18.03.2014 · IWW-Abrufnummer 140790
Landgericht Berlin: Urteil vom 16.04.2013 – 7 S 5/13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landgericht Berlin
Im Namen des Volkes
Urteil
Geschäftsnummer: 7 S 5/13
verkündet am : 16.04.2013
6 C 381/11 Amtsgericht Köpenick
In dem Rechtsstreit XXX
hat die Zivilkammer 7 des Landgerichts Berlin in Berlin - Charlottenburg, Tegeler Weg 17-21, 10589 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 16.04.2013 durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht ■■■■ , die Richterin am Landgericht ■■■■ und den Richter am Landgericht Dr. ■■ ■■
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Köpenick vom 5. Dezember 2012, Az. 6 C 381/11, geändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt wird, an die Klägerin 3.988,- EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Januar 2012 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Berufungsverfahrens 7 S 18/12 trägt die Beklagte bei einem Berufungsstreitwert von 3.988,- EUR. Die Klägerin hat jedoch die Kosten ihrer Wiedereinsetzung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10% abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10% leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
I.
In der streitgegenständlichen Zeit betrieb die Klägerin eine Arztpraxis, für die sie eine Ertragsausfallversicherung bei der Beklagten unterhielt; darüber hinaus unterhielt die Klägerin bei der ■■■■ Krankenversicherung eine Krankentagegeldversicherung.
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen ihres krankheitsbedingten Ausfalles in ihrer Arztpraxis in der Zeit vom 16. August 2008 bis zum 31. Mai 2009 auf restliche Leistungen in Anspruch, die die Beklagte wegen Leistungen der Krankentageversicherung um 3.988,- EUR kürzte. Des weiteren begehrt sie die Erstattung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 461,13 EUR.
Im Versicherungsschein vom 2. September 2005 (Anlage B 1, Bl. 45 d. A.) wird als Versicherungsgegenstand angegeben: “Versichert ist der entgehende Betriebsgewinn und die fortlaufenden Kosten in dem versicherten Betrieb.”
Die Gesamt-Versicherungssumme beträgt 150.000,- EUR. Weiter heißt es:
“Die Höhe der Entschädigung ist begrenzt auf 1/365 der vereinbarten Versicherungssumme pro Tag der Betriebsunterbrechung nach Ablauf der Karenzzeit.”
Die dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden ■■■■-Bedingungen 2000 für die Versicherung von Ertragsausfall und Kosten von Freiberuflern und selbständig beratend Tätigen (im Folgenden: AVB) lauten auszugsweise:
“ § 2 Schadenereignis
1. Schadenereignis ist:
a) Die im Rahmen medizinisch notwendiger Heilbehandlung ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit der den Betrieb verantwortlich leitenden Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen
(…)
2. Arbeitsunfähigkeit der den Betrieb verantwortlich leitenden Person liegt vor, wenn diese Person ihre berufliche Tätigkeit nach ärztlicher Feststellung vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgeht.
(…)
§ 3 Unterbrechungsschaden; Haftzeit
1. Unterbrechungsschaden sind je nach Vereinbarung
a) Der entgehende Betriebsgewinn und die fortlaufenden Kosten
b) die fortlaufenden Kosten
in dem versicherten Betrieb nach Ablauf der vereinbarten Karenzzeit bis zur Dauer von insgesamt 12 Monaten (Haftzeit)....
(…)
§ 6 Entschädigungsberechnung; Nachhaftung; Verzicht auf Unterversicherung
1. Als Unterbrechungsschaden werden je nach Vereinbarung der entgehende Betriebsgewinn und die fortlaufenden Kosten oder die fortlaufenden Kosten ersetzt, die der Versicherungsnehmer infolge der Betriebsunterbrechung nicht erwirtschaften konnte.
2....
3. Die Versicherung darf nicht zu einer Bereicherung führen. Wirtschaftliche Vorteile, die sich als Folge des Unterbrechungsschadens innerhalb der Unterbrechungszeit ergeben, sind billiger Weise zu berücksichtigen.
4. Die Höhe der Entschädigung ist begrenzt auf 1/365 der vereinbarten Versicherungssumme pro Tag der Betriebsunterbrechung.”
Infolge einer Erkrankung konnte die Klägerin seit dem 16. August 2008 bis zum 31. Mai 2009 ihre berufliche Tätigkeit teilweise zu 100 % nicht ausüben. Mit Schreiben vom 17. September 2010 (Anlage K 3, Bl. 14 d. A.) regulierte die Beklagte den Betriebsunterbrechungsschaden, wobei sie gestützt auf § 6 Nr. 3 AVB die Krankentagegeldzahlung der ■■■■ Krankenversicherung in Höhe von 3.988,00 EUR für den Zeitraum 31. Januar bis zum 31. März 2009 (66,47 EUR pro Tag) anrechnete.
Die Klägerin ist der Anrechnung des Krankentagegeldes mit der Klage vor dem Amtsgericht Köpenick entgegen getreten. Sie hat ausgeführt: Die Klausel des § 6 Nr. 3 AVB sei unwirksam, insbesondere intransparent, überraschend und unangemessen. Jedenfalls sei die Klausel zur Anrechnung eines Krankentagegeldes mehrdeutig und daher zugunsten der Klägerin auszulegen. Eine Bereicherung der Klägerin liege ebenso wenig vor, wie ein Entgegenkommen der Beklagten, weil der Ausfall pro Tag höher als die auf (150.000,- EUR : 365d =) 410,96 EUR pro Tag begrenzte Versicherungsleistung der Beklagten gewesen sei.
Das Amtsgericht Köpenick hat die Klage zunächst mit Urteil vom 28. März 2012 (Bl. 61 d. A.) als unzulässig abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht Berlin mit Urteil vom 13. September 2012 - 7 S 18/12 - (Bl. 136 d. A.) der Klägerin antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das Amtsgericht zurückgewiesen.
Mit Urteil vom 5. Dezember 2012 hat das Amtsgericht Köpenick sodann die auf Auszahlung des restlichen Entschädigungsbetrages für die Zeit 31. Januar bis zum 31. März 2009 gestützte Klage als unbegründet abgewiesen und zur Begründung u. a. ausgeführt, dass § 6 Nr. 3 AVB hinreichend klar und wirksam sei und die von der Beklagten vorgenommene Anrechnung des Krankentagegeldes rechtfertige.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt und begründet. Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die Entschädigung sei unabhängig von der Anrechnung des Krankentagegeldes auch deshalb zu niedrig angesetzt worden, weil die Leistungen der Beklagten unrichtigerweise auf 410,96 EUR/Tag begrenzt worden seien. Tatsächlich habe der Ausfall pro Tag 832,- EUR betragen, so dass sie gegen die Beklagte einen weiteren Leistungsanspruch mindestens in Höhe der Klageforderung habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteils des Amtsgericht Köpenick vom 5. Dezember 2012 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.988,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und außerdem die außergerichtlichen Gebühren in Höhe von 461,13 € zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das angefochtene Urteil verwiesen.
II.
Die Berufung hat im Wesentlichen Erfolg.
A.
Das Rechtsmittel ist zulässig. Die gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthafte Berufung ist gemäß §§ 517, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
B.
Die Berufung ist bis auf einen Teil der Nebenforderungen begründet. Das Amtsgericht hat die Klage im Wesentlichen zu Unrecht abgewiesen.
I. Wie zwischen den Parteien unstreitig ist, war die Klägerin im von der Anrechnung umfassten Zeitraum vom 31. Januar bis zum 31. März 2009 zu 100% und damit bedingungsgemäß im Sinne von § 2 Nr. 1a und Nr. 2 AVB arbeitsunfähig. Insbesondere beziehen sich die Zeiten nur 50%iger Arbeitsunfähigkeit nach der Abrechnung der Beklagten vom 17. September 2010 (Anlage K 3, Seite 2, Bl. 14 d. A.) nicht auf den Zeitraum vom 31. Januar bis zum 31. März 2009.
II. Für diesen Zeitraum steht der Klägerin somit eine Entschädigung in Höhe des entgangenen Gewinns und der fortlaufenden Kosten zu, deren Höhe gemäß § 6 Nr. 4 AVB und nach der Regelung im Versicherungsschein vom 2. September 2005 (Anlage B 1, Bl. 45 d. A.) pro Tag der Betriebsunterbrechung jedoch auf 1/365 der vereinbarten Versicherungssumme begrenzt ist. Die von der Beklagten zu erbringende Versicherungsleistung beträgt damit (150.000,- EUR/365 =) 410,96 EUR pro Tag, so dass es nicht darauf ankommt, dass der konkrete Ertragsausfall, berechnet nach dem Jahresumsatz wesentlich höher ist. Die variablen Kosten von 2,4% sind nur bei der Berechnung des tats ächlichen Ertragsausfalls abgestellt auf den Jahresumsatz relevant gewesen. Dieser liegt dann mit 807,35 EUR pro Tag in jeden Fall über dem versicherten Ausfall.
III. Die danach allein entscheidende Frage, ob die Anrechnung der Beklagten in Höhe des Krankentagegeldes von 3.988,- EUR nach § 6 Nr. 3 AVB zu Recht erfolgte, ist zu verneinen:
1. Die Klausel des § 6 Nr. 3 Satz 2 AVB ist nicht einschlägig; die Beklagte macht mit der streitgegenständlichen Anrechnung nicht geltend, dass die Klägerin Kosten erspart habe.
2. Auch die Klausel des § 6 Nr. 3 Satz 3 AVB, wonach wirtschaftliche Vorteile, die sich als Folge des Unterbrechungsschadens innerhalb der Unterbrechungszeit ergeben, billiger Weise zu berücksichtigen seien, rechtfertigt die streitgegenständliche Anrechnung nicht. Dies gilt auch im Lichte des § 6 Nr. 3 Satz 1 AVB, wonach die Versicherung nicht zu einer Bereicherung führen dürfe:
a) Bereits nach dem Wortlaut ist das Krankentagegeld nicht “Folge des Unterbrechungsschadens” im Sinne des § 6 Nr. 3 Satz 3 AVB.
aa) Der Unterbrechungsschaden ist nach der gemäß Versicherungsschein einschlägigen Variante in § 3 Nr. 1a AVB definiert, und zwar als “der entgehende Betriebsgewinn und die fortlaufenden Kosten”. Das Krankentagegeld ist indessen nicht Folge entgehenden Betriebsgewinnes und fortlaufender Kosten, sondern nach der Krankentagegeldversicherung Folge der bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit (vgl. z. B. § 1 Abs. 2 MB/KK 2009). So wird Krankentagegeld bedingungsgemäß auch geschuldet, wenn ein Betriebsgewinn nicht entgangen ist und keine Kosten fortlaufen. Die Beklagte beruft sich in diesem Zusammenhang zu Unrecht auf die Kommentierung von Armbrüster (in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 6 FBUB 2008 Rz. 12), wonach Kurzarbeitergeld auf den Ertragsausfallschaden anzurechnen sei. Denn § 6 Nr. 1b 6 FBUB ist entscheidend anders formuliert als § 6 Nr. 3 Satz 3 AVB, weil § 6 Nr. 3 Satz 3 AVB auf die wirtschaftlichen Vorteile als “Folge der Unterbrechung oder Beeinträchtigung” abstellt und nicht als Folge des Unterbrechungsschadens.
bb) Selbst wenn man die Zahlung des Krankentagegeld als mittelbare Folge des Betriebsunterbrechungsschadens ansieht, der wiederum Folge der Arbeitsunfähigkeit nach § 2 Nr. 1a und Nr. 2 AVB und insofern mit dem Versicherungsfall der Krankentagegeldversicherung (§ 1 Nr. 2 MB/KT 2009) vergleichbar ist, wäre die Auslegung jedenfalls nicht zweifelsfrei im Sinne von § 305c Abs. 2 BGB. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch – auf seine Interessen an Bei einer Betriebsunterbrechungsversicherung richtet sich die Auslegung nach dem in Unternehmerkreisen zu erwartenden Verständnis (vgl. BGH, std. Rspr., zuletzt Urt. v. 21.04.2010 - IV ZR 308/07 - VersR 2010, 809, zitiert nach juris: Rz. 12). Eine Anrechung von “wirtschaftlichen Vorteilen” setzt aus Sicht des verständigen Versicherungsnehmers eine Deckungsgleichheit zwischen erlangtem Vorteil und der streitgegenständlichen Versicherungsleistung voraus; denn ohne Deckungsgleichheit kommt eine ausgeschlossene Bereicherung im Sinne von § 6 Nr. 3 Satz 1 AVB nicht in Betracht. Zudem wird der verständige Versicherungsnehmer aus dem Kreis der Unternehmer eine Anrechnung, die nach dem Bedingungswerk der Beklagten und den von ihr zur Verfügung gestellten Regelungen gar nicht sicher durchführbar wäre, nicht als vereinbart ansehen.
Im Streitfall fehlt indessen die Deckungsgleichheit zwischen der Ertragsausfallversicherung und der Krankentagegeldversicherung. Auch wäre die Berücksichtigung von Krankentagegeld im Rahmen der Betriebsunterbrechungsversicherung nicht sicher durchführbar. Der verständige Versicherungsnehmer wird danach nicht von einer bedingungsgemäßen Anrechnung der Krankentagegeldleistungen ausgehen:
- Bereits die unterschiedliche Versicherungsart spricht gegen die Deckungsgleichheit: Das bedingungsgemäße Krankentagegeld hat zwar die Funktion, den Ausfall des Nettoeinkommens auszugleichen, ist jedoch gleichwohl nicht an Verdienstausfall gekoppelt, sondern - anders als die Ertragsausfallversicherung - als Summenversicherung und nicht als Schadensversicherung ausgestaltet (vgl. Voit, in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl, § 1 MB/KT 2009 Rz. 1): Bei der Krankentagegeldversicherung handelt es sich in der Regel nicht um eine Schadensversicherung, die auf die Deckung des konkreten Verdienstausfallschadens des Versicherten zielt, sondern um eine Summenversicherung, bei der Versicherte eine im Voraus bestimmte Entschädigung für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit erhält, ohne Rücksicht darauf, welchen Verdienstausfall er tatsächlich hat (vgl. BGH, Urt. v. 04.07.2001 - IV ZR 307/00 - VersR 2001, 1100, zitiert nach juris: Rz. 31).
Dies gilt umso mehr, als der von der streitgegenständlichen Ertragsausfallversicherung erfasste “entgehende Betriebsgewinn” mit dem durch die Krankentagegeldversicherung abgesicherten Nettoverdienst jedenfalls nicht identisch ist: Betriebsgewinn und Nettoverdienst sind verschiedene Begriffe, die zwar durchaus im Zusammenhang stehen, aber nicht im Verhältnis 1:1, so dass vollständige Deckungsgleichheit auch deshalb nicht angenommen werden kann.
Auch wird die offene Frage, wie und nach welchem Maßstab die Anrechnung erfolgen soll, im Bedingungswerk der Beklagten offen gelassen und insbesondere nicht mit der Vorgabe einer Berücksichtigung in “billiger Weise” (vgl. § 6 Nr. 3 Satz 3 AVB) beantwortet.
- Hinzu kommt, dass die von der streitgegenständlichen Ertragsausfallversicherung erfassten “fortlaufenden Kosten” mit dem durch die Krankentagegeldversicherung abgesicherten Nettoverdienst nicht zu tun haben. Im Umfange fortlaufender Kosten kommt also - mangels jeder Vergleichbarkeit zwischen Ertragsausfall- und Krankentagegeldversicherung - eine Anrechnung des Krankentagegeldes von vornherein nicht in Betracht; es fehlt insofern vollständig an der Deckungsgleichheit.
- Schließlich ist hier - mit Blick auf die in § 6 Nr. 4 AVB ausbedungene Deckelung - unstreitig von der streitgegenständlichen Ertragsausfallversicherung nicht der gesamte krankheitsbedingte Unterbrechungsschaden abgedeckt, sondern nur ca. die Hälfte. Es ist deshalb nicht einzusehen, warum die Beklagte berechtigt sein soll, das Krankentagegeld, mit dem der verständige Versicherungsnehmer teilweise diese Deckungslücke ausgleichen will, gerade auf die Versicherungsleistung anzurechnen. Gerade wegen dieser Deckungslücke dürfte die Klägerin jedenfalls nicht bereichert sein.
Nach alledem ist die Auslegung von § 6 Nr. 3 Satz 3 AVB zur Frage der Berücksichtigung des Krankentagegeldes nicht zweifelsfrei. Auch aus § 6 Nr. 3 Satz 1 AVB ergibt sich insofern kein näherer Aufschluss; das darin niedergelegte bedingungsgemäße Bereicherungsverbot beantwortet die Frage nicht, ob und in welchem Umfang bei Zusammentreffen verschiedener Versicherungen (Summen- und Schadensversicherung) eine Bereicherung vorliegt. Dies gilt umso mehr, als das Bereicherungsverbot nicht Teil eines anerkannten und ausgeformten Rechtssatzes ist, auf den zu Auslegungszwecken zurückgegriffen werden könnte; denn einen derartigen Rechtssatz gibt es nicht (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.1997 - IV ZR 136/96 - VersR 1998, 305, zitiert nach juris: Rz. 31).
Nach der damit anwendbaren Zweifelsregelung des § 305c Abs. 2 BGB gehen die Zweifel, ob vom bedingungsgemäßen Bereicherungsverbot (§ 6 Nr. 3 Satz 1 AVB) und Berücksichtigungsgebot (§ 6 Nr. 3 Satz 3 AVB) auch die Krankentagegeldversicherungsleistungen erfasst werden, zu Lasten der Beklagten.
b) Selbst wenn der Wortlaut des § 6 Nr. 3 Satz 3 AVB im Lichte des bedingungsgemäßen Bereicherungsverbots (§ 6 Nr. 3 Satz 1 AVB) auch die Berücksichtigung des Krankentagegeldes gebieten würde, könnte sich die Beklagte darauf nicht berufen. Denn in diesem Fall wäre die Klausel des § 6 Nr. 3 Satz 3 AVB intransparent und gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender von AVB entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen (vgl. BGH, std. Rspr., zuletzt, Urt. v. 16.01.2013 - IV ZR 94/11 - VersR 2013, 305, zitiert nach juris: Rz. 25). Daran fehlt es hier mit Blick auf die Krankentageversicherung, da insofern nähere Regelungen zur Art und Weise der Anrechnung fehlen, die allein in dem bedingungsgemäßen Bereicherungsverbot (§ 6 Nr. 3 Satz 1 AVB) und dem bedingungsgemäßen Berücksichtigungsgebot “billiger Weise” (§ 6 Nr. 3 Satz 3 AVB) nicht enthalten sind (vgl. o. B III 2 a bb). Eine derartige Berücksichtigung würde den Versicherungsnehmer letztlich dem billigen Ermessen des Versicherers aussetzen und damit einen - extremen - Lehrbuchfall fehlender Transparenz darstellen.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 BGB i. V. m. § 288 BGB.
Anwaltskosten kann die Klägerin nicht aus Verzug (§ 280, 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB) - der allein ersichtlichen Anspruchsgrundlage - erstattet verlangen, da es an der Ursächlichkeit zwischen Verzug und anwaltlicher Beauftragung fehlt (vgl. § 249 Satz 1 BGB). Dass die und wodurch die Beklagte bereits vor ihrem Abrechnungsschreiben vom 17. September 2010 (Anlage K 3), in dem die streitige Anrechnung aufgeführt wird, in Verzug geraten ist, hat die Klägerin nicht dargetan. Die Klägerin war aber ausweislich dieses Abrechnungsschreibens bereits vor dessen Erhalt anwaltlich vertreten.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1, 238 Abs. 4, 525, 708 Nr. 10, 711 ZPO (Vollstreckung gegen die Beklagte) bzw. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO (Vollstreckung gegen die Klägerin). Die Kammer kann die Kosten des Berufungsverfahrens - 7 S 18/12 - nicht nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG niederzuschlagen, da dies einen schweren Verfahrensverstoß voraussetzt (vgl. BGH, Urt. v. 04.05.2005 - XII ZR 217/04 - NJW-RR 2005, 1230, zitiert nach juris: Rz. 4), wofür allein unterschiedliche Rechtsauffassungen zum zeitlichen Anwendungsbereich einer Zuständigkeitsnorm - wie hier - nicht genügen.
Die Revision wird zugelassen, da die Frage der Anrechnung der Krankentagegeldes auf die Ertragsausfallversicherung nach Maßgabe des bedingungsgemäßen Bereicherungsverbots (§ 6 Nr. 3 Satz 1 AVB) und des bedingungsgemäßen Berücksichtigungsgebot (§ 6 Nr. 3 Satz 3 AVB) grundsätzliche Bedeutung hat, nämlich für eine Vielzahl von Fällen der Betriebsunterbrechungsversicherung mit dem streitgegenständlichen Klauselwerk erheblich ist (vgl. § 543 Abs. 2 ZPO).