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29.01.2014 · IWW-Abrufnummer 140308

Oberlandesgericht Saarbrücken: Urteil vom 19.12.2012 – 5 U 144/12

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Oberlandesgericht Saarbrücken

Urt. v. 19.12.2012

Az.: 5 U 144/12-21

OLG Saarbrücken, 19.12.2012 - 5 U 144/12-21

In dem Rechtsstreit

des A. G.

Kläger und Berufungskläger,

- Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt

gegen

die S. Versicherung AG, vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden

Beklagte und Berufungsbeklagte,

- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

wegen Leistung aus einer Gebäudeversicherung

hat der 5. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts

unter Mitwirkung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Prof. Dr. Rixecker, der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Eckstein-Puhl und des Richters am Oberlandesgericht Reichel

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 28.11.2012

für R e c h t erkannt:
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 06.03.2012 - Az: 14 O 96/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.088,74 EUR festgesetzt.
Gründe

I.

Der Kläger verlangt von der Beklagten eine Versicherungsleistung aus einer Wohngebäudeversicherung.

Der Kläger schloss mit der Beklagten eine Wohngebäudeversicherung (Versicherungs-Nr. 04XXXXXX F 001) entsprechend dem Versicherungsschein vom 04.11.2010 (Bl. 6 d.A.), der die Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen (VGB 2000) in der Fassung 2008 (Bl. 13 d.A.) einbezieht. Darin heißt es:

"§ 4 Versicherungsfall; versicherte und nicht versicherte Gefahren und Schäden

1. Entschädigt werden versicherte Sachen (siehe § 1), die durch

a) Brand, ...

b) Leitungswasser (siehe § 6),

c) Sturm, ...

2. Entschädigt werden auch Bruchschäden an Rohren der Wasserversorgung und Frostschäden an sonstigen Leitungswasser führenden Einrichtungen (siehe § 7).

...

§ 6 Leitungswasser

1. Leitungswasser ist das Wasser, das bestimmungswidrig ausgetreten ist aus

a) Zu- oder Ableitungsrohren der Wasserversorgung,

b) mit dem Rohrsystem der Wasserversorgung verbundenen sonstigen Einrichtungen,

c) Einrichtungen der Warmwasser- oder Dampfheizung sowie ...

§ 7 Rohrbruch, Frost

1. Innerhalb versicherter Gebäude sind versichert frostbedingte und sonstige Bruchschäden an Rohren

a) der Wasserversorgung (Zu- oder Ableitungen),

b) der Warmwasser- oder Dampfheizung,

c) von Sprinkler- oder Berieselungsanlagen,

...

2. Darüber hinaus sind innerhalb versicherter Gebäude auch versichert Frostschäden an

a) Badeeinrichtungen, Waschbecken, Spülklosetts, Armaturen, Geruchsverschlüssen, Wassermessern oder ähnlichen Installationen,

b) Heizkörper, Heizkesseln, Boilern oder vergleichbaren Teilen von Warmwasser- oder Dampfheizungs-, Klima-, Wärmepumpen oder Solarheizungsanlagen,

..."

Am 12.12.2010 stellte der Kläger eine Funktionsstörung an seinem Heizkessel fest. Er legte ein Angebot über 7.788,74 EUR für den Austausch des Heizkessels vor (Bl. 24 d.A.). Die Beklagte ließ den Schaden durch den Sachverständigen L. feststellen, der einen Bericht vom 20.01.2011 verfasste (Bl. 27 d.A.), in dem er keinen Schaden feststellte, der durch das ausgetretene Wasser entstanden war. Einen solchen hat der Kläger auch nicht dargelegt und beziffert. Den Schaden am Heizkessel selbst beschrieb der Sachverständige als "Materialausbruch in der Feuerungskammer".

Der Kläger hat Zahlung von 8.088,74 EUR (7.788,74 EUR Reparaturkosten und 350,00 EUR Kostenpauschale) sowie Zinsen und außergerichtliche Anwaltsgebühren verlangt.

Das Landgericht Saarbrücken hat ein Sachverständigengutachten bei Dr.-Ing. W. vom 21.12.2011 (Bl. 88 d.A.) eingeholt und die Klage durch Urteil vom 06.03.2012 - Az: 14 O 96/11 - abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung und beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.088,74 EUR nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 12.12.2010 und 878,70 EUR nebst 5% Zinsen hieraus seit dem 21.03.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

II.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch in Höhe von 8.088,74 EUR nebst Zinsen wegen des Schadens an seinem Heizkessel nach den §§ 4, 7 VGB 2000 zu.

(1.)

Die Beklagte hat dem Kläger keinen Versicherungsschutz für Bruchschäden an Teilen innerhalb seines Heizungskessels versprochen, die nicht auf eine Frosteinwirkung zurückgehen.

(a)

Nach den wirksam einbezogenen Versicherungsbedingungen (Bl. 13 d.A.) sind Bruchschäden innerhalb eines Heizungskessels nicht als "Bruchschäden an Rohren ... der Warmwasser- ... heizung" (§ 7 Nr. 1b 2000) versichert, sondern nur als Frostschaden am Heizkessel (§ 7 Nr. 2b VGB 2000).

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse wird den Begriff "Bruchschäden an Rohren der Heizung" bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhanges (siehe dazu: BGH, Urt. v. 19.02.2003 - IV ZR 318/02 - VersR 2003, 454) nicht so verstehen, dass damit alle wasserführenden Teile innerhalb eines Heizkessels gegen jeglichen Bruch versichert sind.

Dagegen spricht, dass ein Heizkessel nach allgemeinem Verständnis und Sprachgebrauch als selbständige technische und wirtschaftliche Einheit und damit auch als technisch selbständiger Teil einer Heizungsanlage begriffen wird. Ein Heizkessel ist kein "Rohr" der Warmwasserheizung, sondern ein komplexes technisches Gebilde. Dass sich in seinem Inneren auch Rohre befinden, rechtfertigt keine andere Auslegung (OLG Hamm, r+s 1989, 157; OLG Schleswig, VersR 1993, 1396; OLG Frankfurt, VersR 2010, 69; OLG Köln, r+s 1992, 382; OLG Celle, r+s 1994, 107). Selbst wenn hierüber bei der Lektüre von § 7 Nr. 1b VGB 2000 Zweifel bestehen, wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer anhand der sonstigen Versicherungsbedingungen diesen Zweifeln auf den Grund gehen. Entweder beschäftigt sich der Versicherungsnehmer dann sogleich mit § 7 VGB 2000 insgesamt oder er stößt auf § 4 Nr. 2 VGB 2000, der von "Bruchschäden an Rohren der Wasserversorgung und Frostschäden an sonstigen Leistungswasser führenden Einrichtungen (siehe § 7)" spricht. Damit wird eine Differenzierung zwischen Schäden an Rohren und Schäden an sonstigen Einrichtungen betont. In diesem Sinne wird der Versicherungsnehmer überlegen, ob der gebrochene Gegenstand dem Erscheinungsbild nach ein "Rohr" ist oder nicht (so OLG Köln, r+s 1992, 382), bzw. ob der Schaden "dem Rohrleitungssystem" oder dem Heizkessel zuzuordnen ist (so OLG Celle, r+s 1994, 107). Dabei wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer im vorliegenden Fall bereits erhebliche Zweifel daran hegen, einen Materialausbruch zwischen Brennkammer und wasserführenden Teilen im Inneren des Heizkessels als Rohrbruch anzusehen, zumal der Defekt den Heizkessel insgesamt betrifft und nicht ein isoliert zu betrachtendes und auszutauschendes Einzelteil des Kessels, welches man als Rohr bezeichnen würde. Jedenfalls wird der Versicherungsnehmer bemerken, dass er sich § 7 VGB 2000, auf den § 4 Nr. 2 VGB 2000 verweist, insgesamt und sorgfältig durchlesen und überlegen muss, was sich nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und Systematik der Regelungen in § 7 VGB 2000 ergibt. Vom Versicherungsnehmer ist eine sorgfältige und vollständige Durchsicht der Versicherungsbedingungen zu erwarten (BGH, Urt. v. 30.09.2009 - IV ZR 47/09 - VersR 2009, 1622).

Der Versicherungsnehmer erkennt dann, dass § 7 Nr. 1 VGB 2000 Bruchschäden an Rohren, gleich aus welchem Grund, erfasst, während § 7 Nr. 2 VGB 2000 nur Frostschäden erfasst, dies aber nach seinem Wortlaut nicht auf Rohre beschränkt, sondern auf die Anlagen als solche erstreckt. Während § 7 Nr. 1 VGB 2000 z.B. von Rohren der Warmwasserheizung bzw. von Rohren einer Solaranlage spricht, betrifft § 7 Nr. 2 VGB 2000 den Heizkessel und die Solaranlage als solche. Dies versteht der durchschnittliche Versicherungsnehmer nach dem allgemeinen Sprachgebrauch zwanglos als strikte Trennung zwischen Rohren und den sonstigen Einrichtungen, wie z.B. Heizkessel oder Solaranlage als technische Einheit. Der Gedanke, dass Rohre innerhalb der technischen Einheit bereits unter § 7 Nr. 1 VGB 2000 fallen, während § 7 Nr. 2 VGB 2000 darüber hinaus Frostschäden an Bauteilen betrifft, die keine Rohre sind, setzt dagegen eine komplizierte Abstufungsüberlegung voraus, die nicht dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers entspricht (OLG Köln, r+s 1992, 383). Nach Sinn und Zweck der Regelung ist dies auch fernliegend, denn Frostschäden betreffen regelmäßig die wasserführenden Bauteile. Wenn diese Bauteile bereits als Rohre im Sinne von § 7 Nr. 1 VGB 2000 begriffen würden, gäbe es für § 7 Nr. 2 VGB 2000 keinen wirklichen Anwendungsraum (OLG Hamm, r+s 1989, 157; OLG Schleswig, VersR 1993, 1396). In aller Deutlichkeit gilt dies für die in § 7 Nr. 2 VGB 2000 u.a. aufgeführten Heizkörper und Armaturen. Anders als z.B. bei einem Heizkessel gibt es bei diesen Einrichtungen praktisch keine nicht wasserführenden Teile. Wenn diese bereits unter § 7 Nr. 1 VGB 2000 fielen, bliebe für § 7 Nr. 2 VGB 2000 kein Anwendungsbereich mehr.

Auch erkennt der durchschnittliche Versicherungsnehmer, dass der Versicherer durch die Differenzierung in § 7 VGB 2000 die sonstigen Einrichtungen, die in erheblichem Maße Alterungs- und Verschleißprozessen ausgesetzt sind, lediglich gegen frostbedingte Beschädigungen absichert, nicht aber gegen die zwangsläufigen Alterungs- und Verschleißschäden (OLG Köln, r+s 1992, 383; OLG Schleswig, VersR 1993, 1396). Der Unterschied zwischen der Bruchgefahr für unbelastete Rohre außerhalb der technischen Einrichtungen und Bauteilen der Einrichtungen selbst, liegt auf der Hand. Mit einem Ersatz der verschlissenen Einrichtungen, wie z.B. Heizkessel oder Solaranlage, auch bei Defekten von wasserführenden Bauteilen rechnet der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht, wenn Bruchschäden an Rohren der Wasserversorgung (§ 4 Nr. 2 VGB 2000) entschädigt werden sollen. Im Gegenteil wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht einmal sämtliche wasserführenden Bauteile, wie Kammern, Wärmetauscherplatten und sonstige Hohlräume in Heizkesseln als "Rohre" ansehen.

Aus den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 16.06.1993 - IV ZR 226/92 - VersR 1993, 1102) und des OLG Oldenburg (VersR 1993, 474) folgt nichts Gegenteiliges. Dort ging es um Leitungswasserschäden, die nach § 4 Abs. 1 der dort maßgeblichen VGB 62 zu entschädigen waren. In § 4 Abs. 1 VGB 62 heißt es aber - ähnlich wie in § 6 Nr. 1 VGB 2000 - dass Versicherungsschutz für Leitungswasser besteht, welches u.a. aus "Anlagen der Warmwasser- oder der Dampfheizung bestimmungswidrig ausgetreten ist". Das ist auf die Bruchversicherung, die gerade zwischen Rohren und Anlagen bzw. Einrichtungen unterscheidet, nicht zu übertragen.

Aus den genannten Gründen liegt keine Unklarheit vor, die nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Versicherers geht (a.A. Rüffer in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, 2.Aufl., § 32 Rn. 338).

(b)

Aus den genannten Gründen liegt auch kein Verstoß gegen § 305c Abs. 1 BGB vor. Ob eine Klausel in Versicherungsbedingungen überraschend ist, entscheidet sich danach, ob zwischen den Erwartungen des durchschnittlichen Versicherungsnehmers und dem Inhalt einer Klausel eine deutliche Diskrepanz besteht, mit der der Versicherungsnehmer nicht zu rechnen brauchte. Die berechtigten Erwartungen des Versicherungsnehmers werden von allgemeinen Umständen (wie z.B. dem Grad der Abweichung vom dispositiven Recht) und den besonderen Umständen, unter denen der Vertrag geschlossen wurde (Gang und Inhalt der Verhandlungen, äußerer Zuschnitt des Vertrags) bestimmt (BGH, Urteil vom 21.11.1991 - IX ZR 60/91 - NJW 1992, 1234; Senat, Urteil vom 27.10.1993 - 5 U 197/93-15 - VersR 1994, 720).

Der Regelung, dass Defekte an wasserführenden Bauteilen in Anlagen und Einrichtungen der Warmwasserheizung nur im Frostfalle und nicht aus jedem Grund, also in erster Linie aus Abnutzungs- und Verschleißgründen vom Versicherungsschutz erfasst werden, kommt kein Überrumpelungseffekt zu. Gegenteilige Erwartungen des Versicherungsnehmers sind nicht erkennbar. Auch gefährdet diese Regelung nicht den Vertragszweck, den der Versicherungsnehmer durch Abschluss einer Gebäudeversicherung erwarten kann, die ihn vor "Feuer, Leitungswasser, Sturm und Hagel" schützen soll.

Schließlich hat der Kläger nichts dazu vorgetragen hat, dass ihm Gegenteiliges durch die Beklagte vor oder bei Vertragsschluss versprochen wurde.

(2.)

Spätestens nach dem Sachverständigengutachten steht fest, dass dem Kläger kein Schaden durch auslaufendes Wasser entstanden ist, sondern der Schaden der Defekt des Heizkessels durch das Loch in der Brennkammer hin zu den wasserführenden Umgebungskammern ist, der nicht durch bestimmungswidrig ausgetretenes Leitungswasser hervorgerufen worden ist. Deshalb kommt es lediglich auf § 7 VGB 2000 an.

(3.)

Dem Kläger steht aus diesen Gründen auch kein Verzugsschaden in Höhe der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu.

(4.)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen.