22.10.2013 · IWW-Abrufnummer 133261
Oberlandesgericht Frankfurt/Main: Urteil vom 14.06.2013 – 7 U 98/12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
7 U 98/12
vorgehend LG Wiesbaden, 22. Februar 2012, Az: 1 O 111/07
nachgehend BGH, Az: IV ZR 238/13
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 22.02.2012 verkündete Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 17.365,- € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.05.2005.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 84 % und die Beklagte 16 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I.
Der Kläger macht bedingungsgemäße Leistungen aus der bei der Beklagten unterhaltenen privaten Unfallversicherung geltend.
Er hat bei der Beklagten seit 1991 eine Unfallversicherung mit einer progressiven Invaliditätsstaffel von 225 % (letzter Nachtrag zum Versicherungsschein vom 31.03.2003), nach der sich die Invaliditätsentschädigung bei einem 25 %, nicht aber 50 % übersteigenden Invaliditätsgrad nach der doppelten Versicherungssumme und bei einem 50 % übersteigenden Invaliditätsgrad auf die dreifache Versicherungssumme berechnet, abgeschlossen. Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen AUB 99-XXL (im Weiteren: AUB) und die Besonderen Bedingungen (im Weiteren: BB) zugrunde. Vereinbart waren für den Fall der Vollinvalidität eine Versicherungssumme von 180.000,- € und für den Invaliditätsfall mit Progression 80.000,- €.
Der Kläger, der als … angestellt war, verletzte sich am ….01.2003 beim Anziehen eines Feuerwehrschlauches an einer Pumpe das rechte Handgelenk, nachdem er versucht hatte, den Schlauch unter erhöhter Kraftanstrengung fest auf die Pumpe zu drehen. Er erlitt eine Bandruptur mit knöchernem Ausriss, die operativ mit Kirschner-Drähten zur Stabilisierung der Handwurzelknochen versorgt wurde.
Am ….09.2003 transportierte der Kläger seinen Angaben zufolge im Rahmen seiner ...tätigkeit zusammen mit drei Mitarbeitern eine ca. 200 kg schwere Tür, wobei jede der vier Personen die Tür an einer Ecke hochhob. Als der Kläger während des Hebevorgangs mit seinen Händen umgriff, spürte er seinen Angaben zufolge einen stechenden Schmerz in dem vorgeschädigten rechten Handgelenk. Nachdem die Schmerzen nicht abgeklungen waren, stellte er sich am ...11.2003 in der …klinik A vor. Dort wurden eine dorsale Karpalbandruptur am rechten Handgelenk und eine Zerreißung des Bandapparates zwischen Mondbein und Kahnbein festgestellt (Arztbericht vom … .11.2003).
Am ...03.2004 wurde dem Kläger eine Bandplastik im rechten Handgelenk eingesetzt, die mit Drähten gesichert wurde (Arztbericht vom 30.03.2004). Trotz Physiotherapie und dauerhafter Krankschreibung litt der Kläger nach der Operation an starken, anhaltenden Schmerzen und Bewegungseinschränkungen. Anlässlich einer am ...08.2004 durchgeführten arthroskopischen Untersuchung (Arztbericht vom 31.08.2004) wurden erhebliche Knorpelschäden festgestellt, weshalb am ...09.2004 eine Versteifung des rechten Handgelenks vorgenommen wurde (Arztbericht vom 21.09.2004).
Der Kläger zeigte der Beklagten den Versicherungsfall mit Schreiben vom 06.12.2003 an, was mittlerweile zwischen den Parteien unstreitig ist. Der von der Beklagten beauftragte Unfallchirurg B untersuchte den Kläger daraufhin und stellte in seinem unfallchirurgischen Fachgutachten vom 27.04.2005 zur Frage der dauerhaften Invalidität der rechten Hand fest, es gebe keine vernünftigen Zweifel daran, dass es bei dem Unfall am ...01.2003 zu einer Zerreißung der Bandverbindung zwischen Kahn- und Mondbein der rechten Hand gekommen sei; der Geschehensablauf am ...09.2003 könne nicht als eigenständiges Unfallereignis angesehen werden. Es sei lediglich auslösendes Moment einer Beschwerdesymptomatik aufgrund der nicht gelungenen Rekonstruktion des Kapselbandapparates; die nachfolgenden Operationen seien sämtlich Folge des Erstereignisses. Die Invalidität der rechten Hand werde auf 3/10 geschätzt, es handele sich um einen nicht besserungsfähigen Endzustand. Unfallunabhängige krankhafte Veränderungen seien nicht feststellbar.
Die Beklagte zahlte daraufhin mit Schreiben vom 06.05.2005 aus Kulanz auf der Grundlage eines Invaliditätsgrades von 16,5 % einen Betrag in Höhe von 13.035,- €, wobei sie die Auffassung vertrat, dass es sich bei dem Unfall vom ...09.2003 nicht um ein eigenständiges Unfallereignis handele.
Die Klage, mit der der Kläger Invaliditätsansprüche aufgrund des ersten Unfalles geltend gemacht hatte, wurde wegen Versäumung der Invaliditätsfristen durch das LG Wiesbaden abgewiesen (Az. 3 O 27/06); die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung wurde durch den Senat mit Urteil vom 28.02.2007 (Az. 7 U 234/06) rechtskräftig zurückgewiesen.
Der Kläger ist der Auffassung gewesen, er könne eine weitergehende Invaliditätsentschädigung verlangen, weil die Versteifung des rechten Handgelenkes einem Invaliditätsgrad von 70 % entspreche. Es liege ein Unfall durch erhöhte Kraftanstrengung beim Tragen der Tür vor; soweit die Schilderung in der Schadensanzeige vom Vortrag abweiche, liege dies daran, dass der Hergang dort nicht so detailliert geschildert worden sei. Jeder der Personen habe etwa 50 kg des Gewichtes der Tür tragen müssen, was eine das Normalmaß übersteigende körperliche Beanspruchung darstelle. Der Kläger habe durch den Unfall vom ...09.2003 eine dorsale Karpalbandfraktur am rechten Handgelenk erlitten sowie eine Zerreißung des Bandapparates zwischen Mondbein und Kahnbein. Diese Verletzungen hätten innerhalb eines Jahres zu dauerhaften Funktionsbeeinträchtigungen am rechten Handgelenk geführt, nämlich der Versteifung des rechten Handgelenks, der Verschmächtigung der rechten Unterarmmuskulatur, der Zerreißung des Bandapparates sowie Bewegungseinschränkungen der rechten Hand in der Gestalt, dass der Faustschluss rechts behindert und das Schreiben mit der rechten Hand eingeschränkt sei, das Aufsammeln von kleinen Gegenständen wie Münzen mit der rechten Hand erschwert und die grobe Kraft der rechten Hand gegenüber der linken um 4/5 vermindert sei. Die Verletzungen und Gesundheitsschäden seien kausal durch das Unfallereignis vom ...09.2003 hervorgerufen worden. Es habe keine Vorinvalidität von 3/10 Handwert vorgelegen und es hätten keine unfallfremden Faktoren zu mehr als 50 % mitgewirkt. Nach der Rechtsprechung des BGH sei durch die Versteifung des Handgelenks die Hand insgesamt zu 100 % beeinträchtigt. Es sei insoweit nicht zutreffend, dass die Operation nach dem ersten Unfallereignis misslungen sei (Arztbericht vom …01.2003), vielmehr hätten danach keine Beschwerden mehr bestanden und der Kläger habe seiner ...tätigkeit wieder uneingeschränkt nachgehen können.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 108.000,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.05.2005 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat den Unfallhergang bestritten und behauptet, erstmals von dem Schadensereignis vom ...09.2003 aufgrund eines Anrufes des Klägers am 27.10.2004 gehört zu haben. Zudem handele es sich bei dem Geschehen vom ...09.2003 nicht um einen Unfall im Sinne der Versicherungsbedingungen. Der Vortrag des Klägers zum Ablauf sei widersprüchlich, weil er den Schmerz einmal beim Anheben und einmal beim Umfassen gespürt haben wolle. Es fehle zudem an einer erhöhten Kraftanstrengung. Der Geschehensablauf vom ...09.2003 könne nicht als eigenständiges Unfallereignis angesehen werden, sondern sei lediglich ein auslösendes Moment im Sinne einer Gelegenheitsursache aufgrund der nicht gelungenen Rekonstruktion des zerrissenen Kapselbandapparates. Es sei nicht zutreffend, dass die Ereignisse vom ...09.2003 zu einer dauernden Funktionsbeeinträchtigung des rechten Handgelenks geführt hätten. Es treffe auch nicht zu, dass die Rekonstruktion des Kapselbandapparates nach dem ersten Unfall gelungen sei. Außerdem liege eine Vorinvalidität vor, die mit 10/10 Handwert zu bemessen sei. Die vom BGH in seiner „Hand-im-Handgelenk“-Rechtsprechung vertretene Rechtsauffassung sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar; im Übrigen sei die entsprechende AGB-Klausel auch nicht mehrdeutig.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschlüssen vom 07.11.2007, vom 16.04.2008, vom 09.03.2009 und vom 23.07.2010 durch Vernehmung der Zeugen C, D und E sowie durch schriftliche zeugenschaftliche Vernehmung der Ärzte F, G und H. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 05.03.2008 sowie auf die Schreiben von G, F und H sowie auf das Sachverständigengutachten von SV1 vom 25.11.2009 sowie sein Ergänzungsgutachten vom 25.11.2010 Bezug genommen und auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 30.11.2011, in der SV1 sein Gutachten mündlich erläutert hat.
Das Landgericht hat die Klage sodann abgewiesen. Zur Begründung hat es angeführt, dem Kläger stehe kein über den bereits gezahlten Betrag hinausgehender Anspruch zu. Zwar sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme festzustellen, dass es am ...09.2003 durch das Anheben der Tür zu einem erneuten Unfall gekommen sei in Form einer Ruptur des Bandapparates im Handgelenk. Allerdings sei von einer Vorinvalidität aufgrund des ersten Unfalls in Höhe von 1/10 Handwert, von einer Gesamtinvalidität nach dem 2. Unfall von 4/10 und damit von einer unfallunabhängigen Invalidität durch den 2. Unfall von 3/10 Handwert sowie von einer Mitwirkung durch den Folgezustand des ersten Unfalls am zweiten Unfall von 50 % auszugehen. Es ergebe sich auch unter Berücksichtigung der Hand-im-Handgelenk-Rechtsprechung des BGH keine höhere Invalidität, da vorliegend aufgrund der Versteifung des Handgelenks jedenfalls keine einer völlig fehlenden Handfunktion vergleichbare Beeinträchtigung gegeben sei. Es errechne sich danach insgesamt eine Gesamtinvalidität aufgrund des zweiten Unfalls von 3/20 Handwert, was einem Betrag von 8.400,- € entspreche.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Anspruch weiter und macht insbesondere nochmals seine Auffassung geltend, das Landgericht habe die Hand-im-Handgelenk-Rechtsprechung des BGH nicht beachtet. Danach komme es nämlich darauf, ob durch die Versteifung des Handgelenks eine völlige Funktionsunfähigkeit der Hand eingetreten sei, nicht an; vielmehr reiche allein die Funktionsunfähigkeit des Handgelenks aus, um den vollen Handwert zu begründen. Es fehle zudem an einer Vorinvalidität, da es aufgrund des ersten Unfalls nicht zu einer dauerhaften Beeinträchtigung gekommen sei. Selbst wenn am ...09.2003 noch eine endgradige Bewegungseinschränkung durch den ersten Unfall verblieben sein sollte, sei damit nicht nachgewiesen, dass diese auch dauerhaft sei. Die Beklagte habe den Mitwirkungseinwand weder substantiiert dargelegt noch rechtzeitig geltend gemacht. Sie habe darüber hinaus auch nicht den Nachweis erbracht, dass Gebrechen oder Krankheiten zu mindestens 50 % bei der vorliegenden Gesundheitsbeeinträchtigung mitgewirkt hätten.
Die Behandlungen seien nach dem ersten Unfall im Mai 2003 abgeschlossen gewesen und die Bandverbindungen zumindest so stabil, dass eine normale Beweglichkeit im Alltag und bei seiner beruflichen Tätigkeit gewährleistet gewesen sei.
Schließlich seien Vorschäden und unfallfremde Ursachen nicht nebeneinander anspruchsmindernd zu berücksichtigen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 108.000,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.05.2005 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens. Insbesondere ist sie der Auffassung, die Rechtsprechung des BGH zur Hand im Handgelenk sei hier nicht anwendbar; zudem sei die Funktionsunfähigkeit der Hand im Handgelenk nicht gleichbedeutend mit der Funktionsunfähigkeit des Handgelenks. Entgegen der Auffassung des BGH sei die Klausel auch nicht unklar, weil es eine Hand im Handgelenk nicht gebe, so dass die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB nicht gelte. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass die im Mai 2003 befundete Beweglichkeit des Handgelenks im Rahmen des Normalen liege. Im Übrigen sei erwiesen, dass eine Vorinvalidität von 1/10 Handwert bestanden habe. Der Sachverständige sei auch nicht von einer völligen Wiederherstellung der ursprünglichen Bandstabilität ausgegangen, sondern habe im Gegenteil die Auffassung vertreten, die aufgetretene Belastung sei nicht geeignet, ein unversehrtes Band zu zerreißen, weshalb von einer Schwächung durch den bisherigen Verlauf auszugehen sei. Damit hätten unfallfremde Faktoren zu über 50 % mitgewirkt. Vorinvalidität und die Mitwirkung unfallfremder Ursachen seien auch nebeneinander zu berücksichtigen.
Der Senat hat Beweis erhoben in Form der mündlichen Erläuterung der von SV1 erstellten Gutachten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 23.05.2013. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 23.05.2013 Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache teilweise Erfolg.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht dem Kläger ein Anspruch nach § 9 AUB in Verbindung mit dem Versicherungsvertrag auf weitere Invaliditätsleistungen zu, denn er ist nach § 2 Ziffer 1.1 AUB als versicherte Person durch einen Unfall auf Dauer in seiner körperlichen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt.
Der Kläger hat einen Unfall im Sinne von § 1 AUB erlitten. Zwar greift der einfache Unfallbegriff nicht ein, da es hier an einem von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis fehlt. Der Kläger hat die Tür aus eigener Kraft heraus angehoben und die Verletzung durch diesen Hebevorgang und die dadurch aufgewendete Kraft erlitten, nicht aber aufgrund einer von außen auf das Handgelenk einwirkenden Kraft, durch die das Handgelenk verletzt worden wäre. Es fehlt daher an Kräften, die außerhalb des Einflussbereiches des eigenen Körpers liegen. Ein vollständig willensgesteuertes und beherrschtes Eigenverhalten, wie das Anheben eines schweren Gegenstandes, stellt keinen Unfall dar.
Nach dem erweiterten Unfallbegriff in § 1 Ziffer 2.1 b) AUB sind aber auch Ereignisse erfasst, bei denen es aufgrund erhöhter Kraftanstrengung zu Schädigungen an den Gliedmaßen gekommen ist. Eine solche erhöhte Kraftanstrengung in Form einer Eigenbewegung des Klägers, die einen innerkörperlichen Vorgang ausgelöst hat, liegt hier vor. Soweit die Beklagte meint, es fehle an der nötigen erhöhten Kraftanstrengung beim Anheben der Tür, ist dem nicht zu folgen. Zwar ist ihr darin zuzustimmen, dass es sich bei dem Tragen der Tür um keine völlig außergewöhnliche Anstrengung gehandelt hat; auch der Sachverständige SV1 geht nicht von einer extremen Kraftanstrengung aus. Der Begriff der Kraftanstrengung setzt jedoch lediglich einen erhöhten Einsatz von Muskelkraft voraus, wobei das Attribut „erhöhte“ nicht als gesteigerter Kraftaufwand zu verstehen ist. Es handelt sich vielmehr um normale Handlungen des täglichen Lebens, die zwar einen gewissen Muskeleinsatz, aber nach allgemeiner Lebensauffassung für einen normal gesunden Durchschnittsmenschen keinen bemerkenswerten Krafteinsatz erfordern. Als solche Beanspruchungen werden auch das Heben und Tragen schwerer Lasten aufgefasst (Grimm, Unfallversicherung, 4. Auflage 2006, § 1 AUB 99 Rn. 51). Nach den Schilderungen der erstinstanzlich vernommenen Zeugen hat es sich bei der transportierten Tür ohne Zweifel unabhängig von deren genauem Gewicht um eine solche schwere Last gehandelt.
Dieser durch den Türtransport am ...09.2003 herbeigeführte Unfall war auch nach den Feststellungen des Landgerichts jedenfalls mitursächlich für die erlittene dorsale Karpalbandruptur am rechten Handgelenk und die Zerreißung des Bandapparates zwischen Mondbein und Kahnbein (Arztbericht vom ...11.2003).
Nach dem Ergebnis der von dem Landgericht wie auch durch den Senat durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass zwar ein dauerhafter Vorschaden nach dem ersten Unfall mit einer dauerhaften Schwächung der Bandverbindung verblieben ist, weil eine vollständige Bandheilung nicht eingetreten ist. Deshalb hat das kontrollierte Umgreifen beim Anheben der Tür, das für sich genommen keinen adäquaten Unfallmechanismus für das Zerreißen dieses an sich sehr starken Bandes im Handgelenk darstellt, hier ausgereicht, um das für Alltagsbelastungen ausreichend stabile Band zum Zerreißen zu bringen. Bei der Verletzung des Handgelenks handelt es sich deshalb nicht ausschließlich um eine Folge des Erstunfalls, vielmehr ist dieser mitursächlich geworden.
Sofern daher von einer (Mit-)Ursächlichkeit des Zweitunfalls auszugehen ist, ist dies entgegen der Auffassung der Beklagten ausreichend. Der Kausalzusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschädigung entfällt nicht, selbst wenn noch andere Ursachen, insbesondere körperliche Anlagen oder Gebrechen und Krankheiten, den Schaden beeinflusst oder erst ermöglicht haben (Grimm, a. a. O., § 1 AUB 99, Rn. 50 mit Hinweis auf Wussow, WI 94, 162).
Der Sachverständige SV1, dessen nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen in seinen Gutachten und deren mündlichen Erläuterungen sich der Senat anschließt, hat dazu angegeben, dass sich seine Einschätzung zwar nicht auf objektive Befunde stütze, da entsprechende Untersuchungen unter Belastung nach der Erstoperation nicht durchgeführt worden seien. Allerdings ergebe sich aus dem dokumentierten Verlauf, dass der Erstunfall zunächst gut ausgeheilt sei.
So ergebe sich aus den Arztberichten, dass im Mai 2003 eine Beweglichkeit des Handgelenks von 70/0/50 Grad gemessen worden sei, was einem guten Wert entspreche; allerdings sage dieser Wert nichts über die Haltbarkeit des Bandes in Belastungssituationen aus. Für ein gutes Ausheilungsergebnis spreche außerdem der Umstand, dass der Kläger ab dem 26.05.2003 fast vier Monate lang wieder arbeitsfähig gewesen sei; die Bandverbindung habe also der normalen Alltagsbelastung standhalten können. Dies werde bestätigt durch die Aussagen des H und F, die von einem guten postoperativen Ergebnis berichtet hätten. Eine nach dem ersten Unfall etwa noch bestehende Beschwerdesymptomatik sei abgesehen von einer geringfügigen Schwellung und einer endgradigen Einschränkung der Beweglichkeit des Handgelenks nicht dokumentiert; der Kläger habe angegeben, keine Beschwerden mehr gehabt zu haben. Insbesondere seien auch keine funktionellen Probleme wie ein Schnappen des Handgelenks beim Bewegen dokumentiert. Gegen eine völlige Wiederherstellung der ursprünglichen Bandstabilität spreche allerdings die Tatsache, dass es bei dem Ereignis vom ...09.2003 erneut zu einer Verletzung gekommen sei, wobei die hierbei aufgetretene Belastung nach gutachterlicher Auffassung nicht geeignet gewesen sei, ein unversehrtes Band zu zerreißen, so dass von einer Schwächung des Bandes durch den bisherigen Verlauf auszugehen sei; es sei nicht so stabil gewesen, wie es ein unversehrtes Band gewesen wäre. Das Band zwischen Kahn- und Mondbein sei eines der stärksten Bänder des Handgelenkes, weshalb ein geeigneter Unfallmechanismus vorliegen müsse, um es zum Zerreißen zu bringen. Bei dem Zwischenfall vom ...09.2003 handele es sich daher nicht ausschließlich um eine Folge des Erstunfalls.
Der Sachverständige hat ebenfalls überzeugend ausgeschlossen, dass die Verletzung nach dem zweiten Unfall allein auf einen degenerativen Prozess zurückzuführen ist. Er hat dazu ausgeführt, dass degenerative Prozesse in der Regel nicht in der Art schleichend verlaufen, dass sie auf einmal zu solch einem Abriss führen. Man würde vielmehr Folgezustände sehen, die vorher schon eingetreten wären, insbesondere auch in Form von Beschwerden. Die Beschwerden, die hier vor dem zweiten Unfall aufgetreten seien, seien nicht auf degenerative Veränderungen zurückzuführen. Aus der gesamten Abfolge der eingetretenen Traumata und auch der Verletzungen könne er aus seiner Erfahrung sagen, dass hier viel dafür spreche, dass dieses letzte Ereignis des Anhebens der Tür maßgeblich mit dafür ursächlich war, dass es zu diesem Verletzungserfolg gekommen sei.
Insbesondere hätte der Kläger sonst nicht über einen langen Zeitraum vergleichsweise beschwerdefrei arbeiten können. Eine Mitwirkung der degenerativ vorgeschädigten Bänder komme allerdings insoweit in Betracht, als dass solchermaßen beeinträchtigte Sehnen schlechter ausheilen würden.
Soweit die Beklagte meint, der Unfall vom ...09.2003 stelle lediglich eine Gelegenheitsursache dar, weil jede andere beliebige Ursache den Schaden auch hätte hervorrufen können, eigentlich ursächlich sei vielmehr das Unfallgeschehen vom ...01.2003, hat der Sachverständige SV1 dies durch die dargelegten Ausführungen überzeugend widerlegt.
Durch den Unfall und die dadurch eingetretenen Verletzungen ist der Kläger darüber hinaus dauerhaft in seiner körperlichen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt worden.
Das Unfallereignis vom ...09.2003 und die damit einhergehenden erneuten Verletzungen haben eine vollständige Versteifung des rechten Handgelenks erforderlich gemacht, aufgrund derer es neben der dauerhaften Funktionsbeeinträchtigung des rechten Handgelenks zu Verschmächtigungen der rechten Unterarmmuskulatur sowie zu den beschriebenen Bewegungseinschränkungen der rechten Hand gekommen ist.
Dies ergibt sich aus den Feststellungen des Sachverständigen, nach dessen Angaben die dauerhafte Funktionsbeeinträchtigung durch den Zwischenfall am ...09.2003 zumindest mit verursacht worden ist und jedenfalls keine 100 %ige Vorinvalidität nach dem Erstunfall bestanden hat.
Dass nicht bereits nach dem ersten Unfall eine Vollinvalidität bestanden hat, ist schon deshalb plausibel, weil der Kläger mehrere Wochen offenbar weitgehend beschwerdefrei gearbeitet hat.
Danach ist die Gesamtinvalidität nach dem Zweitunfall nach dem funktionellen Endzustand aufgrund der vollständigen Versteifung des Handgelenks mit einem Wert von 10/10 zu bewerten. Nach § 2 Ziffer 1.2 a) AUB ist bei einer solchen vollständigen Funktionsunfähigkeit der „Hand im Handgelenk“ demnach ein Invaliditätswert von 70 % gegeben.
Da die genannte Invaliditätsbezeichnung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 09.07.2003, Az. IV ZR 74/02; auch Urteil vom 17.01.2001, Az. IV ZR 32/00; zitiert nach Juris), der sich der Senat anschließt, mehrere Auslegungen zulässt und damit mehrdeutig ist, gehen diese Auslegungszweifel gemäß § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders. Der Versicherungsnehmer könnte nach Auffassung des BGH nämlich die Wortwahl „Hand im Handgelenk“ dahin verstehen, dass es allein auf die Funktionsfähigkeit des Handgelenks und nicht der gesamten Hand ankommt. Selbst wenn daher trotz des versteiften Handgelenks die gesamte Hand noch weitgehend funktionsfähig sein kann, ist dennoch der vollständige Invaliditätswert zugrunde zu legen.
Von diesem Wert sind gemäß § 2 Ziffer 1.2 d) AUB die vorhandenen dauerhaften Vorschäden an dem Handgelenk aufgrund des Erstunfalls in einem Umfang von 1/10 Handwert in Abzug zu bringen. Wenn nämlich die betroffenen Körperteile oder deren Funktion bereits vor dem Unfall dauernd beeinträchtigt waren, wird der Invaliditätsgrad um die Vorinvalidität gemindert.
Solche dauerhaften Vorschäden lagen hier nach den Ausführungen des Sachverständigen SV1 in Form einer dauerhaften Bänderschwäche, die zu der beschriebenen Funktionseinschränkung geführt hat, vor. Der Sachverständige hat gestützt auf die letzten klinischen Befunde nach dem ersten Unfall vom 21.05.2003 auf ein nur geringes verbliebenes Funktionsdefizit geschlossen. Er hat dazu ausgeführt, dass die verbleibende Gesamtinvalidität nach einer solchen Verletzung, wie sie nach dem Erstunfall eingetreten sei, in der Regel zwischen 2/10 und 3/10 Handwert liege bei verbliebener eingeschränkter Beweglichkeit und Kraftminderung, in Ausnahmefällen auch bei 4/10 Handwert. Hier sei die Vorinvalidität auf 1/10 Handwert einzustufen. Dieser Wert entspreche in etwa einer ehemals schwerwiegenden Handwurzelverletzung, die ordentlich ausgeheilt sei. Dies sei nach den ärztlichen Feststellungen der Fall gewesen. Dass die Einschränkung mit 1/10 Handwert nur relativ gering angesetzt ist, ist angesichts des Umstandes, dass der Kläger über Wochen hinweg seiner Arbeit als ... wieder nachgegangen ist, zudem plausibel.
Es errechnet sich damit ein Handwert von 9/10.
Eine weitere Minderung dieses Wertes um 50 % ergibt sich nach § 4 Ziffer 1 AUB, wonach der Prozentsatz des Invaliditätsgrades um den Anteil der Krankheit oder des Gebrechens, das bei der durch den Unfall verursachten Gesundheitsschädigung und deren Folgen mitgewirkt hat, zu reduzieren ist. Allerdings bleibt der Mitwirkungsanteil nach § 4 Ziffer 2 AUB unberücksichtigt, wenn er weniger als 50 % beträgt. Der Mitwirkungsanteil ist nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 15.12.1999, Az. IV ZR 264/98; zitiert nach Juris) auch dann zu berücksichtigen, wenn der Invaliditätswert bereits um den Anteil der Vorschädigung reduziert worden ist. Außerdem ist nach den Versicherungsbedingungen der Abzug der Mitwirkung vor der Anwendung der Progression zu verrechnen.
Nach der überzeugenden, in der mündlichen Erörterung vor dem Senat nochmals klargestellten Auffassung des SV1 hat die bereits vor dem Erstunfall gegebene Degeneration in Form einer Schwächung der Bänder mit 50 % an dem Zustand nach dem Zweitunfall mitgewirkt. Dass dieses Band auch schon vor dem ersten Unfall vorgeschädigt war, hat der Sachverständige daraus geschlossen, dass das erste Unfallereignis ebenfalls nicht geeignet war, diese typische Verletzung hervorzurufen. Er hat eine hälftige Mitwirkung der Vorschädigung angenommen, da einerseits die Krafteinwirkung auf das Handgelenk bei dem Erstunfall für die Zerreißung des Bandes normalerweise nicht adäquat gewesen wäre, sie andererseits in ihrer Energieentfaltung aber auch nicht völlig unerheblich war.
Der demnach zugrunde zu legende Invaliditätsgrad von 9/20 entspricht einem Handwert von 31,5 % (9/20 von 70 %).
Nach der in den Besonderen Versicherungsbedingungen Nr. 0803 getroffenen Vereinbarungen ist außerdem eine progressive Invaliditätsstaffel vorgesehen, nach der zwischen 25 % und 50 % liegende Teil des Invaliditätsgrades zweifach und der über 50 % liegende Teil dreifach entschädigt wird.
Danach errechnet sich hier eine Invaliditätsleistung von 38 % (25 + 6,5 x 2) der Versicherungssumme, mithin ein Betrag in Höhe von 30.400,- €. Abzüglich des bereits geleisteten Betrages von 13.035,- € ergibt sich ein noch offener Betrag in Höhe von 17.365,- €.
Die nach § 2 Ziffer 1.1 a) – c) AUB erforderlichen weiteren formellen Voraussetzungen liegen vor.
Die Invalidität ist nämlich innerhalb eines Jahres nach dem Unfall vom ...09.2003 eingetreten, da die Hand durch die am ...09.2004 erfolgte Operation versteift wurde und spätestens zu diesem Zeitpunkt eine dauerhafte Funktionseinbuße vorlag. Die Invalidität ist auch spätestens nach den zwischen den Parteien vereinbarten drei Jahren – und nicht wie die Beklagte zwischenzeitlich gemeint hat, nach nur einem Jahr – der Beklagten angezeigt worden; nach dem Vortrag der Beklagten hat der Kläger den Unfall jedenfalls am 27.10.2004 gemeldet. Schließlich ist die Invalidität auch innerhalb der Dreijahresfrist von einem Arzt festgehalten worden, nämlich von X mit Schreiben vom 03.11.2004.
Der Kläger hat gemäß §§ 286 ff. BGB Anspruch auf Ersatz der Verzugszinsen ab dem angegebenen Zeitpunkt, zu dem die Beklagte die Leistung abgelehnt hat.
Die Kostenentscheidung erfolgt entsprechend dem Anteil des teilweisen Unterliegens und Obsiegens der Parteien nach §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die dafür erforderlichen Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht vorliegen.