18.09.2014 · IWW-Abrufnummer 142695
Oberlandesgericht Jena: Urteil vom 03.09.2013 – 4 U 997/12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Thüringer Oberlandesgericht
Az.: 4 U 997/12
3 O 288/11 LG Meiningen
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
G V AG, vertreten durch d. Vorstand,
- Beklagte und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte B
gegen
M R,
- Kläger und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte P & Kollegen,
erlässt das Thüringer Oberlandesgericht in Jena - 4. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Parteina, die Richterin am Landgericht Gerwing und die Richterin am Oberlandesgericht Billig auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 20.08.2013 folgendes
Endurteil
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Grundurteil des Landgerichts Meiningen vom 15.11.2012, Az. 3 O 288/11, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 326.769,60 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Kläger beansprucht von der Beklagten in der Hauptsache Zahlung von € 326.769,60. Er meint, den Anspruch aus seiner bei der Beklagten jedenfalls zum behaupteten Schadenszeitpunkt bestehenden Wohngebäudeversicherung mit eingeschlossener Elementarversicherung herleiten zu können, da ein bedingungsgemäßer Versicherungsfall mit der Erdsenkung vom 28.01.2010 eingetreten sei.
Auf die Feststellungen im Tatbestand des angegriffenen Urteils wird gemäß § 540 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 ZPO Bezug genommen.
Mit Grundurteil vom 15.11.2012 hat das Landgericht die Klage für gerechtfertigt erklärt. Der Streit über den Anspruchsgrund sei nach der durchgeführten Beweisaufnahme entscheidungsreif.
Im Ergebnis der durchgeführten Bewiserhebung stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass am 28.01.2010 eine Erdsenkung im Sinne des § 5 BEW stattgefunden habe.
Durch das versicherte Ereignis sei die versicherte Sache, nämlich die vom Kläger und dessen Familie selbstgenutzte Wohnimmobilie, objektiv dauerhaft wirtschaftlich nicht mehr nutzbar. Dies stehe versicherungsrechtlich einer vollständigen Zerstörung der versicherten Sache gleich. Insoweit komme es ausnahmsweise auf eine physische Beschädigung nicht an (vgl. OLG Stuttgart, VersR 1996, 1403 - Haftpflichtversicherung -). Insoweit sei es auch gleichgültig, ob die Sache möglicherweise wegen der dauerhaft fehlenden Nutzbarkeit dem Kläger auch im Sinne der vertraglichen Vereinbarungen abhandengekommen sei, wovon die Kammer jedoch nicht ausgehe.
Die Beklagte sei auch nicht wegen einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung, nämlich der Anzeige einer objektiven Gefahrerhöhung, vollständig oder teilweise leistungsfrei. Eine Gefahrerhöhung sei dann gegeben, wenn sich die bei Vertragsschlusss vorhandenen Umstände nachträglich änderten, so dass der Eintritt des Versicherungsfalles oder eine Vergrößerung des Schadens wahrscheinlicher werde. Dem Kläger sei eine schuldhafte Verletzung dieser Anzeigeobliegenheit nicht vorzuwerfen. Die Erdabsenkung vom 23.01.2002 habe zwar in der Nähe des Grundstücks des Klägers stattgefunden. Sie habe die versicherte Sache nicht unmittelbar betoffen. Für den Kläger sei auch nicht konkret erkennbar gewesen, dass durch die stattgehebte Absenkung der Erdoberfläche im Bereich des Nachbargrundstücks ein erhöhtes Risiko für seine Wohnimmobilie eingetreten sei. Vielmehr sei durch die zuständigen Behörden eine potentielle Gefährdung lediglich im unmittelbaren Bereich dieser Erdsenkung gesehen worden, wozu das Grundstücks des Klägers zum damaligen Zeitpunkt nicht gehört habe. Zudem habe die Beklagte vorgetragen und hierzu Dokumente vorgelegt, dass der Kläger selbst noch bis kurz vor Erhebung der vorliegenden Klage davon ausgegangen sei, dass die Erdsenkung keine natürliche Ursache habe, sondern auf eine nicht versicherte Ursache, nämlich Bergbau bzw. Verpressung von Kalilauge, zurückzuführen sei.
Gegen dieses Grundurteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.
Grundvoraussetzung eines Anspruchs aus einer Sachversicherung sei der Eintritt eines Sachschadens. Hierdurch müsse die versicherte Sahe zerstört, beschädigt oder infolge eines Versicherungsfalls abhanden gekommen sein (§ 2 BEW).
Das Landgericht habe sich mit dem Begriff des Sachschadens nicht auseinandergesetzt. Erstinstanzlich sei es um die Frage des Abhandenkommens gegangen, nicht jedoch darum, ob das Gebäude i.S.d. § 2 BEW zerstört sei.
Eine Übertragung des Urteils des OLG Karlsruhe auf den vorliegenden Fall komme nicht in Betracht, da nach der einzigen Fundstelle in diesem Urteil, eine im Kommentar zur Haftpflichtversicherung, eine endgültige Besitzentziehung ausreiche. Im Rahmen der Sachversicherung hingegen setze der Sachschadenbegriff eine Beeinträchtigung der Sachsubstanz voraus.
So werde in der Standardkommentierung (Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Auflage, B III )darauf hingewiesen, dass die Rechtsprechung zum Sachschadenbegriff in der Haftpflichtversicherung nicht voll auf das Recht der Sachversicherung übertragbar sei, weil die Rechtsprechung dort den Sachschadenbegriff ausgeweitet habe.
Ohne dass es noch darauf ankomme, sei jedoch darauf hinzuweisen, dass das Gutachten des Sachverständigen Meier nicht verwertbar sei. Beispielhaft wird darauf verwiesen, dass in der Anlage zu dem Gutachten insgesamt 16 Stellungnahmen von anderen Sachverständigen aufgeführt seien. Keine einzige habe dem Gutachten beigelegen.
Auch die Ausführungen zur Problematik der Gefahrerhöhung überzeugten nicht. Vorliegend könne es sich nur um eine sogenannte objektive Gefahrerhöhung gemäß § 23 Absatz 2 VVG mit der Rechtsfolge des § 26 Absatz 2 VVG handeln.
Bei der Auseinandersetzung des Landgerichts mit der Frage der Gefahrerhöhung sei schon nicht erkennbar, ob das Gericht bereits in objektiver Hinsicht eine Gefahrerhöhung verneine oder "nur" in subjektiver Hinsicht.
Die Beklagte beantragt:
1. Unter Abänderung des Grundurteils vom 15.11.2013 (3 O 288/11) wird die Klage abgewiesen.
2. Hilfsweise unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens die Sache an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückzuverweisen (§ 543 Absatz 2 Ziffer 1, 4 ZPO).
3. Äußerst hilfweise die Revision zuzulassen (§ 543 Absatz 2 Ziffer 1-2 ZPO).
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angegriffene Urteil.
II.
Auf die zulässige Berufung der Beklagten war das angegriffene Grundurteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Denn dem Kl äger stehen keine Zahlungsansprüche gegen die Beklagte aus der Wohngebäudeversicherung mit eingeschlossener Elementarschadenversicherung zu, weil die versicherte Sache schon keinen versicherten Schaden erlitten hat.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem behaupteten Erdfall um ein versichertes Ereignis handelt, denn es ist jedenfalls zu keinem versicherten Schaden gekommen.
Durch die verbundene Wohngebäudeversicherung vom 12.01.2002 ist das ständig bewohnte Wohngebäude mit 2 Garagen in der F...str. 16, T..., einschließlich Grund- und Kellermauern sowie im Einzelnen aufgeführtem Zubehör u.a. gegen weitere Elementargefahren (Überschwemmung, Erdbeben, Erdsenkung, Erdrutsch, Schneedruck und Lawinen) versichert worden.
Weiter besteht ausweislich des Versicherungsscheins Versicherungsschutz nach Maßgabe des Antrages, des vorliegenden Versicherungsscheins, der Allgemeinen Versicherungsbedingungen, der Besonderen Bedingungen, der vereinbarten Klauseln und Besonderen Vereinbarungen sowie der gesetzlichen Bestimmungen deutschen Rechts.
Nach § 1 der Besonderen Bedingungen für die Versicherung weiterer Elementarschäden in der Wohngebäudeversicherung (künftig: BEW) gelten die Allgemeinen Wohngebäudeversicherungsbedingungen (VGB 88), soweit sich nicht aus den folgenden Bestimmungen etwas anderes ergibt.
Gemäß § 2 Absatz 1 BEW leistet der Versicherer Entschädigung für versicherte Sachen, die durch c) Erdsenkung (§ 5 BEW) zerstört oder beschädigt werden oder infolge eines solchen Ereignisses abhandenkommen.
Unterstellt, das versicherte Gebäude sei von einer bestimmungsgemäßen Erdsenkung betroffen, ist es hierdurch aber weder zu einer Zerstörung noch zu einer Beschädigung oder zu einem Abhandenkommen der versicherten Sache gekommen.
1) Die Immobilie ist weder zerstört noch beschädigt worden.
Die Parteien sind sich darüber einig, dass es am Haus selbst zu keinen Schäden gekommen ist. Es ist lediglich dadurch, dass an der westlichen Garagenwand die Zerrspalte mit Bodendeformation verläuft, zu einer Absenkung der - laut Versicherungsschein nicht mitversicherten - Betonplatten in Richtung Garage gekommen. Allerdings wurde unter dem 15.02.2010 seitens der zuständigen Behörde gegenüber dem Kläger und den weiteren Bewohnern des Gebäudes wegen des Erdfalls und der damit verbundenen unmittelbaren Gefahren für Leib und Leben der Bewohner eine unbefristete Wohnnutzungsuntersagung verfügt. Entsprechende Feststellungen zu dem vorhandenen Gefahrenpotential sind dem gerichtseits eingeholten Sachverständigengutachten ebenfalls zu entnehmen.
Die Wohnimmobilie ist auf nicht absehbare Zeit wirtschaftlich nicht nutzbar. Dabei handelt es sich allerdings um einen Sachverhalt, der nicht versichert ist.
Im Sachversicherungsrecht ist Versicherungsfall - neben dem Fall des Abhandenkommens - der Eintritt eines Sachschadens an versicherten Sachen (Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Auflage, B III Rn. 1).
Sachschaden ist jede Beeinträchtigung der Substanz, die den Wert oder die Brauchbarkeit der Sache mindert. Die Substanz braucht zwar nicht verletzt, sie muss aber immerhin durch physikalische (mechanische, elektrische oder Strahlungs-) oder chemische Einwirkung beeinträchtigt sein. Der Zustand der Sache muss sich in substanzbezogener Weise nachteilig verändert haben. Beaufschlagung der Oberfläche genügt, soweit nicht nach der Verkehrsansicht bloße Verschmutzung vorliegt. Dieser Sachschadenbegriff ist Oberbegriff u.a. der in § 4 Nummer 1 VGB 88 gebrauchten Begriffe "zerstört" und "beschädigt" (Martin, a.a.O., Rn. 4).
Maßgebend für die Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen und daher auch des Sachschadenbegriffs ist nicht der juristisch-technische Sprachgebrauch der beteiligten Wirtschafts- oder Fachkreise, sondern der Sprachgebrauch des täglichen Lebens. Dies hat der BGH (NJW-RR 1988, 1050) zwar zur UnfallV entschieden; jedoch ist der Grundgedanke dieser Entscheidung auf alle Versicherungszweige zu übertragen. Allgemeine Versicherungsbedingungen werden nämlich nicht ausschließlich gegenüber Vertragspartnern verwendet, welche die jeweilige Fachsprache beherrschen, sondern auch gegenüber solchen, die sich nur am Sprachgebrauch des täglichen Lebens orientieren (Martin, a.a.O., Rn. 5).
Weder unter Berücksichtigung des Sprachgebrauchs des täglichen Lebens noch unter der juristischen Wertung, nach der eine Substanzverletzung im weitesten Sinne erforderlich ist, kann hier von einem versicherten Schaden ausgegangen werden.
Dem steht auch nicht entgegen, dass im Rahmen einer bestehenden Haftpflichtversicherung der dauerhafte Verlust der Nutzbarkeit versicherungsrechtlich einer vollständigen Zerstörung gleichgestellt worden sein und es ausnahmsweise auf eine physische Beschädigung bzw. Zerstörung nicht angekommen sein soll (OLG Karlsruhe, VersR 1996, 1403).
Denn der Begriff der Sachbeschädigung im strafrechtlichen Sinn von § 303 StGB oder der Verletzung des Eigentums an Sachen im Sinn von § 823 Absatz 1 BGB ist nicht uneingeschränkt auf das Recht der Sachversicherung übertragbar (Überlegungen im letzteren Sinne hatte der Klägervertreter erstinstanzlich angestellt). Nicht voll übertragbar ist ferner die Rechtsprechung zum Sachschadenbegriff in der Haftpflichtversicherung, denn die Rechtsprechung hat dort mehrfach ein Versicherungsbedürfnis für die Vermögensschäden-Haftpflicht zum Anlass genommen, den Sachschadenbegriff auszuweiten, vgl. zusammenfassend BGH VersR 1979, 855 (Martin, a.a.O., Rn. 7).
Gerade aus der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung wird deutlich, weswegen im einzelnen eine Analyse der Versicherungsart erforderlich ist, um zu einer jeweils brauchbaren Abgrenzung dessen zu gelangen, was unter Sachschaden zu verstehen ist. So ist ausgeführt worden, die Bauwesenversicherung für Wohngebäude solle einmal den Bauunternehmer des Wagnisses von Schäden entheben, die ihm dadurch entstünden, dass die versicherten Gegenstände (hier: die Bauleistung) bis zur Abnahme - oder bis zu einem vereinbarten anderen Zeitpunkt - beschädigt oder zerstört würden. Versichert sei das Ergebnis der Tätigkeit des Bauunternehmers, das Bauwerk im Stadium seines Entstehens. Insoweit sei die Versicherung als Sachversicherung mit einer Kakoversicherung vergleichbar. Bereits in seiner ersten grundlegenden Entscheidung zur Bauwesenversicherung habe der Senat (deswegen) festgestellt, unter "Beschädigung einer Sache" sei körperliche Einwirkung auf die Substanz einer bereits bestehenden Sache zu verstehen, die eine Veränderung der äußeren Erscheinung und Form mit sich bringe. Voraussetzung sei, dass ein bereits vorhandenen gewesener Zustand beeinträchtigt werde; die Beschädigung liege dann in der Aufhebung oder Minderung der Gebrauchsfähigkeit. Eine "Verletzung" der Sachsubstanz sei nicht erforderlich. An dieser Abgrenzung des Sachschadens gegenüber Sachmangel werde festgehalten (BGH VersR 1979, 853 ff, 854).
Unter Beachtung dieser Prämisse kann dann die Ansicht des OLG Karlsruhe in dem vom Landgericht zitierten Urteil für den vorliegenden, behaupteten Versicherungsfall nicht herangezogen werden. Das OLG führt zunächst aus, ein Sachschaden liege im allgemeinen bei Vernichtung oder Wertminderung durch Beschädigung vor. Als Sachschaden i.S. der Haftpflichtversicherung sei es bei der gebotenen wirtschaftlichen Bewertung jedoch auch anzusehen, wenn eine Sache in ihrer Substanz und ihrer Funktionsfähigkeit unbeeinträchtigt bleibe, jedoch dem Berechtigten endgültig entzogen werde, weil sie mit wirtschaftlichen Mitteln nicht wiedererlangt werden könne. Das Gericht hat sich hierzu auf die Kommentierung von Späte, Haftpflichtversicherung, 1993, § 1 Rn. 124 bezogen.
Dort geht es um die Abgrenzung zwischen Sachschaden (= wertmindernde Einwirkung oder Vernichtung) und Abhandenkommen von Sachen (= Besitzverlust). Diese Abgrenzung erweise sich in der Praxis oft als unscharf. Umstritten sei die deckungsrechtliche Behandlung von Fällen, in denen die Sache zwar objektiv noch vorhanden, jedoch wirtschaftlich entwertet sei, weil sie nicht wirtschaftlich vertretbar wiedererlangt werden könne (Späte, a.a.O. wie vor).Bei der Abgrenzung geht es darum, dass der Sachschaden bei einer Versicherung nach AHB grundsätzlich immer, das Abhandenkommen von Sachen jedoch nicht ohne weiteres versichert ist (wie bei reinen Vermögensschäden) und enthält die Lösung desProblems für den Versicherungsnehmer häufig auch die Entscheidung der weiteren Frage, ob er im konkreten Fall vrsichert ist oder nicht. Das BAV hat hierzu in ständiger Praxis die Ansicht vertreten, dass der Begriff des Abhandenkommens im Sinne des § 1 Ziff. 3 AHB nicht streng juristisch, sondern wirtschaftlich aufzufassen sei. Aus wirtschaftlicher Sicht ist das Abhandenkommen einer Sache vielfach der Substanzvernichtung und damit versicherungsrechtlich einem nach § 1 Ziff. 1 AHB gedeckten Sachschaden gleichzusetzen (Späte, a.a.O. wie vor).
Betrachtet man das Vorstehende in der Zusammenschau, fällt zunächst auf, dass das OLG Karlsruhe sich schon nicht deutlich dazu ausspricht, weswegen es von einem Sachschaden ausgeht, da an der bezeichneten Fundstelle von Späte nicht der Sachschaden definiert wird, sondern als Fazit des Abgrenzungsversuchs von Sachschaden und Abhandenkommen ausgeführt wird, das Abhandenkommen könne u.U. einem Sachschaden gleichgesetzt werden.
Wenn die Beklagte moniert, bestenfalls könne von einer Analogie gesprochen werden, wenn das Landgericht hier den Sachschadenbegriff der AHB heranziehe, ist dem beizupflichten. Im Recht der AHB verschwimmen nicht nur Sachschaden und Abhandenkommen, sondern die Definition von Sachschaden muss sich auch nicht mit dem der jeweils einschlägigen Sachversicheung decken. Zunächst umschreibt § 1 Ziff. 1 AHB den Sachschaden mit "Beschädigung oder Vernichtung von Sachen", ist also vom Wortlaut schon nicht identisch. Die Rechtsprechungsentwicklung hat sodann, orientiert an dem versicherten Risiko im Bereich der Haftpflichtversicherung, zu einem sehr weiten Schadensbegriff geführt. Denn anders als im Recht der Sachversicherung soll nicht ein konkreter Gegenstand gegen in den Versicherungsbedingungen aufgeführte Beeinträchtigungen versichert werden. Im Rahmen der Haftpflichtversicherung erstreckt sich der Versicherungsschutz vielmehr auf die gesetzliche Haftplicht aus den im Versicherungsschein und seinen Nachträgen angegebenen Eigenschaften, Rechtsverhältnissen oder Tätigkeiten des Versicherungsnehmers. Orientiert an diesem versicherten Risiko ist dann auch herauszuarbeiten, wie ein Sachschaden inhaltlich zu definieren ist. Dies entfernt sich auch nicht von dem, was der Sprachgebrauch des täglichen Lebens vorgibt. Denn auch dieser ist daran ausgerichtet, welche Art von Versicherungsschutz seitens des Versicherers zugesagt worden ist. Ein Beispiel im Rahmen der Sachversicherung ist oben mit der Bauwesenversicherung herausgegriffen worden. Auch dort haben die dort vorliegenden Spezifika zu einer weitergehenden Auslegung des Begriffs "Sachschaden" geführt, die hier fehlen.
Schließlich wird die Auffassung, hier liege ein versicherten Schaden nicht vor, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung gedeckt. Der Bundesgerichtshof hat aktuell (VersR 2010,1078, zitiert nach juris) unter Bezugnahme auf Martin (a.a.O. wie vor, B III Rn. 7) darauf verwiesen, dass im Rahmen der Sachversicherung daran festzuhalten sei, dass es zu irgendeiner Beeinträchtigung der Substanz der beschädigten Sache gekommen sein müsse.
Da es im vorliegenden Sachverhalt zu einer solchen Beeinträchtigung der Sachsubstanz des klägerischen Wohnhauses nebst Garagen nicht gekommen ist, ist Versicherungsschutz seitens der Beklagten unter dem Gesichtspunkt einer Sachbeschädigung nicht zu leisten.
2) Aber auch ein Abhandenkommen des Wohnhauses lässt sich nicht feststellen.
Schon unter der Prämisse des Sprachgebrauchs des täglichen Lebens lässt sich die unstreitig eingetretene wirtschaftliche Entwertung des Wohnhauses nicht unter den Begriff des Abhandenkommens subsummieren. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird unter Abhandenkommen verstanden, dass etwas verlorengegangen ist. Etwas ist weg, so wie die Uhr in dem vom Oberlandesgericht Karlsruhe entschiedenen Fall. Hier hat der Kläger hingegen sein Gebäude täglich vor Augen, er weiß genau, wo es sich befindet. Da die Sachversicherung aber keine Eigentumsversicherung ist, reicht die wirtschaftliche Entwertung nicht, um ein versichertes Abhandenkommen feststellen zu können.
Gleichgültig, ob § 935 BGB zur Definition des Abhandenkommens im Sinne des Sachversicherungsrechts überhaupt heranziehbar ist oder nicht, liegt auch ein Abhandenkommen im Sinne dieser Normierung in der hier fehlenden Nutzungsmöglichkeit nicht vor. Denn Abhandenkommen im Sinne von § 935 BGB wird als Verlust des Besitzes gegen den Willen des unmittelbaren Besitzers definiert (Palandt-Bassenge, BGB, 71. Auflage, § 935 Rn. 3). Der Kläger ist in seiner Sachherrschaft über sein Wohngebäude jedoch nicht beeinträchtigt. Nur die Nutzung des Objekts im Sinne von § 903 BGB ist ihm nicht möglich, Dritte können von ihm dagegen vom Zugriff auf die Sache ausgeschlossen werden.
Da nach alledem das versicherte Wohngebäude des Klägers weder unter dem Gesichtspunkt eines eingetretenen Sachschadens noch unter dem des Abhandenkommens einen versicherten Schaden erlitten hat, war das Grundurteil des Landgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Absatz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nummer 10, 711 ZPO.
Veranlassung, die Revision zuzulassen besteht nicht, denn Gründe im Sinne von § 543 Absatz 2 ZPO sind insbesondere im Hinblick auf die oben zitierte aktuelle höchstrichterliche Entscheidung zur Erforderlichkeit einer Beeinträchtigung der Sachsubstanz, um von einem Sachschaden im Sinne der Sachversicherung ausgehen zu können, nicht ersichtlich.
Der Streitwert wurde gemäß §§ 3 ZPO, 47 Absatz 1, 63 Absatz 2 GKG festgesetzt.
Parteina Gerwing Billig
Vorsitzender Richter
am Oberlandesgericht Richterin
am Landgericht Richterin
am Oberlandesgericht
Verkündet am 03.09.2013