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06.05.2019 · IWW-Abrufnummer 208661

Bundesgerichtshof: Urteil vom 27.11.1985 – IVa ZR 68/84

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Makler (insbesondere ein Versicherungsmakler) Provision für einen Folgevertrag beanspruchen kann.


Bundesgerichtshof

Urt. v. 27.11.1985


In dem Rechtsstreit

hat der IVa - Zivilsenat des Bundesgerichtshofes

auf die mündliche Verhandlung vom 27. November 1985

durch
den Vorsitzenden Richter Dr. xxx und
die Richter xxx,
Dr. xxx, xxxund Dr. xxx
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 8. Februar 1984 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin hat als Versicherungsmaklerin den Abschluß eines Sammel-Feuer-Betriebsunterbrechungs-Versicherungsvertrages zwischen der S. AG und einem Versicherungskonsortium vermittelt, an dem die Beklagte beteiligt war. Der Vertrag hatte eine Laufzeit von fünf Jahren bis zum 30. September 1982. Es war vereinbart, daß der Vertrag sich stillschweigend von Jahr zu Jahr verlängere, wenn er nicht spätestens drei Monate vor Ablauf schriftlich gekündigt werde. Eine Verlängerung des Vertrages ist nicht vereinbart worden. Die Firma S. schloß am 16. September 1982 mit Wirkung vom 1. Oktober 1982 eine neue Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherung mit einem Konsortium ab, an dem wiederum die Beklagte als Konsortialführerin beteiligt war, das sich aber im übrigen teilweise anders zusammensetzte als das ursprüngliche Konsortium; die Laufzeit des neuen Vertrages betrug ein Jahr; er enthielt ebenso wie der ursprüngliche Vertrag eine Verlängerungsklausel. Am Zustandekommen dieses neuen Vertrages hat die Klägerin nicht mitgewirkt. Sie glaubt gleichwohl, auch von den Prämien, die die Firma S. aufgrund des neuen Vertrages zahlt, eine Provision beanspruchen zu können, da das Zustandekommen des Nachfolgevertrages ursächlich auf ihre Bemühungen um das Zustandekommen des Erstvertrages zurückzuführen sei. Sie macht im vorliegenden Rechtsstreit ihren Provisionsanspruch im Wege der Stufenklage geltend.

2

Das Landgericht hat nach Verhandlung über den Auskunftsanspruch die Klage im ganzen abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der Revision erstrebt sie eine Aufhebung des Berufungsurteils und eine Verurteilung der Beklagten zur Auskunftserteilung.

Entscheidungsgründe

3

I.

Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt in erster Linie davon ab, ob der Klägerin auch für Folgeverträge Provision zusteht. Das Berufungsgericht glaubt dies verneinen zu können. Seine Ausführungen halten jedoch einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

4

1.

Zur Begründung seiner Ansicht führt das Berufungsgericht aus: Bei einer rein logischen Betrachtungsweise müsse man zwar die Tätigkeit, die der Makler zur Herbeiführung des Erstvertrages ausgeübt habe, auch als mitursächlich für das Zustandekommen des Folgevertrages über ein gleiches oder ähnliches Objekt ansehen. Der Begriff der Kausalität sei jedoch teleologisch auszulegen. Daraus folge, daß die Maklerleistung mit dem Abschluß des beabsichtigten Erstgeschäfts verbraucht sei.

5

2.

In der Tat wird man in den meisten Fällen dieser Art davon ausgehen können, daß das Folgegeschäft nicht zustandegekommen wäre, wenn der Abschluß des Erstgeschäfts unterblieben wäre. Die auf die Herbeiführung des Erstvertrages gerichtete Maklertätigkeit ist daher in der Regel auch für den zweiten Vertragsschluß (adäquat) ursächlich. Für eine "teleologische Einschränkung des Kausalitätsbegriffs" ergibt sich aus dem Gesetz keine Grundlage. Sie wäre eine unzulässige Erweiterung der Voraussetzungen der Entstehung eines Maklerlohnanspruchs.

6

Mit dieser Erwägung allein läßt sich jedoch die Provisionspflicht für Folgeverträge nicht bejahen. Ein Makler kann nach Zustandekommen eines Hauptvertrags nur dann eine Provision verlangen, wenn er mit der Herbeiführung gerade dieses Vertrages (oder eines wirtschaftlich gleichwertigen) beauftragt war. Das gilt auch in Bezug auf Folgeverträge: Diese sind nur dann zu verprovisionieren, wenn der dem Makler erteilte Auftrag nicht nur auf das Zustandebringen des Erstvertrages, sondern (zumindest konkludent) auch auf das etwaiger Folgeverträge gerichtet war. Die Frage nach der Provisionspflicht für Folgeverträge ist daher nicht so sehr eine Frage nach der Kausalität der Maklertätigkeit als vielmehr eine Frage der Auslegung des Maklervertrages. Soweit dem Makler zum Beispiel die Herbeiführung eines Miet- oder Pachtvertrages übertragen ist, entspricht es in aller Regel nicht dem Parteiwillen, daß der Makler auch für Verlängerungsverträge, an deren Zustandekommen er nicht unmittelbar mitgewirkt hat, eine Provision erhält. Bei solchen Geschäften erhält der Makler als Vergütung in der Regel eine Monatsmiete oder ein Vielfaches davon; dagegen ist die Länge der Miet- oder Pachtzeit in der Regel für die Bemessung der Provision ohne Bedeutung. Es wird den Beteiligten nicht einleuchten, warum ein Makler, der einen zunächst auf fünf Jahre befristeten Mietvertrag zustandebringt, der später ohne sein Zutun um weitere fünf Jahre verlängert wird, diese Provision zweimal erhalten sollte, während er sich dann, wenn als Mietzeit von vorneherein zehn Jahre vereinbart werden, mit einer einmaligen Provision begnügen muß.

7

3.

Bei der Auslegung von Versicherungsmaklerverträgen sind jedoch die Besonderheiten dieses Geschäftszweiges zu beachten.

8

a)

Der Versicherungsmakler ist Handelsmakler (§ 93 Abs. 1 HGB). Für die Auslegung der von ihm abgeschlossenen Verträge, insbesondere auch für die Bemessung des Provisionsanspruchs, kommt es daher entscheidend auf den Handelsbrauch und ganz allgemein auf die in den Kreisen der Versicherungsmakler, der Versicherer und der versicherten Wirtschaft herrschenden Auffassungen an. In diesem Zusammenhang darf es nicht unbeachtet bleiben, daß die beiden führenden Kommentare zum Versicherungsvertragsgesetz (Bruck/Möller VVG, 8. Aufl., Anm. 81 vor dem § 43-48; Prölss/Martin VVG, 23. Aufl., Anm. 3 nach § 48 VVG) unter bestimmten Voraussetzungen eine Provisionspflicht für Folgeverträge bejahen. Auch Reimer Schmidt (Versicherungsrundschau 1967, S. 69 ff., neu abgedruckt in "Entwicklungen und Erfahrungen auf dem Gebiet der Versicherung" S. 23 f.) lehnt eine Provisionspflicht für Folgeverträge nicht von vorneherein ab; er bezeichnet die Frage als problematisch. Die Arbeiten von Gauer (Der Versicherungsmakler und seine Stellung in der Versicherungswirtschaft 1951, S. 76) und Waldstein (Der Versicherungsmakler 1928, S. 86), die eine Provisionspflicht für Folgeverträge verneinen, berufen sich auf Gutachten aus den Jahren 1911 und 1935. Das erstgenannte Gutachten (Apt, Gutachten der Ältesten der Kaufmannschaft von Berlin, Neue Folge, 2. Band, S. 343 Nr. 3, Ziffer 2) betrifft jedoch offenbar einen Versicherungsagenten; auch im übrigen scheint der Sachverhalt mit dem vorliegenden nicht vergleichbar zu sein: Soweit aus dem Text des Gutachtens ersichtlich ist, hatte damals der Versicherungsagent beim Abschluß des Erstvertrages nicht mitgewirkt; er beanspruchte eine Provision für die Herbeiführung des Verlängerungsvertrages. Auch das Gutachten aus dem Jahre 1935 (Neumanns Zeitschrift 1935, 873) scheint die Rechtsverhältnisse der Versicherungsagenten zu betreffen; im Text werden jedenfalls Versicherungsmakler und Versicherungsagenten nicht auseinandergehalten.

9

Ob ein Handelsbrauch besteht, hat der Tatrichter festzustellen, der sich dabei erforderlichenfalls sachverständiger Hilfe bedienen kann (etwa durch Einholung eines Gutachtens der Industrie- und Handelskammer oder anderer Sachverständiger).

10

b)
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bestehen durchaus Gründe, die eine von der allgemeinen Praxis abweichende Behandlung der Versicherungsmakler rechtfertigen können. Dessen Tätigkeit beschränkt sich nicht typischerweise auf die Herbeiführung des Versicherungsvertrages; vielmehr übernimmt er nicht selten auch die weitere Betreuung des Vertragsverhältnisses (vgl. dazu Bruck/Möller a.a.O. Anm. 42 f; Möller, Recht und Wirklichkeit der Versicherungsvermittlung o.J. S. 106 ff.; BGHZ 94, 362 [BGH 22.05.1985 - IVa ZR 190/83]).

11

c)

Der Versicherungsmakler erhält daher in der Regel nicht ein einmalige Provision, sondern laufend Prozente von den Prämieneinnahmen des Versicherers. Auch insoweit ist die Interessenlage anders als bei einem Immobilienmakler. Beim Versicherungsmakler könnte nämlich gerade die Verneinung eines Provisionsanspruchs für den Folgevertrag zu einem seltsamen und der Billigkeit wenig entsprechenden Ergebnis führen: Bei einem von vorneherein auf zehn Jahre befristeten Versicherungsvertrag wäre er an allen Prämieneinnahmen während dieser Zeit prozentual beteiligt; das gleiche würde dann gelten, wenn ein zunächst auf fünf Jahre abgeschlossener Vertrag sich infolge einer Verlängerungsklausel auf zehn Jahre verlängert, weil keine der beiden Parteien von dem Kündigungsrecht Gebrauch gemacht hat. Dann leuchtet es aber nicht ohne weiteres ein, warum der Makler nur eine Provision für fünf Jahre erhalten soll, wenn der von ihm vermittelte Fünf-Jahresvertrag keine Verlängerungsklausel enthielt, aber durch eine Parteivereinbarung auf zehn Jahre erstreckt wurde.

12

II.

1.

In einer Hilfsbegründung meint das Berufungsgericht, die Klage sei selbst vom Standpunkt der Befürworter der Provisionspflicht für Folgeverträge aus unbegründet; denn diese billige eine Provision für den Folgevertrag nur dann zu, wenn dieser im wesentlichen den gleichen Inhalt habe wie der Erstvertrag (Prölss/Martin aaO; Bruck/Möller aaO). Im vorliegenden Fall weiche aber der neue Vertrag in wesentlichen Punkten vom früheren Vertrag ab. Es versucht jedoch nicht, die in der Branche herrschenden Auffassungen zu ermitteln. Auch das war rechtsfehlerhaft. Wenn es für die Entscheidung der Frage, ob Versicherungsmakler überhaupt für Folgeverträge Provision beanspruchen können, auf die Verkehrsauffassung und den Handelsbrauch ankommt, dann muß das gleiche auch für die Frage gelten, nach welchen Kriterien provisionspflichtige und nichtprovisionspflichtige Folgeverträge abzugrenzen sind. Ob eine wesentliche Änderung des Versicherungsvertrages vorliegt, ist daher unter Berücksichtigung der Anschauungen der beteiligten Kreise zu beurteilen.

13

2.

Zu den vom Berufungsgericht erörterten einzelnen Punkten ist zu bemerken:

14

a)

Darauf, daß der neue Vertrag eine kürzere Laufzeit hat als der Erstvertrag, kann es, wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat, nicht allein und nicht entscheidend ankommen. Es ist in der Tat kaum verständlich, warum z.B. die Erstreckung eines 5-jährigen Versicherungsvertrags um 5 Jahre eine Provisionspflicht auslösen sollte, eine solche um 4 oder 6 Jahre dagegen nicht. Im übrigen hatte im vorliegenden Fall die Vereinbarung einer einjährigen Laufzeit schon wegen der Verlängerungsklausel keine wesentliche Bedeutung.

15

b)

Nach den Darlegungen der Klägerin soll die Erhöhung des Haftungslimits von 75 auf 100 Mio. DM keine wesentliche Bedeutung haben, weil Schäden, die das ursprüngliche Limit von 75 Mio. DM übersteigen, nur in Ausnahmefällen zu erwarten seien. Dies ergebe sich insbesondere daraus, daß mit der Erhöhung des Haftungslimits eine proportionale Prämienerhöhung nicht verbunden gewesen sei. Praktisch habe sich dadurch das von den Versicherern übernommene Risiko nicht geändert. Zur Erläuterung verweist die Klägerin darauf, daß auch in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung die Erhöhung der Versicherungssumme von 1 Mio. DM auf 2 Mio. DM das Risiko nur ganz geringfügig erhöhe und daher auch von den Versicherern regelmäßig gegen einen geringen Prämienaufschlag bewilligt werde. Diese Ausführungen scheinen das Berufungsgericht überzeugt zu haben; es bemerkt (auf Seite 17 letzter Absatz zweiter Satz), daß diese Änderung "für sich allein betrachtet nicht besonders bedeutsam" erscheine.

16

c)

Was die Zusammensetzung des Konsortiums betrifft, so hatte die Klägerin vorgetragen, es sei in der Industrie-Versicherung allgemein üblich, daß Konsorten - auch während der Laufzeit eines Versicherungsvertrages - auf Verlangen des Versicherungsnehmers Teile ihrer Beteiligung abgeben, um dadurch weiteren Gesellschaften den Eintritt in das Konsortium zu ermöglichen; es sei ein normaler Vorgang gewesen, daß nach Ablauf der Anfangsphase und nach Klärung der Auswirkungen auf den FBU-Markt auch die großen Sachversicherer G. und A. dem Konsortium beitraten und die "A. L." ihre stille in eine offene Beteiligung umwandelte; der wesentliche Faktor bei einem Konsortium sei der Konsortialführer. Zum Beweise für diese Behauptungen hat sie sich unter anderem auf die Einholung einer Auskunft des Bundesaufsichtsamts und eines Sachverständigengutachtens bezogen (Bl. 176 f. d.A.). Sie können für die Beurteilung der Frage, inwieweit eine Änderung der Quoten nach der Auffassung der beteiligten Kreise eine wesentliche Abweichung des Folgevertrags darstellt, von Bedeutung sein. Das Berufungsgericht hat diese Behauptungen nicht tatrichterlich geprüft; sie müssen also bei der revisionsrichterlichen Beurteilung als richtig unterstellt werden.

RechtsgebieteBGB, HGB, VVGVorschriften§ 652 BGB; § 93 Abs. 1 HGB; § 48 VVG