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· Fachbeitrag · Büro-Organisation/Buchführung/Haftung

Tod des früheren Inhabers: Wie lange muss der Nachfolger Unterlagen aufbewahren?

von Rechtsanwalt Kai-Uwe Recker, Datenschutzbeauftragter DSB-TÜV, Kanzlei Dr. Heinicke, Eggebrecht, Ossenforth & Kollegen, München

| Bei der Nachfolge im Maklerunternehmen stellt sich in der Praxis folgende Frage: Wie lange muss der Nachfolger die geschäftlichen Unterlagen und Ordner des früheren Inhabers aufbewahren? Was gilt bei der Nachfolge in der Familie im Erbfall? WVM beantwortet diese Fragen. |

 

Frage: Mein Vater hat sein Maklerunternehmen zum 01.01.2016 an mich übergeben und ging in den Ruhestand. Ich habe sämtliche Unterlagen übernommen. Nachdem mein Vater 2018 verstorben ist, stellt sich für mich nun die Frage, welche seiner geschäftlichen Unterlagen ich noch aufbewahren muss.

 

Antwort: Die Dauer der Aufbewahrung geschäftlicher Unterlagen orientiert sich am jeweiligen geschäftlichen Vorfall, nicht am eingetretenen Erbfall.

Erbfall und Aufbewahrungsfristen

Der Erbe tritt in die Rechte und Verbindlichkeiten des Erblassers ein. Sprich: Die allgemeinen Aufbewahrungsfristen gelten fort.

 

Wichtig | In Ihrem Fall ist es anders. Sie haben das Maklerunternehmen und dessen Rechtsverhältnisse bereits zum 01.01.2016 mit allen Rechten und Pflichten als Nachfolger übernommen. Für Sie gelten daher bereits die allgemeinen Aufbewahrungsfristen im Maklerunternehmen. Durch den Erbfall 2018 hat sich hieran nichts geändert.

Aufbewahrungspflichtige Buchführungsunterlagen

Jeder Gewerbetreibende muss geschäftliche Unterlagen über einen bestimmten Zeitraum aufbewahren.

 

Steuerlich aufbewahrungspflichtige Unterlagen

Die steuerlich aufbewahrungspflichtigen Unterlagen finden Sie in § 147 AO aufgelistet.

 

  • Grundsätzlich müssen Sie sämtliche Geschäftsunterlagen aufbewahren, wenn diese für die Besteuerung bedeutsam sind. Das sind
  • 1. Bücher und Aufzeichnungen, Inventare, Jahresabschlüsse, Lageberichte, die Eröffnungsbilanz sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen,
  • 2. die empfangenen Handels- oder Geschäftsbriefe,
  • 3. Wiedergaben der abgesandten Handels- oder Geschäftsbriefe,
  • 4. Buchungsbelege und
  • 5. sonstige Unterlagen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind.

 

  • Je nach Art der Geschäftsunterlage gilt eine Aufbewahrungspflicht von sechs oder zehn Jahren (§ 147 Abs. 3 AO). Die in den Nrn. 1 und 4 aufgeführten Unterlagen sind zehn Jahre aufzubewahren, die anderen Unterlagen sechs Jahre. Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem die letzte Eintragung gemacht, Abschlüsse festgestellt oder Handelsbriefe empfangen oder abgesandt wurden (§ 147 Abs. 4 AO).

 

  • Erleichterungen gelten seit 01.01.2017 bei der Aufbewahrung von Lieferscheinen: Für empfangene Lieferscheine, die keine Buchungsbelege sind, endet die Aufbewahrungsfrist mit Erhalt der Rechnung, für abgesandte Lieferscheine mit Versand der Rechnung.

 

  • Sie dürfen die Unterlagen trotz Ablauf der regulären Frist nicht vernichten, wenn eine Außenprüfung oder ein Einspruchsverfahren läuft bzw. die entsprechende Steuerfestsetzung vorläufig ist (§ 147 Abs. 3 AO). Sollte ferner die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen sein, können diese Fristen auch noch erheblich länger laufen (vgl. § 169 AO).

 

Handelsrechtlich aufbewahrungspflichtige Unterlagen

Jeder Kaufmann muss ferner nach § 257 Abs. 1 HGB folgende Unterlagen aufbewahren:

 

  • 1. Handelsbücher, Inventare, Eröffnungsbilanzen, Jahresabschlüsse, Einzelabschlüsse, Lageberichte, Konzernabschlüsse, Konzernlageberichte sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen
  • 2. Empfangene Handelsbriefe
  • 3. Wiedergaben der abgesandten Handelsbriefe
  • 4. Belege für Buchungen in den zu führenden Büchern (Buchungsbelege)

 

Wichtig | Auch hier ist die Dauer direkt im Gesetz verankert (§ 257 Abs. 4 HGB): Die in den Nrn. 1 und 4 aufgeführten Unterlagen sind zehn Jahre, die sonstigen in Abs. 1 aufgeführten Unterlagen sechs Jahre aufzubewahren. Die Fristen beginnen grundsätzlich mit dem Schluss des Kalenderjahrs, in dem die letzte jeweilige Handlung oder Buchung vorgenommen wurde.

 

PRAXISTIPPS |

  • Sie müssen Jahresabschlüsse, Buchungsbelege, Courtage- und Provisionsabrechnungen, Abrechnungsunterlagen, Außendienstabrechnungen etc. zehn Jahre aufbewahren. Geschäftsbriefe, Geschenknachweise etc. sechs Jahre. Eine umfassende Übersicht zu den „Aufbewahrungsfristen 2019“ finden Sie auf wvm.iww.de unter der Abruf-Nr. 45517876.
  • Nicht aufbewahren müssen Sie interne Aufzeichnungen im Maklerunternehmen. Diese Aufzeichnungen können Sie zeitnah vernichten.
  • Sie haben alle Rechte und Pflichten als Nachfolger übernommen. Für Sie gelten die Aufbewahrungsfristen des früheren Inhabers daher weiter. Vernichten dürfen Sie die Geschäftsunterlagen, die mehr als zehn Jahre alt sind, also die Unterlagen aus 2008 und älter. Auch die Unterlagen aus 2012, wenn eine Aufbewahrungsfrist von sechs Jahren gilt.
  • Etwas anderes kann sich nur ergeben, wenn die Aufbewahrung aus Haftungsgründen erforderlich ist. Das müssen Sie im Einzelfall prüfen.
 

Aufbewahrung aus Haftungsgründen

In der Praxis können Schadenersatzansprüche gegen den früheren Inhaber wegen Falschberatung bei der Vermittlung von Versicherungsverträgen, fondsgebundenen Lebensversicherungen, Verträgen zur betrieblichen Altersversorgung, Bausparverträgen etc. im Raum stehen.

 

Schadenersatzansprüche wegen Falschberatung

Für Schadenersatzansprüche wegen Falschberatung gilt: Sie verjähren nach drei Jahren (§ 195 BGB). Die Verjährungsfrist beginnt grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem

  • der Anspruch entstanden ist und
  • der Gläubiger (also der falsch beratene Kunde) von den den Anspruch begründeten Umständen und der Person des Schuldners (des Ersatzpflichtigen) Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 BGB).

 

Es gibt zwei Höchstfristen: Ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis verjähren die Ansprüche in zehn Jahren von ihrer Entstehung an (§ 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB, taggenaue Berechnung). Ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis verjähren die Schadenersatzansprüche wegen Falschberatung in 30 Jahren ab der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis (§ 199 Abs. 3 Nr. 2 BGB).

 

Rechte und Pflichten als Erbe

Sie haben als Erbe und Nachfolger im Maklerunternehmen alle Rechte und Pflichten übernommen. Gefahren könnten von Seiten der Versicherungsnehmer drohen, die Sie wegen Falschberatung des Erblassers in Anspruch nehmen möchten. Die Beratungsdokumentation des früheren Inhabers sollten Sie daher weiter aufbewahren.

Umgang des Erben mit geschäftlichen Unterlagen

Für Sie als Nachfolger im Maklerunternehmen heißt das:

 

  • Sie orientieren sich an den gesetzlichen Aufbewahrungsfristen von sechs bzw. zehn Jahren. Soweit darüber hinaus die Unterlagen noch länger zur drohenden oder begonnenen Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nötig sind, dürften und sollten Sie diese länger aufbewahren.

 

  • Die Dauer der Aufbewahrung geschäftlicher Unterlagen orientiert sich am jeweiligen geschäftlichen Vorfall und nicht am eingetretenen Erbfall.

Weiterführender Hinweis

  • Übersicht zu den „Aufbewahrungsfristen 2019“ auf wvm.iww.de → Abruf-Nr. 45517876
Quelle: Ausgabe 04 / 2019 | Seite 3 | ID 45731632