09.08.2013 · IWW-Abrufnummer 132529
Oberlandesgericht Köln: Urteil vom 24.08.2013 – 20 U 77/12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Köln
20 U 77/12
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 21. März 2012 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 23 O 308/10 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Krankentagegeld für den zuletzt noch geltend gemachten Zeitraum vom 12.08. bis 31.10.2010 nicht zu.
Gemäß § 3 (3) der zwischen den Parteien vereinbarten AVB-G liegt Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Versicherungsbedingungen nur dann vor, wenn der Versicherte seine berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. X war der Kläger in dem Zeitraum vom 12.08. bis zum 31.10.2010 nicht vollständig arbeitsunfähig. Nach dem in sich schlüssigen und überzeugenden Gutachten, gegen des der Kläger mit der Berufung auch nichts erinnert, war eine 100 %ige Arbeitsunfähigkeit gerade nicht gegeben. Da der Kläger den ihm obliegenden Nachweis der vollständigen Arbeitsunfähigkeit (vgl. OLG Köln, VersR 2008, 912) nicht geführt hat, ist ein Anspruch auf Krankentagegeld nicht begründet.
Soweit der Kläger mit der Berufung geltend macht, § 3 Abs. 3 der vereinbarten AVB-G sei unwirksam, kann ihm nicht gefolgt werden. Die Regelung in § 3 Abs. 3 AVB-G ist inhaltsgleich mit § 1 Abs. 3 MB/KT und unterliegt als leistungsbeschreibende Klausel nicht der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB; vgl. BGH, VersR 1993, 297; Senat, Urteil vom 09.09.2011, 20 U 92/11). Überdies wäre eine Unwirksamkeit der Klausel aber auch dann zu verneinen, wenn man sie einer Klauselkontrolle gemäß § 307 Abs. 1 BGB unterwerfen würde. Durch die Beschränkung der Leistungspflicht des Versicherers auf Fälle vollständiger Arbeitsunfähigkeit wird insbesondere nicht von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abgewichen (§ 307 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Mit dem Argument, die Abschaffung des „Alles-oder-nichts“-Prinzips im reformierten VVG verlange auch für den Fall der Leistungspflicht des Versicherers eine Quotierung, dringt der Kläger nicht durch. Das „Alles-oder-nichts“-Prinzip betraf nach dem bis zum 31.12.2007 geltenden VVG den Fall der Obliegenheitsverletzung oder der Herbeiführung des Versicherungsfalls in dem Sinne, dass der Versicherer bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen – insbesondere eines bestimmten Verschuldensgrades oder der Kausalität der Verletzung für den Versicherungsfall – vollständig leistungsfrei wurde, ansonsten aber in vollem Umfang zur Leistung verpflichtet blieb.
Dieser starre Grundsatz wurde durch ein abgestuftes Sanktionssystem ersetzt. Hiermit steht die Frage, in welchem Umfang die Vertragsparteien für den Fall der Arbeitsunfähigkeit Versicherungsleistungen vereinbaren können, in keinem Zusammenhang. Die genannte Klausel lässt aber auch sonst keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers wider Treu und Glauben erkennen. Eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist dann unangemessen, wenn der Verwender entgegen den Geboten von Treu und Glauben einseitig eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen (BGH, VersR 2004, 1037). Dabei bedeutet nicht jede Schmälerung des Versicherungsschutzes zugleich eine unangemessene Beeinträchtigung der Belange des Versicherungsnehmers; sie muss vielmehr den berechtigten Interessen des Versicherers gegen übergestellt werden und im Vergleich mit diesen von einigem Gewicht sein (BGH a.a.O.). Hinter der Beschränkung der Leistungspflicht des Versicherers auf Fälle der vollständigen Arbeitsunfähigkeit steht das Interesse des Versicherers an der Vermeidung einer Quotelung und der mit ihr verbundenen erheblichen Schwierigkeiten bei der Feststellung der Quote (Voit in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 192, Rn 188). Da die Klausel nach ihrem Inhalt dem Versicherungsnehmer klar und deutlich vor Augen führt, dass Versicherungsschutz nur für den Fall besteht, dass er seine berufliche Tätigkeit in keiner Weise mehr ausüben kann, und mit diesem Leistungsumfang der Versicherungsschutz auch nicht ausgehölt wird, ist eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers zu verneinen (vgl. Voit a.a.O., m.w.N.).
Ob der Kläger bei Beginn seiner Erkrankung im Mai 2010 vollständig arbeitsunfähig war, kann dahinstehen. Die vollständige Arbeitsunfähigkeit muss nicht nur zu Beginn vorliegen, sondern für den gesamten Zeitraum, für welchen das Krankentagegeld geltend gemacht wird (vgl. BGH, VersR 1993, 297; Wilmes in Bach/Moser, Private Krankenversicherung, § 1 MB/KT Rn. 14, m.w.N.).
Ohne Erfolg wendet der Kläger ein, es sei entscheidend, ob er noch wertschöpfende Tätigkeiten habe ausüben können, was unter Berücksichtigung des Gutachtens nicht zutreffe. Der Sachverständige hat den Einschränkungsgrad der Arbeitsfähigkeit des Klägers für den maßgeblichen Zeitraum auf 50 % geschätzt. Im Hinblick darauf ist davon auszugehen, dass der Kläger eine wertschöpfende Arbeit noch verrichten konnte, zumal bereits die Möglichkeit zur Ausübung der wahrgenommenen Tätigkeit in nicht völlig unbedeutendem Umfang ausreicht (OLG Köln, VersR 2008, 912).
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Dem Rechtsstreit kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu; die Zulassung ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
Berufungsstreitwert: 6.120,36 €