25.08.2011 · IWW-Abrufnummer 113589
Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 16.06.2011 – 11 K 2096/09
Eine Steuerfreiheit von Sparanteilszinsen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 kommt nur in Betracht, wenn es sich um solche aus einem nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004 begünstigen Versicherungsvertrag handelt.
Die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 2 b EStG 2004 enthält eine abschließende Aufzählung der begünstigten Versicherungsverträge.
Ein Kapitallebensversicherungsvertrages mit Kapitalwahlrecht gegen Einmalbeitrag fällt im Gegensatz zu einem entsprechenden Versicherungsvertrag gegen laufende Beitragsleistung nicht unter die Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004, mit der Folge, dass die zufließenden rechnungsmäßigen und außerrechnungsmäßigen Zinsen bei Auszahlung des Versicherungsvertrages nicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 steuerfrei sind.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die bei einer Lebensversicherung gegen Einmalzahlung mit Kapitalwahlrecht nach Ablauf der Versicherungszeit im Rahmen der Auszahlung als Kapitalabfindung ausgezahlten Sparanteilszinsen i.H.v. 54.411,-- EUR als Einkünfte aus Kapitalvermögen steuerpflichtig sind.
Die im Jahre 1941 geborene Klägerin wurde im Streitjahr 2006 zur Einkommensteuer veranlagt. Im Jahre 1993 hatte sie gegen Zahlung eines Einmalbetrages i.H.v. 100.003,-- DM mit der A eine Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht (Leibrentenversicherung auf ein Leben mit aufgeschobener Rentenzahlung, Rentengarantie und Beitragsrückgewähr) abgeschlossen. Versicherungsnehmer und versicherte Person war die Klägerin. Das Bezugsrecht stand im Erlebensfall der Klägerin und im Todesfall deren im Jahre 1980 geborenen Sohn zu. Nach dem Versicherungsschein vom 13.07.1993 begann die Versicherung am 01.08.1993, wobei die Fälligkeit der ersten Rente mit dem 01.08.2006 angegeben war. Nach den weiteren vertraglichen Abreden wurden die Renten, sofern die versicherte Person den Fälligkeitstag der ersten Rente erlebt, mindestens für die Zeit von 15 Jahren garantiert. Danach sollen die Renten so lange ausbezahlt werden, wie die versicherte Person den jeweiligen Fälligkeitstag erlebt. Beim Tode der versicherten Person vor dem Fälligkeitstag der ersten Rente soll der entrichtete Einmalbetrag zurückgezahlt werden. Anstelle der Altersrente konnte im Rahmen einer Option auf Kapitalabfindung bis einen Monat vor dem Beginn der Altersrente eine Kapitalabfindung beantragt werden, die beim Erleben des Rentenbezugsbeginns fällig wird.
Nach Ablauf der Versicherungszeit wählte die Klägerin die Auszahlung als Kapitalabfindung. Die Versicherung bestätigte mit Schreiben vom 28.07.2006, dass für den Zeitraum vom 01.08.1993 bis zum 31.07.2006 gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Einkommensteuergesetz (EStG a.F., Stand: 31.12.2004) rechnungsmäßige und außerrechnungsmäßige Sparanteilszinsen i.H.v. 54.411,-- EUR angefallen und am 11.7.2006 an die Klägerin ausgezahlt worden seien.
Der Beklagte erließ unter dem Datum des 24.04.2008 für 2006 einen Einkommensteuerbescheid, in welchem u.a. die Sparanteilszinsen i.H.v. 54.411,-- EUR bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zum Ansatz gelangten. Die von der Versicherungsgesellschaft einbehaltene und bescheinigte Kapitalertragsteuer (13.343,65 EUR) und der Solidaritätszuschlag (733,90 EUR) wurden auf die Einkommensteuerschuld angerechnet.
Das sich anschließende Einspruchsverfahren, in welchem die Klägerin im Wesentlichen geltend machte, dass es sich bei dem Versicherungsvertrag um einen sog. Altvertrag gehandelt habe, der aus rechtssystematischen Gründen und aus Gründen des Vertrauensschutzes von der Besteuerung ausgenommen sei, verlief ausweislich der Einspruchsentscheidung vom 13.07.2009 für diese erfolglos. Der Beklagte stützte sich dabei auf den Umstand, dass die Klägerin am 01.08.1993 einen Lebensversicherungsvertrag gegen eine Einmalzahlung von 100.003,-- DM abgeschlossen habe, der – angesichts des Endes der Laufzeit am 01.08.2006 – eine Laufzeit von insgesamt 13 Jahren gehabt habe. Die Klägerin habe bei Ablauf der Versicherung zwischen einer lebenslangen Rentenzahlung und einer Kapitalabfindung wählen können. Da die Klägerin die Kapitalabfindung als Auszahlungsform gewählt habe, erfüllten die aus dem Versicherungsvertrag ausgezahlten Zinsen nicht den Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 a.F. i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a.F. Die Zinsen seien gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG a.F. steuerpflichtig. Der von der Klägerin gewählte Vertragstyp sei in § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a.F. nicht erwähnt und könne daher auch zu keiner Steuerbefreiung führen. Gemäß dem BMF-Schreiben vom 22.08.2002 gehörten Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht gegen Einmalbetrag nicht zu den gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a.F. begünstigten Versicherungen. Die Erträge aus diesen nicht begünstigten Versicherungen gehörten demnach zu den Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG a.F. Auch nach dem BMF-Schreiben vom 31.08.1979 sei der vorliegende Sachverhalt steuerpflichtig. Das von der Klägerin angeführte BMF-Schreiben vom 22.12.2005 gelte nur für Lebensversicherungen, die nach dem 31.12.2004 abgeschlossen worden seien. Auch eine sinngemäße Anwendung dieses BMF-Schreibens scheide im Streitfall aus, da nach § 52 Abs. 36 EStG für die vor dem 01.01.2005 abgeschlossenen Versicherungsverträge (Altverträge) § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der am 31.12.2004 geltenden Fassung weiter anzuwenden sei. In Tz. 90 des BMF-Schreibens vom 22.12.2005 sei außerdem ausdrücklich erwähnt, dass die BMF-Schreiben vom 22.08.2002 und vom 31.08.1979 für Altverträge weiterhin anzuwenden seien.
Hiergegen richtet sich die Klage.
Die Klägerin trägt vor, dass der anteilige Überschussbetrag von 54.411,-- EUR aus der Kapitalauszahlung von 107.757,-- EUR als Überschuss aus einer typischen Lebensversicherung steuerfrei zu stellen sei. Ausweislich des Versicherungsscheins der A vom 13.07.1993 mit Optionsrecht auf Rentenzahlung oder auf Kapitalabfindung für den Erlebensfall und einem Bezugsrecht für den Todesfall zugunsten des Sohnes handele es sich um eine typische Kapitallebensversicherung. Zwar seien die ausgezahlten außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus Sparanteilen des Kapitallebensversicherungsvertrages mit Rentenwahlrecht gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F. grundsätzlich als Kapitalerträge einkommensteuerpflichtig. Vorliegend greife aber die Befreiungsvorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F. Zwar erfülle die vorliegende Versicherung nicht die Voraussetzungen für die Gewährung eines Sonderausgabenabzuges. Angesichts der konkreten Gesetzesformulierung seien jedoch für die Frage der Steuerbefreiung alleine die typisierenden Eigenschaften der den Zinsen zugrunde liegenden Versicherung maßgeblich. Für die Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F. komme es deshalb lediglich darauf an, ob der betreffende Versicherungsvertrag – wie hier – generell zu den nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a.F. begünstigten Vertragstypen gehöre. Es sei daher auch unschädlich, wenn der ausländischen Lebensversicherungsgesellschaft die Erlaubnis zum Betrieb eines nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG a.F. begünstigten Versicherungszweigs im Inland nicht erteilt worden sei. Ihre Rechtsauffassung werde auch durch die Rechtsprechung gestützt.
Die Klägerin beantragt,
den Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 24.04.2008 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 13.07.2009 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Einkünfte aus Kapitalvermögen um einen Betrag i.H.v. 54.411,-- EUR herabgesetzt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt auch im Klageverfahren die Auffassung, dass § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F. auf die im Streitfall streitigen Zinsen nicht anzuwenden sei. Damit unterlägen die in der Kapitalabfindung enthaltenen Zinsen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG a.F. als Einkünfte aus Kapitalvermögen der Einkommensteuer. Der Vertrag der Klägerin sei nicht unter § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Unterbuchst. cc EStG a.F. einzuordnen, weil dies zwingend eine Rentenversicherung gegen laufende Beitragsleistungen – und nicht wie hier gegen Einmalbetrag – voraussetze. Die in § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F. enthaltene Formulierung „i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG” führe auch nicht zu einer Auslegungsbedürftigkeit des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Unterbuchst. cc EStG a.F. Diese Formulierung sei dahingehend zu verstehen, dass es für die Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F. nur erforderlich sei, dass die Bedingungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a.F. erfüllt seien und dass damit auch Zinsen aus Versicherungsverträgen, deren Beiträge nach § 10 Abs. 2 EStG a.F. nicht zum Abzug als Sonderausgaben zugelassen seien, trotzdem unter die Regelung des § 20 Abs. 2 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F. mit der Folge der Steuerfreiheit fielen.
Dem erkennenden Senat haben bei seiner Entscheidung die den Streitfall betreffenden Verwaltungsakten vorgelegen. Wegen der Einzelheiten wird hierauf und auf die im Klageverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Beklagte hat die Sparanteilszinsen i.H.v. 54.411,-- EUR im Streitjahr 2006 zutreffend der Besteuerung nach § 52 Abs. 36 Satz 5 EStG in der am 31.12.2006 geltenden Fassung i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der am 31.12.2004 geltenden Fassung unterworfen. Die Klägerin ist hierdurch nicht in ihren Rechten verletzt (§§ 40 Abs. 1, 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung
-FGO-).
1. Da vorliegend der Versicherungsvertrag am 13.07.1993 abgeschlossen worden war, ist nach § 52 Abs. 36 Satz 5 EStG in der am 31.12.2006 geltenden Fassung für die Frage der Steuerpflicht der aus diesem Versicherungsvertrag resultierenden außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der am 31.12.2004 geltenden Fassung (nachfolgend: a.F.) maßgeblich.
2. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG a.F. gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen außerrechnungsmäßige und rechnungsmäßige Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F. gilt dies nicht für Zinsen aus Versicherungen i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG, die mit Beiträgen verrechnet oder im Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrags nach Ablauf von 12 Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt werden. Zweck dieser Freistellung ist die Förderung eigenverantwortlicher Vorsorgeleistungen (Hamacher in Korn, Kommentar zum EStG, § 20 Anm. 155).
a) Die vorliegend am 11.07.2006 ausgezahlten, hier streitigen Zinsen wurden nach dem Bestätigungsschreiben der Versicherung vom 28.07.2006 am 11.07.2006 an die Klägerin ausgezahlt. In Anbetracht des Versicherungsscheins, nach dem anstelle der Altersrente bis einen Monat vor dem Beginn der Altersrente eine Kapitalabfindung beantragt werden konnte, die beim Erleben des Rentenbezugsbeginns (01.08.2006) fällig wurde, sind vorliegend die Zinsen im Versicherungsfall i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F. und auch nach Ablauf von 12 Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt worden. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
b) Streitig ist hingegen, ob es sich bei der im Jahre 1993 abgeschlossenen Versicherung um eine nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F. steuerfreie Versicherung i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a.F. handelt. Zinsen aus Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a.F. rechnen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F. grundsätzlich nicht zu den steuerpflichtigen Einnahmen.
aa) Da § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F. lediglich Bezug auf § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a.F., nicht aber auch auf § 10 Abs. 2 EStG a.F. nimmt, kommt es für die Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F. lediglich darauf an, ob der betreffende Versicherungsvertrag generell zu den nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a.F. begünstigen Vertragstypen gehört. Die Steuerbefreiung in § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F. für Zinsen aus Lebensversicherungen ist nicht an die Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs für die Versicherungsbeiträge geknüpft (BFH-Urteil vom 01.03.2005 VIII R 47/01, BFHE 211, 436, Bundessteuerblatt II 2006, 365). Für die Steuerfreiheit ist es mithin ohne Bedeutung, ob die Versicherungsbeiträge als Sonderausgaben geltend gemacht worden sind, weil der Gesetzeswortlaut nur auf die Art der Versicherungen abstellt (Stuhrmann in Blümich, Kommentar zum EStG, § 20 Anm. 290).
bb) Bei der Beantwortung der hier streiterheblichen Frage, ob der im Jahre 1993 abgeschlossene Versicherungsvertrag generell zu den nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a.F. begünstigen Vertragstypen gehört, ist zu berücksichtigen, dass § 10 Abs. 1 Nr. 2 b EStG a.F. nach seinem Wortlaut lediglich Beiträge „zu folgenden Versicherungen auf den Erlebens- und Todesfall” betrifft:
- Risikoversicherungen, die nur für den Todesfall eine Leistung vorsehen,
- Rentenversicherungen ohne Kapitalwahlrecht,
- Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht gegen laufende Beitragsleistung, wenn das Kapitalwahlrecht nicht vor Ablauf von zwölf Jahren seit Vertragsabschluss ausgeübt werden kann,
- Kapitalversicherungen gegen laufende Beitragsleistung mit Sparanteil, wenn der Vertrag für die Dauer von mindestens zwölf Jahren abgeschlossen worden ist.
Angesichts der Formulierung „zu den folgenden Versicherungen” enthält die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 2 b EStG a.F. eine abschließende Aufzählung verschiedener Versicherungsarten. Dabei wird jedoch nur der Typus der Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht gegen laufende Beitragsleistung, nicht jedoch der Typus der Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht gegen Einmalbeitrag genannt. Da der Klägerin im Streitjahr 2006 rechnungsmäßige und außerrechnungsmäßige Zinsen im Rahmen eines Versicherungsvertrages gegen Einmalbeitrag zugeflossen sind, handelt es sich vorliegend nicht um den Zufluss von Zinsen aus den oben genannten Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a.F., was in der Folge nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F. auch nicht zur Steuerfreiheit der Zinsen führen kann (so auch Storg in Frotscher, Kommentar zum EStG, § 20 Anm. 129, 130, 131; Schlotter in Littmann, Bitz, Pust, § 20 Anm. 562, 563 sowie Harenberg/Irmer, Die Besteuerung privater Kapitaleinkünfte, 3. Aufl., Rz. 755).
Bei einer Versicherung gegen Einmalbeitrag wird beim Vertragsabschluss der Beitrag für die gesamte Laufzeit in einer einmaligen Summe gezahlt. Ein solcher Versicherungsvertrag gehört nicht zu den nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a.F. begünstigten Vertragstypen. Zwar betrifft die Vorschrift Beiträge zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall. Durch die Formulierung „zu den folgenden Versicherungen:”, die nach dem Gesetzeswortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a.F. der nachfolgenden Aufzählung konkreter Versicherungstypen vorangestellt ist, wird jedoch deutlich, dass der Gesetzgeber insoweit eine Einschränkung auf bestimmte, abschließend beschriebene Typen bestimmter Erlebens- oder Todesfallversicherungen vornimmt. So nennt § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Unterbuchst. cc EStG a.F. ausdrücklich nur Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht gegen laufende Beitragsleistungen, wenn das Kapitalwahlrecht nicht vor Ablauf von 12 Jahren seit Vertragsabschluss ausübt werden kann. Eine laufende Beitragsleistung i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Unterbuchst. cc (und auch Unterbuchst. dd) EStG a.F. liegt vor, wenn die Beitragszahlungsdauer der Laufzeit des Versicherungsvertrages entspricht. Nach der Verwaltungsauffassung ist es dabei nicht zu beanstanden, wenn die Dauer der Beitragsleistung kürzer ist als die Vertragsdauer. Die laufende Beitragsleistung darf jedoch wirtschaftlich nicht einem Einmalbeitrag gleichkommen. Dies ist nach der Verwaltungsauffassung dann nicht der Fall, wenn nach dem Vertrag eine laufende Beitragsleistung für mindestens fünf Jahre ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses vereinbart ist (vgl. BMF-Schreiben vom 20.07.1990, Bundessteuerblatt I 1990, 324 Tz. 1. sowie Heinicke in Schmidt, Kommentar zum EStG, 23. Auflage 2004, § 20 Anm. 154). Der erkennende Senat kann letztlich offen lassen, ob er sich dieser begünstigenden Verwaltungsauffassung anschließen könnte. Denn im Streitfall hat die Klägerin unstreitig keine laufenden Beitragsleistungen sondern einen Einmalbeitrag erbracht.
Im Gegensatz zu einer laufenden Beitragsleistung erübrigt sich beim Abschluss eines Rentenversicherungsvertrages mit Kapitalwahlrecht gegen Einmalbeitrag das Ansparen eines Deckungskapitals. Dadurch unterscheidet sich ein solcher Vertragstyp jedoch sowohl tatsächlich als auch rechtlich in erheblicher Weise von einem Rentenversicherungsvertrag mit Kapitalwahlrecht gegen laufende Beitragsleistung. Wird – gemäß den vertraglichen Abreden im Vertrag vom 13.07.1993 – der Einmalbeitrag im Ergebnis wieder zurückgezahlt, liegt eher eine Kapitalanlage als eine Versicherung vor.
Wegen dieses erheblichen Unterschiedes erscheint zum einen die Beschränkung der steuerlichen Privilegierung durch den Gesetzgeber in § 10 Abs. 1 Nr. 2 b EStG a.F. auf Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht gegen laufende Beitragsleistung auch angesichts der bezweckten Förderung eigenverantwortlicher Vorsorgeleistungen sachgerecht und folgerichtig. Damit erachtet es der erkennende Senat angesichts des klaren Wortlautes des Gesetzes in § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F. und der abschließenden Aufzählung in § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a.F. auch im Ergebnis als sachgerecht, dass der Beklagte im Streitfall die Steuerfreiheit nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG im Zuge fehlerfreier Gesetzesanwendung verneint hat. Dies gilt auch unter dem vom Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Gesichtspunkt, dass es sich bei dem von der allein erziehenden Klägerin am 13.07.1993 abgeschlossenen Vertrag um einen sog. kombinierten Vertrag (Mischvertrag) gehandelt haben mag, mit dem insbesondere auch der bei Vertragsabschluss 13 Jahre alte Sohn abgesichert werden sollte. Abgesehen davon, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in diesem Zusammenhang auch vorgetragen hat, dass der Vertragsabschluss im Jahre 1993 und die Zahlung des Einmalbeitrages in Höhe von 100.003,-- DM durch die Klägerin im Zuge einer „Kapitalumschichtung” vorgenommen worden sei, fällt dies wegen des konkreten Wortlautes der anzuwenden Gesetzesnormen und des dargestellten erheblichen Unterschiedes zu einem Rentenversicherungsvertrag mit Kapitalwahlrecht gegen laufende Beitragsleistung nicht in streiterheblicher Weise ins Gewicht. So rechnen auch zutreffend nach den BMF-Schreiben vom 31.08.1979 (Bundessteuerblatt I 1979, 592) und vom 22.08.2002 (Bundessteuerblatt I 2002, 827) zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG „stets” außerrechnungsmäßige und rechnungsmäßige Zinsen aus Kapitalversicherungen gegen Einmalbetrag und aus Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht gegen Einmalbetrag (vgl. auch Harenberg/Irmer, Die Besteuerung privater Kapitaleinkünfte, 3. Aufl., Rz. 755).
cc) Aufgrund der dargestellten Sach- und Rechtslage sieht der erkennende Senat zu Gunsten der Klägerin auch keine Grundlage für eine entsprechende Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F. Für eine vom Wortlaut abweichende Auslegung der genannten gesetzlichen Bestimmungen bestehen weder Anlass noch Raum. Soweit sich der Kläger dabei auf das Urteil des BFH vom 12.10.2005 (VIII R 87/03, BFHE 211, 467, Bundessteuerblatt II 2006, 251) stützt, vermag der erkennende Senat auch dem nicht zu folgen. Denn dieser Entscheidung lag eine nicht mit dem hiesigen Streitfall vergleichbare Sachverhaltskonstellation zugrunde, in welcher der Klägerseite unstreitig Zinsen aus einer Versicherung i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Unterbuchst. dd EStG a.F. nach Ablauf von 12 Jahren seit Vertragsschluss bei Weiterführung des Versicherungsvertrages zugeflossen waren. Im dortigen Fall lagen die in § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F. ausdrücklich genannten Befreiungstatbestände nicht vor, da weder Zinsen mit Beiträgen verrechnet noch im Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrages nach Ablauf von 12 Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt worden waren. Dass der BFH es in einem solchen Fall für rechtsfehlerfrei erachtet hat, dass die Vorinstanz die beim Rückkauf des Vertrages eintretende Steuerfreiheit der Zinsen im Wege des sog. „erst recht – Schlusses” auf die isolierte Auszahlung von Zinsen bei Weiterführung des Versicherungsvertrages übertragen hatte, gereicht der Klägerin nicht zum Vorteil. Denn im hiesigen Streitfall ist nach der Überzeugung des erkennenden Senates für einen sog. „erst recht – Schluss” angesichts der dargestellten Sach- und Rechtslage kein Raum. Zwar war im Streitfall der Vorsorgefall, d.h. der Versicherungsfall nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F. eingetreten, jedoch sind der Klägerin – wie bereits ausgeführt – gerade nicht Zinsen aus einem generell zu den nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a.F. gehörenden, begünstigten Vertragstyp zugeflossen. Den Vorsorgezweck sieht der Gesetzgeber nach dem abschließenden Wortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F. als gewahrt, wenn die Zinsen aus Versicherungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a.F. zufließen. Dies ist jedoch vorliegend gerade nicht der Fall, weil die Versicherung nicht gegen laufende Beitragsleistung abgeschlossen worden ist. Eine Regelungslücke ist aus den dargestellten Gründen nicht ersichtlich.
dd) Soweit die Klägerseite außergerichtlich und in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten hat, dass wesentliche Teile des Überschusses, nämlich für den Zeitraum von Juli 1993 bis Dezember 1996, also 3,5 Jahre von insgesamt 13 Jahren Gesamtlaufzeit wegen § 52 Abs. 36 Satz 4 EStG nicht steuerbar seien, vermag sich der erkennende Senat dem nicht anzuschließen. Da vorliegend der Versicherungsvertrag am 13.07.1993 abgeschlossen worden war, ist nach § 52 Abs. 36 Satz 5 EStG in der im Streitjahr 2006 geltenden Fassung für die Frage der Steuerpflicht der aus diesem Versicherungsvertrag im Jahre 2006 zugeflossenen außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der am 31.12.2004 geltenden Fassung maßgeblich.
ee) Ebenfalls nicht gefolgt werden kann der außergerichtlich im Schriftsatz vom 20.04.2009 geäußerten klägerischen Auffassung, wonach der Klägerin im Lichte des Systemwechsels Vertrauensschutz zuzubilligen sei. Insofern führt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Schriftsatz vom 20.04.2009 selbst zutreffend aus, dass im Streitfall grundsätzlich die alte Rechtslage fortgelte. Nach der alten Rechtslage sind jedoch die der Klägerin zugeflossenen Zinsen
– wie dargestellt – steuerpflichtig.
ff) Es ist deshalb nach alledem nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die der Klägerin im Jahre 2006 zugeflossenen rechnungsmäßigen und außerrechnungsmäßigen Sparanteilszinsen i.H.v. 54.411,-- EUR nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG a.F. als Einkünfte aus Kapitalvermögen der Besteuerung unterworfen und die Steuerfreiheit nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F. verneint hat.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 (FGO).