23.02.2018 · IWW-Abrufnummer 199819
Finanzgericht Köln: Urteil vom 04.07.2017 – 5 K 3136/16
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
1
Tatbestand
2
Streitig ist, ob der Beklagte zu Recht die von der am 30.03.1950 geborenen Klägerin im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung 2015 nicht angegebene Auszahlung aus einem Altersvorsorgevertrag der Einkommensbesteuerung zugrunde gelegt hat.
3
Die Klägerin hatte am 17.12.2003 mit der B-Bank einen zertifizierten Sparvertrag (Altersvorsorgevertrag) nach den Vorschriften des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes abgeschlossen. Im Vertrag wurde festgestellt dass der Sparvertrag im Rahmen des § 10 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerlich förderungsfähig ist.
4
Nach den Sonderbedingungen für einen Altersvorsorgevertrag (Textziffer 4.2) sollte die Bank den Sparer bis spätestens sechs Monate vor Vollendung seines 60. Lebensjahres auffordern mitzuteilen, zu welchem Zeitpunkt er in die Auszahlungsphase eintreten möchte.
5
Mit Vertrag vom 02.10.2014 vereinbarte die Klägerin mit der Bank, dass die Auszahlungsphase am 01.01.2015 beginnen solle. Das bis zum Beginn der Auszahlungsphase angesparte Guthaben werde vollständig für die Auszahlungsphase verwendet.
6
Nach erfolgter Auszahlung an die Klägerin informierte die B-Bank das beklagte Finanzamt über eine „steuerpflichtige“ Auszahlung i.H.v. 8.877,97 € (steuerpflichtig gemäß § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG) sowie i.H.v. 51,88 h€ (steuerpflichtig gemäß § 22 Nr. 5 Satz 2 c EStG). Die Klägerin war von der Bank ebenfalls entsprechend informiert worden. Es erfolgte der Hinweis, dass die bescheinigten Leistungen in vollem Umfang der Besteuerung unterlägen.
7
Der Beklagte berücksichtigte die mitgeteilten Beträge im Rahmen des Einkommensteuerbescheides 2015 vom 16.08.2016.
8
Dagegen wandte sich die Klägerin mit ihrem Einspruch.
9
Zur Begründung verwies sie auf die Vorschrift des § 93 Abs. 3 EStG. Danach sei die Abfindung einer kleinen Rente begünstigt. Diese werde als steuerunschädlich fingiert. Die Kapitalauszahlung werde so behandelt, als ob Zulagen und festgestellte Beträge zurückbezahlt worden seien. Dies habe zur Folge, dass nicht § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG anwendbar sei, sondern allenfalls Satz 3 i.V.m. Satz 2 c dieser Vorschrift.
10
Die Versteuerung nach § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG hätte zur Folge, dass die schädliche Verwendung im Sinne des § 93 Abs. 1 EStG bei Kapitalisierung von kleinen Renten günstiger wäre als die unschädliche Verwendung nach § 93 Abs. 3 EStG. Bei schädlicher Verwendung seien die Zulagen und die nach § 10 a Abs. 4 EStG gesondert festgestellten Beträge zurückzuzahlen und nach § 22 Nr. 5 Satz 2 EStG hinsichtlich der Auszahlung ein verbleibender Wertzuwachs gegenüber den geleisteten Beiträgen mit dem halben Steuersatz zu versteuern. Diese Summe sei jedoch im Regelfall bei einer kleinen Rente niedriger als die Steuer, die entstehe, wenn die Abfindung dem progressiven Steuertarif unterworfen werde.
11
Der Beklagte verwies auf die allein maßgebliche Vorschrift des § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG und die danach notwendige Besteuerung. § 34 Abs. 2 EStG greife nicht, da kein Ersatz für entgangene Einnahmen gewährt, vielmehr eine Rente in einer Summe ausgezahlt worden sei. Durch Entscheidung vom 03.11.2016 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück.
12
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage, die sie wie folgt begründet:
13
Wegen Arbeitslosigkeit habe sie ab 2010 eine vorgezogene Altersrente bezogen. Im Jahr 2014 habe sie sich bei der B-Bank nach der Höhe einer voraussichtlichen monatlichen Zahlung aus dem in 2003 abgeschlossenen Altersvorsorgevertrag erkundigt, was dahingehend beantwortet worden sei, dass eine förderunschädliche Kleinrente vorliege und eine monatliche Auszahlungsrate von 26 € erfolgen könne. Daraufhin habe sie, die Klägerin, die Auszahlung des aufgelaufenen Kapitals beantragt. Die Auszahlung sei am 02.01.2015 erfolgt.
14
Dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) zum Alterseinkünftegesetz vom 24.07.2013 (BStBl I 2013, 1022) sei zur Versteuerung einer Kleinrentenabfindung nichts zu entnehmen. Aus dem Schreiben des BMF ergebe sich im Gegenteil aus Rz. 423, dass die als nicht schädlich eingeordnete Verwendung im Sinne des § 93 Abs. 1 a EStG eine steuerunschädliche Übertragung sei, die nicht zu steuerpflichtigen Einnahmen führe. Es sei nicht einsichtig, weswegen gleiche gesetzliche Formulierungen in einem Paragrafen unterschiedlich ausgelegt werden sollten. Eine strikte Trennung zwischen § 93 und § 22 EStG existiere nicht, zumal § 22 Nr. 5 EStG ausdrücklich auf § 93 EStG Bezug nehme.
15
Mit der Fingierung der Abfindung der Kleinrente als unschädliche Verwendung in § 93 Abs. 3 EStG knüpfe der Gesetzgeber unmittelbar an § 93 Abs. 1 an, behandele sie als Unterfall und schließe jedwede negativen steuerlichen Folgen aus. Der Bezieher einer Kleinrente sei, wenn die Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 EStG erfüllt seien, unter weiteren Voraussetzungen von den dort aufgeführten schädlichen Folgen, nämlich der Rückzahlung der ausgezahlten Zulagen und gesondert festgestellten Beträge befreit. Kapitalrückzahlungen stellten keine Vermögensmehrung dar, seien damit auch keine Einkünfte und unterfielen auch nicht der Besteuerung nach § 22 EStG. Wenn die Kapitalauszahlung gemäß § 93 Abs. 1 EStG als Leistung im Sinne des § 22 Nr. 5 EStG gelte und besteuert werde, so mit der Maßgabe, dass die Zulagen von dem durch den Steuerpflichtigen eingezahlten Betrag abzuziehen seien. Damit werde die Nichtsteuerbarkeit der Kapitalrückzahlungen als solche gewahrt und vom Gesetzgeber bestätigt.
16
Zur Versteuerung von Auszahlungen nach § 93 Abs. 3 EStG treffe § 22 Nr. 5 EStG keine Aussage. Es hätte nahegelegen, bei einer gewollten Versteuerung der Abfindung nach § 93 Abs. 3 EStG diese dort mit aufzuführen. Aber mangels ausdrücklicher Festlegung im Gesetz komme damit auch eine Versteuerung der in der Abfindung enthaltenen Zinsen nach § 22 Nr. 5 Satz 3 EStG nicht in Betracht.
17
§ 93 Abs. 3 Satz 3 EStG solle Missbräuche verhindern. Es sei nicht Ziel des Gesetzgebers gewesen, den Anbietern die Verwaltungskosten für eine Kleinrente zu ersparen und im Gegenzug die Bezieher der Abfindung dem Risiko einer überschießenden Besteuerung auszusetzen. Die Abfindung stelle keine Leistung aus einem Altersvorsorgevertrag, sondern eine Kapitalauszahlung dar. Dies ergebe sich aus dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz. Nach dem Vertrag mit der Bank sei die Abfindung einer Kleinrente nicht vorgesehen gewesen.
18
Da der Altersvorsorgevertrag außerordentlich gekündigt und der Sparvertrag geändert worden sei, lägen auch die Voraussetzungen für die Anwendung des § 34 EStG vor, was sich aus dem Urteil des BFH vom 20.09.2016 X R 23/15 ergebe.
19
Im Termin zur mündlichen Verhandlung ergänzte die Klägerin ihren Vortrag dahingehend, dass im Hinblick auf den Vertragsabschluss in 2003 die Gesetzeslage aus 2003 maßgeblich sei.
20
Die Klägerin beantragt,
21
die Abfindung der Kleinrente aus der Steuerbemessungsgrundlage für die Einkommensteuer 2015 herauszunehmen,
22
hilfsweise die Revision zuzulassen.
23
Die Beklagte beantragt,
24
Klageabweisung.
25
Er bleibt bei seiner bisher vertretenen Auffassung, dass die Besteuerung des ausgezahlten Kapitalbetrages nach § 22 Nr. 5 Satz 1 bzw. Satz 2 b EStG zu erfolgen habe und außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 34 EStG nicht gegeben seien.
26
Das Gericht hat die B-Bank um Mitteilung der Berechnung des ausgezahlten Betrages gebeten, was mit Schreiben vom 28.03.2017 geschehen ist. Wegen der Ermittlung des ausgezahlten Kapitals im Einzelnen wird auf die diesem Schreiben beigefügten Anlagen verwiesen (Bl. 36, 37 d.A.). Die Berechnung wurde von der Klägerin nicht beanstandet.
27
Entscheidungsgründe
28
Die Klage ist unbegründet.
29
Die vom Beklagten durchgeführte Besteuerung des von der B-Bank in 2015 ausgezahlten Altersvorsorgevermögens erfolgte zu Recht.
30
Gemäß § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG zählen zu den im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung zu berücksichtigenden sonstigen Einkünften Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen. Soweit gemäß § 22 Nr. 5 Satz 2 c EStG die Leistungen nicht auf Beiträgen, auf die § 3 Nr. 63, § 10 a oder Abschnitt XI angewendet wurde, nicht auf Zulagen im Sinne des Abschnitts XI, nicht auf Zahlungen im Sinne des § 92 a Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 und des § 92 Abs. 3 Satz 9 Nr. 2, nicht auf steuerfreien Leistungen nach § 3 Nr. 66 und nicht auf Ansprüchen beruhen, die durch steuerfreie Zuwendungen nach § 3 Nr. 56 oder die durch die nach § 3 Nr. 55 b Satz 1 oder § 3 Nr. 56 oder die durch die nach § 3 Nr. 55 b Satz 1 oder § 3 Nr. 55 c steuerfreie Leistung aus einem neu begründeten Anrecht erworben wurden, unterliegt bei anderen Leistungen der Unterschiedsbetrag zwischen der Leistung und der Summe der auf sie entrichtenden Beiträge der Besteuerung; § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 gilt entsprechend.
31
Gemäß § 22 Nr. 5 Satz 3 EStG gilt in den Fällen des § 93 Abs. 1 Satz 1 und 2 (schädliche Verwendung geförderten Altersvorsorgevermögens) das ausgezahlte geförderte Altersvorsorgevermögen nach Abzug der Zulagen im Sinne des Abschnitts XI als Leistung im Sinne des § 22 Nr. 5 Satz 2 EStG.
32
Im Streitfalle liegen in Bezug auf das der Klägerin ausgezahlte, durch Zulagen gemäß Abschnitt XI EStG und Förderungen gemäß § 10 a EStG geförderte Kapital i.H.v. 8.877,97 € die Voraussetzungen des § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG vor.
33
In Bezug auf die ausgezahlten nicht geförderten Zinsen i.H.v. 51,88 € sind die Voraussetzungen des § 22 Nr. 5 Satz 2 c EStG erfüllt.
34
Die Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG mit der Konsequenz einer nur beschränkten Besteuerung des ausgezahlten Kapitalbetrages sind nicht erfüllt.
35
Die Anwendung dieser Vorschrift setzte voraus, dass eine schädliche Verwendung des Altersvorsorgevermögens bejaht wird. In diesem Falle ist das Altersvorsorgevermögen nach Abzug der - nach § 93 EStG zurückzuzahlenden - Zulagen im Sinne des Abschnitts XI des Einkommensteuergesetzes zu versteuern.
36
Der Klägerin wurde aber eine sogenannte Kleinbetragsrente im Sinne des § 93 Abs. 3 EStG ausgezahlt. Die Abfindung einer Kleinbetragsrente wird kraft gesetzlicher Fiktion nicht als schädliche Verwendung behandelt mit der Konsequenz, dass gewährte Zulagen nicht zurückzuzahlen sind. Sind aber gewährte Zulagen vom Steuerpflichtigen nicht zurückzuzahlen, so besteht keine Veranlassung, entsprechende Beträge von der Besteuerung auszunehmen.
37
Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, zur rechtlichen Beurteilung ihres Falles sei die Gesetzeslage aus 2003 anzuwenden, gibt es hierfür keine gesetzliche Grundlage, so dass das Gericht die im Zeitpunkt der Kapitalauszahlung an die Klägerin in 2015 geltende Gesetzeslage anwenden musste.
38
Die von der Klägerin angestellten Überlegungen dazu, dass gegebenenfalls eine schädliche Verwendung von Altersvorsorgevermögen gemäß § 93 Abs. 1 EStG steuerlich günstiger ausfalle als die unschädliche Verwendung nach § 93 Abs. 3 EStG sind in Anbetracht der in § 22 EStG geregelten eindeutigen Gesetzeslage dazu, wann und in welchem Umfang bei Auszahlung von Altersvorsorgevermögen eine Besteuerung stattfindet, unbeachtlich.
39
Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt auch eine begünstigte Besteuerung des ausgezahlten Kapitals gemäß § 34 Abs. 1, 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 EStG nicht in Betracht, da die an die Klägerin von der B-Bank ausgezahlte Kapitalabfindung keine Entschädigung als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen darstellt. Daran ändert auch nichts der Änderungsvertrag zwischen der Bank und der Klägerin vom 02.10.2014.
40
Eine Entschädigung im Sinne der Vorschrift ist eine Ersatzleistung als Ausgleich für einen Schaden in Gestalt des Verlustes oder der Verringerung von Einnahmen oder einer Einnahmemöglichkeit, also für eine Beeinträchtigung der Rechtsgüter des Steuerpflichtigen. Eine Entschädigung ist nicht anzunehmen, wenn unter Beibehaltung der vertraglichen Basis nur Zahlungsmodalitäten geändert werden (vgl. hierzu nur Urteil des Bundesfinanzhofs vom 11.01.2005 IX R 67/02, BFH/NV 2005, 1044).
41
Im Streitfalle hatte die Klägerin aufgrund des Altersvorsorgevertrages mit der B-Bank zunächst einen Rentenzahlungsanspruch. Durch den Änderungsvertrag vom 02.10.2014 wurde dieser Vertrag lediglich hinsichtlich der Auszahlungsmodalitäten dahingehend geändert, dass das Altersvermögen statt in monatlichen Rentenbeträgen zulässigerweise (vgl. hierzu BMF-Schreiben vom 24.07.2013 Rz. 190, BStBl I 2013, 1022) durch eine Kapitalabfindung abgelöst werden sollte.
42
Die Klage hat daher keinen Erfolg.
43
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
44
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO sind nicht gegeben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
1
Tatbestand
2
Streitig ist, ob der Beklagte zu Recht die von der am 30.03.1950 geborenen Klägerin im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung 2015 nicht angegebene Auszahlung aus einem Altersvorsorgevertrag der Einkommensbesteuerung zugrunde gelegt hat.
3
Die Klägerin hatte am 17.12.2003 mit der B-Bank einen zertifizierten Sparvertrag (Altersvorsorgevertrag) nach den Vorschriften des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes abgeschlossen. Im Vertrag wurde festgestellt dass der Sparvertrag im Rahmen des § 10 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerlich förderungsfähig ist.
4
Nach den Sonderbedingungen für einen Altersvorsorgevertrag (Textziffer 4.2) sollte die Bank den Sparer bis spätestens sechs Monate vor Vollendung seines 60. Lebensjahres auffordern mitzuteilen, zu welchem Zeitpunkt er in die Auszahlungsphase eintreten möchte.
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Mit Vertrag vom 02.10.2014 vereinbarte die Klägerin mit der Bank, dass die Auszahlungsphase am 01.01.2015 beginnen solle. Das bis zum Beginn der Auszahlungsphase angesparte Guthaben werde vollständig für die Auszahlungsphase verwendet.
6
Nach erfolgter Auszahlung an die Klägerin informierte die B-Bank das beklagte Finanzamt über eine „steuerpflichtige“ Auszahlung i.H.v. 8.877,97 € (steuerpflichtig gemäß § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG) sowie i.H.v. 51,88 h€ (steuerpflichtig gemäß § 22 Nr. 5 Satz 2 c EStG). Die Klägerin war von der Bank ebenfalls entsprechend informiert worden. Es erfolgte der Hinweis, dass die bescheinigten Leistungen in vollem Umfang der Besteuerung unterlägen.
7
Der Beklagte berücksichtigte die mitgeteilten Beträge im Rahmen des Einkommensteuerbescheides 2015 vom 16.08.2016.
8
Dagegen wandte sich die Klägerin mit ihrem Einspruch.
9
Zur Begründung verwies sie auf die Vorschrift des § 93 Abs. 3 EStG. Danach sei die Abfindung einer kleinen Rente begünstigt. Diese werde als steuerunschädlich fingiert. Die Kapitalauszahlung werde so behandelt, als ob Zulagen und festgestellte Beträge zurückbezahlt worden seien. Dies habe zur Folge, dass nicht § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG anwendbar sei, sondern allenfalls Satz 3 i.V.m. Satz 2 c dieser Vorschrift.
10
Die Versteuerung nach § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG hätte zur Folge, dass die schädliche Verwendung im Sinne des § 93 Abs. 1 EStG bei Kapitalisierung von kleinen Renten günstiger wäre als die unschädliche Verwendung nach § 93 Abs. 3 EStG. Bei schädlicher Verwendung seien die Zulagen und die nach § 10 a Abs. 4 EStG gesondert festgestellten Beträge zurückzuzahlen und nach § 22 Nr. 5 Satz 2 EStG hinsichtlich der Auszahlung ein verbleibender Wertzuwachs gegenüber den geleisteten Beiträgen mit dem halben Steuersatz zu versteuern. Diese Summe sei jedoch im Regelfall bei einer kleinen Rente niedriger als die Steuer, die entstehe, wenn die Abfindung dem progressiven Steuertarif unterworfen werde.
11
Der Beklagte verwies auf die allein maßgebliche Vorschrift des § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG und die danach notwendige Besteuerung. § 34 Abs. 2 EStG greife nicht, da kein Ersatz für entgangene Einnahmen gewährt, vielmehr eine Rente in einer Summe ausgezahlt worden sei. Durch Entscheidung vom 03.11.2016 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück.
12
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage, die sie wie folgt begründet:
13
Wegen Arbeitslosigkeit habe sie ab 2010 eine vorgezogene Altersrente bezogen. Im Jahr 2014 habe sie sich bei der B-Bank nach der Höhe einer voraussichtlichen monatlichen Zahlung aus dem in 2003 abgeschlossenen Altersvorsorgevertrag erkundigt, was dahingehend beantwortet worden sei, dass eine förderunschädliche Kleinrente vorliege und eine monatliche Auszahlungsrate von 26 € erfolgen könne. Daraufhin habe sie, die Klägerin, die Auszahlung des aufgelaufenen Kapitals beantragt. Die Auszahlung sei am 02.01.2015 erfolgt.
14
Dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) zum Alterseinkünftegesetz vom 24.07.2013 (BStBl I 2013, 1022) sei zur Versteuerung einer Kleinrentenabfindung nichts zu entnehmen. Aus dem Schreiben des BMF ergebe sich im Gegenteil aus Rz. 423, dass die als nicht schädlich eingeordnete Verwendung im Sinne des § 93 Abs. 1 a EStG eine steuerunschädliche Übertragung sei, die nicht zu steuerpflichtigen Einnahmen führe. Es sei nicht einsichtig, weswegen gleiche gesetzliche Formulierungen in einem Paragrafen unterschiedlich ausgelegt werden sollten. Eine strikte Trennung zwischen § 93 und § 22 EStG existiere nicht, zumal § 22 Nr. 5 EStG ausdrücklich auf § 93 EStG Bezug nehme.
15
Mit der Fingierung der Abfindung der Kleinrente als unschädliche Verwendung in § 93 Abs. 3 EStG knüpfe der Gesetzgeber unmittelbar an § 93 Abs. 1 an, behandele sie als Unterfall und schließe jedwede negativen steuerlichen Folgen aus. Der Bezieher einer Kleinrente sei, wenn die Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 EStG erfüllt seien, unter weiteren Voraussetzungen von den dort aufgeführten schädlichen Folgen, nämlich der Rückzahlung der ausgezahlten Zulagen und gesondert festgestellten Beträge befreit. Kapitalrückzahlungen stellten keine Vermögensmehrung dar, seien damit auch keine Einkünfte und unterfielen auch nicht der Besteuerung nach § 22 EStG. Wenn die Kapitalauszahlung gemäß § 93 Abs. 1 EStG als Leistung im Sinne des § 22 Nr. 5 EStG gelte und besteuert werde, so mit der Maßgabe, dass die Zulagen von dem durch den Steuerpflichtigen eingezahlten Betrag abzuziehen seien. Damit werde die Nichtsteuerbarkeit der Kapitalrückzahlungen als solche gewahrt und vom Gesetzgeber bestätigt.
16
Zur Versteuerung von Auszahlungen nach § 93 Abs. 3 EStG treffe § 22 Nr. 5 EStG keine Aussage. Es hätte nahegelegen, bei einer gewollten Versteuerung der Abfindung nach § 93 Abs. 3 EStG diese dort mit aufzuführen. Aber mangels ausdrücklicher Festlegung im Gesetz komme damit auch eine Versteuerung der in der Abfindung enthaltenen Zinsen nach § 22 Nr. 5 Satz 3 EStG nicht in Betracht.
17
§ 93 Abs. 3 Satz 3 EStG solle Missbräuche verhindern. Es sei nicht Ziel des Gesetzgebers gewesen, den Anbietern die Verwaltungskosten für eine Kleinrente zu ersparen und im Gegenzug die Bezieher der Abfindung dem Risiko einer überschießenden Besteuerung auszusetzen. Die Abfindung stelle keine Leistung aus einem Altersvorsorgevertrag, sondern eine Kapitalauszahlung dar. Dies ergebe sich aus dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz. Nach dem Vertrag mit der Bank sei die Abfindung einer Kleinrente nicht vorgesehen gewesen.
18
Da der Altersvorsorgevertrag außerordentlich gekündigt und der Sparvertrag geändert worden sei, lägen auch die Voraussetzungen für die Anwendung des § 34 EStG vor, was sich aus dem Urteil des BFH vom 20.09.2016 X R 23/15 ergebe.
19
Im Termin zur mündlichen Verhandlung ergänzte die Klägerin ihren Vortrag dahingehend, dass im Hinblick auf den Vertragsabschluss in 2003 die Gesetzeslage aus 2003 maßgeblich sei.
20
Die Klägerin beantragt,
21
die Abfindung der Kleinrente aus der Steuerbemessungsgrundlage für die Einkommensteuer 2015 herauszunehmen,
22
hilfsweise die Revision zuzulassen.
23
Die Beklagte beantragt,
24
Klageabweisung.
25
Er bleibt bei seiner bisher vertretenen Auffassung, dass die Besteuerung des ausgezahlten Kapitalbetrages nach § 22 Nr. 5 Satz 1 bzw. Satz 2 b EStG zu erfolgen habe und außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 34 EStG nicht gegeben seien.
26
Das Gericht hat die B-Bank um Mitteilung der Berechnung des ausgezahlten Betrages gebeten, was mit Schreiben vom 28.03.2017 geschehen ist. Wegen der Ermittlung des ausgezahlten Kapitals im Einzelnen wird auf die diesem Schreiben beigefügten Anlagen verwiesen (Bl. 36, 37 d.A.). Die Berechnung wurde von der Klägerin nicht beanstandet.
27
Entscheidungsgründe
28
Die Klage ist unbegründet.
29
Die vom Beklagten durchgeführte Besteuerung des von der B-Bank in 2015 ausgezahlten Altersvorsorgevermögens erfolgte zu Recht.
30
Gemäß § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG zählen zu den im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung zu berücksichtigenden sonstigen Einkünften Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen. Soweit gemäß § 22 Nr. 5 Satz 2 c EStG die Leistungen nicht auf Beiträgen, auf die § 3 Nr. 63, § 10 a oder Abschnitt XI angewendet wurde, nicht auf Zulagen im Sinne des Abschnitts XI, nicht auf Zahlungen im Sinne des § 92 a Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 und des § 92 Abs. 3 Satz 9 Nr. 2, nicht auf steuerfreien Leistungen nach § 3 Nr. 66 und nicht auf Ansprüchen beruhen, die durch steuerfreie Zuwendungen nach § 3 Nr. 56 oder die durch die nach § 3 Nr. 55 b Satz 1 oder § 3 Nr. 56 oder die durch die nach § 3 Nr. 55 b Satz 1 oder § 3 Nr. 55 c steuerfreie Leistung aus einem neu begründeten Anrecht erworben wurden, unterliegt bei anderen Leistungen der Unterschiedsbetrag zwischen der Leistung und der Summe der auf sie entrichtenden Beiträge der Besteuerung; § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 gilt entsprechend.
31
Gemäß § 22 Nr. 5 Satz 3 EStG gilt in den Fällen des § 93 Abs. 1 Satz 1 und 2 (schädliche Verwendung geförderten Altersvorsorgevermögens) das ausgezahlte geförderte Altersvorsorgevermögen nach Abzug der Zulagen im Sinne des Abschnitts XI als Leistung im Sinne des § 22 Nr. 5 Satz 2 EStG.
32
Im Streitfalle liegen in Bezug auf das der Klägerin ausgezahlte, durch Zulagen gemäß Abschnitt XI EStG und Förderungen gemäß § 10 a EStG geförderte Kapital i.H.v. 8.877,97 € die Voraussetzungen des § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG vor.
33
In Bezug auf die ausgezahlten nicht geförderten Zinsen i.H.v. 51,88 € sind die Voraussetzungen des § 22 Nr. 5 Satz 2 c EStG erfüllt.
34
Die Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG mit der Konsequenz einer nur beschränkten Besteuerung des ausgezahlten Kapitalbetrages sind nicht erfüllt.
35
Die Anwendung dieser Vorschrift setzte voraus, dass eine schädliche Verwendung des Altersvorsorgevermögens bejaht wird. In diesem Falle ist das Altersvorsorgevermögen nach Abzug der - nach § 93 EStG zurückzuzahlenden - Zulagen im Sinne des Abschnitts XI des Einkommensteuergesetzes zu versteuern.
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Der Klägerin wurde aber eine sogenannte Kleinbetragsrente im Sinne des § 93 Abs. 3 EStG ausgezahlt. Die Abfindung einer Kleinbetragsrente wird kraft gesetzlicher Fiktion nicht als schädliche Verwendung behandelt mit der Konsequenz, dass gewährte Zulagen nicht zurückzuzahlen sind. Sind aber gewährte Zulagen vom Steuerpflichtigen nicht zurückzuzahlen, so besteht keine Veranlassung, entsprechende Beträge von der Besteuerung auszunehmen.
37
Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, zur rechtlichen Beurteilung ihres Falles sei die Gesetzeslage aus 2003 anzuwenden, gibt es hierfür keine gesetzliche Grundlage, so dass das Gericht die im Zeitpunkt der Kapitalauszahlung an die Klägerin in 2015 geltende Gesetzeslage anwenden musste.
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Die von der Klägerin angestellten Überlegungen dazu, dass gegebenenfalls eine schädliche Verwendung von Altersvorsorgevermögen gemäß § 93 Abs. 1 EStG steuerlich günstiger ausfalle als die unschädliche Verwendung nach § 93 Abs. 3 EStG sind in Anbetracht der in § 22 EStG geregelten eindeutigen Gesetzeslage dazu, wann und in welchem Umfang bei Auszahlung von Altersvorsorgevermögen eine Besteuerung stattfindet, unbeachtlich.
39
Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt auch eine begünstigte Besteuerung des ausgezahlten Kapitals gemäß § 34 Abs. 1, 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 EStG nicht in Betracht, da die an die Klägerin von der B-Bank ausgezahlte Kapitalabfindung keine Entschädigung als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen darstellt. Daran ändert auch nichts der Änderungsvertrag zwischen der Bank und der Klägerin vom 02.10.2014.
40
Eine Entschädigung im Sinne der Vorschrift ist eine Ersatzleistung als Ausgleich für einen Schaden in Gestalt des Verlustes oder der Verringerung von Einnahmen oder einer Einnahmemöglichkeit, also für eine Beeinträchtigung der Rechtsgüter des Steuerpflichtigen. Eine Entschädigung ist nicht anzunehmen, wenn unter Beibehaltung der vertraglichen Basis nur Zahlungsmodalitäten geändert werden (vgl. hierzu nur Urteil des Bundesfinanzhofs vom 11.01.2005 IX R 67/02, BFH/NV 2005, 1044).
41
Im Streitfalle hatte die Klägerin aufgrund des Altersvorsorgevertrages mit der B-Bank zunächst einen Rentenzahlungsanspruch. Durch den Änderungsvertrag vom 02.10.2014 wurde dieser Vertrag lediglich hinsichtlich der Auszahlungsmodalitäten dahingehend geändert, dass das Altersvermögen statt in monatlichen Rentenbeträgen zulässigerweise (vgl. hierzu BMF-Schreiben vom 24.07.2013 Rz. 190, BStBl I 2013, 1022) durch eine Kapitalabfindung abgelöst werden sollte.
42
Die Klage hat daher keinen Erfolg.
43
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
44
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO sind nicht gegeben.