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17.02.2014 · IWW-Abrufnummer 140513

Amtsgericht Rheinbach: Urteil vom 09.07.2013 – 10 C 114/13

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


10 C 114/13
Verkündet am 09.07.2013

Amtsgericht Rheinbach

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit
der Frau S, C-Weg, 53359 Rheinbach,
Klägerin,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte C &. C, L-L-Straße, 53359 Rheinbach,
g e g e n
die T AG, vertr. d. d. Vorstand, Kölner M-L-Straße, 40591 Düsseldorf,
Beklagte,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte C2 , U.-U.-Ring, 50668 Köln,

hat das Amtsgericht Rheinbach
auf die mündliche Verhandlung vom 04.06.2013
durch die Richterin am Amtsgericht Z
für Recht erkannt:

1.
Die Klage wird abgewiesen.

2.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit oder Hinterlegung in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Höhe der von der Beklagten vorgenommenen Regulierung aufgrund der zwischen den Parteien bestehenden Teilkaskoversicherung wegen der Fahrzeugentwendung in der Nacht vom 03.10.2012 auf den 04.10.2012.

Der Klägerin wurde in der Nacht vom 03.10.2012 auf den 04.10.2012 ihr Fahrzeug, ein BMW, Typ Minicooper Cabrio mit dem amtlichen Kennzeichen ABC, durch einen oder mehrere unbekannte Täter entwendet. Das Fahrzeug wurde nach der Tat verunfallt in einem Graben an der L492 in der Nähe Rheinbach-Todenfeld aufgefunden.

Das Fahrzeug der Klägerin war vor dem Hausgrundstück im öffentlichen Verkehrsraum verschlossen abgestellt. In der Garagenzufahrt auf dem Grundstück der Klägerin befand sich ein weiteres Fahrzeug, ein BMW 530 XD mit dem amtlichen Kennzeichen DEF. In dessen abschließbaren, aber nicht verschlossenen, Handschuhfach befand sich der Werkstattschlüssel zu dem Minicooper Cabrio. Der oder die Täter brachen zunächst in das Fahrzeug BMW 530 XD ein, fanden den Werkstattschlüssel und entwendeten anschließend unter Einsatz des aufgefundenen Schlüssels das Fahrzeug Minicooper. Das Fahrzeug verunfallte an der vorgenannten Stelle . Bedingt durch den Unfall entstand an dem Fahrzeug der Klägerin ein wirtschaftlicher Totalschaden.

Das Fahrzeug hatte einen Wiederbeschaffungswert in Höhe von 8.000,00 Euro brutto und einen Restwert in Höhe von 3.510,00 Euro. Die Reparaturkosten wurden netto mit 7.725,97 Euro und brutto mit 9.193,90 Euro ausgewiesen. Anlässlich des Verkehrsunfalles entstanden der Klägerin weiterhin Bergungskosten in Höhe von 261,54 Euro. Die zwischen den Parteien vereinbarte Selbstbeteiligung betrug 150,00 Euro. Weiterhin machte die Beklagte gegenüber der Klägerin eine Vertragsstrafe in Höhe von 500,00 Euro wegen erheblicher Überschreitung der vereinbarten Jahresgesamtfahrleistung geltend. Die Beklagte zahlte auf den entstandenen Schaden am Fahrzeug an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.595,-- Euro sowie weiterhin für die Abschleppkosten einen Betrag in Höhe von 130,77 EUR, also gesamt 1.725,77 Euro. Mit der nunmehr erhobenen Klage verfolgt die Klägerin die nach ihrer Berechnung noch ausstehende Differenz in Höhe von 2.375,77 Euro.

Die Klägerin trägt vor:

Die Beklagte sei nicht zur Leistungskürzung berechtigt. Sie habe sich nicht grob fahrlässig verhalten. Bei dem von den Tätern aufgefundenen Fahrzeugschlüssel habe es sich nicht um einen Originalschlüssel mit einer Funkfernbedienung, sondern um einen Werkstattschlüssel gehandelt. Diesem Werkstattschlüssel sei nicht anzusehen gewesen, welchem Fahrzeug er zugehörig sei. Zudem habe dieser Werkstattschlüssel nicht über eine Funkschließfunktion verfügt. Der Schlüssel habe sich im abschließbaren Handschuhfach des zuerst aufgebrochenen BMW 530 XD befunden. Das Handschuhfach sei zwar nicht abgeschlossen gewesen, eine grobe Fahrlässigkeit könne hieraus jedoch nicht hergeleitet werden. Der Mini-Schlüssel sei sicher aufbewahrt worden. Er sei von außen weder sichtbar noch erkennbar gewesen. Genauso gut hätte der Schlüssel auch in der verschlossenen Wohnung der Klägerin aufbewahrt werden können. Die Klägerin begehrt daher von der Beklagten anlässlich des Schadenereignisses die vollständige Regulierung des entstandenen Sachschadens.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.375,77 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.03.2013 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie erwidert:

Eine weitergehende Zahlungsverpflichtung bestehe nicht. Die Beklagte sei zur Leistungskürzung nach § 81 Abs. 2 VVG mit einer Quote in Höhe von 50 % berechtigt. Die Klägerin habe den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt. Der Schlüssel des PKW Mini sei nicht sicher genug aufbewahrt worden. Er habe sich im Handschuhfach des PKW BMW 530 XD, der von unbekannten Tätern geöffnet wurde, befunden. Das Handschuhfach des PKW BMW 530 XD sei nicht verschlossen gewesen. Dadurch habe die Klägerin grob fahrlässig eine riskante Situation für den versicherten Pkw geschaffen. Das Verwahren des Schlüssels im nicht abgeschlossenen Handschuhfach eines anderen Fahrzeuges stelle eine deutliche Unterschreitung des üblichen Sicherheitsstandards für die Aufbewahrung von Fahrzeugschlüsseln dar. Es hätte die Klägerin keine große Mühewaltung gekostet, den Schlüssel etwa im Haus zu deponieren, wo er vor den Tätern sicher gewesen wäre. Vor diesem Hintergrund sei die durchgeführte Regulierung mit einer Quote in Höhe von 50 % zu Recht erfolgt. Der von der Beklagten beauftragte Sachverständige Y habe die Sachwerte ermittelt. In der Folge sei wie folgt abgerechnet worden:

Widerbeschaffungswert netto 6.722,69 Euro
abzüglich Restwert 3.510,00 Euro
Fahrzeugschaden 3.312,69 Euro
abzüglich 50 % wegen grob fahrlässiger Herbeiführung - 1.606,36 Euro
abzüglich Selbstbeteiligung - 150,00 Euro
abzüglich Vertragsstrafe - 500,00 Euro
Auszahlungsbetrag 956,35 Euro

Nach Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges sei die Mehrwertsteuer mit einer Quote in Höhe von 50 % in Höhe von 638,65 Euro im Nachgang reguliert worden. Die Abschleppkosten seien mit einer Quote in Höhe von 50 % mit 130,77 Euro bezahlt worden, so dass insgesamt mit der Zahlung des Betrages in Höhe von 1.725,77 Euro der Schaden angemessen und sachgerecht abgerechnet worden sei.

Im übrigen wird Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, insbesondere auf die durchgeführte Begutachtung durch den Sachverständigen Y, Kfz-Sachverständiger der T, Blatt 19 bis 43 der Akte sowie auf die beigezogene Strafakte, Aktenzeichen 27 OUJs 1234 sowie die mündliche Verhandlung vom 04.06.2013 nebst der von der Klägerin gefertigten Lageskizze, Bl. 48 d.A.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf weiteren Schadenersatz aufgrund der mit der Beklagten abgeschlossenen Teilkaskoversicherung. Die Beklagte hat aufgrund der von ihr geleitsteten Teilzahlung in Höhe von 1.725,77 Euro den aus dem Diebstahl des Fahrzeuges resultierenden Schaden entsprechend ihrer Leistungsverpflichtung erfüllt.

Nach Art. 2.2.2 der AKB besteht im Rahmen der Teilkaskoversicherung Versicherungsschutz im Fall der Beschädigung, Zerstörung oder Verlust eines Fahrzeuges, welches durch Entwendung, insbesondere durch Diebstahl und Raub verursacht wird. Unstreitig ist der am Fahrzeug der Klägerin erstandene wirtschaftliche Totalschaden als Folge eines Diebstahles des Minicooper eingetreten.

Nach § 81 Abs. 2 VVG führt ein grob fahrlässiges Herbeiführen des Versicherungsfalles zu der Berechtigung des Versicherers abhängig von der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers die Leistung in einem entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Das Herbeiführen eines Versicherungsfalles kann durch positives Tun oder aber auch durch Unterlassen herbeigeführt werden (Urteil des BGH, 4. Zivilsenat vom 14.07.1986, Aktenzeichen IV a ZR 22/85). Ein Herbeiführen des Versicherungsfalles durch ein Unterlassen liegt dann vor, wenn der Versicherungsnehmer das ursächliche Geschehen in der Weise beherrscht, dass er die Entwicklung und die drohende Verwirklichung der Gefahr zulässt, obwohl er die geeigneten Mittel zum Schutze des versicherten Interesses in der Hand hat und bei zumutbarer Wahrnehmung seiner Belange ebenso davon hätte Gebrauch machen können. Damit andererseits der Versicherungsschutz nicht unangemessen beschränkt wird, muss der Versicherungsnehmer das zum Versicherungsfall führende Geschehen gekannt haben. Dabei ist notwendig und ausreichend die Kenntnis von Umständen aus denen sich ergibt, dass der Eintritt des Versicherungsfalles in den Bereichen der praktisch unmittelbar in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten gerückt ist. Nach der o.g. Rechtsprechung des BGH (Entscheidung vom 14.07.1986, Aktenzeichen IV a ZR 22/85) sind Schlüssel, die im Wageninneren aufbewahrt werden generell ungenügend gesichert. So stellt nach der Rechtsprechung des BGH ein Handschuhfach grundsätzlich einen ungeeigneten Q-Platz für die Aufbewahrung von Fahrzeugschlüsseln dar. Erfahrungsgemäß, so der Bundesgerichtshof, halten Diebe gerade im Handschuhfach Nachschau, weil sie mit einer durchaus verbreiteten Unsitte rechnen, dass dort neben Wertsachen, Kraftfahrzeugpapiere und Schlüssel aufbewahrt werden. Vor diesem Hintergrund, so der BGH, ist der vertragsgemäß vorausgesetzte Sicherheitsstandard erheblich herabgesetzt, wenn Reserveschlüssel im Handschuhfach aufbewahrt werden, mögen auch Lenkradschloss und Wagentür verriegelt gewesen sein. Vorliegend war es so, dass der Werkstattschlüssel im Handschuhfach verwahrt wurde. Das Handschuhfach war nach den unstreitigen Angaben der Klägerin nicht abgeschlossen. Die in § 81 Abs. 2 VVG geforderte grobe Fahrlässigkeit setzt voraus, dass die im Verkehr erforderliche Sorgfalt durch ein auch subjektiv unentschuldbares Fehlverhalten in hohem Maß außer Acht gelassen worden ist. Es muss sich auch in subjektiver Hinsicht um ein gegenüber einfacher Fahrlässigkeit gesteigertes Verschulden handeln. Es ist allgemein bekannt, dass in geparkte Fahrzeuge eingebrochen wird. Allgemein ist auch bekannt, dass der Einbruch in einen Pkw im Vergleich zu einem Einbruch in ein Haus für den Täter ein überschaubareres Risiko darstellt. Zudem wird sowohl im allgemeinen Parkraum durch Hinweisschilder sowie auch öffentlich durch die Polizei regelmäßig davor gewarnt, Wertgegenstände in einem PKW zu verwahren. Das Verwahren eines Schlüssels in einem Handschuhfach im Inneren eines Fahrzeuges stellt immer eine bewusste Inkaufnahme der vorgenannten Risikofaktoren dar. Wenn ein Fahrzeugschlüssel in einem Handschuhfach eines anderen Fahrzeuges aufbewahrt wird, so liegt es nicht außerhalb der Lebenserfahrung, dass ein Dieb, der diesen Fahrzeugschlüssel auffindet, durchaus an den in der näheren Umgebung befindlichen Fahrzeugen ausprobiert, ob dieser Fahrzeugschlüssel zu einem Fahrzeug passend ist. Der BMW XD befand sich vor dem Haus der Klägerin. In unmittelbarere Nähe dazu befand sich der BMW Minicooper auf der L-Straße vor dem Wohnhaus. Es war für den Dieb daher ein leichtes, den Werkstattschlüssel sowohl an dem BMW XD sowie auch an dem BMW Minicooper auszuprobieren, um zu prüfen, ob der Schlüssel auf eines der Fahrzeuge passt. Er hatte damit auch Erfolg. Das Verwahren eines Fahrzeugschlüssels in dem Handschuhfach eines anderen Fahrzeuges stellt daher grundsätzlich keinen tauglichen Sicherheitsstandard dar, um das zu dem Fahrzeugschlüssel zugehörige Fahrzeug vor Diebstahl zu schützen. Anders ist dies zu bewerten, wenn der Fahrzeugschlüssel im Wohnhaus verwahrt wird. Grundsätzlich ist die Hemmschwelle in ein Fahrzeug einzusteigen, geringer wie in ein Wohnhaus einzusteigen. Dem Dieb ist es ein leichtes sich in Bezug auf ein Kraftfahrzeug einen hinreichenden Überblick zu verschaffen, ob Personen in der Nähe befindlich sind bzw. sich im Fahrzeug befinden. Dies ist bei einem Wohnhaus gerade nicht möglich. Im Hinblick auf die hiernach bestehende Hemmschwelle in Bezug auf Einbrüche in Wohnungen stellt daher das Verwahren des Fahrzeugschlüssels im Wohnraum selber einen hinreichenden Sicherheitsstandard dar, sofern Türen und Fenster verschlossen sind. Der von einem Dieb zu überwindende Widerstand ist ungleich höher wie der zu überwindende Widerstand bei einem Fahrzeug. Erschwerend kommt hier hinzu, dass das Handschuhfach unstreitig auch nicht abgeschlossen war, sodass der Dieb keinen zusätzlichen Widerstand überwinden musste.

Das Verwahren des Schlüssels im Handschuhfach stellt jedenfalls kein hinreichend sicheres Verwahren dar. Die Leistungskürzung der Beklagten nach Maßgabe des § 81 Abs. 2 VVG in Höhe von 50 % ist daher zu Recht erfolgt.

Die Klage ist mit der Kostenfolge aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO abzuweisen ist.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird für das Verfahren auf 2.375,77 Euro festgesetzt.