09.04.2001 · IWW-Abrufnummer 99762
Oberlandesgericht Köln: Urteil vom 26.02.1999 – 19 U 159/98
Anspruch auf Rückzahlung von, Provisionen für stornierte Verträge
Fordert der Versicherer vom Versicherungsvertreter Provisionen für stornierte Verträge zurück, so hat er für jeden Vertrag substantiiert darzulegen und notfalls zu beweisen, welche Nachbearbeitungsmaßnahmen er durchgeführt hat und warum ihm die Ausführung des Geschäfts unmöglich oder unzumutbar geworden ist. Die Schilderung der üblichen Praxis oder die generelle Behauptung, die jeweiligen Versicherungsnehmer hätten die Beiträge nicht in ausreichender Zahl entrichtet, genügt diesen Anforderungen nicht.
OBERLANDESGERICHT KÖLN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
19 U 159/98
20 O 624/97
LG Köln
Anlage zum Protokoll
vom 26. Februar 1999
Verkündet am 26. Februar 1999
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Jaeger und die Richter am Oberlandesgericht P ütz und Gedig
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 20. Mai 1998 - 20 O 624/97 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten führt gem. § 539 ZPO zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht, da es auf einem wesentlichen Verfahrensmangel beruht. Das Landgericht hat zu Unrecht das Vorbringen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 13.4.1998 als verspätet gem. §§ 340 Abs. 3, 296 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen hat. Fehlerhafte Anwendung von Präklusionsrecht ist aber grundsätzlich auch Versagen rechtlichen Gehörs (vgl. Zöller-Gummer, ZPO, 20. Aufl. § 539 Rn 13 m.w.N.; OLG Dresden DRsp-ROM Nr. 1998/4867 = MDR 1998, 1117). Bei Berücksichtigung dieses Vorbringens hätte das Landgericht nicht durch Urteil entscheiden können, sondern aufklären müssen.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Rückzahlung von Provisionen für stornierte Verträge. Grundsätzlich entsteht der Provisionsanspruch des Versicherungsvertreters erst mit der Zahlung der Prämie durch den Versicherungsnehmer (§ 92 Abs.4 HGB). Allerdings schließt die Nichtzahlung der Prämie den Anspruch nicht ohne weiteres aus. Denn die Regelung des § 87 a Abs. 3 HGB ist auch auf Versicherungsvertreter anzuwenden ist (so BGH, Urteil vom 19.11.1982 - IZR 125/80 - VersR 81, 371 (372)). Danach hat der Versicherungsvertreter auch dann einen Anspruch auf Provision, wenn feststeht, daß der Versicherer das Geschäft nicht ausführt. Dieser Anspruch entfällt erst dann, wenn dem Versicherer die Ausführung des Geschäfts ohne sein Verschulden unmöglich oder unzumutbar wird. Die Darlegungs- und Beweislast dafür trifft den Versicherer. Ihm obliegt es, vor Ablehnung von Provisionsansprüchen notleidende Verträge nachzubearbeiten. Art und Umfang der Nachbearbeitung bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. zum Vorstehenden BGH VersR 88, 490; 83, 371 (372 f.)). Deshalb mußte die Klägerin substantiiert vortragen, welche konkreten Nachbearbeitungsmaßnahmen sie in jedem einzelnen Stornofall durchgeführt hat; der Verweis auf das von ihr allgemein gehandhabte Verfahren reichte nicht aus (so BGH VersR 1983, 371 ff.).
Ein derartig substantiierter Vortrag ist weder in der Klagebegründung noch vorher zu finden; sie beschäftigt sich im wesentlichen mit dem allgemein bei der Klägerin gehandhabten Verfahren. Unter Ziffer 11 wird lediglich behauptet, die in der Anlage K 12 aufgeführten Verträge hätten sich teilweise als nicht bestandskräftig erwiesen, die jeweiligen Versicherungsnehmer hätten die Beiträge nicht in ausreichender Zahl entrichtet (Bl. 18, 29 d.A.). Unter Ziffer 14 der Klagebegründung findet sich die pauschale Behauptung, die Klägerin habe für die in der Anlage aufgeführte Versicherungsverträge Bestandserhaltungsmaßnahmen über eine elektronische Datenverarbeitung durchgeführt. Abgesehen davon, dass sich aus diesem Vortrag schon nicht entnehmen ließ, um welche konkreten Verträge es sich handelte, fehlen jedenfalls Ausführungen dazu, welche Nachbearbeitung die Klägerin in jedem Einzelfall durchgeführt hat. Der Klagevortrag war deshalb nicht schlüssig. Daher durfte sich die Beklagte in ihrer Einspruchsbegründung zunächst darauf beschränken, darauf hinzuweisen, der Klagevortrag sei nicht schlüssig, die Versicherungsgesellschaft dürfe die Provisionen nur zurückfordern, wenn sie zuvor den Vertreter auf die Stornogefahren hingewiesen oder dargetan habe, dass sämtliche Bemühungen desselben zur Erhaltung der gefährdeten Verträge von vornherein ausgeschlossen waren sowie, dass die Klägerin alles ihr Zumutbare unternommen habe (Bl. 50 d.A.).
Substantiierte Ausführungen der Klägerin zu den einzelnen Verträgen und unter Benennung derselben, insbesondere auch, wann der Versicherungsnehmer angemahnt, wann dies der Beklagten mitgeteilt und wann der Vertrag gekündigt wurde, finden sich erstmals in ihrem Schriftsatz vom 2.4.1998 (Bl. 68 ff. d.A.). Hierauf hat die Beklagte bereits mit Schriftsatz vom 13.4.1998, Eingang bei Gericht am 15.4.1998 (Bl. 80 d.A.), reagiert und Tatsachen behauptet und unter Beweis gestellt, wonach die Stornierung u.a. durch ihren Nachfolger verursacht worden sei, der die Versicherungsnehmer zu Neuabschlüssen gedrängt habe; sie hat auch eine Reihe von Versicherungsnehmern als Zeugen aufgeführt. Dieser Vortrag war nach dem Dargelegten nicht verspätet, das Landgericht hätte ihn berücksichtigen und die nötige Aufklärung vornehmen müssen. Verspätet war er im übrigen auch deshalb nicht, weil er auch - die Auffassung des Landgerichts, die Beklagte habe alles schon in der Einspruchsbegründung vortragen müssen, als richtig unterstellt - auch nicht zu einer Verzögerung geführt hätte. Denn auch dann wäre es dem Landgericht nicht gelungen, zumindest sieben der genannten Zeugen zu einem Durchlauftermin zu laden und anzuhören; jedenfalls fehlen jegliche Ausführungen hierzu.
Die Sache ist nach wie vor nicht entscheidungsreif. Beide Parteien haben im Berufungsverfahren ihr erstinstanzliches Vorbringen vertieft und weitere Zeugen benannt. Schon wegen des Umfangs der noch vorzunehmenden Sachaufklärung hält es der Senat nicht für sachdienlich, selbst zu entscheiden; er verweist die Sache zur weiteren Aufklärung und erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht zurück (§§ 539, 540 ZPO).
Beschwer für beide Parteien: unter 60.000,-- DM
Streitwert: a. für die Berufung 20.243,43 DM
b. für die Anschlußberufung 760,-- DM