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Haftung einer gesetzlichen Krankenkasse für Leistungszusagen ihrer Mitarbeiter
| Dass eine gesetzliche Krankenversicherung für falsche Angaben eines Mitarbeiters zum Leistungsumfang haftet, hat das OLG Karlsruhe entschieden. |
Die Klägerin hatte nach einem Beratungsgespräch mit dem Mitarbeiter K. der beklagten gesetzlichen Krankenversicherung zu dieser gewechselt. Die Klägerin ließ sich wegen einer Krebserkrankung naturheilkundlich behandeln, kaufte unter anderem Nahrungsergänzungsmittel, Vitamine, Dinkelkaffee, Kräuterblut, Natron, Mineraltabletten und Bierhefe. Die Belege für die von ihr zum Teil verauslagten Kosten für diese naturheilkundliche ärztliche Behandlung, die Nahrungsergänzungsmittel, auch für Zahnreinigung, Praxisgebühren sowie Zuzahlungen für Massagen und für Medikamente reichte sie bei K. zur Weiterleitung an die Beklagte ein. K. beglich die Rechnungen jedoch aus seinem Privatvermögen, da die geltend gemachten Kosten nicht vom Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst waren. Nachdem mittlerweile nicht unerhebliche Zahlungsrückstände aufgetreten waren, erstattete K. im Jahr 2010 gar keine Kosten mehr. Darauf wandte sich die Klägerin an die Beklagte, die so erstmals von dem Sachverhalt Kenntnis erlangte und eine Kostenübernahme ablehnte.
Die Klägerin hat behauptet, K. habe ihr vor dem Wechsel zugesichert, dass die Krankenversicherung sämtliche Kosten der medizinischen Versorgung übernehmen würde. Die Beklagte hat dies bestritten und geltend gemacht, dass die Kostenpositionen nicht erstattungsfähig und medizinisch nicht erforderlich seien. Die Klägerin treffe ein die Schadensersatzpflicht ausschließendes Mitverschulden, die Zusage ihres Mitarbeiters K. sei derart lebensfremd gewesen, der Umfang der gesetzlichen Leistungen auch allgemeinhin bekannt, so dass die Klägerin nicht auf die Zusage habe vertrauen dürfen.
Nach Vernehmung mehrerer Zeugen hat das Landgericht Mosbach die Beklagte dazu verurteilt, von den geltend gemachten Kosten in Höhe von ca. 7.500 Euro ca. 2.500 Euro an die Klägerin zu bezahlen. Die dagegen erhobene Berufung der Krankenversicherung zum Oberlandesgericht Karlsruhe blieb ohne Erfolg.
Der Senat hat ausgeführt: Die Beklagte ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, deren Tätigkeit als öffentliche Sozialversicherung hoheitlicher Leistungsverwaltung zuzuordnen ist. Sie haftet damit gemäß § 839 BGB i.V.m. Artikel 34 GG bei Amtspflichtverletzungen. Bei Wahrnehmung der ihr übertragenen Aufgaben im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung obliegt der Beklagten bzw. ihren Mitarbeitern, die als Beamte im haftungsrechtlichen Sinn anzusehen sind, die Verpflichtung zu gesetzeskonformem Verwaltungshandeln.Sozialleistungsträger wie die Beklagte sind zu einer zutreffenden Beratung der Versicherten über die Rechte und Pflichten der gesetzlichen Krankenversicherung verpflichtet, Auskünfte und Belehrungen sind grundsätzlich richtig, klar, unmissverständlich, eindeutig und vollständig zu erteilen. Eine Verletzung der dem Mitarbeiter K. obliegenden Amtspflicht zur zutreffenden Beratung über den Umfang der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung liegt vor.
Das Vertrauen der Klägerin auf die Richtigkeit der ihr erteilten Auskünfte ist auch schutzwürdig gewesen. Grundsätzlich darf nämlich der Bürger von der Rechtmäßigkeit der Verwaltung ausgehen. Eine Verlässlichkeitsgrundlage ist erst dann nicht mehr gegeben, wenn er die Unrichtigkeit der Auskunft kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Aufgrund der Komplexität des Sozialversicherungsrechts und der Verzahnung der gesetzlichen Krankenversicherung mit anderen Sozialversicherungsbereichen kann nicht davon ausgegangen werden, dass in der Öffentlichkeit der Leistungsumfang auch in den Details in der Weise bekannt ist, dass sich der Klägerin die Unrichtigkeit der Auskünfte des Mitarbeiters K. hätte aufdrängen müssen. Die Klägerin hat sich jeweils telefonisch beim Mitarbeiter K. erkundigt, ob die Leistung von der Beklagten übernommen wird, nach dessen jeweiliger Bestätigung musste sie die Richtigkeit der Auskünfte nicht anzweifeln. Nachdem die Kostenerstattung bis 2008 beanstandungslos funktionierte, musste sie aus dem Fehlen von Abrechnungsunterlagen keine die Verlässlichkeit der Auskünfte in Frage stellenden Schlüsse ziehen. Bei Auftreten der ersten Zahlungsverzögerungen hat der Mitarbeiter K. die Klägerin sowie weitere Kunden aus dem Bekannten- und Familienkreis der Klägerin jeweils vertröstet und plausibel erscheinende Erklärungen dafür angeboten, wie Systemumstellung, Fehlbuchung, Fortbildung, Einstellung neuer Sachbearbeiter. Danach kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin den Angaben des Mitarbeiters K. blind vertraute und sich besseren Erkenntnismöglichkeiten geradezu verschlossen hat. Der Mitarbeiter K. handelte auch vorsätzlich und schuldhaft.
Der Klägerin ist ein Schaden in Höhe von ca. 2.500 Euro entstanden, die weiter geltend gemachten Kosten waren nicht erstattungsfähig, da sie nie Gegenstand einer ärztlichen Verordnung waren oder die Klägerin nicht beweisen konnte, dass sie von ihr auch bezahlt worden sind (OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.12.2012, Az. 12 U 105/12).
Die Revision ist nicht zugelassen worden.
Quelle: Pressemittelung des OLG Karlsruhe vom 28.12.2012