12.08.2015 · IWW-Abrufnummer 145081
Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 21.05.2015 – 18 U 132/14
Aus der Sachwalterrechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich "zugunsten" des Versicherungsmaklers, dass sich der Maklerauftrag in der Regel nur auf das von seinem Kunden ihm zur Prüfung bzw. Optimierung aufgegebene Risiko bzw. Objekt bezieht. Hingegen besteht grundsätzlich keine Verpflichtung des Versicherungsmaklers, die gesamte Versicherungssituation des Kunden ungefragt einer umfassenden Prüfung zu unterziehen.
Oberlandesgericht Hamm
18 U 132/14
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 8.7.2014 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
Dieses sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110% des insgesamt gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e:
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I.
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Die Parteien streiten um Schadensersatz aus einem Versicherungsmaklervertrag.
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Der Beklagte ist Versicherungsmakler. Der Kläger und dessen Ehefrau beauftragten ihn Ende des Jahres 2009 in den Geschäftsräumlichkeiten der Ehefrau, weil sie mit der bisherigen Betreuung durch den Versicherungsagenten der B Versicherungs-AG unzufrieden waren. Der Beklagte erhielt zumindest einen Ordner mit Unterlagen zu bestehenden Versicherungen der Eheleute – u.a. der Wohngebäudeversicherung – bei der B Versicherungs-AG ausgehändigt. Die bestehende Wohngebäudeversicherung hatte eine feste Laufzeit bis zum 14.12.2012.
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Unter dem 14.12.2009 wurde ein schriftlicher Maklervertrag geschlossen. In dessen Ziffer 1 („Gegenstand des Auftrags“) trug der Beklagte später verschiedene private Versicherungen (Privathaftpflicht, Hausrat, Wohngebäude, Glas, Kfz) der Eheleute P bei der B Versicherungs-AG ein. Weiter heißt es dort:
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„Der Auftraggeber hat keinen Anspruch darauf, unaufgefordert über die weiteren Risiken seines Gewerbebetriebes und /oder seiner privaten Risiken informiert zu werden. Hierzu bedarf es einer konkreten schriftlichen Aufforderung durch den Auftraggeber.“
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Nach Ziffer 2 des Vertrages verpflichtete sich der Beklagte, den Versicherungsbedarf einschließlich des Risikos unter Berücksichtigung der individuellen Anforderungen des Auftraggebers zu analysieren und zu prüfen.
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Auf dem Grundstück der Eheleute P stand zum Zeitpunkt des Maklervertragsschlusses ein im Eigentum des Klägers stehendes Lagerzelt mit den Maßen 12 m x 22,5 m, das für die Lagerung von Heuballen verwendet wurde und für das kein Versicherungsschutz bestand. Das Zelt war nicht Gegenstand der anlässlich der Beauftragung stattfindenden Besprechung. Am 28.6.2010 brannte das Lagerzelt infolge vorsätzlicher Brandstiftung durch Fremde ab.
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Der Kläger nahm wegen des Brandschadens die B Versicherungs-AG in dem Rechtsstreit Landgericht Bielefeld – 18 O 372/10 – in Anspruch. Im Rahmen dieses Rechtsstreits, in dem er dem Beklagten den Streit verkündete, vertrat er unter anderem die Rechtsauffassung, das Lagerzelt sei von der Wohngebäudeversicherung umfasst. Das Landgericht wies die Klage mit Urteil vom 22.11.2011 ab. Die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers, mit der er seinen ursprünglichen versicherungsvertraglichen Erfüllungsanspruch nicht mehr weiterverfolgte, sondern die begehrte Zahlung auf einen Schadensersatzanspruch wegen Fehlberatung stützte, wurde durch das Oberlandesgericht (I-20 U 18/12) mit Urteil vom 10.10.2012 zurückgewiesen.
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Der Beklagte wurde mit Schreiben vom 21.12.2012 vergeblich zur Zahlung aufgefordert.
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Der Kläger hat behauptet, dem Beklagten seien in der Besprechung Ordner mit sämtlichen Versicherungsunterlagen für den privaten und geschäftlichen Schutz des Klägers mit der Maßgabe übergeben worden, alle Versicherungen zu überprüfen und Angebote über bessere bzw. preiswertere Versicherungen einzuholen. Die Ehefrau des Klägers habe den Wunsch geäußert, rundum abgesichert zu sein. Sie habe den Beklagten im Zeitraum zwischen Dezember 2009 und Ende Februar 2010 daran erinnert, die Unterlagen durchzuarbeiten und zu prüfen.
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Der Beklagte habe wissen müssen, dass das Lagerzelt nicht von der bestehenden Wohngebäudeversicherung umfasst gewesen sei, und daher den Abschluss einer landwirtschaftlichen Inhaltsversicherung anbieten müssen. In diesem Fall hätte er das Zelt vor dem Brand in einer landwirtschaftlichen Inhaltsversicherung zum Neuwert versichert.
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Zur Schadenshöhe hat der Kläger behauptet, der Neuwert des Zeltes habe 11.880,96 EUR betragen. Die Zeltplane habe er für ca. 1.500 EUR erworben. Für die Spanngurte und Erdanker habe er 200 EUR aufgewendet. Zu dem Alter und zur Kaufpreishöhe des Stahlgerüstes, das er im März 2005 erworben habe, könne er keine Angaben mehr machen. Der Zeitwert des Zeltes sei zum Zeitpunkt des Brandschadens mit mindestens 7.000 EUR zu veranschlagen. Mit dem Zelt seien 105 in Plastikfolie verpackte Heurundballen mit einem Wert von 3.675 EUR verbrannt. Für die Entsorgung, die noch nicht stattgefunden habe, würden Kosten i.H.v. 5.474 EUR entstehen.
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Der Kläger hat ursprünglich beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an ihn 21.029,96 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Anders als im Tatbestand des angefochtenen Urteils dargestellt, jedoch ausweislich des gemäß § 314 S. 2 ZPO maßgeblichen Sitzungsprotokolls vom 28.1.2014 (Bl. 87 f.) hat er seinen Antrag umgestellt und beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an ihn 15.555,96 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, sowie festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für die Aufräumarbeiten und Entsorgungskosten, die durch den Brandschaden am 28.6.2010 entstanden sind, nach deren Durchführung dem Kläger zu erstatten.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte hat behauptet, es sei mit Blick auf die Wohngebäudeversicherung vereinbart worden, dass er erst zum Ablauf der Bestandsversicherung und nach der Durchführung eines Ortstermins unter Hinzuziehung eines Fachmanns einer Versicherung ein Angebot für einen neuen Versicherungsvertrag habe erstellen sollen. Es fehle im Übrigen an der Kausalität, da kein Versicherungsschutz für das Lagerzelt – weder bei der B Versicherungs-AG noch bei anderen Versicherern – hätte erlangt werden können. Unbeschadet dessen hätte sich ein Sachversicherer auf Leistungsfreiheit wegen grob fahrlässiger Mitverursachung des Versicherungsfalls berufen können, da der Kläger das Lagerzelt nicht abgeschlossen habe. Ferner hat der Beklagte die Ansicht vertreten, dem Kläger sei ein überwiegendes Mitverschulden anzulasten, da er es bis zum Brandschadensfall unterlassen habe, ihn, den Beklagten, aufzufordern, die Risikoanalyse vorzunehmen.
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Das Landgericht hat die Klage nach der Vernehmung der Zeuginnen P, G und N insgesamt abgewiesen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
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Ein Anspruch ergebe sich nicht aus § 63 VVG, der den allgemeinen Regeln der §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB als lex specialis vorgehe. Der Beklagte, Versicherungsmakler im Sinne von § 59 Abs. 1 Fall 2 VVG i.V.m. § 93 HGB, habe allerdings keine Pflichten aus dem Versicherungsmaklervertrag verletzt. Aufgrund der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Parteien bei dem Abschluss des Versicherungsmaklervertrages besprochen hätten, dass der bestehende Wohngebäudeversicherungsvertrag bei der B noch bis Ende des Jahres 2010 laufe. Vor diesem Hintergrund habe für den Beklagten kein konkreter Handlungsbedarf bestanden, zumal er keinerlei Hinweise seitens des Klägers bzw. dessen Ehefrau erhalten habe, dass es hinsichtlich des bestehenden Versicherungsumfangs Unklarheiten oder Schwierigkeiten gegeben habe. Sowohl der Kläger als auch dessen Ehefrau seien zum Zeitpunkt des Gespr ächs davon ausgegangen, dass das Lagerzelt von der Wohngebäudeversicherung umfasst gewesen sei. Der Beklagte selbst habe keine Kenntnis von der Existenz des Lagerzeltes gehabt. Dies sei zwischen den Parteien unstreitig. Insofern habe es keine Veranlassung für ihn gegeben, hinsichtlich des Versicherungsumfangs Nachfragen zu stellen. Ebenso wenig habe es vor dem Hintergrund der Laufzeit der bestehenden Wohngebäudeversicherung bis Ende 2012 Veranlassung gegeben, in dem Zeitraum bis zum Brandschadensfall im Juni 2010 einen Ortstermin im Beisein eines fachkundigen Mitarbeiters einer Versicherung durchzuführen.
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Die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, dass der Kläger dem Beklagten bei Abschluss des Vertrages mitgeteilt habe, er wolle umfassend versichert sein. Die Zeugin P habe diese Behauptung nicht bestätigt. Sie habe lediglich bekundet, sie habe geäußert, vernünftig versichert sein zu wollen. Ebenso wenig habe sie bekundet, dass sie zum Zeitpunkt des Gesprächs Zweifel im Hinblick auf den bestehenden Versicherungsschutz und dessen Reichweite gehabt habe. Auch insofern habe es für den Beklagten keine Veranlassung gegeben, von sich aus bereits zeitnah nach dem Abschluss des Vertrages den bestehenden Versicherungsschutz zu prüfen.
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Ferner habe der Kläger den von ihm behaupteten Schaden der Höhe nach nicht ausreichend substantiiert dargelegt.
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Die Entsorgungskosten mit Blick auf die verbrannten Gegenstände könne der Kläger zurzeit nicht geltend machen, da diese erst nach ihrem tatsächlichen Anfall erstattungsfähig seien.
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Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Ansprüche weiterverfolgt. Er begründet seine Berufung im Wesentlichen wie folgt:
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Er ist der Auffassung, dass entgegen den Feststellungen im angefochtenen Urteil ein Beratungsfehler des Beklagten vorliege. Es sei nicht erheblich, ob der Kläger den Wunsch geäußert habe, „umfassend“ und/oder „vernünftig“ versichert zu werden, da der Beklagte als Versicherungsmakler und nicht als Versicherungsagent tätig geworden sei. Als Versicherungsmakler sei der Beklagte zu einer umfangreichen Risikobeurteilung verpflichtet gewesen. Er habe die Risikosituation gründlich untersuchen und dabei insbesondere erkennen müssen, in welchen Punkten weitergehende Ermittlungen und damit unter Umständen eine umfassendere Befragung des Versicherungsnehmers erforderlich geworden wäre. Am Ende des Ermittlungsprozesses hätte er eine Risikoanalyse durchführen müssen, die zu einem adäquaten Deckungskonzept hätte führen müssen.
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Es habe entgegen der Einschätzung des erkennenden Gerichts Anlass für eine Risikoanalyse gegeben. Der Beklagte hätte eine landwirtschaftliche Inhaltsversicherung wegen des Lagerzelts vermitteln müssen, da dieses – unstreitig – durch die Wohngebäudeversicherung nicht habe abgedeckt werden können. Dem Beklagten hätten sämtliche Versicherungsverträge zur Überprüfung vorgelegen. Auch seien ihm die örtlichen Verhältnisse des Klägers bekannt gewesen. Aufgrund der dem Beklagten bekannten Umstände habe er erkennen müssen, dass das Deckungsbedürfnis des Klägers nicht ausreichend durch die bestehenden Verträge abgebildet sei.
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Entgegen den Feststellungen im angefochtenen Urteil sei dem Kläger der Beweis gelungen, dass er den Wunsch nach umfassendem Versicherungsschutz geäußert habe. Aufgrund der Bekundungen der Zeugin P sei erwiesen, dass dem Beklagten sämtliche Vertragsunterlagen mit dem Auftrag, diese durchzugehen, ausgehändigt worden seien. Unabhängig von dem genauen Wortlaut des Auftrags ergebe sich hieraus bereits konkludent das Begehren des Klägers nach einem umfassenden Versicherungsschutz.
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Die Beweiswürdigung des Gerichts sei fehlerhaft, da die Zeugin P unvollständig befragt worden sei. Hätte das Gericht nach dem Verständnis der Zeugin von einem „vernünftigen Versicherungsschutz“ gefragt, hätte es die Auskunft erhalten, „dass für die Zeugin ein vernünftiger Versicherungsschutz nicht das Gegenteil von einem umfassenden Versicherungsschutz ist“.
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Der Kläger sei zudem für seinen Wunsch nach einem umfassenden Versicherungsschutz nicht beweispflichtig, da der Beklagte seiner Dokumentationspflicht gemäß § 61 Abs. 1 VVG nicht nachgekommen sei.
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Das angefochtene Urteil sei weiterhin deswegen fehlerhaft, weil der Kläger bereits zu Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.1.2014 einen Feststellungsantrag gestellt habe, den das Gericht bei seinen Ausführungen zur Schadenshöhe unberücksichtigt gelassen habe.
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Die Ausführungen des Klägers zur Schadenshöhe seien ausreichend jedenfalls für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO.
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Er beantragt,
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den Beklagten unter Abänderung des am 8.7.2014 verkündeten Urteils des Landgerichts Bielefeld zu verurteilen, an ihn 15.555,96 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
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festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm die Kosten für die Aufräumarbeiten und Entsorgungskosten, die durch den Brandschaden am 28.6.2010 entstanden sind, nach deren Durchführung zu erstatten.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil. Er bestreitet, die örtlichen Verhältnisse oder gar die Existenz eines Lagerzelts gekannt zu haben. Dies sei erstinstanzlich auch unstreitig gewesen. Wegen des neuen Vorbringens rügt er Verspätung. Er verweist darauf, dass eine Besichtigung vor Ort nicht stattgefunden habe und auch nicht angemahnt worden sei. Der Wohngebäudeversicherungsvertrag habe erst im Laufe des Jahres 2012 überprüft werden sollen.
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Die Bekundungen der Zeugin, die als Ehefrau ein persönliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits habe, seien insbesondere wegen der festzustellenden Erinnerungslücken insgesamt unglaubhaft.
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Er bekräftigt seine Auffassung, selbst wenn man eine Pflichtverletzung annehmen wolle, fehle es an der Kausalität für den behaupteten Schaden. Es bleibe bestritten, dass das Zelt überhaupt versicherbar gewesen wäre. Die nach der Behauptung des Klägers nunmehr beim M abgeschlossene Gebäudeversicherung erfasse nur feste Gebäude. Im Übrigen komme es auch auf die Situation im Jahr 2009, also die Frage, ob zum damaligen Zeitpunkt ein Versicherer bereit gewesen wäre, das Zelt zu versichern, an. Hierzu fehle es an Vortrag des Klägers.
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Zur Schadenshöhe und den einzelnen Schadenspositionen habe der Kläger nicht schlüssig vorgetragen. Im Übrigen habe er nicht vorgetragen, welche Prämien er durch den Nichtabschluss einer – zusätzlichen – Versicherung erspart habe.
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Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 23.4.2015.
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II.
45
Die Berufung ist zulässig, führt aber in der Sache nicht zum Erfolg.
46
1.
47
Der Kläger weist zunächst zutreffend darauf hin, dass die Sachanträge aus der Berufungsbegründung bereits in erster Instanz – und zwar in der mündlichen Verhandlung vom 28.1.2014 (vgl. Bl. 88 der Gerichtsakte) – gestellt worden sind. Das Landgericht hat seiner Entscheidung versehentlich nicht diese, sondern die schriftsätzlich angekündigten Anträge zu Grunde gelegt. Der Tenor bedarf jedoch keiner Korrektur, weil er auch für den Fall zutrifft, dass das Landgericht über die tatsächlich gestellten Anträge entschieden hätte.
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2.
49
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz.
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Als Anspruchsgrundlage kommt nach der zutreffenden Ansicht des Landgerichts nur § 63 S. 1 VVG – als lex specialis gegenüber § 280 BGB – in Betracht. Danach ist ein Versicherungsmakler zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem Versicherungsnehmer durch einen Beratungsfehler entsteht.
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Der Kläger und seine Ehefrau auf der einen und der Beklagte auf der anderen Seite haben Ende November / Anfang Dezember 2009 einen Versicherungsmaklervertrag durch Übergabe bzw. Entgegennahme der Unterlagen der Eheleute P zu den bei der B Versicherungs-AG bestehenden Versicherungen geschlossen. Der Kläger kann dessen ungeachtet den von ihm begehrten Schadensersatz alleine geltend machen. Denn er macht Schäden geltend, die nur an seinem Vermögen entstanden sind. Nach seinem unbestrittenen Vortrag standen das Lagerzelt und die darin gelagerten Heurundballen in seinem Alleineigentum.
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a)
53
Dem Beklagten ist indes kein Pflichtverstoß dahingehend vorzuwerfen, er habe es pflichtwidrig unterlassen, den Kläger darauf hinzuweisen, dass das Lagerzelt nicht von der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehenden Wohngebäudeversicherung umfasst war.
54
aa)
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Wendet sich ein Kunde mit Versicherungsbedarf an einen Versicherungsmakler, kommt zwischen den Parteien ausdrücklich oder konkludent ein Maklervertrag zu Stande, dessen Inhalt für die Ermittlung des Umfangs der vom Makler geschuldeten Tätigkeiten maßgeblich ist (Matusche-Beckmann, in: Beckmann/ Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2009, § 5, Rn. 270; Dörner, in: Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 29. Aufl. 2015, § 59, Rn. 72).
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Die Pflichten des Versicherungsmaklers gehen weit. Er wird regelmäßig vom Versicherungsnehmer beauftragt und als sein Interessen- oder sogar Abschlussvertreter angesehen. Er hat als Vertrauter und Berater des Versicherungsnehmers individuellen, für das betreffende Objekt passenden Versicherungsschutz zu besorgen. Dem entspricht, dass der Versicherungsmakler von sich aus das Risiko untersucht, das Objekt prüft und den Versicherungsnehmer als seinen Auftraggeber ständig, unverzüglich und ungefragt über die für ihn wichtigen Zwischen- und Endergebnisse seiner Bemühungen, das aufgegebene Risiko zu platzieren, unterrichten muss. Wegen dieser umfassenden Pflichten kann der Versicherungsmakler für den Bereich der Versicherungsverhältnisse des von ihm betreuten Versicherungsnehmers als dessen treuhänderähnlicher Sachwalter bezeichnet und insoweit mit sonstigen Beratern verglichen werden (BGH, Urteil vom 22. Mai 1985 – IVa ZR 190/83 –, BGHZ 94, 356-364, Rn. 11; Urteil vom 26. März 2014 – IV ZR 422/12 –, Rn. 25, juris).
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Aus der Sachwalterrechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgt umgekehrt auch, dass der Maklerauftrag sich in der Regel nur auf das aufgegebene Risiko und Objekt bezieht. Eine rechtliche Verpflichtung des Versicherungsmaklers dahingehend, den Kunden im Rahmen der ersten Kontaktaufnahme ungefragt einer umfassenden Analyse seiner gesamten Versicherungssituation zu unterziehen, besteht grundsätzlich nicht (Benkel/Reusch, VersR 1992, 1307; Matusche-Beckmann, a.a.O., Rn. 276; Rixeker, in: Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl. 2014, § 59, Rn. 8). Das Pflichtenprogramm des Maklers beschränkt sich daher, wenn keine abweichenden Abreden vorliegen, auf das konkrete Absicherungsanliegen des Versicherungsnehmers und die in diesem Zusammenhang dem Versicherungsmakler erkennbaren weiteren Absicherungsbedürfnisse (Rixeker, ebda.). Wendet sich der Kunde also zur Absicherung eines speziellen Risikos an den Makler, bezieht sich der Maklervertrag nicht ohne weitere Anhaltspunkte auch auf andere Versicherungsangelegenheiten des Kunden. Dem Makler nicht zur Prüfung aufgegebene – erst recht nicht ihm unbekannte – Risiken können demzufolge keine entsprechenden vertraglichen Beratungs- und Betreuungspflichten auslösen. Allerdings können den Makler insoweit in augenfälligen Sachverhalten entsprechende Erkundigungspflichten sowie Aufklärungs- und Beratungspflichten gegenüber dem Kunden treffen (Matusche-Beckmann, a.a.O., Rn. 276).
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In diesem Sinne knüpft auch die obergerichtliche Rechtsprechung bei der Ermittlung des von dem Makler geschuldeten Pflichtenprogramms an das konkret vom Kunden benannte bzw. vom Makler aufgrund von mitgeteilten Informationen erkennbare Absicherungsanliegen an:
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So hat der Senat in seiner Entscheidung vom 30. April 2012 – 18 U 141/06 – (NJW-RR 2013, 38) als Versicherungsangelegenheit die dem dortigen Fall zugrunde liegende Umbaumaßnahme erachtet mit der Folge, dass sich die von dem beklagten Versicherungsmakler geschuldete Beratung nicht auf bestimmte Vertragstypen, sondern auf die (bestmögliche) Absicherung des Vorhabens bezog. In diesem Fall war der Versicherungsmaklerin mitgeteilt worden, dass die dortige Klägerin eine Versicherung für den Umbau des Bauwerkes benötige und sie sich um Versicherungen bemühen solle.
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Das Oberlandesgericht Brandenburg hat in seiner vom Bundesgerichtshof bestätigten (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2014 – IV ZR 422/12 –, Rn. 27, juris) Entscheidung vom 23. Oktober 2012 – 11 U 90/10 – als Versicherungsobjekt die tatsächlichen Umstände des Geschäftsbetriebs des Kunden, der wegen einer Betriebshaftpflichtversicherung vom Versicherungsmakler beraten wurde, angenommen (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 23. Oktober 2012 – 11 U 90/10 –, Rn. 82, juris). Der dortige Maklerkunde war als Ofensetzer tätig. Ferner führte er Fliesenlegerarbeiten aus. Das Gericht hat eine Pflichtverletzung des Maklers im Ergebnis bejaht, weil dieser seinem Kunden eine Haftpflichtversicherung lediglich für das von ihm ausgeübte Ofensetzerhandwerk verschafft hatte, hingegen keinen Schutz für das Betriebshaftpflicht-Risiko „Fliesenlegerarbeiten“. Die vom Makler durchgeführte Bedarfsermittlung sei ungenügend gewesen, da für ihn erkennbar gewesen sei, dass der Kläger auch für diese Tätigkeiten Betriebshaftpflichtschutz begehrt habe.
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Auch das Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 10. November 1995 – 7 U 81/94 –, Rn. 3, juris) hat eine Schadensersatzpflicht der Maklerin bejaht, weil sie es trotz Kenntnis von Neuanschaffungen der Kundin unterlassen hatte, die bestehende Valoren-Versicherung auch auf diese zu erstrecken bzw. die Kundin insofern zu beraten.
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Sämtlichen vorbezeichneten obergerichtlichen Entscheidungen ist gemeinsam, dass der Versicherungsmakler eine Risikoanalyse und Bedarfsermittlung nur für das von dem Maklerkunden namhaft gemachte Objekt bzw. Risiko schuldet. Allerdings muss der Makler das Versicherungsanliegen anhand der ihm mitgeteilten Umstände korrekt erfassen. Soweit im Einzelfall erkennbarer Anlass besteht, muss er seine Bedarfsermittlung und Empfehlungen auch auf solche Objekte und Risiken erstrecken, die ersichtlich von dem konkreten Absicherungsinteresse seines Kunden erfasst sind.
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bb)
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Eine derartige Situation bestand hier nicht: Das Lagerzelt war kein Vermögensgegenstand, für den der Beklagte – für ihn erkennbar – Versicherungsschutz beschaffen bzw. empfehlen sollte. Es bestand für ihn kein Anlass zu der Annahme, der Kläger habe einen Versicherungsbedarf außerhalb der zur Prüfung überreichten Versicherungsunterlagen.
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(1)
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Maßgeblich für diese Feststellung ist allerdings nicht die gegenständliche Begrenzung des Versicherungsmaklervertrags vom 14.12.2009. Zwar sind Gegenstand des Auftrags nach dessen Ziffer 1 nur die dort benannten, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehenden Versicherungen des Klägers bei der B Versicherungs-AG (Privathaftpflicht, Hausrat, Wohngebäude, Glas, Kfz). Indes hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 23.4.2015 erklärt, dass er diese Eintragungen nach der Unterzeichnung des Vertrages vorgenommen habe. Vor diesem Hintergrund lässt sich der auf den Umfang des Maklerauftrags gerichtete Wille des Klägers anhand des Vertrages nicht abschließend bestimmen – auch wenn der Kläger nach dem Erhalt des vervollständigten Vertrages den Eintragungen des Beklagten nicht widersprochen hat.
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(2)
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Doch ergibt sich aus der Vertragsanbahnungssituation eine gegenständliche Begrenzung des Versicherungsmaklervertrages. Nach dem insoweit maßgeblichen Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 23.4.2015 kam der Beklagte auf einen Anruf seiner Ehefrau, der Zeugin P, in das von ihr betriebene Fachgeschäft für Kleintierbedarf. Dort erklärten ihm die Eheleute, von der B „komplett weg zu wollen“. Bei diesem Gespräch wurden bereits Versicherungsunterlagen übergeben. Die Parteien trafen dann innerhalb eines Zeitraums von zwei bis drei Wochen wiederum im Geschäft der Zeugin P zusammen, wo die Eheleute P den Maklervertrag unterzeichneten.
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Bei dieser Sachlage konnte der Beklagte seinen Auftrag nur dahin verstehen, dass die überreichten Verträge geprüft und gegebenenfalls optimiert werden sollten. Er musste nicht von sich aus nach weiteren theoretisch denkbaren Risiken forschen.
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Ob dies anders zu beurteilen wäre, wenn die Zeugin P mündlich den Wunsch nach einer „umfassenden“ Beratung geäußert hätte, kann hier dahinstehen. Denn nach der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme hat die Zeugin dies gerade nicht wahrgehalten, sondern lediglich bekundet, sie wolle „vernünftig“ versichert sein. Dies spricht – wie sich auch aus ihrer weiteren Aussage, wonach sie dem Beklagten alle Unterlagen mitgegeben und ihn gebeten habe, „das alles durchzugucken“, ergibt – für einen Auftrag zur Überprüfung der bestehenden Versicherungen und steht in Einklang mit der Unzufriedenheit des Klägers mit der Betreuung durch die B. Aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Empfängers durfte der Beklagte die Erklärung im vorbezeichneten Sinne verstehen. Für eine Wiederholung der Vernehmung der Zeugin P bestand vor diesem Hintergrund kein Anlass. Insbesondere hat das Landgericht die Zeugin nicht „unvollständig befragt“, wie der Kläger meint. Ihr ist vielmehr auch die Frage gestellt worden, ob sie geäußert habe, „rundum abgesichert sein“ zu wollen. Auch die Beweiswürdigung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden. Es hat die Bekundung der Zeugin nachvollziehbar im Sinne einer Bitte um Prüfung und gegebenenfalls Optimierung der bestehenden Versicherungen verstanden. Hiergegen ist schon mit Blick auf den von ihr bekundeten Wortlaut der gegenüber dem Beklagten getätigten Äußerung nichts zu erinnern. Darüber hinaus ist gerade vor dem Hintergrund, dass die Eheleute P keinen Anlass zu der Annahme hatten, der bestehende Versicherungsschutz sei nicht umfassend, auch nichts dafür ersichtlich, dass der von der Zeugin bekundeten Äußerung eine andere Bedeutung beizumessen ist – worauf das Landgericht bereits zutreffend hingewiesen hat. Im Übrigen kommt es nicht darauf an, wie die Zeugin ihre Erklärung verstanden hat, sondern wie sie der Beklagte verstehen durfte.
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(3)
72
Hier lag auch keine Situation vor, in der der Makler typischerweise mit Lücken in dem bestehenden Versicherungsschutz rechnen musste. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass ausweislich der Police von der bestehenden Wohngebäudeversicherung drei Garagen nebst Stellplätzen umfasst waren, musste der Beklagte nicht argwöhnen, dass es weitere nicht versicherte Nebengebäude gebe. Dass es darauf Hinweise in den ihm übergebenen Wohngebäudeversicherungsunterlagen gab, ist weder vorgetragen noch ersichtlich, auch nicht aus der beigezogenen Akte. Der Beklagte hatte auch keine Kenntnis von den örtlichen Gegebenheiten. Dies war erstinstanzlich unstreitig. Sofern der Kläger in der Berufungsbegründung nunmehr erstmals behauptet, dem Beklagten seien „die örtlichen Verhältnisse des Klägers bekannt gewesen“, heißt das bereits nicht, dass er auch das Lagerzelt wahrgenommen hat bzw. hätte wahrnehmen müssen. Selbst wenn man ihn so verstehen wollte, wäre dieser neue Vortrag aber nach §§ 529 Abs. 2, 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht berücksichtigungsfähig; abgesehen davon, dass der Beklagte glaubhaft erklärt hat, ein Lagerzeit niemals bewusst wahrgenommen zu haben.
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(4)
74
Dem Kläger kommen hier auch nicht wegen der den Versicherungsmakler treffenden Dokumentationspflicht nach §§ 61 Abs. 1 S. 2, 62 VVG Beweiserleichterungen im Hinblick auf den Umfang des Maklerauftrags zugute. Nach allgemeinen Grundsätzen trifft den Versicherungsnehmer die Beweislast für das Vorliegen einer Pflichtverletzung. Der Versicherungsmakler hat die behauptete Fehlberatung substantiiert zu bestreiten und darzulegen, in welcher Weise er seinen Beratungs- und Informationspflichten nachgekommen ist. Dem Versicherungsnehmer obliegt dann der Nachweis, dass diese Darstellung nicht zutrifft (vgl. Dörner, a.a.O., § 63, Rn. 12). Zwar kann eine lückenhafte oder unzutreffende Dokumentation zu weiteren Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr zu Gunsten des Versicherungsnehmers führen. Allerdings hätte der Beklagte – selbst bei der Annahme eines zur Beweislastumkehr führenden Verstoßes gegen §§ 61 Abs. 1 S. 2, 62 VVG – eine solche Vermutung vor dem Hintergrund der vorbezeichneten unstreitigen Umstände (konkrete Vertragsanbahnungssituation) und der Aussage der Zeugin P, die zu seinen Gunsten zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, Urteil vom 03. April 2001 – VI ZR 203/00 –, Rn. 11, juris), widerlegt.
75
b)
76
Eine zum Schadensersatz berechtigende Pflichtverletzung liegt – entgegen der Ansicht des Klägers – auch nicht darin, dass der Beklagte in dem Zeitraum zwischen Vertragsabschluss und Brandschadensfall nicht auf das Grundstück des Klägers kam, um die von dem Maklervertrag erfassten Sachwerte in Augenschein zu nehmen. Nach den vorstehenden Ausführungen bestand kein Anlass für den Beklagten, nach unbekannten Lücken im Versicherungsschutz des Klägers – hier in Form unversicherter Heulager – Ausschau zu halten. Im Übrigen lief die bei der B Versicherungs-AG bestehende Wohngebäudeversicherung des Klägers noch geraume Zeit, so dass es auch deshalb nicht erforderlich war, das Grundstück des Klägers aufzusuchen. Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob der Beklagte seinen Maklerpflichten in Bezug auf die bestehende Wohngebäudeversicherung bei der B Versicherungs-AG nicht nachgekommen ist. Selbst wenn davon auszugehen ist, dass ihn auch diesbezüglich bereits ab Ende 2009 – mit Abschluss des Maklervertrags – Überprüfungs- bzw. Optimierungspflichten trafen, weil er mangels Dokumentation der von ihm behaupteten Anweisung, diesen Vertrag nicht anzufassen, mit diesem Einwand nicht zu hören ist, so liegt die Prüfung und Eindeckung von Versicherungsschutz für so genannte Lagerzelte eindeutig außerhalb einer auf die Optimierung bestehender Wohngebäudeversicherungen bezogener Pflichten.
77
3.
78
Mangels Hauptanspruchs kann der Kläger auch keine Zinsen verlangen.
79
4.
80
Der Antrag auf Feststellung der Kostenerstattungspflicht des Beklagten ist zwar zulässig, weil der Kläger die Aufräum- und Entsorgungsarbeiten noch nicht beauftragt hat und die Höhe der dadurch verursachten Kosten derzeit noch nicht feststeht. Der Antrag ist jedoch aus denselben unter Ziffer 2 genannten Erwägungen unbegründet.
81
III.
82
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 544 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.
83
Veranlassung zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Belange der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 ZPO) sind nicht gegeben.