03.09.2014 · IWW-Abrufnummer 142619
Oberlandesgericht Düsseldorf: Urteil vom 27.06.2014 – 4 U 87/13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Düsseldorf
4 U 87/13
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 3. Mai 2013 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Dieses Urteil sowie die angefochtene Entscheidung sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
G r ü n d e:
Die zulässige Berufung des Klägers gegen das seine Klage teilweise abweisende streitige Urteil des Landgerichts ist unbegründet. Dabei kann der Senat offenlassen, ob der Beklagte dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet ist. Selbst wenn dies zugunsten des Klägers unterstellt wird, haftet der Beklagte jedenfalls nicht über denjenigen Betrag hinaus, den ihm das Landgericht durch das Teilversäumnisurteil zuerkannt hat, welches nicht Gegenstand des hiesigen Berufungsverfahrens ist.
1. Der Senat geht auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstands davon aus, dass sich die Haftung des Beklagten nach den Grundsätzen der Haftung eines Versicherungsmaklers für fehlerhaftes Beraten richtet, auch wenn der Beklagte dem Kläger letztlich keinen Versicherungsvertrag vermittelt hat, sondern ein anderes Finanzanlageprodukt. Der Beklagte hat den mit dem Kläger geschlossenen Vertrag vom 8. Mai 2009, dessen Inhalt sich aus der Anlage K1 ergibt, ausdrücklich als Versicherungsmaklervertrag bezeichnet. Die Tätigkeit des Beklagten hatte auch Bezug zu Versicherungsverträgen. Der Kläger hatte sich an den Beklagten mit dem Begehren gewandt, über einen Wechsel von seinen drei Versicherungsverträgen, mit deren wirtschaftlichen Entwicklung er nicht zufrieden war, zu einer anderen Anlage beraten zu werden. Der Beklagte hat denn auch dem Kläger zu der Finanzanlage „primeselect“ geraten, bei der die nach Kündigung der drei Versicherungsverträge erzielbaren Rückkaufwerte investiert werden sollten, weil dies als Anlage vorteilhafter sei als die Beibehaltung der Versicherungen.
2. Der Senat unterstellt zugunsten des Klägers, dass der Beklagte ihm dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet ist, weil er Pflichten des Versicherungsmaklervertrags verletzt hat. Das Landgericht hat den bisherigen Vortrag des Klägers ausreichen lassen und ist von einer schlüssig dargelegten Beratungspflichtverletzung des Beklagten ausgegangen. Welche konkrete Pflicht dies sein soll, insbesondere über welches Risiko der Neuanlage der Beklagte den Kläger zu beraten hatte, ist dem angefochtenen Urteil allerdings nicht zu entnehmen, muss diesem aber auch nicht zwingend zu entnehmen sein, weil die Feststellung einer Pflichtverletzung des Beklagten nur tragend ist für den im Berufungsverfahren nicht streitgegenständlichen Teil des Klageanspruchs, den das Landgericht dem Kläger durch Versäumnisurteil zuerkannt hat, das keiner Begründung bedurfte.
Soweit die Parteien auch im Berufungsverfahren über den Grund des Anspruchs streiten und der Kläger hierzu teilweise neu vorträgt, hält der Senat jedenfalls diese Klagebegründung nicht für ausreichend. Dies gilt für den Vortrag, wonach der Beklagte ihn auch darüber habe aufklären müssen, dass wegen Fehlens einer Erlaubnis der P. S. AG und weiterer Beteiligter zur Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen die mit der Gesellschaft geschlossenen Verträge möglicherweise unwirksam sein könnten (vgl. hierzu den Vortrag im Schriftsatz 14. April 2014 = Bl. 164 ff. GA). Es ist schon nicht dargetan, dass der Beklagte von der Erforderlichkeit einer Erlaubnis und ihrem tatsächlichen Fehlen Kenntnis hatte oder dies erkennen musste. Im Übrigen ist zumindest fraglich, ob dieser Teil einer Anlageberatung nicht ebenfalls zu den nach dem Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (RDG) erlaubnispflichtigen Geschäften gehört, zu welchen der Beklagte im Zweifel ebenfalls nicht über die erforderliche Erlaubnis verfügt. Hierauf hätte er den Kläger zwar ggf. hinweisen können, fraglich bleibt aber auch dann, ob dem Beklagten ein solcher Hinweis im Rahmen des nach dem Versicherungsmaklervertrag von ihm berechtigterweise zu erwartenden Fachwissens überhaupt möglich und von ihm geschuldet war.
3. All dies kann indes für die Entscheidung über die Berufung des Klägers offenbleiben. Soweit seine Klage durch streitiges Urteil des Landgerichts abgewiesen worden ist, ist sein Rechtsmittel schon deshalb unbegründet, weil nicht festgestellt werden kann, dass ihm durch eine etwaige Beratungspflichtverletzung ein höherer Schaden entstanden ist, als ihm durch das Landgericht bereits mit dem Versäumnisurteil zuerkannt worden ist.
a. Auch insoweit kann dahinstehen, ob die Klage nicht ohnehin allenfalls mit dem Inhalt Erfolg haben kann, dass der Kläger dem Beklagten, wie dieser es – im Berufungsrechtszug rechtzeitig anwaltlich vertreten – ausdrücklich geltend macht, Zug um Zug etwaige Ersatzansprüche gegen die P. S. AG und weitere Beteiligte abzutreten hat.
b. Jedenfalls steht dem Kläger – eine Beratungspflichtverletzung des Beklagten unterstellt – allenfalls ein Anspruch in Höhe der durch Versäumnisurteil zuerkannten 19.324,35 Euro abzüglich der von P. S. empfangenen Leistungen in Höhe von insgesamt 7.923,04 Euro zu.
aa. Gegenstand der Berufung des Klägers ist – nach teilweiser Rücknahme des Rechtsmittels – lediglich derjenige Teil der Klageforderung (von insgesamt 22.786,96 Euro [30.710,-- Euro als vereinbarte Gesamtzahlung der P. S. AG abzüglich 7.923,04 Euro an tatsächlich erlangten Zahlungen]), der die durch Versäumnisurteil des Landgerichts zuerkannte Summe von 19.324,35 Euro übersteigt. Insoweit ist die Berufung schon deshalb unbegründet, weil der Kläger jedenfalls in diesem Umfang einen bezifferten Schaden, den der Beklagte ihm infolge einer etwaigen Falschberatung nach den Grundsätzen des Schadensersatzrechts zu ersetzen hätte, nicht rechtlich schlüssig dargetan hat.
Zutreffend hat das Landgericht bereits ausgeführt, dass eine Anspruchsgrundlage dafür, dass der Beklagte dem Kläger auf das positive Interesse haftete und ihn daher so zu stellen habe, als hätte die P. S. die von ihr übernommenen Verpflichtungen eingehalten und erfüllt, nicht ersichtlich ist. Abgesehen davon, dass dann der Beklagte nicht den noch nicht getilgten Betrag von 22.786,96 Euro mit einer Einmalzahlung, sondern – wie mit der P. S. AG vereinbart – nur im Wege einer Ratenzahlung in Höhe von monatlich anfänglich 245,19 Euro und zuletzt 352,46 Euro (vgl. die Tabelle auf Bl. 15 GA) schuldete, besteht auch deshalb nicht der Anspruch auf das positive Interesse, weil der Beklagte den Kläger bei Annahme einer Verletzung des Beratungsvertrags nur so zu stellen hätte, wie dieser stünde, wenn der Beklagte ihm – unterstellt pflichtgemäß – zu dem Wechsel zur P. S. AG nicht geraten und der Kläger demzufolge die streitige Anlage nicht erworben hätte. In diesem Fall hätte der Kläger aber auch keinen Anspruch auf ratierliche Zahlung in Höhe von insgesamt 30.710,-- Euro erlangt.
Im Rahmen des so genannten negativen Interesses, für welches der Beklagte dem Kläger ersatzpflichtig sein könnte, lässt sich auf der Grundlage des Vortrags des darlegungspflichtigen Klägers ein konkret bezifferter Schaden nur in Höhe der Leistung an die P. S., also im Umfang der durch Kündigung der Versicherungsverträge erzielten Rückkaufswerte feststellen, deren Summe das Landgericht zutreffend mit dem durch Versäumnisurteil zugesprochenen Betrag von 19.324,35 Euro ermittelt hat. Nicht bedacht hat das Landgericht allerdings, dass von diesem Betrag noch die erhaltenen Zahlungen in Höhe von insgesamt 7.923,04 Euro in Abzug zu bringen sind, welche der Kläger in erster Instanz zumindest in Höhe von 3.923,04 Euro selbst vorgetragen hatte, und zwar dadurch, dass er sie von dem von der P. S. AG geschuldeten Betrag von 30.710,-- Euro subtrahierte (30.710,-- Euro abzüglich 3.923,04 Euro = 26.786,96 Euro = bezifferter Antrag der Klageschrift). Auf der Grundlage des jetzigen Sach- und Streitstands wäre der Beklagte somit allenfalls zur Zahlung von 11.401,31 Euro zuzüglich Zinsen und anteiliger Kosten verpflichtet (19.324,35 Euro abzüglich unstreitig gezahlter 7.923,04 Euro).
bb. Einen höheren Schaden hat der Kläger nicht rechtlich schlüssig dargetan.
Zutreffend hat das Landgericht seinen Vortrag zum „wirklichen Wert“ der gekündigten Versicherungsverträge als ungenügend angesehen, um die beantragte Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens durchführen zu können. Die Behauptung, der tatsächliche Vertragswert belaufe sich jedenfalls auf den Betrag, welchen die P. S. AG als Gesamtzahlungspflicht übernommen habe, also 30.710,-- Euro, ist durch keinerlei Anknüpfungspunkte belegt, beruht somit auf einer bloßen Unterstellung des Klägers und ist daher „ins Blaue hinein“ aufgestellt. Die Anordnung einer Begutachtung, die als Beweisthema, mit dem sich der zu beauftragende Sachverständige zu befassen h ätte, über die knappe Behauptung des Klägers hinaus keine weiteren Vorgaben enthalten könnte, liefe auf eine Ausforschung eines bestimmten Sachverhalts hinaus, die prozessual nicht zulässig ist.
Der Kläger ist insoweit auch nicht rechtlos gestellt. Wenn er einen Schaden erlitten haben sollte, der über die Summe der drei Rückkaufswerte, also den Betrag von 19.324,35 Euro hinausgeht, hätte er diesen – im Wege eines Feststellungsantrags oder ggf. auch im Rahmen eines bezifferten Antrags – dadurch geltend machen können, dass er die Fortentwicklung der drei Versicherungsverträge dargelegt hätte, von der im Falle einer unterbliebenen Kündigung auszugehen gewesen wäre, und dies ggf. unter Beweis gestellt hätte. Ob ein solcher Schaden dann auch von dem Beklagten zu ersetzen wäre, lässt der Senat mangels jedweden Vortrags hierzu ausdrücklich offen. Dass der Beklagte den Kläger allgemein über Alternativanlagen zu beraten hatte, trägt der Kläger ebenfalls nicht vor. Ebenso wenig sind etwaige Anlagealternativen mit bestimmten Gewinnen, für die sich der Kläger auch unter Berücksichtigung seiner Unzufriedenheit mit den zu geringen Wertsteigerungen der bestehenden Versicherungsverträge tatsächlich entschieden hätte, dargetan. Daher fehlt es im Ergebnis an einem schlüssigen Vortrag zu einem höheren Schaden als demjenigen Betrag, welcher der Summe der drei Rückkaufswerte entspricht, die an die P. S. AG geflossen sind.
4. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Ein Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird für den Zeitraum bis zum 15. April 2014 auf 7.462,61 Euro und ab dem 16. April 2014 auf 3.462,61 Euro festgesetzt.