17.12.2015 · IWW-Abrufnummer 146043
Finanzgericht Münster: Urteil vom 11.11.2015 – 7 K 453/15
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster
7 K 453/15 E
Tenor:
Der Einkommensteueränderungsbescheid 2013 vom 20.08.2014 (Teilabhilfebescheid) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.01.2015 wird nach Maßgabe der Urteilsgründe geändert.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird zugelassen.
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T a t b e s t a n d
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Die Beteiligten streiten darüber, ob Ausgleichszahlungen im Rahmen eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs als Werbungskosten oder als Sonderausgaben zu berücksichtigen sind.
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Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr 2013 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielten im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
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Mit notarieller Scheidungsfolgenvereinbarung vom 18.05.2012 vereinbarten der Kläger und seine geschiedene Ehefrau, Frau S G , eine Ausgleichszahlung über insgesamt 35.000 € (20.000 € in 2012 und 15.000 € in 2013) zum Ausgleich des Zugewinns sowie zum Versorgungsausgleich der betrieblichen Altersversorgung (Bl. 61 ff. der Finanzamtsakte). Von der Gesamtsumme entfiel ein Betrag in Höhe von insgesamt 28.375 € auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich (vgl. Berechnung des Klägers, Bl. 4 der Finanzamtsakte).
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In der Steuererklärung für das Streitjahr 2013 beantragte der Kläger Ausgleichszahlungen an seine geschiedene Ehefrau, Frau S G , im Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs in Höhe von 12.161 € als Sonderausgaben zu berücksichtigen.
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Der Beklagte lehnte die Berücksichtigung als Sonderausgaben im Einkommensteuerbescheid vom 04.07.2014 ab. Zur Begründung verwies er darauf, dass der Rentenfall noch nicht eingetreten sei, die den Ausgleichszahlungen zu Grunde liegenden Einnahmen erst später zuflössen und somit nicht bereits jetzt der Besteuerung unterlägen. Eine Berücksichtigung als Werbungskosten komme ebenfalls nicht in Betracht. Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 24.03.2011 (VI R 59/10), nach dem Ausgleichszahlungen im Rahmen des Versorgungsausgleichs Werbungskosten darstellen könnten, gelte nur für eine Altersversorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen und sei nicht auf den Streitfall übertragbar. Vielmehr seien im Streitfall die Grundsätze des BFH-Urteils vom 15.06.2010 (Az: X R 23/08) anzuwenden, wonach sowohl ein Sonderausgaben- als auch ein Werbungskostenabzug ausscheide.
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Hiergegen legten die Kläger form- und fristgerecht Einspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, dass sie nunmehr eine Berücksichtigung der Ausgleichszahlungen als Werbungskosten und nicht als Sonderausgaben beantragen.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 14.01.2015 wies der Beklagte den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück. Ein Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 1b) EStG scheide aus, da die ausgleichsberechtigte frühere Ehefrau die Leistungen nicht als Einkünfte nach § 22 Nr. 1c EStG versteuern müsse. Die Zahlung der Abfindung sei ein Vorgang auf der privaten Vermögensebene. Die Zahlung zur Abfindung eines Anspruchs auf schuldrechtlichen Versorgungsausgleich führe auch nicht zu einem Werbungskostenabzug bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, weil sie nicht zur Abwehr eines Anspruchs auf dingliche Übertragung einer Versorgungsanwartschaft, sondern zur Abwehr einer gegen das Vermögen gerichteten Geldforderung auf der Ebene der Einkommensverwendung diene.
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Mit ihrer Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Zur Begründung tragen sie vor, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urt. vom 24.03.2011 – VI R 59/10, BFH/NV 2011, 1130) Ausgleichszahlungen, die ein Beamter aufgrund einer Vereinbarung nach § 1408 Abs. 2 BGB oder § 1587o BGB a.F. an den anderen Ehegatten leiste, um Kürzungen seiner Versorgungsbezüge zu vermeiden, Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit darstellten.
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Nach dem Versorgungsausgleichsgesetz, dessen Regelungen im Streitfall anwendbar seien, sei – im Gegensatz zur alten Rechtslage – nur noch die interne und die externe Teilung vorgesehen. Mit der Zahlung sei die Teilung der Betriebsrente des Klägers verhindert worden, so dass ihm nur durch die Zahlung die ungeschmälerten Einkünfte aus der Betriebsrente verblieben seien. Deshalb liege in der Abstandszahlung ein Akt der Einkommenserzielung und nicht der Einkommensverwendung.
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Die Kläger beantragen sinngemäß,
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den Einkommensteueränderungsbescheid 2013 vom 20.08.2014 (Teilabhilfebescheid) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.01.2015 dahingehend abzuändern, dass die Ausgleichszahlungen des Klägers im Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs in Höhe von 12.161 € steuermindernd berücksichtigt werden.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er verweist zur Begründung auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
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Der Klägervertreter hat mit Schreiben vom 29.05.2015 und der Beklagte hat mit Schreiben vom 24.06.2015 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gem. § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat Erfolg.
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Der Einkommensteuerbescheid 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.01.2015 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Beklagte hat die Aufwendungen des Klägers in Höhe von 12.161 € für den Ausschluss der betrieblichen Altersversorgung im Rahmen des Versorgungsausgleichs zu Unrecht nicht als Werbungskosten berücksichtigt.
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Die Ausgleichszahlungen zur Abfindung eines Versorgungsausgleichsanspruchs wegen des Bestehens einer Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung sind mit den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Zusammenhang stehende Werbungskosten.
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Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Voraussetzung für die Abziehbarkeit der Aufwendungen als Werbungskosten ist, dass sie in einem ausreichend bestimmten wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Einkunftsart stehen (BFH, Urt. vom 15.06.2010 – X R 23/08, BFH/NV 2010, 1807).
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Nach der Rechtsprechung des BFH führen Zahlungen im Zusammenhang mit einem Versorgungsausgleich nur dann zu abziehbaren Werbungskosten, wenn eine Pflicht zum Ausgleich von Versorgungsanwartschaften besteht und zur Folge hätte, dass dem Inhaber des Anspruchs auf betriebliche Altersversorgung niedrigere Versorgungsbezüge im Sinne des § 19 Abs. 2 EStG zufließen als ohne eine solche Ausgleichsverpflichtung. Entscheidend ist mithin allein, ob die Ausgleichszahlungen dazu dienen, eine Verringerung der sonst im Scheidungsfall beim Kläger zufließenden Versorgungsbezüge zu verhindern (BFH, Urt. vom 22.08.2012 – X R 36/09, BStBl II 2014, 109; Urt. vom 24.03.2011 – VI R 59/10, BFH/NV 2011, 1130; Urt. vom 08.03.2006 – IX R 107/00, BStBl II 2006, 446; FG Hamburg, Urt. vom 31.10.2013 – 3 K /80/12).
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Fließen dem Ausgleichspflichtigen hingegen auch im Scheidungsfall die ungekürzten Versorgungsbezüge zu, betrifft eine Vereinbarung, die den dinglichen Versorgungsausgleich durch eine andere Regelung ersetzt, auch dann nicht den Bereich der Einkunftserzielung – in dem allein Werbungskosten anfallen könnten – sondern den der Einkommensverwendung, wenn der Ausgleichspflichtige einen Teil der Versorgungsbezüge an den ausgleichsberechtigten Ehegatten weiterleiten muss (BFH, Urt. vom 15.06.2010 – X R 23/08, BFH/NV 2010, 1807; FG Hamburg, Urt. vom 31.10.2013 – 3 K 80/12).
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Im Streitfall wäre es ohne die vorliegend zu beurteilende Vereinbarung zu einer Aufteilung der betrieblichen Versorgungsanwartschaft des Klägers und damit zu einer Verringerung der diesem zufließenden Versorgungsbezüge gekommen. Denn der ohne die Vereinbarung durchzuführende Versorgungsausgleich hätte aufgrund der durchzuführenden Realteilung zu einer Einkünfteverlagerung auf die geschiedene Ehefrau des Klägers geführt (vgl. BFH, Urt. vom 22.08.2012 – X R 36/09, BStBl II 2014, 109).
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Nach der Neuregelung des Versorgungsausgleichs zum 01.09.2009 durch das Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) ist in § 10 VersAusglG der Grundsatz der internen Realteilung eingeführt worden, wonach jedes Versorgungsanrecht separat, innerhalb seines Versorgungssystems, zwischen den Ehegatten aufzuteilen ist. Als Ausnahme zu dem Prinzip der internen Teilung ist in §§ 14 ff. VersAusglG die externe Teilung vorgesehen. Hierbei wird der Ausgleichswert an einen anderen als den gegenwärtigen, also einen externen unternehmensfremden Versorgungsträger übertragen, der hieraus eine angemessene Versorgung zu gewähren hat (Huber/Burg, BB 2009, 2534; Meissner, VW 2009, 1191).
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Sowohl im Falle der internen Teilung (§ 3 Nr. 55a EStG) als auch bei externer Teilung (§ 3 Nr. 55b EStG) muss nicht mehr der Ausgleichspflichtige, sondern der Ausgleichsberechtigte die Leistungen versteuern. Diese Realteilung und die damit verbundene Einkünfteverlagerung auf seine geschiedene Ehefrau hat der Kläger durch die in der Scheidungsfolgenvereinbarung vereinbarte Ausgleichszahlung verhindert.
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Die Zahlung in Höhe von 12.161 € ist nach dem notariellen Vertrag auch als Gegenleistung für den Verzicht auf den Versorgungsausgleich der betrieblichen Altersversorgung an die frühere Ehefrau gezahlt worden. Der Abzug der Höhe nach – insbesondere die Aufteilung des Gesamtbetrages auf Zugewinnausgleich und Versorgungsausgleich – ist vom Kläger auf der Basis des Vertrags plausibel dargelegt worden und wird auch vom Beklagten nicht in Zweifel gezogen.
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Der Werbungskostenabzug in den Fällen von Aufwendungen zur Erhaltung eigener Versorgungsansprüche nach § 19 EStG ist nach § 10 Abs. 1 1. Hs. EStG auch vorrangig gegenüber einem eventuellen Sonderausgabenabzug (Schmidt/Heinicke, EStG, 32. Auflage 2013, § 10 Rdn. 67).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Der Senat folgt insoweit der Auffassung des FG Baden-Württemberg (Urt. vom 16.01.2012 – 6 K 4588/09 m.w.N.).
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Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.