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25.01.2011 · IWW-Abrufnummer 110310

BGH: Versaeumnisurteil vom 01.12.2010 – VIII ZR 310/09

a)Ergreift ein Versicherungsunternehmen im Rahmen der Nachbearbeitung notleidender Versicherungsverträge (§ 92 Abs. 2, § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB) eigene Maßnahmen der Stornogefahrabwehr, müssen diese nach Art und Umfang ausreichend sein (Bestätigung der Senatsurteile vom 25. Mai 2005 - VIII ZR 279/04 und VIII ZR 237/04). Hierzu ist es erforderlich, dass das Versicherungsunternehmen den Versicherungsnehmer zur Erfüllung seiner Vertragspflicht ernsthaft und nachdrücklich anhält. Die bloße Übersendung eines Mahnschreibens reicht hierzu im Regelfall nicht aus.

b)Im Falle einer Stornogefahrabwehr mittels Stornogefahrmitteilung an den Versicherungsvertreter genügt das Versicherungsunternehmen seiner Nachbearbeitungspflicht, wenn es die Stornogefahrmitteilung auf eine Weise versendet, dass bei normalem Verlauf mit deren rechtzeitigem Eingang bei dem Versicherungsvertreter zu rechnen ist. Bei einer Übersendung der Stornogefahrmitteilung auf dem Postweg darf das Versicherungsunternehmen grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Postsendung ordnungsgemäß befördert wird. Deshalb führt ein ausnahmsweise eintretender Postverlust nicht dazu, dass die Stornierung des Versicherungsvertrages auf Umständen beruht, die das Versicherungsunternehmen zu vertreten hat (§ 92 Abs. 2, § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB).


Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 1. Dezember 2010
durch
den Vorsitzenden Richter Ball,
die Richterin Dr. Hessel sowie
die Richter Dr. Achilles, Dr. Schneider und Dr. Bünger
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 5. November 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Courtagevorschüssen und Organisationszuschüssen. Die Klägerin ist ein Versicherungsunternehmen. Die Parteien schlossen am 28. Dezember 2007 eine Zusammenarbeitsvereinbarung nebst Courtagezusage, wonach der Beklagte als selbständiger Handelsmakler im Sinne der §§ 93 ff. HGB der Klägerin Versicherungen vermitteln sollte. Ziffer 1.3 dieser Vereinbarung enthält unter anderem folgende Regelung:

"Wir sind nicht verpflichtet, jedoch berechtigt, Courtagevorauszahlungen zu leisten. Soweit wir Vorauszahlungen leisten, ist ein sich durch den teilweisen oder vollständigen Abgang eines Versicherungsvertrages ergebender Anspruch auf Rückzahlung der unverdienten Courtage sofort nach deren Belastung zur Rückzahlung fällig. ..."

2

Hinsichtlich der Entstehung der Courtage, für die Ziffer 1.4 der Zusammenarbeitsvereinbarung eine Abrechnung im Kontokorrentverkehr vorsieht, heißt es in Ziffer 1.2 unter anderem:

"Die Courtage entsteht, soweit folgend nichts anderes bestimmt ist, jeweils anteilig mit Beitragszahlung und ist jeweils nur insoweit verdient und fällig, soweit sie:

a) für Einzelversicherungen aus 50 % der tatsächlich an die Gesellschaft gezahlten, nicht mit Rückkaufswert, Überschussanteilen usw. verrechneten Beiträge gedeckt ist,

b) für Gruppenversicherungen aus 50 % der jeweils für die Versicherung an die Gesellschaft entrichteten Bruttobeiträge gedeckt ist.

1.2.1 Bei Versicherungen nach dem Tarif 605 wird bei Tod der versicherten Person innerhalb der ersten 18 Monate nach Versicherungsbeginn pro Monat 1/18 der Abschluss-Courtage verdient; insgesamt jedoch begrenzt auf 50 % der tatsächlich gezahlten Beiträge.

1.2.2 Bei Einzel- und Gruppenversicherungen nach dem Tarif 629 entsteht die Abschluss-Courtage anteilig mit der jeweiligen Beitragszahlung wie folgt und ist auch nur insoweit fällig und verdient: ... ."

3

In einem der Zusammenarbeitsvereinbarung als Anlage beigefügten Abkommen vereinbarten die Parteien zudem die Zahlung eines Organisationszuschusses, auf den die gleichen Bestimmungen und Bewertungskriterien wie für die Abschlusscourtage Anwendung finden sollten. Gemäß diesem Abkommen sollte der Beklagte, da die Klägerin über keine Verwaltungsgeschäftsstellen verfügt, die bis zur Policierung eines Versicherungsantrags erforderlichen Arbeiten selbst vornehmen und für diese über die Vermittlung hinausgehenden Dienstleistungen einen Organisationszuschuss in Höhe von 4 Promille auf die jeweilige Bewertungssumme erhalten. Dieser Zuschuss setzte sich aus 2 Promille für die Erstellung eigener Angebote und 2 Promille für die Entwicklung und Durchführung eigener Werbemaßnahmen zusammen.

4

In der Folgezeit vermittelte der Beklagte für die Klägerin Versicherungsverträge, wofür die Klägerin vereinbarungsgemäß sowohl Courtage- als auch Organisationszuschüsse zahlte. Mehrere Verträge wurden storniert, da die Versicherungsnehmer den Erstbeitrag oder die Folgebeiträge nicht zahlten.

5

Mit der Klage begehrt die Klägerin wegen dieser Stornierungen die Rückzahlung der geleisteten Vorschüsse in Höhe von insgesamt 22.102,31 € sowie die Zahlung der Kautionsversicherungsprämie für das Jahr 2008 in Höhe von 57 €, insgesamt mithin 22.159,31 €. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision hat Erfolg. Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da der Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis des Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 ff.).

I.

7

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

8

Der Klägerin stehe ein Rückforderungsanspruch weder aus Ziffer 1.3 der Zusammenarbeitsvereinbarung der Parteien vom 28. Dezember 2007 noch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB) zu. Voraussetzung einer Rückzahlungspflicht sei, dass der Unternehmer die Nichtausführung des Geschäfts nicht zu vertreten habe (§ 92 Abs. 2 i.V.m. § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB analog). Den Unternehmer treffe die Pflicht, bei Gefährdung eines Vertrags dessen Nachbearbeitung selbst vorzunehmen oder zu veranlassen. Er müsse sich bemühen, den Versicherungsnehmer zur Vertragsfortführung und insbesondere zur Prämienzahlung zu veranlassen. Unterlasse der Unternehmer dies, sei die Nichtausführung des Geschäfts von ihm zu vertreten mit der Folge, dass der Provisionsanspruch gemäß § 87a Abs. 3 Satz 1 HGB bestehen bleibe. Diese Vorschrift sei hier anwendbar, wobei offen bleiben könne, ob der Beklagte Versicherungsvertreter und § 87a Abs. 3 Satz 1 HGB daher unmittelbar anwendbar oder ob er als Versicherungsmakler anzusehen sei, der sich ausnahmsweise auf § 87a Abs. 3 Satz 1 HGB berufen könne. Ebenso könne offen bleiben, ob sich eine Nachbearbeitungs- bzw. Stornogefahrmitteilungspflicht aus § 242 BGB (so OLG Frankfurt am Main, VersR 1999, 439) oder aus einer analogen Anwendung des § 87a Abs. 3 Satz 1 HGB (so OLG Hamm, BeckRS 2005, 08775) ergebe. Nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main könne sich im Einzelfall aus einer an Treu und Glauben orientierten Auslegung der vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsmakler ergeben, dass der Versicherer dem Makler Stornogefahrmitteilungen machen oder sich unter Umständen sogar um die Rücknahme einer bereits erklärten Kündigung bemühen müsse. Nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm sei § 87a Abs. 3 Satz 1 HGB auf den Versicherungsmakler analog anzuwenden, wenn dieser bezüglich etwaiger Stornierungen im Einzelfall genauso schutzwürdig sei wie ein Versicherungsvertreter, was vor allem dann der Fall sein könne, wenn der Versicherungsmakler zu dem Versicherer in laufender Geschäftsbeziehung stehe, dort insbesondere ein Agenturkonto für ihn geführt werde, die Tätigkeit im Rahmen dieser Geschäftsbeziehung den wesentlichen Teil seiner Vermittlungsarbeit ausmache und er aufgrund einer allgemeinen mit ihm geschlossenen Abrede laufend Provisionsvorschüsse beziehe.

9

In Erweiterung dieser Rechtsprechung sei hier eine entsprechende Schutzbedürftigkeit des als Versicherungsmakler bezeichneten Vermittlers anzunehmen. Die Klägerin habe dem Beklagten trotz Fehlens einer vertraglichen Verpflichtung laufend Vorschüsse für abgeschlossene Versicherungsverträge gewährt und sich damit so verhalten, als existiere eine entsprechende Verpflichtung. Der Beklagte sei in das Organisationssystem der Klägerin eingebunden, die ihm mangels eigener Verwaltungsgeschäftsstellen alle bis zur Policierung erforderlichen Arbeiten vollständig übertragen habe. Weiterhin gewähre die Klägerin für die Pflege, Betreuung und Nachbearbeitung der Versicherungen, die sich im beitragspflichtigen Bestand befänden, ein Bestandspflegegeld. Auch habe die Klägerin dem Beklagten nach eigenem Vorbringen stets Stornogefahrmitteilungen zukommen lassen. Aus der Einbindung des Beklagten in die Organisationsstruktur der Klägerin und der tatsächlichen Handhabung der Übersendung von Stornogefahrmitteilungen ergebe sich die Verpflichtung der Klägerin, entweder selbst die Verträge nachzubearbeiten oder an den Beklagten Stornogefahrmitteilungen zu übersenden.

10

Ohne Bedeutung für diese Verpflichtung der Klägerin sei, dass der Beklagte im Geschäftsverkehr als Versicherungsmakler aufgetreten sei, keine Vollmacht für den Abschluss von Versicherungsverträgen gehabt habe und seinerseits als Versicherungsmakler versichert sei. Entscheidend sei nicht, ob der Beklagte Versicherungsvertreter oder Versicherungsmakler sei, sondern ob er dergestalt in die Organisationsstruktur der Klägerin eingebunden sei, dass für diese zu seinen Gunsten eine Fürsorgepflicht bestanden habe, notleidende Verträge nachzubearbeiten oder dem Beklagten Stornogefahrmitteilungen zukommen zu lassen. Dies sei zu bejahen.

11

Die Klägerin habe die Voraussetzungen der ihr demgemäß obliegenden Bemühungen zum Erhalt der Versicherungsverträge nicht hinreichend dargetan, obwohl ihr als Unternehmer die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 87 Abs. 3 Satz 2 HGB obliege. Eine eigene Nachbearbeitung habe sie nicht geleistet. Hierfür reiche der in den Mahnschreiben an die Versicherten enthaltene Hinweis auf die Vorteile einer Versicherung und das Angebot einer Beratung nicht aus. Den Versand von Stornogefahrmitteilungen an den Beklagten habe die Klägerin nicht hinreichend vorgetragen. Sie habe behauptet, den Beklagten mehrfach vor der Stornierung über die stornogefährdeten Verträge informiert zu haben. Der Beklagte sei mittels Schreiben auf Zahlungsrückstände der Versicherungsnehmer hingewiesen worden; es seien E-Mails ausgetauscht worden. Dieser Vortrag sei nicht substantiiert genug. Es sei nicht ersichtlich, auf welche Versicherungsvertragsverhältnisse sich diese Mitteilungen bezogen und welchen Inhalt sie gehabt hätten. Soweit die Klägerin weiter vorgetragen habe, dem Beklagten Mitteilungen über Zahlungsrückstände übersandt zu haben, habe der Beklagte den Zugang der Mehrzahl dieser Mitteilungen bestritten. Die Klägerin sei für den Zugang dieser Mitteilungen beweisbelastet, habe jedoch keinen Beweis angetreten. Soweit der Zugang einzelner Mitteilungen unstreitig sei, habe der Beklagte behauptet, diese erst nach erfolgter Kündigung des Versicherungsvertrags und damit nicht rechtzeitig erhalten zu haben, um seinerseits das Vertragsverhältnis durch geeignete Maßnahmen mit dem Ziel einer Aufrechterhaltung des Versicherungsvertrages nachzubearbeiten. Die Klägerin sei insoweit auch für den rechtzeitigen Zugang dieser Mitteilungen beweisbelastet. Der Vortrag des Beklagten sei so auszulegen, dass ihm infolge Zeitablaufs eine eigene Nachbearbeitung nicht mehr möglich gewesen sei.

II.

12

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der streitgegenständlichen Courtagevorschüsse und Organisationszuschüsse nicht verneint werden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts scheitert der Anspruch der Klägerin nicht daran, dass der Vortrag der Klägerin zu den von ihr behaupteten Stornogefahrmitteilungen nicht hinreichend substantiiert wäre und dass die Klägerin keinen Beweis für den (rechtzeitigen) Zugang der von ihr versandten Stornogefahrmitteilungen angetreten hat.

13

1.

Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen eines Rückzahlungsanspruchs der Klägerin nach Nr. 1.3 der Zusammenarbeitsvereinbarung der Parteien vom 28. Dezember 2007 insoweit vorliegen, als unstreitig mehrere der vom Beklagten vermittelten Versicherungsverträge storniert wurden. Ebenfalls im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht anhand der in § 92 Abs. 2 in Verbindung mit § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB enthaltenen Regelung geprüft, ob die Nichtausführung der streitgegenständlichen Versicherungsverträge auf Umständen beruht, die die Klägerin nicht zu vertreten hat, und der Provisionsanspruch des Beklagten deshalb - mit der Folge einer Rückzahlungsverpflichtung - entfallen ist.

14

a)

Grundsätzlich entsteht der Anspruch des Versicherungsvertreters auf Provision - abweichend von § 87a Abs. 1 HGB - erst dann, wenn der Versicherungsnehmer die Prämie gezahlt hat, aus der sich die Provision nach dem Versicherungsvertretervertrag berechnet (§ 92 Abs. 4 HGB). Nach der Vorschrift des § 87a Abs. 3 HGB, die auch für den Versicherungsvertreter gilt, besteht allerdings auch dann Anspruch auf Provision, wenn feststeht, dass der Unternehmer das Geschäft ganz oder teilweise nicht oder nicht so ausführt, wie es abgeschlossen worden ist; der Anspruch auf Provision entfällt im Falle der Nichtausführung aber, wenn und soweit diese auf Umständen beruht, die der Unternehmer nicht zu vertreten hat (Senatsurteile vom 25. Mai 2005 - VIII ZR 279/04, NJW-RR 2005, 1196 unter II 1, und VIII ZR 237/04, [...] Rn. 10; jeweils mwN).

15

Mit Rücksicht auf Besonderheiten, die sich aus der Natur des Versicherungsverhältnisses ergeben, ist anerkannt, dass das Versicherungsunternehmen im Regelfall nicht gehalten ist, im Klagewege gegen säumige Versicherungsnehmer vorzugehen, wenn außergerichtliche Maßnahmen erfolglos geblieben sind. Die Nichtausführung (Stornierung) des Vertrages ist vielmehr schon dann von dem Versicherungsunternehmen nicht zu vertreten (§ 87a Abs. 3 Satz 2 HGB), wenn es notleidende Verträge in dem gebotenen Umfang "nachbearbeitet" hat (Senatsurteile vom 25. Mai 2005 - VIII ZR 279/04, aaO unter II 2, und VIII ZR 237/04, [...] Rn. 11; jeweils mwN). Art und Umfang der dem Versicherungsunternehmen obliegenden Nachbearbeitung notleidender Versicherungsverträge bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalls. Das Versicherungsunternehmen kann entweder eigene Maßnahmen zur Stornoabwehr ergreifen, die dann freilich nach Art und Umfang ausreichend sein müssen, was im Streitfall von ihm darzulegen und zu beweisen ist, oder sich darauf beschränken, dem Versicherungsvertreter durch eine Stornogefahrmitteilung Gelegenheit zu geben, den notleidend gewordenen Vertrag selbst nachzubearbeiten (Senatsurteile vom 25. Mai 2005 - VIII ZR 279/04, aaO unter II 4, und VIII ZR 237/04, [...] Rn. 14; jeweils mwN; Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl., § 87a Rn. 27; Emde in Großkommentar HGB, 5. Aufl., § 87a Rn. 78 und § 92 Rn. 11 ff.; Thume in Röhricht/Graf von Westphalen, HGB, 3. Aufl., § 92 Rn. 9-11; Sonnenschein/Weitemeyer in Heymann, HGB, 2. Aufl., § 92 Rn. 16).

16

b)

Von diesen Grundsätzen ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Dabei hat es offen gelassen, ob der Beklagte im Streitfall für die Klägerin als Versicherungsvertreter tätig war und deshalb die oben genannten Grundsätze unmittelbar zur Anwendung kommen oder ob er als Versicherungsmakler tätig war. Revisionsrechtlich ist deshalb letzteres entsprechend dem Sachvortrag der Klägerin mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts zu unterstellen.

17

Dabei bedarf die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene, vom Berufungsgericht ebenfalls offen gelassene Frage, ob § 87a Abs. 3 HGB auch auf den Versicherungsmakler entsprechend anzuwenden ist, wenn dieser im Einzelfall genauso schutzwürdig ist wie ein Versicherungsvertreter (so OLG Hamm, Urteil vom 21. Januar 1999 - 18 U 109/98, BeckRS 2005, 08775 unter I 2 b; OLG Hamm, NJW-RR 1997, 1482, 1483; OLG Hamm, NJW-RR 1994, 1306 f.; OLG Saarbrücken, OLGR 1997, 334, 335 f.; Emde, aaO, § 92 Rn. 19), oder ob eine solche Analogie schon mangels einer planwidrigen Gesetzeslücke nicht möglich ist (OLG Frankfurt am Main, OLGR 1997, 133 f.; KG, Urteil vom 14. Januar 1999 - 10 U 7263/97, [...] Rn. 7; AG München, VersR 2005, 1688; Baumbach/Hopt, aaO, § 93 Rn. 7; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, 2. Aufl., § 87a Rn. 5; in diesem Sinne auch BGH, Urteil vom 13. Juni 1951 - II ZR 107/50, BGHZ 2, 281, 283 f.; RGZ 95, 134, 137 mwN, jeweils zu § 88 HGB aF) und sich lediglich im Einzelfall aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) oder einer hieran orientierten Auslegung des Vertrages zwischen dem Versicherungsmakler und dem Versicherer für letzteren eine Nachbearbeitungspflicht ergeben kann (OLG Frankfurt am Main, aaO; AG München, aaO; Thiessen in Großkommentar HGB, aaO, § 93 Rn. 167), hier keiner abschließenden Klärung. Denn jedenfalls kann - wie hier der Fall - der Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) im Einzelfall Anlass für eine abweichende rechtliche Bewertung geben. Unter welchen Voraussetzungen unter Berücksichtigung des § 242 BGB ausnahmsweise eine Verpflichtung des Versicherers gegenüber dem Versicherungsmakler bestehen kann, notleidende Versicherungsverträge nachzubearbeiten, hängt von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab und entzieht sich einer allgemeinen Betrachtung. Die im Einzelfall vorzunehmende wertende Betrachtung der Gesamtumstände unter dem Gesichtspunkt des § 242 BGB obliegt in erster Linie dem Tatrichter und kann vom Revisionsgericht nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden, ob der Tatrichter die maßgeblichen Tatsachen vollständig festgestellt und gewürdigt und ob er die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat (vgl. Senatsurteile vom 21. Oktober 2009 - VIII ZR 64/09, NJW 2009, 3781 Rn. 19; vom 9. März 2005 - VIII ZR 394/03, NZM 2005, 538 unter II 3; vom 11. Januar 2006 - VIII ZR 364/04, NZM 2006, 338 Rn. 12; Senatsbeschluss vom 14. September 2010 - VIII ZR 83/10, WuM 2010, 680 Rn. 4). Einen hiernach beachtlichen Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf.

18

2.

Das Berufungsgericht ist unter Würdigung der Gesamtumstände des Streitfalles zu dem Ergebnis gelangt, der Beklagte sei in gleicher Weise schutzbedürftig wie ein Handelsvertreter. Es hat hierbei darauf abgestellt, dass der Beklagte laufend Courtagevorschüsse für die der Klägerin vermittelten Versicherungsverträge erhalten habe, er in die Organisationsstruktur der Klägerin eingebunden gewesen sei und er von der Klägerin sowohl einen Organisationszuschuss als auch ein Bestandspflegegeld erhalten habe. Soweit das Berufungsgericht aufgrund dieser Umstände auch für den Fall einer Einstufung des Beklagten als Versicherungsmakler zu der Bewertung gelangt ist, die Klägerin, die zudem nach eigenem Vorbringen regelmäßig Stornogefahrmitteilungen an den Beklagten gesandt haben will, treffe hier eine Nachbearbeitungspflicht, so ist diese tatrichterliche Beurteilung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere die Ausgestaltung der in der Zusammenarbeitsvereinbarung der Parteien getroffenen gestreckten, mit Vorschusszahlungen verbundenen Vergütungsregelung spricht hier für eine starke Annäherung der Stellung des Beklagten an diejenige eines Versicherungsvertreters.

19

Die von der Revision gegen diese Beurteilung erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

20

3.

Mit Erfolg wendet sich die Revision indessen gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Klage sei der Erfolg zu versagen, weil die Klägerin den Versand von Stornogefahrmitteilungen nicht hinreichend vorgetragen und auch keinen Beweis für deren (rechtzeitigen) Zugang angetreten habe. Mit dieser Begründung können die Voraussetzungen des § 92 Abs. 2 in Verbindung mit § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB für ein Entfallen des Provisionsanspruchs des Beklagten nicht verneint werden. Denn die Klägerin hat sowohl zum Inhalt der Stornogefahrmitteilungen als auch zu deren Absendung an den Beklagten, die nach dem übrigen Vortrag des Beklagten als bestritten anzusehen ist (§ 138 Abs. 3 ZPO), ausreichenden Vortrag gehalten und diesen unter Beweis gestellt. Einen Beweis für den Zugang der Mitteilungen brauchte die Klägerin entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht anzutreten.

21

a)

Ohne Erfolg rügt die Revision allerdings, dass es für eine ordnungsgemäße Nachbearbeitung notleidender Versicherungsverträge durch den Versicherer genüge, wenn dieser den betroffenen Versicherungsnehmern - wie hier der Fall - jeweils ein Mahnschreiben übersende und in diesem eindringlich auf die Vorteile der abgeschlossenen Versicherung hinweise. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts lautete der in den Mahnschreiben der Klägerin enthaltene Hinweis: "Bedenken Sie die Vorteile einer Lebens- bzw. Rentenversicherung: Versicherungsschutz für den Bezugsberechtigten, steuerliche Vergünstigungen für die gezahlten Beiträge, Beteiligungen an den Überschüssen. Sollten Sie Fragen zu Ihrer Versicherung haben, wenden Sie sich an uns. Wir sind gerne bereit, Sie zu beraten und Ihnen Vorschläge zu unterbreiten."

22

Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, dass ein solches Schreiben alleine keine ausreichende Maßnahme der Stornoabwehr durch den Versicherer darstellt. Nach der bereits erwähnten Rechtsprechung des Senats (siehe oben 1 a) bestimmen sich Art und Umfang der dem Versicherungsunternehmen obliegenden Nachbearbeitung notleidender Versicherungsverträge zwar nach den Umständen des Einzelfalls. Entschließt sich das Versicherungsunternehmen, eigene Maßnahmen zur Stornoabwehr zu ergreifen, müssen diese jedoch nach Art und Umfang ausreichend sein (Senatsurteile vom 25. Mai 2005 - VIII ZR 279/04 und VIII ZR 237/04, jeweils aaO). Hierzu ist es im Regelfall erforderlich, dass der Unternehmer/Versicherer aktiv tätig wird und den Versicherungsnehmer zur Erfüllung seiner Vertragspflicht ernsthaft und nachdrücklich anhält (so bereits BAGE 20, 123, 132; ebenso OLG Köln, VersR 2006, 71 f.; Emde, aaO, § 92 Rn. 12; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, 3. Aufl., § 92 Rn. 29; vgl. Löwisch in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 92 Rn. 22; Thume, aaO, § 92 Rn. 10). Welcher konkreten Maßnahmen es hierfür bedarf, kann nicht abstrakt entschieden werden, sondern bedarf stets einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls. Jedenfalls aber reicht unter dem Gesichtspunkt der dem Versicherer gegenüber dem Versicherungsvertreter obliegenden Treuepflicht, Rücksicht auf das Provisionsinteresse des Versicherungsvertreters zu nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 1982 - I ZR 125/80, VersR 1983, 371 unter I 2 b aa), im Regelfall die bloße Übersendung eines Mahnschreibens an den Versicherungsnehmer als Maßnahme der Stornoabwehr nicht aus (OLG Karlsruhe, VersR 1989, 511, 512; OLG Köln aaO; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Februar 2007 - I-16 W 70/06, [...] Rn. 12; Emde, aaO, § 87a Rn. 78 und § 92 Rn. 12; Löwisch, aaO; Baumbach/Hopt, aaO, § 87a Rn. 27; jeweils mwN; vgl. BAGE 20, 123, 133 f.; vgl. auch Senatsurteil vom 25. Mai 2005 - VIII ZR 237/04, aaO Rn. 17; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, aaO Rn. 28 ff.; aA OLG Frankfurt am Main, VersR 1978, 326 und VersR 1991, 1135; vgl. auch OLG Schleswig, MDR 1984, 760, für den Fall wiederholter Mahnungen und Kündigungsandrohungen). Hieran ändert sich durch den im Streitfall in das jeweilige Mahnschreiben aufgenommenen Hinweis auf die Vorteile der (Lebens-) Versicherung nichts. Denn auch mit diesem Zusatz ist in dem Mahnschreiben jedenfalls kein nachdrückliches Anhalten des Versicherungsnehmers zur Erfüllung seiner Vertragspflicht zu sehen. Einer Entscheidung, ob der Versicherer im Falle der eigenen Nachbearbeitung gehalten ist, nach den Gründen für die Nichtzahlung zu forschen und nach einer Lösung gemeinsam mit dem Prämienschuldner zu suchen (so Löwisch, aaO; Emde, aaO; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, aaO Rn. 30; jeweils mwN; OLG Brandenburg, Urteil vom 7. Oktober 2010 - 12 U 96/09, [...] Rn. 36; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Februar 2007 - I-16 W 70/06, aaO; vgl. auch Senatsurteil vom 25. Mai 2005 - VIII ZR 237/04, aaO) und ob dafür regelmäßig eine persönliche Rücksprache mit dem Schuldner erforderlich ist (so OLG Brandenburg, aaO; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Februar 2007 - I-16 W 70/06, aaO; Emde, aaO; Löwisch, aaO; Baumbach/Hopt, aaO), bedarf es daher nicht.

23

b)

Mit Erfolg wendet sich die Revision indessen gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin sei ihrer Nachbearbeitungspflicht auch nicht in Form der Übersendung von Stornogefahrmitteilungen an den Beklagten nachgekommen. Zutreffend und von der Revision nicht beanstandet ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass den Versicherer die Darlegungs- und Beweislast dafür trifft, dass er eine ordnungsgemäße Nachbearbeitung des notleidenden Versicherungsvertrages vorgenommen hat (Senatsurteile vom 25. Mai 2005 - VIII ZR 279/04, aaO, und VIII ZR 237/04, aaO Rn. 14; OLG Brandenburg, aaO Rn. 28; Thume, aaO, § 87a Rn. 31). Nicht frei von Rechtsfehlern ist hingegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Versicherer habe, wenn er im Rahmen der Nachbearbeitung zum Mittel der Stornogefahrmitteilung greife, auch deren (rechtzeitigen) Zugang darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen. Zwar wird sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur vertreten, dass es bei der Stornogefahrmitteilung auf deren Zugang ankommt, damit die Voraussetzungen des § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB erfüllt sind und die für den Versicherer günstige Folge des Entfallens des Provisionsanspruchs eintritt (OLG Köln, aaO; Löwisch, aaO Rn. 21; Emde, aaO, § 87a Rn. 78 und § 92 Rn. 18; vgl. auch OLG Brandenburg, aaO Rn. 32; OLG Karlsruhe, aaO; jeweils zur Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Rechtzeitigkeit des Zugangs der Stornogefahrmitteilung). Diese Auslegung des § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB geht indes über den Wortlaut dieser Vorschrift hinaus und ist auch nicht mit Blick auf den Sinn und Zweck der Vorschrift geboten.

24

Nach § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB entfällt der ansonsten gemäß Satz 1 dieser Vorschrift auch bei einer Nichtausführung (Stornierung) des Versicherungsvertrages bestehende Provisionsanspruch, wenn und soweit die Stornierung auf Umständen beruht, die der Unternehmer (Versicherer) nicht zu vertreten hat. Entschließt sich der Versicherer, der bei einem Versicherungsvertrag bestehenden Stornogefahr durch die Versendung einer Stornogefahrmitteilung an den Versicherungsvertreter (oder hier an den Versicherungsmakler) entgegenzuwirken, und sendet er zu diesem Zweck eine Mitteilung, die diesen von ihrem Inhalt her in die Lage versetzt, seinerseits Stornogefahrabwehrmaßnahmen zu ergreifen, so rechtzeitig an den Versicherungsvertreter, dass bei normalem Verlauf mit deren rechtzeitigem Eingang zu rechnen ist, so ist er seiner Pflicht zur Stornogefahrabwehr in ausreichendem Maße nachgekommen. Übersendet der Versicherer Stornogefahrmitteilungen durch die Post, so darf er grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Postsendung ordnungsgemäß befördert wird und, wenn sie im Bundesgebiet werktags aufgegeben wird, am folgenden Werktag ausgeliefert wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Oktober 2010 - IX ZB 73/10, [...] Rn. 15; vom 20. Mai 2009 - IV ZB 2/08, NJW 2009, 2379 Rn. 8 mwN). Geht eine Stornogefahrmitteilung gleichwohl ausnahmsweise auf dem Postweg verloren, so ist dies - und damit ebenso das hierauf zurückzuführende Unterbleiben von Nachbearbeitungsmaßnahmen des Versicherungsvertreters - ein Umstand, den der Versicherer nicht im Sinne des § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB zu vertreten hat.

III.

25

Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht entscheidungsreif, weil das Berufungsgericht keine Feststellungen zur Absendung der Stornogefahrmitteilungen an den Beklagten getroffen hat. Dies wird nachzuholen sein. Das Berufungsgericht wird hierbei auch dem im Berufungsurteil rechtsfehlerhaft als nicht ausreichend substantiiert bewerteten Vortrag der Klägerin zur Versendung von Stornogefahrmitteilungen mittels E-Mail nachzugehen haben. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Hierbei macht der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch. Bei der neuen Verhandlung und Entscheidung wird auch zu berücksichtigen sein, dass mit der Klage nicht nur die Rückzahlung von Courtagevorschüssen und Organisationszuschüssen, sondern auch die Zahlung der Kautionsversicherungsprämie für das Jahr 2008 in Höhe von 57 n€ geltend gemacht wird. Das Berufungsurteil lässt Ausführungen zu diesem - seitens des Beklagten nicht in Abrede gestellten - Teil der Klageforderung vermissen.

Ball
Dr. Hessel
Dr. Achilles
Dr. Schneider
Dr. Bünger

Von Rechts wegen

Verkündet am: 1. Dezember 2010

VorschriftenHGB § 87a Abs. 3, § 92 Abs. 2