17.02.2014 · IWW-Abrufnummer 140512
Oberlandesgericht Bremen: Urteil vom 21.11.2013 – 3 U 23/12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OLG Bremen, 21.11.2013 - 3 U 23/12
In dem Rechtsstreit
Kläger,
Prozessbevollmächtigte:
gegen
Beklagte,
Prozessbevollmächtigte:
hat der 3. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 08.10.2012 durch den Richter Dr. Haberland sowie die Richterinnen Otterstedt und Dr. Siegert
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 08.03.2012 (Az.: 6 O 1227/11) wird zurückgewiesen. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Leistung aus einer Hausratversicherung wegen eines angeblichen Wohnungseinbruchsdiebstahls in Anspruch.
Der Kläger, der eine Eigentumswohnung in einem Mehrparteienhaus bewohnt, unterhielt bei der Beklagten eine Hausratversicherung. Die Versicherungssumme belief sich auf EUR 30.677,00. Die Entschädigung für Wertsachen war auf 20 % der Versicherungssumme und damit auf EUR 6.135,40, den eingeklagten Betrag, limitiert.
Am 14.04.2010 wurden in Bremen-Nord (Lesum) am Straßenrand in zwei Rücksäcken drei dem Kläger gehörende Geldkassetten, zwei davon aufgebrochen, zwei Sparbücher des Klägers sowie diverse weitere Gegenstände aufgefunden. Die aufgefunden Gegenstände waren allerdings nicht werthaltig. Die Polizei verständigte den zurzeit des angeblichen Einbruchs 80jährigen Kläger, der sich bei seiner Tochter befand und sich sodann in seine Wohnung begab. Er erstattete in der Folge Anzeige wegen eines Wohnungseinbruchsdiebstahls. Der Kläger gab gegenüber der Polizei verschiedene (weitere) Wertgegenstände als gestohlen an und äußerte die Annahme, dass jemand den Schlüssel von Herrn X, einem Mieter des Mehrparteienhauses, genommen und die Tür damit geöffnet haben könnte (vgl. Stehlgutliste und Vernehmung des Klägers vom 26.04.2010, Bl. 10 der Ermittlungsakte). Denn der Kläger verwahrte einen Wohnungsschlüssel bei Herrn X. Ein weiterer Wohnungsschlüssel befand sich bei der Tochter des Klägers. Laut Tathergangsbericht fanden sich in der Wohnung weder spezifische Aufbruchspuren noch Beschädigungen oder sonstige Spuren eines gewaltsamen Eindringens. Die Wohnungstür war nach dem behaupteten Einbruch abgeschlossen bzw. verschlossen (vgl. Tathergangsbericht Bl. 2 der Ermittlungsakte). Die Polizei stellte lediglich eine Werkzeugspur auf dem Schlossriegel des Wohnungstürschlosses fest und nahm eine (allerdings unverwertbare) Spurenausformung vor (vgl. Ermittlungsakte Bl. 6). Die Beklagte lehnte bereits vorgerichtlich die Regulierung mit der Begründung ab, es fehle mangels Einbruchspuren der erforderliche Nachweis zum äußeren Erscheinungsbild eines versicherten Einbruchdiebstahls (Schreiben der Beklagten, Bl. 20 d. A.).
Der Kläger hat behauptet, am 14.04.2010 sei in seine Wohnung eingebrochen worden. Der Einbruch sei mittels "Lockpicking", also einer Aufsperrtechnik zum Öffnen von Schlössern ohne Verwendung des passenden Schlüssels und ohne das Schloss zu beschädigen, erfolgt. Dies werde auch durch die Aussage der Spurensicherung gegenüber dem Kläger belegt, dass vor Ort Einbruchwerkzeugspuren gefunden worden seien. Dagegen sei es ausgeschlossen, dass ein unbekannter Täter mit dem bei Herrn X verwahrten "Notersatzschlüssel" in die Wohnung gelangt sei, denn dieser Schlüssel sei von Herrn X in einer geschlossenen Kassette sowie wiederum in einem versiegelten Umschlag verwahrt worden. Dieser Umschlag sei dem Kläger samt Inhalt nach dem Einbruch versiegelt zurückgegeben worden.
Bei dem Einbruch seien dem Kläger neben den nicht werthaltigen Gegenständen, die ihm wieder ausgehändigt worden seien, mehrere Wertsachen (Brillantringe, 2 goldene Armbanduhren, 1 Herrenring mit einem großen blauen Saphir, 1 Herrenring mit Lagestein, mehrere Zirkonia, 2 schwere Münzringe, diverse Ringe, 1 Kamera Fuji, 1 Elefantenstatue aus Rosenholz, 2 Euro-Starterkits und 1 Krügerrandmünze) entwendet worden. Der Wert dieser Gegenstände übersteige den limitierten Erstattungsanspruch von EUR 6.135,40 bei weitem. Der Kläger hat zwar selbst eingeräumt, insoweit über keinerlei Anschaffungsbelege oder sonstige Wertnachweise zu verfügen, gleichwohl hat er die Auffassung vertreten, eine Wertermittlung durch einen Sachverständigen unter Mitwirkung des Klägers sei vorliegend möglich und geboten.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 6.135,40 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat bereits in Abrede gestellt, dass es sich überhaupt um einen versicherten Einbruchdiebstahl gehandelt habe. Nachdem es unstreitig an spezifischen Einbruchspuren fehle, könne der Kläger schon den erforderlichen Minimalsachverhalt des äußeren Bildes eines versicherten Einbruchdiebstahls nicht darlegen. Die Beklagte hat vorsorglich auch bestritten, dass überhaupt für ein "Lockpicking" typische Spuren vorhanden gewesen seien. Vorliegend würde zudem eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass das Eindringen in die Wohnung in nicht versicherter Begehungsweise, nämlich mit dem richtigen, bei dem Nachbarn X verwahrten Schlüssel, erfolgt sei.
Die Beklagte hat außerdem bestritten, dass die nach Behauptung des Klägers entwendeten Gegenstände beim Verlassen der Wohnung dort vorhanden gewesen seien und bei seiner Rückkehr gefehlt hätten. Die Beklagte hat weiter beanstandet, dass die Angaben zu den angeblich entwendeten Wertgegenständen zu wenig konkret seien, um ihren Wert durch einen Sachverständigen ermitteln oder auch nur gem. § 287 ZPO schätzen zu lassen.
Zuletzt beruft die Beklagte sich auf einer Verletzung der Stehlgutlistenobliegenheit gemäß § 21 VHB 84, § 82 VVG.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Landgericht hat den Kläger persönlich angehört (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.02.2012, Bl. 88 ff. d.A.), die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Bremen, Az. 1 UJs 128494/10, beigezogen und sodann mit Urteil vom 08.03.2012 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger schon dem Grunde nach keinen Anspruch gegen die Beklagte habe. Der Kläger habe schon das äußere Bild eines im "Lockpicking" - Verfahren begangenen Einbruchsdiebstahls nicht dargelegt und bewiesen. Denn selbst wenn diese Möglichkeit bestehe, genüge dies jedenfalls dann nicht, wenn es sich nicht um die einzig mögliche Begehungsform handele. Vorliegend sei eine unversicherte Begehungsweise - die Verwendung von einem der beiden bei Dritten verwahrten Schlüssel oder eines heimlich kopierten Originalschlüssels - nicht wenigstens unwahrscheinlich. Vielmehr sei es weder ausgeschlossen noch unwahrscheinlich, dass der Täter den bei Herrn X verwahrten Schlüssel heimlich an sich genommen, verwendet und anschließend zurück in den Umschlag gelegt und diesen versiegelt habe. Weiter scheitere der Anspruch daran, dass der Kläger den Beweis nicht führen könne, dass die angeblich verschwundenen Gegenstände sich vor dem Einbruch in der Wohnung befunden hätten und anschließend verschwunden gewesen seien. Auch fehle es an substantiierten Darlegungen zum Wert, so dass auch keine ausreichenden Anknüpfungspunkte für die Einholung eines Sachverständigengutachtens vorliegen würden. Die Frage einer etwaigen Obliegenheitsverletzung könne deshalb offen bleiben.
Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz und der Begründung der Entscheidung im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil des Landgerichts Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Mit der Berufung wendet sich der Kläger vollumfänglich gegen die erstinstanzliche Entscheidung. Er ist der Auffassung, dass das Landgericht zu Unrecht annehme, dass das äußere Bild eines bedingungsgemäßen Einbruchs nicht dargetan sei. Dabei sei auch nicht zutreffend, dass der Kläger behauptet habe, der Einbruch sei ausschließlich im "Lockpicking" - Verfahren begangen worden und es gebe keine Einbruchsspuren. Richtig sei vielmehr, dass der Kläger ein Aufhebeln der Wohnungstür dargelegt habe und dafür und für die Einbruchswerkzeugspuren das Zeugnis der ermittelnden Kriminalkommissarin angeboten habe. Das Landgericht habe von der Erhebung dieses angebotenen Beweises auch nicht absehen dürfen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 6.135,40 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.
Die Beklagte beantragt unter Verteidigung des erstinstanzlichen Urteils,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass es keine Veranlassung gegeben habe, die Zeugin zu vernehmen. Die Erhebung eines Ausforschungsbeweises zu vorhandenen Einbruchsspuren sei nicht in Betracht gekommen. Zudem könne der Kläger sich nicht darauf berufen, dass das Landgericht zu Unrecht von einem behaupteten Einbruch im "Lockpicking - Verfahren" ausgegangen sei. Denn genau das sei in erster Instanz behauptet worden, so dass hiervon abweichender Vortrag auch verspätet sei. Dass entsprechende Werkzeugspuren vorhanden seien, werde auch jetzt nicht substantiiert behauptet. Im Übrigen sei es dem Kläger auch nicht gelungen, die naheliegende Möglichkeit auszuräumen, dass ein unbekannter Täter mit dem bei dem Nachbarn verwahrten (richtigen) Schlüssel in nicht versicherter Begehungsweise in die Wohnung gelangt sein könnte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.10.2012 Bezug genommen. Der Senat hat ebenfalls die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Bremen, Az. 1 UJs 128494/10, beigezogen.
II.
Die Berufung des Klägers ist statthaft (§ 511 Abs. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§§ 511 Abs. 2, 517, 519, 520 ZPO). Sie ist jedoch nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte aus § 1 VVG i.V.m. §§ 1, 5, 19 VHB 84 bzw. 92.
Dabei hat das Landgericht zu Recht darauf abgestellt, dass zunächst das äußere Bild eines Einbruchsdiebstahls dargetan und bewiesen werden müsste. Ob dies gelungen ist, ob insbesondere davon ausgegangen werden kann, dass eine unversicherte Begehungsform jedenfalls unwahrscheinlich ist und sich daraus und ggf. aus anderen Umständen die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer versicherten Begehungsform ergibt (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 25.06.2009, 7 U 32/09, zitiert nach [...]), mag jedoch ebenso dahinstehen wie die Frage nach einer etwaigen Obliegenheitsverletzung. Dementsprechend kommt es auch nicht entscheidend darauf an, ob das Landgericht zu Recht von der Vernehmung der benannten Zeugin abgesehen hat, wovon der Senat allerdings ausgeht. Jedenfalls kam eine Vernehmung in zweiter Instanz von vornherein nicht in Betracht. Denn es fehlt jedenfalls an ausreichendem Vortrag zu den angeblich entwendeten Gegenständen, die der Kläger nur in sehr allgemeiner Form beschreiben konnte. Dementsprechend ist es dem Senat zumindest nicht möglich, Feststellungen zur Höhe eines etwaigen Schadens zu treffen, so dass Klage und Berufung schon aus diesem Grund keinen Erfolg haben konnten.
Zwar gesteht die Rechtsprechung bei einem Einbruch in Privaträume dem Versicherungsnehmer, der sich typischerweise in Beweisschwierigkeiten befindet, verschiedene Erleichterungen zu. So ist der Senat etwa nicht gehindert, das Vorhandensein und spätere Verschwinden von Gegenständen nach Anhörung eines glaubwürdigen Versicherungsnehmers als bewiesen anzusehen. Ebenso besteht zur Frage der Höhe des Schadens beim Fehlen ausreichender Aufklärungsmöglichkeiten und verbleibender Unwägbarkeiten die Option, diesen über § 287 ZPO zu schätzen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 21.10.2011, I-20 U 62/11, 20 U 62/11, zitiert nach [...]). Auch hat der Senat an der Glaubwürdigkeit des im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 08.10.2012 angehörten Klägers keine Zweifel. Dies hilft indes vorliegend nicht weiter.
Denn auch dann, wenn man den Vortrag des Klägers zugrunde legt, bleiben die Beschreibungen der betreffenden Gegenstände so vage, dass es letztlich an einer ausreichenden Grundlage für eine etwaige Schadensschätzung fehlt. Zwar ist die Substantiierung von den Parteien im Rahmen des § 287 ZPO nicht so genau wie sonst zu verlangen. Es bedarf gleichwohl greifbarer Anhaltspunkte, um wenigstens zur Schätzung eines gewissen Mindestschadens kommen zu können (vgl. Thomas/Putzo-Reichold, ZPO, 32. Aufl., § 287 RN 9 m.w.N.). Hierfür hätte es zumindest einer detaillierteren Beschreibung der fraglichen Gegenstände bedurft, an der es auch in zweiter Instanz fehlte. Hierauf ist der Kläger auch hinreichend hingewiesen worden. Die Beklagte hat die fehlende Substantiierung schon in der ersten Instanz gerügt. Zudem hat das Landgericht seine Entscheidung auch auf diesen Aspekt gestützt. Gleichwohl hat der Kläger seinen diesbezüglichen Vortrag auch in zweiter Instanz nicht entsprechend ergänzt. Dies mag daran liegen, dass dem Kläger ein konkreterer Vortrag schlicht nicht möglich ist. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, ändert sich jedoch nichts daran, dass der Senat auf dieser Grundlage keinen Schaden schätzen kann.
Die Berufung konnte schon deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.