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12.09.2014 · IWW-Abrufnummer 142657

Landgericht Köln: Urteil vom 05.03.2014 – 23 S 15/13

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht Köln

23 S 15/13

Tenor:

Unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Köln vom 15.05.2013 – Az. 118 C 555/12 – wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 4.552,30 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.02.2013 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der bei der Beklagten im Basistarif nach § 12 Abs. 1a des Versicherungsaufsichtsgesetzes versicherte F befand sich in der Zeit vom 05.11.2009 bis zum 01.12.2009 in stationärer Krankenhausbehandlung bei der Klägerin. Unter dem 05.11.2009 stellte die Klägerin ihm hierfür einen Betrag in Höhe von 5.512,30 € in Rechnung. Zum Zeitpunkt der Einreichung der Rechnung bei der Beklagten bestand ein Beitragsrückstand des Versicherungsnehmers in Höhe von 5.201,60 €. Nach Abzug des vereinbarten Selbstbehalts in Höhe von 260,00 € und der Verrechnung mit dem offenen Beitragsrückstand zahlte die Beklagte einen Betrag von 50,70 € an den Versicherungsnehmer. Auf die Rechnung vom 05.11.2009 zahlte der Versicherungsnehmer einen Betrag von insgesamt 700,00 € an die Klägerin. Mit der Klage hat die Klägerin ursprünglich den restlichen Betrag im Wege des Direktanspruchs gem. § 192 Abs. 7 VVG gegenüber der Beklagten geltend gemacht.

Nachdem die Klägerin die Klage in Höhe von 260,00 € teilweise zurückgenommen hatte, hat sie beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 4.522,30 € nebst Zinsen zu verurteilen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Amtsgericht hat die Klage mit Urteil vom 15.05.2013 abgewiesen. Gegen dieses der Klägerin am 13.05.2013 zugestellte Urteil legte sie mit am 06.06.2013 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung ein.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte sei als Gesamtschuldnerin zur vollständigen Leistung an sie verpflichtet. Eine Aufrechnung oder Zahlung gegenüber dem Versicherungsnehmer habe keine Erfüllungswirkung ihr gegenüber.

Sie beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Köln vom 15.05.2013 – Az. 118 C 555/12 – die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.552,30 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.02.2013 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, aufgrund der Verrechnung mit den Beitragsrückständen in Höhe von 5.201,60 € und der Zahlung an den Versicherungsnehmer in Höhe von 50,70 € sei der Anspruch der Klägerin erloschen. Im Rahmen des Direktanspruchs aus § 192 Abs. 7 VVG könne der Versicherer Einwendungen aus dem Versicherungsverhältnis gegenüber dem Leistungserbringer geltend machen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung hat Erfolg. Das Amtsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von 4.552,30 € aus § 192 Abs. 7 VVG.

1. Nach § 192 Abs. 7 Satz 1 VVG kann der Leistungserbringer bei der Krankheitskostenversicherung im Basistarif nach § 12 Abs. 1a des Versicherungsaufsichtsgesetzes seinen Anspruch auf Leistungserstattung auch gegen den Versicherer geltend machen, soweit der Versicherer aus dem Versicherungsverhältnis zur Leistung verpflichtet ist. Nach Satz 2 haften im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis Versicherer und Versicherungsnehmer gesamtschuldnerisch.

Die Voraussetzungen des Direktanspruchs liegen vor, da der Versicherungsnehmer der Beklagten bei dieser im Basistarif nach § 12 des Versicherungsaufsichtsgesetzes versichert ist und bei der Klägerin ärztliche Leistungen in Anspruch genommen hat.

2. Der Anspruch der Klägerin ist nicht aufgrund der Aufrechnung durch die Beklagte gegenüber dem Versicherungsvernehmer mit dessen Beitragsrückständen erloschen.

a) Die Aufrechnung ist im Innenverhältnis wirksam. Im Basistarif nach § 12 Abs. 1a VAG besteht kein allgemeines Aufrechnungsverbot.

In Teilen der Literatur wird ein solches Aufrechnungsverbot zwar aus § 193 Abs. 6 VVG abgeleitet. Insoweit wird vertreten, dass § 193 Abs. 6 VVG die Rechtsfolgen bei Ausbleiben von Prämienzahlungen abschließend beschreibe; zudem ergebe sich aus § 12g Abs. 1 S. 3 VAG, dass die Mehraufwendungen, die zur Gewährleistung der in § 12 Abs. 1c VAG genannten Begrenzungen entstehen, auf die beteiligten Versicherungsunternehmen und nicht auf die Versicherungsnehmer zu verteilen seien (vgl. Klerks, info also 2009, 153, 157; Leber, Das Krankenhaus 2011, 369, 370).

Nach Auffassung der Kammer ist § 193 Abs. 6 VVG gleichwohl kein allgemeines Aufrechnungsverbot bei privaten Krankenversicherungen im Basistarif zu entnehmen. Der Wortlaut des § 193 Abs. 6 VVG enthält schon keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine abschließende Regelung in dem oben dargelegten Sinne. Auch aus Sinn und Zweck der gesetzlichen Einführung des Basistarifs folgt kein Aufrechnungsverbot: Ziel der verpflichtenden Einführung des Basistarifs war es, bestimmten in der GKV nicht versicherungspflichtigen Personengruppen den Zugang zu einer Krankenversicherung zu erleichtern. Der Basistarif ist nach Art, Umfang und Höhe mit den Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen vergleichbar und hinsichtlich der Kosten auf den GKV-Höchstsatz gedeckelt. Der Basistarif ist daher anders als der Notlagentarif, bei dem nur die Kosten für Akutmaßnahmen übernommen werden, in wesentlichen Punkten mit anderen privaten und gesetzlichen Krankenversicherungen vergleichbar und nicht spezifisch für Situationen konzipiert worden, in denen finanzielle Engpässe beim Versicherungsnehmer auftreten. Anders als beim Notlagentarif, der gerade einen Versicherungsschutz für Notfälle gewährleisten soll, erscheint nach der ratio der gesetzlichen Regelung des Basistarifs ein allgemeines Aufrechnungsverbot nicht geboten.

Im Übrigen besteht das klägerseits vorgetragene Aufrechnungsverbot aus § 394 Satz 1 BGB i.V.m. § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO schon nach § 394 Satz 2 BGBi i.V.m. § 35 VVG nicht. Danach ist der Krankenversicherer berechtigt, fällige Prämienforderung gegen eine Forderung aus der Versicherung aufzurechnen.

b) Die Aufrechnung gegenüber dem Versicherungsnehmer entfaltet jedoch im Außenverhältnis gegenüber der Klägerin keine Wirksamkeit.

Der Versicherungsnehmer und die Beklagte haften der Klägerin für den streitgegenständlichen Anspruch nach § 192 Abs. 7 Satz 2 VVG als Gesamtschuldner. Die Klägerin ist daher nach § 421 Satz 1 BGB berechtigt, ihren Anspruch vollständig von der Beklagten einzufordern; gemäß § 421 Satz 2 BGB ist die Beklagte als Gesamtschuldnerin bis zur Bewirkung der ganzen Leistung der Klägerin gegenüber zur Leistungserbringung verpflichtet. Nach der gesetzlichen Konzeption der Gesamtschuld sind dabei Leistungen und andere Vorgänge im Innenverhältnis der Gesamtschuldner für den Anspruch des Gläubigers gegen die Gesamtschuldner unerheblich.

Auch die Bestimmung in § 192 Abs. 7 Satz 1 VVG, wonach die Leistungspflicht des Versicherers besteht, soweit dieser aus dem Versicherungsverhältnis zur Leistung verpflichtet ist, führt zu keiner Beschränkung des Anspruchs der Klägerin. Zum Teil wird in der Literatur diese Bestimmung zwar dahingehend ausgelegt, dass dem Leistungserbringer sämtliche Einwendungen aus dem Versicherungsverhältnis entgegengehalten werden können (vgl. Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, § 192 Rn. 225). Nach Auffassung der Kamer ist der Wortlaut der Norm allerdings nicht derart weit zu interpretieren. Nach der gesetzlichen Konzeption soll der in § 192 Abs. 7 VVG normierte Direktanspruch gegen den Versicherer als Ausgleich für die Pflicht der Behandler dienen, Privatpatienten im Basistarif zu vergleichbaren Konditionen wie Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung – und damit zu niedrigeren Konditionen als gewöhnliche privat Krankenversicherte – zu behandeln (vgl. Kalis in Münchener Kommentar zum VVG, 1. Auflage 2009, § 192 Rn. 221). Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber auch das Bonitäts- und Inkassorisiko in Entsprechung der Situation bei gesetzlich Krankenversicherten von den Leistungserbringern auf die Versicherer verlagern wollte. Die Vorschrift des § 192 Abs. 7 Satz 1 VVG ist daher dahingehend auszulegen, dass der Versicherer eine Leistung an den Leistungserbringer nur in dem tariflich vereinbarten Umfang schuldet (vgl. Marko, Private Krankenversicherung, 2. Auflage 2010, Rn. 90). Wurde demnach eine Leistungspflicht in bestimmter Höhe zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer ausgeschlossen, muss der Versicherer insoweit auch nicht gegenüber dem Leistungserbringer leisten. Soweit demgegenüber im Innenverhältnis zum Versicherungsnehmer eine Leistungspflicht des Versicherers aus anderen Gründen wie einer Aufrechnung nicht besteht, lässt dies die Leistungspflicht im Außenverhältnis zum Leistungserbringer unberührt, da andernfalls die gesetzlich intendierte Privilegierung der Leistungserbringer in Bezug auf im Basistarif privat Krankenversicherte – die wie dargelegt dem Ausgleich anderweitiger aus dem Basistarif folgender Nachteile der Leistungserbringer dient – unterlaufen würde.

3. Der Anspruch der Klägerin ist überdies nicht aufgrund der Zahlung von 50,70 € durch die Beklagte unmittelbar an ihren Versicherungsnehmer in dieser Höhe erloschen.

Insofern gelten die zur Aufrechnung gegenüber dem Versicherungsnehmer dargelegten Erwägungen entsprechend. Die Beklagte ist nach § 192 Abs. 7 Satz 2 VVG i.V.m. § 421 BGB als Gesamtschuldnerin im Außenverhältnis zur vollständigen Erbringung der Leistung verpflichtet. Ihre Leistungspflicht ist nach § 192 Abs. 7 Satz 1 VVG wie dargelegt nur in Bezug auf den tariflichen vereinbarten Umfang beschränkt, sodass Erfüllungsleistungen an den Versicherungsnehmer unbeachtlich sind (vgl. Marko, a.a.O., Rn. 91; Rogler in Rüffer/Halbach/Schimikowski, Versicherungsvertragsgesetz, 2. Auflage 2011, Rn. 48). Zudem kann sich der Versicherer in Bezug auf Erfüllungsleistungen über § 6 Abs. 3 und 4 MB/BT vor doppelter Inanspruchnahme schützen. Im Übrigen steht dem Versicherer hinsichtlich des zur Erfüllung Geleisteten ein Anspruch aus § 426 Abs. 2 BGB gegen den Versicherungsnehmer zu.

4. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291 Satz 1 und 2, 288 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Die Revision war nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen. Die Rechtsfrage, ob der Direktanspruch des Leistungserbringers aus § 192 Abs. 7 VVG aufgrund einer Aufrechnung oder Erfüllung durch den Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer erlischt, hat eine über den vorliegenden Einzelfall hinausgehende rechtsgrundsätzliche Bedeutung und ist höchstrichterlich noch nicht geklärt.

IV.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.552,30 € festgesetzt.