14.07.2015 · IWW-Abrufnummer 144892
Europäischer Gerichtshof: Urteil vom 14.06.2001 – C-191/99
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Verfahrensgegenstand:
betreffend ein Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 2 Buchstaben c und d sowie 3 der Zweiten Richtlinie 88/357/EWG des Rates vom 22. Juni 1988 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 73/239/EWG (ABl. L 172, S. 1)
Prozessführer:
Kvaerner plc
Prozessgegner:
Staatssecretaris van Financiën
EuGH, 14.06.2001 - C 191/99
hat
der Gerichtshof
unter Mitwirkung
des Präsidenten der Dritten und der Sechsten Kammer C. Gulmann in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten,
der Kammerpräsidenten A. La Pergola, M. Wathelet (Berichterstatter) und V. Skouris,
der Richter D. A. O. Edward, J.-P. Puissochet, P. Jann, L. Sevón, R. Schintgen sowie der Richterinnen
F. Macken und N. Colneric,
Generalanwalt: F. G. Jacobs
Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Abteilungsleiterin
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
der niederländischen Regierung, vertreten durch M. A. Fierstra als Bevollmächtigten;
der deutschen Regierung, vertreten durch W.-D. Plessing als Bevollmächtigten;
der französischen Regierung, vertreten durch R. Abraham und S. Seam als Bevollmächtigte;
der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch M. Ewing als Bevollmächtigten im Beistand von A. Robertson, Barrister;
der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Tufvesson und H. M. H. Speyart als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Kvaerner plc, vertreten durch F. Bracht, belastingadviseur, der französischen Regierung, vertreten durch R. Abraham und S. Seam, und der Kommission, vertreten durch H. M. H. Speyart, in der Sitzung vom 8. November 2000,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. Januar 2001,
für Rechterkannt und entschieden:
Tenor:
1.
Die Artikel 2 Buchstaben c und d letzter Gedankenstrich und 3 der Zweiten Richtlinie 88/357/EWG des Rates vom 22. Juni 1988 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 73/239/EWG lassen es zu, dass ein Mitgliedstaat bei einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen juristischen Person Versicherungsteuer erhebt auf die von dieser juristischen Person an einen ebenfalls in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Versicherer gezahlten Prämien zur Deckung der betrieblichen Risiken ihrer in dem die Steuer erhebenden Mitgliedstaat niedergelassenen unmittelbaren oder mittelbaren Tochtergesellschaft. Das Gleiche gilt, wenn es sich bei der juristischen Person, die die Prämien gezahlt hat, und derjenigen, deren betriebliche Risiken gedeckt werden, um zwei Gesellschaften desselben Konzerns handelt, die in anderer Weise als durch eine Mutter-Tochter-Beziehung verbunden sind.
2.
Für die Auslegung der Begriffe Versicherungsnehmer oder Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d letzter Gedankenstrich der Richtlinie 88/357 kommt es nicht darauf an, wie die Prämie für das versicherte Risiko innerhalb eines Konzerns in Rechnung gestellt oder gezahlt wird.
Gründe:
1.
Der Hoge Raad der Nederlanden hat mit Urteil vom 19. Mai 1999, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Mai 1999, gemäß Artikel 234 EG drei Fragen nach der Auslegung der Artikel 2 Buchstaben c und d sowie 3 der Zweiten Richtlinie 88/357/EWG des Rates vom 22. Juni 1988 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 73/239/EWG (ABl. L 172, S. 1, im Folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit der Kvaerner plc (im Folgenden: Kvaerner) gegen den Staatssecretaris van Financiën (niederländischer Staatssekretär für Finanzen) über die Nacherhebung von Steuern für den Teil der von Kvaerner gezahlten Versicherungsprämien, der sich auf die Deckung der Risiken aus der Geschäftstätigkeit einer in den Niederlanden niedergelassenen mittelbaren Tochtergesellschaft in der Zeit vom 1. Juli 1990 bis 31. Mai 1994 bezieht.
Rechtslage
Die Gemeinschaftsregelung
3.
Die Richtlinie war die zu der im Ausgangsverfahren entscheidungserheblichen Zeit maßgebende Gemeinschaftsregelung. Es handelte sich um die zweite Richtlinie auf dem Gebiet der Schadenversicherung. Nach ihrem Artikel 1 waren Gegenstand dieser Richtlinie die Ergänzung der ersten Richtlinie auf diesem Gebiet, d. h. der Ersten Richtlinie 73/239/EWG des Rates vom 24. Juli 1973 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) (ABl. L 228 S. 3), sowie die Festlegung von Sonderbestimmungen betreffend den freien Dienstleistungsverkehr für die Unternehmen und die Versicherungszweige, die Gegenstand der genannten Richtlinie sind.
4.
Die erste und die dritte Begründungserwägung der Richtlinie haben folgenden Wortlaut:
Es ist notwendig, den Binnenmarkt im Versicherungswesen zu entwickeln; um dieses Ziel zu erreichen, soll es den Versicherungsunternehmen mit Geschäftssitz in der Gemeinschaft erleichtert werden, ihre Dienstleistungen in den Mitgliedstaaten zu erbringen ...
...
Aus praktischen Gründen ist es angezeigt, den Dienstleistungsverkehr unter Berücksichtigung der Niederlassung des Versicherers einerseits und andererseits des Ortes, in dem das Risiko belegen ist, zu definieren. Deshalb muss auch die Belegenheit eines Risikos definiert werden. Ferner ist die im Wege einer Niederlassung ausgeübte Tätigkeit von einer im freien Dienstleistungsverkehr ausgeübten Tätigkeit abzugrenzen.
5.
Die Artikel 2 und 3 der Richtlinie gehören zu Titel I Allgemeine Bestimmungen.
6.
Artikel 2 der Richtlinie bestimmt:
Im Sinne dieser Richtlinie gilt als
a)
Erste Richtlinie:
die Richtlinie 73/239/EWG,
b)
Unternehmen:
- für die Anwendung der Titel I und II:
jedes Unternehmen, das eine behördliche Zulassung nach Artikel 6 oder nach Artikel 23 der Ersten Richtlinie erhalten hat;
- für die Anwendung der Titel III und V:
jedes Unternehmen, das eine behördliche Zulassung nach Artikel 6 der genannten Richtlinie erhalten hat;
c)
Niederlassung:
der Sitz, eine Agentur oder eine Zweigniederlassung des Unternehmens unter Berücksichtigung des Artikels 3;
d)
Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist:
- bei der Versicherung entweder von Gebäuden oder von Gebäuden und den darin befindlichen Sachen, sofern diese durch die gleiche Versicherungspolice gedeckt ist, der Mitgliedstaat, in dem die Gegenstände belegen sind,
- bei der Versicherung von zugelassenen Fahrzeugen aller Art der Zulassungsmitgliedstaat,
- bei einem höchstens viermonatigen Vertrag zur Versicherung von Reise- und Ferienrisiken, ungeachtet des betreffenden Zweigs der Mitgliedstaat, in dem der Versicherungsnehmer den Vertrag geschlossen hat,
- in allen Fällen, die nicht ausdrücklich unter den vorstehenden Gedankenstrichen bezeichnet sind, der Mitgliedstaat, in dem der Versicherungsnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder, wenn der Versicherungsnehmer eine juristische Person ist, der Mitgliedstaat, in dem sich die Niederlassung dieser juristischen Person befindet, auf die sich der Vertrag bezieht;
e)
Mitgliedstaat der Niederlassung:
der Mitgliedstaat, in dem das Unternehmen niedergelassen ist, welches das Risiko deckt;
f)
Mitgliedstaat der Dienstleistung:
der Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist, das von einem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Unternehmen gedeckt wird.
7.
Artikel 3 der Richtlinie sieht vor:
Jede st ändige Präsenz eines Unternehmens im Gebiet eines Mitgliedstaats ist bei der Anwendung der Ersten Richtlinie sowie der vorliegenden Richtlinie einer Agentur oder Zweigniederlassung gleichzustellen, und zwar auch dann, wenn diese Präsenz nicht die Form einer Zweigniederlassung oder Agentur angenommen hat, sondern lediglich durch ein Büro wahrgenommen wird, das von dem eigenen Personal des Unternehmens oder einer Person geführt wird, die zwar unabhängig, aber beauftragt ist, auf Dauer für dieses Unternehmen wie eine Agentur zu handeln.
8.
Zur Besteuerung von Versicherungsumsätzen heißt es in der fünfzehnten Begründungserwägung:
In einigen Mitgliedstaaten gibt es keine Versicherungsteuer, während die meisten Mitgliedstaaten auf Versicherungsverträge besondere Steuern oder andere Abgaben einschließlich Zuschlägen für Ausgleichsorgane erheben. In den Mitgliedstaaten mit Versicherungsteuern und Abgaben bestehen jedoch erhebliche Unterschiede hinsichtlich deren Voraussetzungen und auch hinsichtlich der Steuer- bzw. Abgabensätze. Es ist zu vermeiden, dass diese Unterschiede zu Wettbewerbsverzerrungen bei den Versicherungsleistungen zwischen den Mitgliedstaaten führen. Vorbehaltlich einer weitergehenden Harmonisierung kann dem dadurch abgeholfen werden, dass man auf das Steuersystem und andere Abgabensysteme des Mitgliedstaats, in dem das Risiko belegen ist, abstellt ...
9.
Die Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, Steuern auf Versicherungsprämien zu erheben, ist in Artikel 25 Absatz 1 der Richtlinie folgendermaßen geregelt:
Unbeschadet einer späteren Harmonisierung unterliegen im Rahmen des Dienstleistungsverkehrs abgeschlossene Versicherungsverträge ausschließlich den indirekten Steuern und steuerähnlichen Abgaben, die in dem Mitgliedstaat, in dem das Risiko im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d ) belegen ist, auf Versicherungsprämien erhoben werden ...
Innerstaatliches Recht
10.
Die Besteuerung von Versicherungsverträgen wird in den Niederlanden durch die Wet op belastingen van rechtsverkeer (niederländisches Gesetz über Abgaben im Rechtsverkehr) geregelt. Diese Rechtsvorschriften wurden durch ein am 1. Juli 1990 in Kraft getretenes Gesetz vom 20. Juni 1990 (Staatsblad Nr. 332) zur Umsetzung der Richtlinie geändert.
11.
Artikel 20 der Wet op belastingen van rechtsverkeer (im Folgenden: WBR) in der durch das Gesetz vom 20. Juni 1990 geänderten Fassung hat folgenden Wortlaut:
Auf Versicherungen, bei denen das Risiko in den Niederlanden belegen ist, wird eine 'Versicherungsteuer' erhoben.
12.
Artikel 21 WBR verdeutlicht insoweit, wo das Versicherungsrisiko belegen ist:
1.
Das Versicherungsrisiko ist in den Niederlanden belegen, wenn der Versicherungsnehmer in den Niederlanden wohnt oder, falls der Versicherungsnehmer eine juristische Person ist, wenn sich die Niederlassung dieser juristischen Person, auf die sich die Versicherung bezieht, in den Niederlanden befindet.
2.
Ist Absatz 1 nicht anwendbar, so ist das Versicherungsrisiko ferner in den Niederlanden belegen, wenn sich die Versicherung bezieht auf:
a)
in den Niederlanden belegene Gebäude und die darin befindlichen Sachen, mit Ausnahme von zur Durchfuhr bestimmten Waren;
...
3.
Abweichend von Absatz 1 ist das Versicherungsrisiko nicht in den Niederlanden belegen, wenn sich die Versicherung bezieht auf:
a)
in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union belegene Gebäude und die darin befindlichen Sachen, mit Ausnahme von zur Durchfuhr bestimmten Waren;
...
4.
Unter .Niederlassung' im Sinne von Absatz 1 ist die Hauptniederlassung einer juristischen Person oder jede andere ständige Präsenz der juristischen Person, unabhängig von ihrer Form, zu verstehen.
Der Ausgangsrechtsstreit
13.
Kvaerner, eine im Vereinigten Königreich niedergelassene Gesellschaft, hält alle Anteile an der gleichfalls im Vereinigten Königreich niedergelassenen Gesellschaft John Brown plc. Über diese Tochtergesellschaft hält Kvaerner alle Anteile an der John Brown Engineers en Constructors BV (im folgenden: John Brown BV), einer in den Niederlanden niedergelassenen Gesellschaft.
14.
Kvaerner schloss bei einem im Vereinigten Königreich niedergelassenen Versicherungsunternehmen gegen die sich aus Naturkatastrophen ergebenden finanziellen Risiken Berufshaftpflichtversicherungen und weltweite Versicherungen ab, die die zu ihrem Konzern gehörenden Unternehmen schützen sollen.
15.
In den Versicherungsverträgen ist vorgesehen, dass Versicherte, gemäß den Anweisungen des Versicherungsnehmers, Kvaerner selbst und/oder ihre Tochtergesellschaften und/oder die mit ihnen verbundenen Unternehmen sein können. Kvaerner zahlt die auf diese Verträge entfallenden Versicherungsprämien unmittelbar an die Versicherungsgesellschaft und stellt den Teilbetrag, der den betrieblichen Risiken der versicherten Unternehmen entspricht, diesen in Rechnung.
16.
Kvaerner bezog in diesen Versicherungsschutz die Geschäftstätigkeit der John Brown BV ein, ohne von dieser hierzu beauftragt worden zu sein. Der Teil der von Kvaerner gezahlten Prämien, der sich auf die mit der Geschäftstätigkeit der John Brown BV verbundenen Risiken bezieht, wird dieser über die John Brown plc in Rechnung gestellt.
17.
Die niederländische Steuerverwaltung erließ gegenüber Kvaerner am 17. November 1995 einen Steuernacherhebungsbescheid gemäß Artikel 25 Absatz 3 WBR. Damit wurde von Kvaerner eine Versicherungsteuer in Höhe von 50 142 NLG für den Teil der Prämien gefordert, der ihr über die John Brown plc von der John Brown BV für die Deckung der mit ihrer Geschäftstätigkeit in der Zeit vom 1. Juli 1990 bis 31. Mai 1994 verbundenen Risiken gezahlt worden war, da diese Risiken in den Niederlanden belegen seien.
18.
Nachdem die niederländische Steuerverwaltung den von Kvaerner eingelegten Einspruch zurückgewiesen und den Steuerbescheid aufrechterhalten hatte, erhob Kvaerner gegen diese Entscheidung Klage beim Gerechtshof Amsterdam (Niederlande). Mit Urteil vom 16. Mai 1997 bestätigte der Gerechtshof den Bescheid der Steuerverwaltung. Daraufhin legte Kvaerner Kassationsbeschwerde beim Hoge Raad der Nederlanden ein.
19.
Nach den Ausführungen des Hoge Raad im Vorlageurteil können zwei Ansätze gewählt werden. Entweder gehe man im Einklang mit der Entscheidung des Gerechtshof davon aus, dass der Begriff Niederlassung in Artikel 2 der Richtlinie nicht nur den Sitz, die Agenturen und die Zweigniederlassungen, sondern auch die Tochtergesellschaften umfasse, da dieser Begriff in Artikel 3 auf jede ständige Präsenz in der dort beschriebenen Form erweitert werde. Auf diese Weise werde auch der Freiheit gemäß Artikel 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 43 EG) Rechnung getragen, für die Ausübung seiner Tätigkeiten in einem anderen Mitgliedstaat eine passende Rechtsform zu wählen. Oder man vertrete im Einklang mit dem von Kvaerner eingenommenen Standpunkt die Ansicht, dass der Ort der Niederlassung der juristischen Person der Anknüpfungspunkt für die Erhebung der Versicherungsteuer sei und dass eine Auslegung, die es ermögliche, dass eine Tochtergesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit als Niederlassung der juristischen Person, die Versicherungsnehmerin sei, angesehen werde, möglicherweise nicht mit dem Ziel der Richtlinie im Einklang stehe. Nach Auffassung des Hoge Raad hätte bei einem Sachverhalt wie dem des Ausgangsverfahrens die Auslegung des Begriffes der Niederlassung der juristischen Person, die Versicherungsnehmerin sei, dahin gehend, dass er unmittelbare oder mittelbare Tochtergesellschaften nicht einschließe, zur Folge, dass es unmöglich wäre, die Belegenheit des Risikos zu bestimmen, es sei denn, die unmittelbare oder mittelbare Tochtergesellschaft, der die Prämie in Rechnung gestellt werde, wäre als Versicherungsnehmerin im Sinne der Artikel 2 und 3 der Richtlinie anzusehen.
Die Vorlagefragen
20.
Da der Hoge Raad der Nederlanden der Auffassung ist, dass der bei ihm anhängige Rechtsstreit Fragen nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts aufwerfe, hat er mit Urteil vom 19. Mai 1999 das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1.
Lassen es die Artikel 2 Buchstaben c und d und 3 der Richtlinie 88/357/EWG vom 22. Juni 1988 zu, dass ein Mitgliedstaat bei einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen juristischen Person Versicherungsteuer erhebt auf die von dieser an einen ebenfalls in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Versicherer gezahlten Prämien zur Deckung von betrieblichen Risiken der in dem die Steuer erhebenden Mitgliedstaat niedergelassenen (Enkel-)Tochtergesellschaft?
2.
Macht es für die Beantwortung der ersten Frage einen Unterschied, ob der Versicherungsnehmer nicht die Muttergesellschaft (oder die diese beherrschende Gesellschaft) ist, sondern eine beliebige andere Gesellschaft des Konzerns (z. B. eine Captive insurance company)?
3.
Macht es für die Beantwortung der ersten und der zweiten Frage oder für die Auslegung der Begriffe Versicherungsnehmer oder Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist einen Unterschied, ob die Versicherungsprämie, diesich auf das versicherte Risiko bezieht, der (Enkel-)Tochtergesellschaft (ganz oder teilweise) in Rechnung gestellt wird?
Zur ersten und zur zweiten Vorlagefrage
21.
Mit der ersten und der zweiten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es die Artikel 2 Buchstaben c und d und 3 der Richtlinie zulassen, dass ein Mitgliedstaat bei einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen juristischen Person Versicherungsteuer erhebt auf die von dieser juristischen Person an einen ebenfalls in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Versicherer gezahlten Prämien zur Deckung der betrieblichen Risiken ihrer in dem die Steuer erhebenden Mitgliedstaat niedergelassenen unmittelbaren oder mittelbaren Tochtergesellschaft. Es fragt, ob das Gleiche gilt, wenn es sich bei der juristischen Person, die die Prämien gezahlt hat, und derjenigen, deren betriebliche Risiken gedeckt werden, um zwei Gesellschaften desselben Konzerns handelt, die in anderer Weise als durch eine Mutter-Tochter-Beziehung verbunden sind.
22.
Kvaerner und die Regierung des Vereinigten Königreichs sind der Meinung, die Richtlinie verbiete es, dass die niederländische Versicherungsteuer von Kvaerner für die Prämien gefordert werde, die sie im Vereinigten Königreich zur Deckung der mit der Geschäftstätigkeit der John Brown BV verbundenen Risiken gezahlt und die diese ihr über die John Brown plc erstattet habe. Die Regierung des Vereinigten Königreichs vertritt die Ansicht, aus der Definition der Niederlassung in Artikel 2 Buchstabe c der Richtlinie gehe eindeutig hervor, dass eine Tochtergesellschaft keine Niederlassung im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d der Richtlinie darstellen könne. Die Regierung des Vereinigten Königreichs weist gleichwohl darauf hin, dass ihrer Ansicht nach die John Brown BV selbst die Versicherungsnehmerin sein könne, wenn sich herausstelle, dass Kvaerner sie im Rahmen dieser Versicherungsverträge tatsächlich als Beauftragter vertreten habe. Nach Ansicht von Kvaerner lässt sich der Begriff der Niederlassung des Versicherungsnehmers nicht so auslegen, dass er auch die Tochtergesellschaften umfasse, die völlig eigenständige juristische Personen seien, da Artikel 2 Buchstabe d den Begriff Niederlassung des Versicherungsnehmers allein in dem Fall verwende, in dem der Versicherungsnehmer eine juristische Person sei.
23.
Demgegenüber vertreten die niederländische, die deutsche und die französische Regierung sowie die Kommission unter Verwendung verschiedener Argumente die Meinung, dass die niederländischen Behörden berechtigt seien, die Prämien zu besteuern, die zur Deckung der mit der Geschäftstätigkeit der John Brown BV verbundenen Risiken gezahlt würden.
24.
Die niederländische Regierung trägt vor, der Begriff Niederlassung werde in Artikel 2 Buchstabe c und in Artikel 2 Buchstabe d der Richtlinie jeweils in unterschiedlichem Zusammenhang gebraucht. Die Bestimmungen in Artikel 2 Buchstabe c in Verbindung mit Artikel 3 der Richtlinie legten die Niederlassung des Versicherers nur im Rahmen der Richtlinien auf dem Gebiet der Schadenversicherung fest, während Artikel 2Buchstabe d die Niederlassung des Versicherungsnehmers betreffe. Dieser letztgenannte Begriff, der in der Richtlinie nicht definiert sei, müsse unter Bezugnahme auf Artikel 52 des Vertrages ausgelegt werden und umfasse daher die Tochtergesellschaften.
25.
Die deutsche Regierung vertritt auf der Grundlage von Artikel 2 Buchstabe c in Verbindung mit Artikel 3 der Richtlinie die Ansicht, dass jede ständige Präsenz einschließlich einer Tochtergesellschaft eine Niederlassung im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d der Richtlinie darstelle.
26.
Die niederländische und die deutsche Regierung tragen somit beide vor, dass im Ausgangsverfahren das Königreich der Niederlande im Sinne der Richtlinie der Mitgliedstaat sei, in dem sich die Niederlassung des Versicherungsnehmers befinde, auf die sich der Vertrag beziehe, und in dem somit das Risiko belegen sei.
27.
Nach Ansicht der französischen Regierung ist für die Zwecke der Richtlinie die John Brown BV als Versicherungsnehmerin anzusehen, so dass die Niederlande der Mitgliedstaat seien, in dem das Risiko belegen sei.
28.
Die Kommission trägt vor, dass Artikel 2 Buchstabe c der Richtlinie nicht so ausgelegt werden könne, dass unter Niederlassung auch die Tochtergesellschaften zu verstehen seien, dass aber der Begriff Niederlassung in Artikel 2 Buchstabe d der Richtlinie anders, nämlich unter Anknüpfung an den Ort auszulegen sei, an dem die Tätigkeit ausgeübt werde, deren Risiken gedeckt werden sollten. Dementsprechend sei Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist, der Mitgliedstaat der Niederlassung der Zweigniederlassung oder der Agentur oder, bei konzernbezogenen Versicherungen, der Mitgliedstaat, in dem die konzernangehörige Gesellschaft des Versicherungsnehmers niedergelassen sei, auf deren Tätigkeiten sich der maßgebende Teil der Versicherungspolice beziehe.
W ürdigung durch den Gerichtshof
29.
Für die Beantwortung der ersten und der zweiten Frage ist festzustellen, ob die unmittelbare oder mittelbare Tochtergesellschaft einer Gesellschaft, die Versicherungsnehmerin ist, d. h. ein Unternehmen, das demselben Konzern angehört wie diese Gesellschaft, ohne dass es sich um deren Tochtergesellschaft, Agentur oder Zweigniederlassung handelt, als eine Niederlassung dieser Gesellschaft im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d letzter Gedankenstrich der Richtlinie angesehen werden kann.
30.
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes sind bei der Auslegung einer Gemeinschaftsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. Urteile vom 17. November 1983 in der Rechtssache 292/82, Merck, Slg. 1983, 3781, Randnr. 12, vom 21. Februar 1984 in der Rechtssache 337/82, St. Nikolaus Brennerei und Likörfabrik, Slg. 1984, 1051, Randnr. 10, vom 14. Oktober 1999 in der Rechtssache C-223/98, Adidas, Slg. 1999, I-7081, Randnr. 23, vom 18. Mai 2000 in der Rechtssache C-301/98, KVS International, Slg. 2000, I-3583, Randnr. 21, undvom 19. September 2000 in der Rechtssache C-156/98, Deutschland/Kommission, Slg. 2000, I-6857, Randnr. 50).
31.
Insoweit ergibt sich aus einer Prüfung von Artikel 2 Buchstabe c und Artikel 2 Buchstabe d letzter Gedankenstrich der Richtlinie, dass der Begriff Niederlassung dort in zwei unterschiedlichen Zusammenhängen gebraucht wird. Artikel 2 Buchstabe c betrifft unter Berücksichtigung der Definition des Begriffes Unternehmen in Artikel 2 Buchstabe b der Richtlinie die Niederlassung des Unternehmens, das die Versicherungsdienstleistung erbringt, während Artikel 2 Buchstabe d letzter Gedankenstrich die Niederlassung des Versicherungsnehmers betrifft. Wie die niederländische Regierung und die Kommission betonen, ist zwischen diesen beiden Bedeutungen zu unterscheiden.
32.
Artikel 2 Buchstabe c der Richtlinie definiert Niederlassung nämlich als Sitz, Agentur oder Zweigniederlassung des Unternehmens, und nach Artikel 2 Buchstabe b gilt als Unternehmen, u. a. für die Anwendung von Artikel 2 der Richtlinie, ein Unternehmen, das eine behördliche Zulassung für die Erbringung von Versicherungsdienstleistungen erhalten hat.
33.
Die Richtlinie verwendet den so definierten Begriff der Niederlassung, um - wie u. a. aus ihrer dritten Begründungserwägung hervorgeht - zwischen der Ausübung von Schadenversicherungstätigkeiten durch eine Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat, die durch die Erste Richtlinie 73/239 gewährleistet und geregelt wird, und der Ausübung dieser Tätigkeiten durch grenzüberschreitende Dienstleistung, die durch die Richtlinie gewährleistet und geregelt wird, zu unterscheiden.
34.
Diese Unterscheidung spiegelt sich auch in Artikel 2 Buchstabe e der Richtlinie wider, der den Mitgliedstaat der Niederlassung definiert als den Mitgliedstaat, in dem das Unternehmen niedergelassen ist, das das Risiko deckt, sowie in Artikel 2 Buchstabe f der Richtlinie, der den Mitgliedstaat der Dienstleistung definiert als den Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist, das von einem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Unternehmen gedeckt wird.
35.
Die Definition des Begriffes Niederlassung in Artikel 2 Buchstabe c der Richtlinie bezieht sich daher nur auf die Niederlassung einer Versicherungsgesellschaft. Zu bestimmen bleibt ihre Tragweite.
36.
Insoweit kann dem Vorbringen der deutschen Regierung nicht gefolgt werden, dass der Begriff Niederlassung in Artikel 2 Buchstabe c der Richtlinie auf Tochtergesellschaften ausgedehnt werden müsse, da diese eine Form ständiger Präsenz darstellten und da Artikel 3, der bei der Definition der Niederlassung in Artikel 2 Buchstabe c der Richtlinie ausdrücklich zu berücksichtigen sei, jede ständige Präsenz eines Unternehmens im Gebiet eines Mitgliedstaats einer Agentur oder Zweigniederlassung gleichstelle.
37.
Artikel 3 der Richtlinie sieht zwar die Gleichstellung jeder ständigen Präsenz eines Unternehmens im Gebiet eines Mitgliedstaats mit einer Agentur oder Zweigniederlassung vor, macht aber deutlich, dass dies auch dann der Fall sein muss, wenn diese Präsenz nicht die Form einer Zweigniederlassung oder Agentur angenommen hat, sondern lediglich durch ein Büro wahrgenommen wird, das von dem eigenen Personal des Unternehmens oder einer Person geführt wird, die zwar unabhängig, aber beauftragt ist, auf Dauer für dieses Unternehmen wie eine Agentur zu handeln.
38.
In den Wortlaut von Artikel 3 der Richtlinie haben somit die Ausführungen des Gerichtshofes in dem anderthalb Jahre vor Erlass dieser Richtlinie erlassenen Urteil vom 4. Dezember 1986 in der Rechtssache 205/84 (Kommission/Deutschland, Slg. 1986, 3755, Randnr. 21) Eingang gefunden. In diesem Urteil ging es um die Frage, welche Art von Präsenz, ohne der Form nach eine Zweigniederlassung oder Agentur zu sein, gleichwohl hinreichend dauerhaft ist, um die Niederlassung des Unternehmens in einem anderen Mitgliedstaat zu belegen, und damit eher den Bestimmungen des Vertrages über das Niederlassungsrecht als denen über die Dienstleistungsfreiheit unterliegt. In Randnummer 21 dieses Urteils hat der Gerichtshof ausgeführt, dass ein Versicherungsunternehmen eines Mitgliedstaats, das in einem anderen Mitgliedstaat eine ständige Präsenz aufrechterh ält, die nicht die Form einer Zweigniederlassung oder einer Agentur angenommen hat, sondern lediglich durch ein Büro wahrgenommen wird, das von dem eigenen Personal des Unternehmens oder von einer Person geführt wird, die zwar unabhängig, aber beauftragt ist, auf Dauer für dieses Unternehmen wie eine Agentur zu handeln, den Bestimmungen des Vertrages über das Niederlassungsrecht und nicht denen über die Dienstleistungsfreiheit unterliegt.
39.
Artikel 3 der Richtlinie ist dementsprechend dahin auszulegen, dass dort der Begriff Agentur oder ... Zweigniederlassung in Artikel 2 Buchstabe c der Richtlinie so erweitert wird, dass er, unabhängig von der verwendeten förmlichen Bezeichnung, im weitesten Sinne gilt. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass eine Tochtergesellschaft eine Form ständiger Präsenz darstellte, die einer Agentur oder Zweigniederlassung gleichzustellen und damit als eine Niederlassung im Sinne von Artikel 2 Buchstabe c der Richtlinie anzusehen wäre.
40.
Im Übrigen würde die Gleichstellung einer Tochtergesellschaft mit einer Agentur oder Zweigniederlassung im Sinne von Artikel 2 Buchstabe c der Richtlinie zu einem Problem für die Auslegung der Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 73/239 und 88/357 (Dritte Richtlinie Schadenversicherung) (ABl. L 228, S. 1) führen. In Artikel 1 Buchstabe b der Richtlinie 92/49 ist der Begriff Zweigniederlassung nämlich als jede Agentur oder Zweigniederlassung eines Versicherungsunternehmens unter Berücksichtigung des Artikels 3 der Richtlinie 88/357/EWG definiert, während Tochterunternehmen in Artikel 1 Buchstabe i anders definiert wird.
41.
Angesichts der vorstehenden Erwägungen umfasst die Definition des Begriffes Niederlassung in Artikel 2 Buchstabe c der Richtlinie nicht die Tochtergesellschaften.
42.
Zu Artikel 2 Buchstabe d letzter Gedankenstrich der Richtlinie ist festzustellen, dass der Begriff Niederlassung dort gebraucht wird, um den Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist, zu bestimmen. Als die von dieser Bestimmung erfasste Niederlassung wird ausdrücklich die des Versicherungsnehmers bezeichnet, und der Begriff der Niederlassung kann daher nicht die Bedeutung haben, die ihm Artikel 2 Buchstabe c der Richtlinie zuweist.
43.
Für die Auslegung des in Artikel 2 Buchstabe d letzter Gedankenstrich der Richtlinie verwendeten Begriffes Niederlassung und insbesondere die Feststellung, ob er so ausgelegt werden kann, als bezeichnete er eine unmittelbare oder mittelbare Tochtergesellschaft der juristischen Person, die Versicherungsnehmerin ist, sind, wie in Randnummer 30 des vorliegenden Urteils ausgeführt, der Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der diese Bestimmung gehört, verfolgt werden.
44.
Aus Artikel 2 Buchstabe d erster bis vierter Gedankenstrich der Richtlinie geht hervor, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber für alle versicherten Risiken eine Lösung vorschlagen wollte, die die Bestimmung des Staates, in dem das Risiko belegen ist, dadurch ermöglicht, dass sie auf konkrete und physische Merkmale statt auf rechtliche Merkmale abstellt. Jedem Risiko sollte ein konkreter Anknüpfungspunkt entsprechen, der seine Zuordnung zu einem bestimmten Mitgliedstaat ermöglicht.
45.
Falls der Vertrag Gebäude betrifft, ist somit der Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist, gemäß Artikel 2 Buchstabe d erster Gedankenstrich der Richtlinie der Mitgliedstaat, in dem die Gegenstände belegen sind. Falls der Vertrag ein Fahrzeug betrifft, ist der Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist, gemäß Artikel 2 Buchstabe d zweiter Gedankenstrich der Richtlinie der Zulassungsmitgliedstaat, auch wenn es sich nicht um den Mitgliedstaat handelt, in dem das Fahrzeug benutzt wird. Bezieht sich ein für kurze Zeit geschlossener Vertrag auf die Versicherung von Reise- und Ferienrisiken, ist der Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist, gemäß Artikel 2 Buchstabe d dritter Gedankenstrich der Richtlinie der Mitgliedstaat, in dem der Versicherungsnehmer den Vertrag geschlossen hat.
46.
Durch Artikel 2 Buchstabe d letzter Gedankenstrich der Richtlinie wollte der Gemeinschaftsgesetzgeber die Bestimmung des Mitgliedstaats, in dem das Risiko belegen ist, in allen in den vorstehenden Gedankenstrichen nicht erfassten Fällen ermöglichen. Artikel 2 Buchstabe d letzter Gedankenstrich dient daher u. a. dem Zweck, eine Auffangregelung für die Bestimmung des Ortes zu treffen, an dem ein betriebliches Risiko belegen ist, wenn dieses Risiko nicht speziell mit einem Gebäude, einem Fahrzeug oder einer Reise verbunden ist. Zu diesem Zweck wird auf den Ort abgestellt, an dem die Tätigkeit ausgeübt wird, deren Risiko durch den Vertrag gedecktwird. Dafür hat der Gesetzgeber das Merkmal des gewöhnlichen Aufenthalts des Versicherungsnehmers, wenn dieser eine natürliche Person ist, und das Merkmal der Niederlassung, auf die sich der Vertrag bezieht, wenn es sich um eine juristische Person handelt, herangezogen.
47.
Es wäre aber nicht möglich, den Ort der Belegenheit des Risikos zu bestimmen, wenn unter Umständen wie denen des Ausgangsfalles, d. h., wenn eine in einem Mitgliedstaat niedergelassene Muttergesellschaft bei einem Versicherer im selben Staat eine Versicherung abgeschlossen hat, um die mit der Tätigkeit einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen mittelbaren Tochtergesellschaft verbundenen Risiken zu decken, der Begriff Niederlassung des Versicherungsnehmers im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d letzter Gedankenstrich der Richtlinie nicht auch eine Tochtergesellschaft dieses Versicherungsnehmers erfasste. Dies kann nicht Absicht des Gemeinschaftsgesetzgebers gewesen sein.
48.
Dies gilt um so mehr, als der Begriff Niederlassung im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d letzter Gedankenstrich der Richtlinie für die Anwendung von Artikel 25 der Richtlinie entscheidend ist, der die Befugnis zur Besteuerung von Versicherungsprämien dem Mitgliedstaat vorbehält, in dem das Risiko belegen ist.
49.
Im Licht der fünfzehnten Begründungserwägung der Richtlinie zeigt sich, dass mit Artikel 25 der Richtlinie die Gefahr gemindert werden soll, dass Unterschiede hinsichtlich der Voraussetzungen und der Steuersätze der Versicherungsteuer zu Wettbewerbsverzerrungen bei den Versicherungsleistungen zwischen den Mitgliedstaaten führen.
50.
Die Entscheidung für die Belegenheit des Risikos als ausschlaggebendes Merkmal zur Bestimmung des zur Besteuerung befugten Staates ist geeignet, Wettbewerbsverzerrungen zwischen den in den einzelnen Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen, die Versicherungsleistungen anbieten, zu beseitigen.
51.
Diese Entscheidung ermöglicht es darüber hinaus, wie die Regierung des Vereinigten Königreichs hervorhebt, die Gefahr einer Doppelbesteuerung sowie die Möglichkeit auszuschließen, sich der Besteuerung zu entziehen, da jedem Risiko eine Niederlassung und damit ein Mitgliedstaat entspricht. Zum einen kann nämlich kein Risiko auf mehrere Niederlassungen entfallen, so dass es nicht zu einer Doppelbesteuerung kommen kann. Zum anderen kann sich ein Versicherungsnehmer nicht der Steuerschuld in einem bestimmten Mitgliedstaat entziehen, da das Bestehen einer Niederlassung und eines zu dieser Niederlassung gehörenden Risikos an objektiv nachprüfbare Merkmale geknüpft ist.
52.
Wie die Kommission vorgetragen hat, wollte der Gemeinschaftsgesetzgeber mit den Bestimmungen des Artikels 2 Buchstabe d letzter Gedankenstrich in Verbindung mit Artikel 25 der Richtlinie dafür sorgen, dass die Befugnis zur Besteuerung so weit wie möglich auf der Grundlage eines sachlichen und objektiven Merkmals anerkannt wird, ungeachtet der Rechtslage des Versicherungsnehmers und unter Konzentration auf denOrt der Tätigkeiten, deren Risiken gedeckt sind. Legte man den Begriff Niederlassung in Artikel 2 Buchstabe d letzter Gedankenstrich der Richtlinie so aus, dass Tochtergesellschaften ausgeschlossen wären, würde dies eine nicht den wirklichen Verhältnissen entsprechende Verwendung des Begriffes Belegenheit des Risikos und damit der Steuerpflichtigkeit ermöglichen, was dem mit der Richtlinie verfolgten Ziel der Verminderung von Wettbewerbsverzerrungen zuwider liefe. Eine solche Auslegung k önnte außerdem dazu führen, dass es unter bestimmten Umständen unmöglich wäre, die Belegenheit des Risikos zu bestimmen. Beides lässt sich aber mit der Artikel 25 der Richtlinie zugrunde liegenden Absicht nicht in Einklang bringen.
53.
Aus der Prüfung der mit Artikel 2 Buchstabe d letzter Gedankenstrich der Richtlinie und mit der Regelung, zu der diese Bestimmung gehört, verfolgten Ziele ergibt sich daher, dass der dort verwendete Begriff der Niederlassung so auszulegen ist, dass er unmittelbare oder mittelbare Tochtergesellschaften der juristischen Person, die Versicherungsnehmerin ist, einschließt.
54.
Diese Auslegung des Artikels 2 Buchstabe d letzter Gedankenstrich der Richtlinie wird im Übrigen durch die auslegende Erklärung zu dieser Bestimmung bestätigt, die der gemäß Artikel 1 der Richtlinie 91/675/EWG des Rates vom 19. Dezember 1991 über die Einrichtung eines Versicherungsausschusses (ABl. L 374, S. 32) eingerichtete Versicherungsausschuss in seiner 16.Sitzung vom 8. April 1997 abgegeben hat und in der es heißt:
Deckt ein einziger Versicherungsvertrag Risiken/Verpflichtungen, die zu Tochtergesellschaften oder Zweigniederlassungen des Versicherungsnehmers gehören, so ist der Ort der Belegenheit der einzelnen durch diesen Vertrag gedeckten Risiken/Verpflichtungen für jedes Risiko/jede Verpflichtung gemäß den Bestimmungen des Artikels 2 Buchstabe d letzter Gedankenstrich der Zweiten Richtlinie 88/357/EWG über die Schadenversicherung und des Artikels 2 Buchstabe e der Zweiten Richtlinie 90/619/EWG über die Lebensversicherung einzeln zu bestimmen.
55.
Außerdem würden, wie die Kommission geltend macht, die Ziele der Richtlinie auch verfehlt, wenn unter den Begriff Niederlassung im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d letzter Gedankenstrich der Richtlinie nur die Tochtergesellschaften fielen, für die die Muttergesellschaft einen Versicherungsvertrag abgeschlossen hat, und nicht ganz allgemein alle Unternehmen eines Konzerns. Wäre dies der Fall, könnten nämlich die geltenden Vorschriften dadurch umgangen werden, dass eine Gesellschaft, die zu den anderen versicherten Gesellschaften im Konzern nicht in einer Mutter-Tochter-Beziehung steht, damit beauftragt würde, alle Versicherungsverträge für den Konzern abzuschließen.
56.
Somit ist der in Artikel 2 Buchstabe d letzter Gedankenstrich der Richtlinie verwendete Begriff Niederlassung dahin auszulegen, dass er alle in einem Konzern miteinander verbundenen Gesellschaften erfasst, wenn eine dieser Gesellschaften einenVersicherungsvertrag mit Wirkung für andere konzernangehörige Gesellschaften abschließt.
57.
Dementsprechend ist auf die erste und die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass es die Artikel 2 Buchstaben c und d letzter Gedankenstrich und 3 der Richtlinie zulassen, dass ein Mitgliedstaat bei einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen juristischen Person Versicherungsteuer erhebt auf die von dieser juristischen Person an einen ebenfalls in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Versicherer gezahlten Prämien zur Deckung der betrieblichen Risiken ihrer in dem die Steuer erhebenden Mitgliedstaat niedergelassenen unmittelbaren oder mittelbaren Tochtergesellschaft. Das Gleiche gilt, wenn es sich bei der juristischen Person, die die Prämien gezahlt hat, und derjenigen, deren betriebliche Risiken gedeckt werden, um zwei Gesellschaften desselben Konzerns handelt, die in anderer Weise als durch eine Mutter-Tochter-Beziehung verbunden sind.
Zur dritten Vorlagefrage
58.
Mit seiner dritten Frage möchte der Hoge Raad der Nederlanden wissen, ob es sich auf die Auslegung der Begriffe Versicherungsnehmer oder Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d letzter Gedankenstrich der Richtlinie und damit auf die Antwort auf die erste und die zweite Frage auswirkt, wenn die Versicherungsprämie, die sich auf das versicherte Risiko bezieht, der unmittelbaren oder mittelbaren Tochtergesellschaft vollständig oder teilweise in Rechnung gestellt wird.
59.
Mit der niederländischen und der deutschen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs sowie der Kommission ist festzustellen, dass die Auslegung der betreffenden Gemeinschaftsregelung im Ausgangsverfahren nicht von Vereinbarungen abhängen kann, die innerhalb eines Konzerns auf dem Gebiet der Rechnungsstellung und Zahlung getroffen werden. Insbesondere können sich solche subjektiven Merkmale nicht auf die Bestimmung des Mitgliedstaats, in dem das Risiko belegen ist, und damit des Mitgliedstaats, der für die Besteuerung des Versicherungsumsatzes zuständig ist, auswirken, weil sie zu einer Steuerumgehung führen könnten.
60.
Auf die dritte Vorlagefrage ist daher zu antworten, dass es für die Auslegung der Begriffe Versicherungsnehmer oder Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d letzter Gedankenstrich der Richtlinie nicht darauf ankommt, wie die Prämie für das versicherte Risiko innerhalb eines Konzerns in Rechnung gestellt oder gezahlt wird.
Kosten
61.
Die Auslagen der niederländischen, der deutschen und der französischen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs sowie der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteiendes Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.