· Fachbeitrag · Versicherungsrecht
Unkündbare Kostenausgleichsvereinbarung bei fondsgebundenen Nettopolicen unzulässig
| Die vertraglich vereinbarte Unkündbarkeit von gesonderten Kostenausgleichsvereinbarungen zwischen Versicherungsnehmer (VN) und Versicherer bei Abschluss eines Vertrags über eine fondsgebundene Renten- oder Lebensversicherung (Nettopolicen) ist unzulässig. Solche Klauseln verstoßen zwar nicht gegen § 169 VVG , sie benachteiligen aber den VN unangemessen, entschied der BGH in zwei Fällen. Damit steht dem Versicherer kein Zahlungsanspruch aus der Kostenausgleichsvereinbarung mehr zu, und die VN erhielten in den konkreten Fällen ihre Beiträge zurück. |
Unkündbare Kostenausgleichsvereinbarung
In beiden Fällen bot ein in Liechtenstein ansässiger Lebensversicherer in Deutschland wohnenden Kunden den Abschluss von fondsgebundenen Rentenversicherungen an. Die Antragsformulare zum Abschluss der Versicherung enthielten den Versicherungsvertrag und die Kostenausgleichsvereinbarung (in einem Antragsformular).
Darin verpflichtete sich der VN, in 48 monatlichen Raten einen Betrag für Abschluss- und Einrichtungskosten an den Versicherer zu zahlen. Im Antrag ist festgelegt, dass die Auflösung des Versicherungsvertrags nicht die Beendigung der Kostenausgleichsvereinbarung zur Folge hat und dass diese nicht kündbar ist.
Die VN kündigten den Versicherungsvertrag, zahlten nicht mehr auf die Kostenausgleichsvereinbarung ein und widerriefen ihre Vertragserklärungen. In den beiden dazu geführten Prozessen (mit Klage und Widerklage) verlangten
- der Versicherer die Zahlung restlicher Abschluss- und Einrichtungskosten gemäß der Kostenausgleichsvereinbarung (Klage);
- die VN Rückzahlung der Beiträge auf die Kostenausgleichsvereinbarung zuzüglich des Rückkaufswerts des Versicherungsvertrags (Widerklage).
Versicherer hat keinen Zahlungsanspruch mehr
Der BGH entschied nun, dass dem Versicherer kein Zahlungsanspruch aus der jeweiligen Kostenausgleichsvereinbarung mehr zusteht und dass die VN ihre geleisteten Beträge und den Rückkaufswert des Versicherungsvertrags zurückerhalten (BGH, Urteil vom 12.3.2014, Az. IV ZR 295/13; Abruf-Nr. 140888; BGH, Urteil vom 12.3.2014, Az. IV ZR 255/13; Abruf-Nr. 140889).
In seiner Begründung räumt der BGH zwar zugunsten der Versicherer mit dem Argument auf, dass der Abschluss einer Kostenausgleichsvereinbarung, die rechtlich selbstständig neben dem Versicherungsvertrag steht, wegen Verstoßes gegen § 169 Abs. 3 Satz 1, § 169 Abs. 5 Satz 2 VVG unwirksam sei und eine unzulässige Umgehung vorliege.
|
... (3) Der Rückkaufswert ist das nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode berechnete Deckungskapital der Versicherung, bei einer Kündigung des Versicherungsverhältnisses jedoch mindestens der Betrag des Deckungskapitals, das sich bei gleichmäßiger Verteilung der angesetzten Abschluss- und Vertriebskosten auf die ersten fünf Vertragsjahre ergibt; … (5) Der Versicherer ist zu einem Abzug von dem nach Absatz 3 oder 4 berechneten Betrag nur berechtigt, wenn er vereinbart, beziffert und angemessen ist. Die Vereinbarung eines Abzugs für noch nicht getilgte Abschluss- und Vertriebskosten ist unwirksam. |
VN siegen auf der ganzen Linie
Die VN waren aber berechtigt, die Kostenausgleichsvereinbarung zu kündigen. Der vereinbarte Kündigungsausschluss der Kostenausgleichsvereinbarung ist unwirksam. Eine Regelung in den AGB, nach der die Kostenausgleichsvereinbarung unkündbar ist und der VN die Abschlusskosten unabhängig vom Fortbestand des Versicherungsvertrags zu zahlen hat, ist unwirksam. Sie benachteiligt den VN unangemessen und verstößt damit gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB.
Die Begründung des BGH ist nachvollziehbar: Ein Abzug bei der Verrechnung der Abschlusskosten mit den Prämien kann allenfalls dazu führen, dass der VN keinen oder einen nur geringfügigen Rückkaufswert erhält. Er wird dann aber in keinem Fall mit weiteren noch nicht getilgten Abschlusskosten belastet. Die gesonderte unkündbare Kostenausgleichsvereinbarung aber kann dazu führen, dass der VN mehr zahlen muss, als er als Rückkaufswert erhält.
Offen gelassen hat der BGH, ob es sich bei den Erklärungen, die die VN abgegeben hatten, jeweils um eine wirksame Kündigung der Kostenausgleichsvereinbarung handelte. Im Ergebnis kam es darauf nicht an. Denn die VN hatten zumindest ihre Willenserklärung auf Abschluss des Versicherungsvertrags widerrufen. Das konnten sie, weil die dreißigtägige Widerrufsfrist noch nicht zu laufen begonnen hatte. Da der Widerruf auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurückwirkt, waren die Widerklagen der VN erfolgreich.
PRAXISHINWEIS | Der Beginn der Widerrufsfrist hätte eine deutlich gestaltete Belehrung über das Widerrufsrecht und die Rechtsfolgen des Widerrufs vorausgesetzt (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VVG). Dies hätte in der Widerrufsbelehrung zum Versicherungsvertrag einen Hinweis erfordert, dass im Falle eines Widerrufs auch der Vertrag über die Kostenausgleichsvereinbarung nicht zustande kommt. |
Weiterführender Hinweis
- Beitrag „Kostenausgleichsvereinbarung bei fondsgebundenen Rentenversicherungen zulässig?“, WVM 12/2013, Seite 20