, dass der Zeuge die wesentlichen Behauptungen der Klägerin zum Kerngeschehen flüssig und spontan bestätigt hat. Zu bedenken ist indes, dass die Angaben eines Zeugen zum sogenannten äußeren Bild eines Fahrzeugdiebstahls, d.h. zum Abstellen und Nicht-Wiederauffinden des Fahrzeugs, grundsätzlich nur die Wiedergabe eines einfachen, nicht komplexen Sachverhalts erfordern. Treten bei Angaben zu einer sehr überschaubaren Sachlage aber Widersprüche auf, ohne dass diese durch Erinnerungsschwächen zu erklären wären, sind diese in besonderem Maße zu gewichten.

2

Da im Streitfall bereits das äußere Bild eines Diebstahlgeschehens nicht feststeht, kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte konkrete Tatsachen zu beweisen vermag, die die Annahme eines nur vorgetäuschten Diebstahls mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nahelegten. Ebenso bedürfen die Voraussetzungen einer Leistungsfreiheit der Beklagten wegen der (arglistigen) Verletzung von Aufklärungsobliegenheiten i.S. des § 7 AKB 1997 keiner Vertiefung.

3.

Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt auf 5.046,61 €.

RechtsgebietZPOVorschriften§ 286 ZPO