20.02.2014 · IWW-Abrufnummer 140485
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 07.11.2013 – L 5 KR 5/13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz
Urt. v. 07.11.2013
Az.: L 5 KR 5/13
Tenor:
1.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 13.11.2012 wird zurückgewiesen.
2.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist die Beitragspflicht einer Kapitalleistung aus einer Direktversicherung zur Kranken und Pflegeversicherung.
Der 1941 geborene Kläger, bei der Beklagten kranken und bei der Beigeladenen pflegeversichert, war bis zum 31.12.2004 bei der S GmbH & Co KG in W beschäftigt. Anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhielt er von seiner Beschäftigungsfirma eine Abfindung, die diese in Höhe von 54.253,32 EUR im Zuge einer Entgeltumwandlung in eine Direktversicherung bei der Z Versicherung AG einzahlte. Im November 2009 teilte diese Versicherung der Beklagten mit, zum 1.12.2009 würden Leistungen zur betrieblichen Altersversorgung in Höhe von 62.989,35 EUR ausgezahlt. Mit Bescheid vom 25.11.2009 setzte die Beklagte, auch für die Beigeladene, den Beitrag des Klägers hieraus ab dem 1.1.2010 zur Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung monatlich fest. Dabei berücksichtigte sie die Kapitalleistung mit monatlich 1/120, dh 524,91 EUR. Dagegen wandte der Kläger mit seinem Widerspruch ein, die Kapitalleistung stamme aus Beiträgen oberhalb der Krankenversicherungspflichtgrenze.
Der Kläger legte der Beklagten eine Bescheinigung der Z Versicherung AG vom 8.4.2011 vor, wonach sein Arbeitgeber im Zeitraum vom 1.12.2004 bis zum 31.5.2005 Versicherungsnehmer und der Kläger vom 1.6.2005 bis zum 30.11.2009 in diese Stellung eingerückt war. Auf Anfrage der Beklagten teilte die Z Versicherung mit, der Versicherungsvertrag sei ab dem Versicherungsbeginn 1.12.2004 mit einem Einmalbetrag abgeschlossen worden; der Kläger habe nach seinem Einrücken in die Stellung als Versicherungsnehmer keine eigenen Beiträge gezahlt. Telefonisch ergänzte die Z Versicherung, die Einmalzahlung müsse im Dezember 2004 erfolgt sein; das genaue Datum sei nicht mehr nachvollziehbar. Mit Bescheid vom 9.6.2011 teilte die Beklagte dem Kläger mit, der monatliche Beitrag (aus dieser Kapitalleistung) betrage ab dem 1.1.2010 zur Krankenversicherung 78,21 EUR und zur Pflegeversicherung 10,24 EUR und ab dem 1.1.2011 zur Krankenversicherung 81,36 EUR und zur Pflegeversicherung 10,24 EUR. Durch Widerspruchsbescheid vom 27.7.2011 wies der gemeinsame Widerspruchsausschuss der Beklagten und Beigeladenen den Widerspruch des Klägers zurück.
Mit seiner am 29.8.2011 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Durch Urteil vom 13.11.2012 hat das Sozialgericht (SG) Koblenz die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Rechtsgrundlage für die Erhebung von Beiträgen zur Krankenversicherung sei § 223 Abs 1, 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Verbindung mit § 237 Satz 1 Nr 2 SGB V und § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 und Satz 3 SGB V. Der Beitragsbemessung versicherungspflichtiger Rentner werde neben dem Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung und einem Arbeitseinkommen auch der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge) zugrunde gelegt (§ 237 Satz 1 Nr 2 SGB V). Als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) gälten unter anderem Renten der betrieblichen Altersversorgung (§ 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V). Um eine solche handele es sich vorliegend. Hierzu gehörten auch Leistungen, die aus einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer geschlossenen Direktversicherung im Sinne des § 1 Abs 2 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) gezahlt würden, wenn sie der Sicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben dienten. Der Vertrauensschutz der betroffenen Versicherten werde dabei nicht unzumutbar beeinträchtigt (Hinweis auf BSG 7.4.2008 1 BvR 1924/07). Der Wechsel der Eigenschaft als Versicherungsnehmer zum 1.6.2005 sei vorliegend nicht von entscheidender Bedeutung. Die Kapitalleistung unterliege in voller Höhe der Beitragsbemessung, weil sie ausschließlich auf dem Einmalbeitrag vom Dezember 2004 beruht habe, als der Kläger noch nicht Versicherungsnehmer gewesen sei. Darauf, ob der Kläger stets Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze erzielt habe, komme es nicht entscheidend an.
Gegen dieses seinen Prozessbevollmächtigten am 12.12.2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 7.1.2013 eingelegte Berufung des Klägers, der vorträgt: Vorliegend handele es sich nicht um eine betriebliche Altersversorgung im Sinne von § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5, Satz 3 SGB V. Er habe die Abfindung allein zur Entschädigung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten. Eine solche Leistung könne nicht als Leistung der betrieblichen Altersvorsorge verstanden werden (Hinweis auf Bundesarbeitsgericht BAG 28.1.1986 3 AZR 312/84; Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG, § 1 Rn 50). Die Kapitalleistung wurzele daher nicht in dem langjährigen Beschäftigungsverhältnis. Bei gegenteiliger rechtlicher Wertung würde sich ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) ergeben, zumal er in der gesamten Zeit seiner Tätigkeit die Höchstbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung erbracht habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Koblenz vom 13.11.2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.11.2009 in der Gestalt des Bescheids vom 9.6.2011 und des Widerspruchsbescheides vom 27.7.2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor: Durch die von seiner früheren Beschäftigungsfirma vorgenommene Einzahlung der Abfindung in die Direktversicherung habe sich der Sicherungszweck der Abfindung dahingehend geändert, dass nunmehr die steuerlich geförderte Versorgung im Alter, bei Invalidität oder Tod, also der Lebensstandard nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben, habe gesichert werden sollen. Deshalb unterliege die Kapitalleistung der Beitragspflicht.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakte verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die nach §§ 143 f, 151 SozialgerichtsgesetzSGG zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zur Begründung verweist der Senat auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (§ 153 Abs 2 SGG), wobei er Folgendes ergänzt:
Der Kläger ist wegen der Kapitalleistung beitragspflichtig zur Kranken und Pflegeversicherung. Bei der Kapitalleistung handelt es sich um eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung iSd § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5, Satz 3 SGB V. Der Charakter als betriebliche Altersversorgung im Sinne des § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V wird nicht dadurch tangiert, dass die von der früheren Beschäftigungsfirma des Klägers an die Z Versicherung gezahlten Beiträge auf einer Abfindung wegen des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis beruhten. Ohne Erfolg weist der Kläger auf die Rechtsprechung des BAG hin, wonach bei einer Versorgungszusage als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes keine betriebliche Altersversorgung vorliegt (BAG 28.1.1986 3 AZR 312/84, [...]). Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung iSd § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V ist eigenständig nach dem Sinn und Zweck der krankenversicherungsrechtlichen Vorschriften anzuwenden, ohne dass eine strenge Bindung an die Definitionen des BetrAVG besteht (BSG 12.11.2008 B 12 KR 6/08 R, [...] Rn 19). Im Rahmen des § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V ist kein nachweisbarer Zusammenhang mit dem früheren Erwerbsleben erforderlich, sondern im Sinne einer institutionellen Abgrenzung typisierend darauf abzustellen, ob die Leistung von einer Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung gezahlt wird. Eine betriebliche Altersversorgung iSd § 229 Abs 1 Nr 5 SGB V liegt vor, wenn es sich um Bezüge vom früheren Arbeitgeber oder von bestimmten Institutionen handelt, bei denen in der Regel ein Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zu dieser Sicherungsform und einer Erwerbstätigkeit besteht (BSG 12.11.2008 aaO). Dieser Zusammenhang muss nicht im Einzelfall nachweisbar sein; vielmehr genügt es, dass bei der jeweiligen Sicherungsinstitution typischerweise von einem solchen Zusammenhang auszugehen ist (BSG 12.11.2008 aaO). Dieser Zusammenhang besteht vorliegend, da bei der gewählten Art der Leistung der Z Versicherung typischerweise ein solcher gegeben ist. Diese rechtliche Wertung verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 GG (vgl BSG 12.11.2008 aaO Rn 40).
Die Beitragspflicht zur sozialen Pflegeversicherung aus der Kapitalleistung beruht auf § 57 Abs 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorliegen.