20.04.2001 · IWW-Abrufnummer 99424
Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Urteil vom 18.04.1997 – 24 U 115/95
1. Die Regelung des § 87a Abs. 3 HGB ist im Recht des Versicherungsmaklers nicht entsprechend anwendbar.
2. Eine an Treu und Glauben orientierte Auslegung der zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsmakler getroffenen Vereinbarungen kann ausnahmsweise eine Pflicht des Versicherers zur Abgabe von Stornogefahrmitteilungen begründen.
3. Werden versicherungsaufsichtsrechtlich unzulässig hohe Vermittlungsprovisionen versprochen, so kann hierin ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) liegen.
4. Ein solcher Verstoß führt nur zur Anpassung der Provisionsverpflichtung an das gesetzlich zulässige Maß. Vertragliche Rückforderungsansprüche werden nicht erfaßt.
5. § 817 Satz 2 BGB ist nicht anzuwenden.
Gründe:
Partner der mit der Klägerin geschlossenen Gruppen-Lebensversicherungsverträge waren Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen aus verschiedenen Gewerbezweigen. Diese Einrichtungen übertrugen die Rechte aus den mit der Klägerin geschlossenen Verträgen sicherungshalber an ein Privatbankhaus. Mit Schreiben vom 20.8.1992 - die Unterstützungs- und Versorgungseinrichtungen waren nicht mehr in der Lage, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen - kündigte das Bankhaus die mit der Klägerin geschlossenen Versicherungsverträge. Auf seine Bitte hin zahlte diese die Rückkaufswerte aus.
Die Klägerin rechnete die ausgezahlten Provisionsvorschüsse mit der Beklagten ab und forderte sie mit Schreiben vom 27.10.1993 zur Rückzahlung des von ihr auf 349.621,46 DM berechneten Saldos auf.
Diese Forderung verfolgt sie im Klagewege weiter.
Die Kammer hat die Beklagten zur Auszahlung des von der Klägerin errechneten Saldos verurteilt.
Aus den Gründen:
Die Berufung der Beklagten ist unbegründet; sie schuldet der Klägerin Rückzahlung der mit 349.621,46 DM rechnerisch unumstrittenen Provisionsüberschüsse.
Überwiegend begründet hingegen ist die Berufung des Beklagten; er haftet nur bezogen auf die "reinen" Courtagen. Die diesbezüglichen Überschußanteile belaufen sich - rechnerisch ihrerseits nicht umstritten - auf 44.192,88 DM.
1. Grundlage des gegen die Beklagte begründeten Rückzahlungsanspruches ist Ziffer 4.1. der vertraglichen "Courtage-Zusage" vom 5.7./17.7.1989 i.V.m. den eingeschlossenen (Ziffer 5 der Courtage-Zusage) Vereinbarungen über die Zahlung von Kostenzuschüssen und Boni ("Kostenzuschuß-Zusage", "Bonus-Zusage" jeweils vom 5.7.1989). Danach sind ausgezahlte Courtagen, Kostenzuschüsse und - wie im einzelnen unter lit. b zu begründen sein wird - Boni bei vorzeitiger Beendigung des Versicherungsvertrages zurückzuzahlen, soweit sie in ihrer Gesamtsumme 50 % der bis dahin gezahlten Beiträge übersteigen.
Die sich auf dieser Grundlage ergebende Überschußdifferenz steht außer Streit.
a) Dem Rückerstattungsanspruch steht - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht von vornherein die Tatsache entgegen, daß die Klägerin der Beklagten keine Mitteilung von der Kündigung der durch sie vermittelten Gruppenversicherungsverträge gemacht hat.
Zwar kann der einmal angelegte Provisionsanspruch des Versicherungsvertreters auch gegenüber einer vorzeitigen Kündigung des Versicherungsvertrages Bestand behalten, wenn der Versicherer es unterlassen hat, sich abzeichnenden Stornogefahren "gegenzusteuern" und dem Versicherungsvertreter Gelegenheit zu geben, die gefährdeten Verträge "nachzubearbeiten" (OLG Köln NJW 1978, 328; OLG Frankfurt/Main VersR 1981, 480; Senat Rus 1996, 291; Baumbach-Hopt, HGB, 29. Aufl. 1995, § 87a Rz 27). Unterläßt der Versicherer jegliche ernsthafte Bemühung, den Versicherungsnehmer zur Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses zu veranlassen, so ist er es, der die Nichtausführung des Geschäfts zu vertreten hat (§§ 87a Abs. 3, 92 HGB).
Ob das in gleicher Weise gelten muß, wenn die fälligen Beiträge bis zur Kündigung bezahlt wurden, und wenn die Kündigung nicht vom Versicherer, sondern von Versicherungsnehmerseite erklärt wurde, kann dahinstehen. Denn § 87a Abs. 3 HGB ist im Verhältnis der Parteien zueinander nicht anzuwenden:Die Norm ist Teil des 7. Abschnittes des 1. Buches des HGB; er regelt die Rechtsbeziehungen des Unternehmers (Versicherers) zum Handelsvertreter (Versicherungsvertreter), nicht aber die Rechtsbeziehungen des Versicherers zum Versicherungsmakler. Der 8. Abschnitt des 1. Buches - "Handelsmakler" - enthält keine entsprechende Regelung.
Im Recht des Handels- bzw. Versicherungsmaklers ist § 87a Abs. 3 HGB nicht analog anzuwenden. Eine analoge Anwendung ist dem Richter schon deshalb versagt, weil die "Gesetzeslücke", die sich im Fehlen einer dem § 87a Abs. 3 entsprechenden Vorschrift im Recht des OLGR Frankfurt 1997, 134 Handelsmaklers aufzutun scheint, keine "planwidrige", vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte ist: Bereits zur "Vorgängerregelung" des § 87a Abs. 3 HGB, den § 88a a.F. HGB hatte die höchstrichterliche Rechtsprechung festgehalten, daß sie im Recht des Handelsmaklers nicht anzuwenden sei (BGHZ 2, 284). Wenn der Gesetzgeber es mit der Neufassung der einschlägigen Vorschrift unterließ, eine ihr entsprechende Norm auch im 8. Abschnitt des 1. Buches des HGB zu setzen, so hat die Rechtsprechung dies als Ausdruck einer Entscheidung für die Unterschiedlichkeit der rechtlichen Bedingungen des Maklerverhältnisses einerseits, des Handelsvertreterverhältnisses andererseits hinzunehmen.
Unabhängig hiervon ist die Rechtsstellung des Handelsmaklers im Verhältnis zum Unternehmer - Versicherer - in ihren wesentlichen Interessenaspekten der des Handelsvertreters nicht hinreichend vergleichbar. Die Stellung des Handelsmaklers ist eine im ganzen weit freiere; er ist beiden Vertragspartnern verpflichtet. Im regelmäßigen Gefälle von relativer wirtschaftlicher und rechtlicher Freiheit des Handelsmaklers einerseits, relativer wirtschaftlicher und rechtlicher Gebundenheit des Handelsvertreters andererseits liegt der tragende Grund dafür, daß das Handelsgesetzbuch nur für den Handelsvertreter eine besondere "Provisionsschutzvorschrift" in Gestalt des § 87a Abs. 3 HGB geschaffen hat.Unbeschadet dessen kann sich allerdings im Einzelfall aus einer an Treu und Glauben (§ 242 BGB) orientierten Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsmakler ergeben, daß der Versicherer dem Makler Stornogefahrmitteilungen machen oder sich unter Umständen sogar um die Rücknahme einer bereits erklärten Kündigung bemühen muß (vgl. hierzu OLG Hamm NJW-RR 1994, 1306f.; Brüggemann in Staub, HGB, 4. Aufl. 1982/1995, vor § 93 Rz 20). Treuwidrig würde sich der Versicherer verhalten, wenn er sich gleichsam die (nicht nur den Makler, sondern auch ihn selbst) freier stellende Rechtsfigur des "Maklervertrages" erschleichen würde, wenn er die Rechtsbeziehung zum Vermittler in Worten unter die Geltung des Maklerrechtes stellen, wirtschaftlich und rechtsinhaltlich aber ein dem Handelsvertreterverhältnis angenähertes Verhältnis schaffen würde.
Davon aber, daß die Klägerin sich in diesem Sinne gegenüber der Beklagten eine freiere Rechtsstellung erschlichen habe, kann keine Rede sein: Was das Wort "Versicherungsmakler" rechtlich bedeutet, war der Beklagten nicht weniger klar als der Klägerin; die Beklagte ist in wirtschaftlich großem Stile am Versicherungsmarkt tätig. Wenn sie im Rahmenvertrag vom 5.7./17.7.1989 (Courtage-Zusage) erklärte, als "Versicherungsmakler i.S. der §§ 93ff. HGB" mit der Klägerin zusammenarbeiten zu wollen, so muß sie sich an der abgegebenen Erklärung auch festhalten lassen.
Unabhängig hiervon würde selbst eine Anwendung des § 87a Abs. 3 HGB nicht zur Erhaltung der angelegten Provisionsansprüche der Beklagten führen. Denn die Nichtausführung des Versicherungsgeschäfts beruhte auf Umstanden, die von der Klägerin nicht zu vertreten sind (§ 87a Abs. 3 Satz 2 HGB). Unter den konkreten Umständen war die Klägerin nicht gehalten, die gekündigten Verträge "nachzubearbeiten" oder der Beklagten - der Versicherungsmaklerin - eine Storno(gefahr)mitteilung zu machen.
Die Klägerin durfte nämlich davon ausgehen, daß eine "Nacharbeit" keinen Erfolg versprechen, wirtschaftlich sinnlos sein würde, und wirtschaftlich sinnlose Bemühungen schuldete sie ihrer Vertragspartnerin - der Beklagten - nicht. Denn die Versicherungsnehmerseite - die Unterstützungs- und Versorgungseinrichtungen, mit denen die Gruppenversicherungsverträge abgeschlossen worden waren - war zahlungsunfähig, und das war der Klägerin auch mit der Kündigung der Versicherungsverträge durch die Zessionarin mitgeteilt worden.
c) Die zwischen der Klägerin und der Beklagten getroffene Vereinbarung über die Rückzahlung überschießender Vermittlungsentgelte ist nicht deshalb rechtsunwirksam, weil die Summe aus Courtagen, Kostenzuschüssen und Boni versicherungsaufsichtsrechtliche Höchstsätze überschritten und damit sämtliche Abreden über die Vermittlungsentgelte gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hätten (§ 134 BGB).
Mit - unter den von der Beklagten "geleisteten" Nettobewertungssummen - von insgesamt 42 könnten die der Beklagten versprochenen und (vorschußweise) gewährten Leistungen zwar deutlich über den vom Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen für höchst zulässig erachteten Sätzen gelegen haben (Schreiben des Bundesaufsichtsamts vom 29.1.1993 mit Verweisen auf die Rundschreiben R5/74, R3/85 und R4/86), ob das unter den konkreten Umständen zu einer unzulässigen Schmälerung der im Interesse aller Versicherten zu gewährleistenden Netto-Prämieneinnahmen geführt hat, bedarf aber keiner Klärung. Rechtlich fragwürdig war nicht der Abschluß des Makler-Rahmenvertrages als solcher; rechtlich fragwürdig war auch nicht, daß dem Grundsatz nach Provisionen versprochen und die Möglichkeit anteiliger Rückforderung geschaffen wurde. Rechtlich (möglicherweise) fragwürdig war allein die Höhe des versprochenen Entgelts. Derartige Verstöße führen regelmäßig nicht zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts als ganzem oder auch nur zur (Teil-)Nichtigkeit des vertraglichen Regelungskomplexes, der das Entgelt betrifft. Sie führen vielmehr nur zur Anpassung des "Preises" an das Maß des Zulässigen (BGHZ 51, 181 = MDR 1969, 473; Palandt-Heinrichs, BGB, 56. Aufl. 1997, § 134 Rz. 27).
Daß das, was für preisrechtliche Verstöße regelmäßig gilt, auch im Blick auf das Versprechen unzulässig hoher Provisionen und die in Zusammenhang mit der Provisionsabrede getroffene Vereinbarung zu anteiligen Rückzahlungen überschießender Provisionsanteile bei vorzeitiger Beendigung des Versicherungsverhältnisses gelten muß, wird aus dem Zweck des (hier: unterstellten) versicherungsaufsichtsrechtlichen Verbots deutlich: Dient es nämlich der Sicherung einer Netto-Prämienmindesteinnahme und damit der Deckung der vom Versicherer übernommenen Risiken nach den Grundsätzen solider Haushaltsführung, so kann es in seiner rechtlichen Konsequenz nicht über die Anpassung der Vereinbarung über das positiv zu zahlende Vermittlungsentgelt hinausgehen. Nichtigkeit auch der Vereinbarung über die Rückzahlung von Provisionen bei vorzeitiger Beendigung des VersiVersicherungsverhältnisses OLGR Frankfurt 1997, 135 Versicherungsverhältnisses würde - auf vertraglicher Ebene - die versicherungsaufsichtsrechtlich gerade nicht zulässige Schmälerung der Deckungsbasis perpetuieren.