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01.03.2006 | Anhängige Steuerverfahren

Profitieren Sie von anhängigen Verfahren

Die Besteuerung von Kapitalanlagen ist kompliziert. Immer mehr Streitpunkte landen vor den Gerichten. Sie können von diesen Verfahren profitieren, wenn Sie Ihren Fall mittels Einspruch offen halten, bis der Bundesfinanzhof (BFH), Bundesverfassungsgericht (BVerfG) oder Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden haben. Bei positivem Ausgang profitieren Sie dann vom Erfolg anderer.

Unser Tipp: Nachfolgend finden Sie einen Überblick über die wichtigsten anhängigen Verfahren. Wir zeigen Ihnen, um welche Streitpunkte es geht und geben Tipps für die Praxis.

Wichtige anhängige Verfahren
Der strittige Sachverhalt Die aktuelle Verfahrenslage
Spekulationsgewinne ab dem Jahr 1999
Steuern auf Spekulationsgewinne dürfen für 1997/98 wegen struktureller Erhebungsdefizite nicht mehr erhoben werden (BVerfG, Urteil vom 9.3.2004, Az: 2 BvL 17/02; Abruf-Nr.  040672 ). Ab 1999 hat die Finanzverwaltung durch den Kontenabruf bessere Kontrollmöglichkeiten, so dass laut BFH kein Defizit mehr vorliegt (Urteil vom 29.11.2005, Az: IX R 49/04; Abruf-Nr.  060124 ). Steuerbescheide ergehen in Bezug auf Spekulationsgewinne ab 1999 nur vorläufig. Da gegen das Urteil des BFH Verfassungsbeschwerde eingelegt worden ist (Az: 2 BvR 294/06), ändert sich an diesem Zustand vorerst nichts. Anleger, die Aussetzung der Vollziehung beantragt haben, sollten diesen Antrag zurücknehmen, den Fall ansonsten aber offen halten.
Spekulationsgewinne für die Jahre 1996 und früher
Es ist noch nicht geklärt, wie in offenen Steuerfällen vor dem Jahr 1997 zu verfahren ist. Hier bestand eindeutig ein Erhebungsdefizit. Es muss noch endgültig entschieden werden, ob dem Gesetzgeber eine Übergangsfrist zu gewähren war. Zumindest vor 1993 ist dies wahrscheinlich, weil hier die Brisanz noch nicht erkannt wurde. Unser Tipp: Noch nicht bestandskräftige Bescheide für die Jahre 1996 und früher müssen Sie selbst offen halten. Anhängig sind Verfahren beim BVerfG (Az: 2 BvR 359/05, 2 BvL 8/05, 2 BvL 12/05) und beim BFH (Az: IX B 80/05). 1996 und auch 1995 sind wohl in der Tendenz wie die Jahre 1997/98 zu beurteilen, könnten also verfassungswidrig sein.
Spekulationsverluste für die Jahre 1997/98
Verluste aus den Jahren 1997/98 sind laut BFH (Urteil vom 14.7.2004, Az: IX R 13/01; Abruf-Nr.  042362 ) nicht mehr verrechenbar, weil das BVerfG für diesen Zeitraum Verfassungswidrigkeit festgestellt hat (siehe oben). Hierzu liegt dem BVerfG noch eine Beschwerde (Az: 2 BvR 1935/04) vor. Die Frage ist somit noch nicht endgültig entschieden.
Spekulationsverluste ab dem Jahr 1999
Seit 1999 können Spekulationsverluste nach dem Gesetz zwar mit gleichen Gewinnen, aber nicht mit anderen Einkunftsarten verrechnet werden. Ob es verfassungsrechtliche Bedenken gegen den begrenzten Verlustansatz gibt, muss der BFH in fünf Revisionen klären (Az: IX R 45/04, IX R 31/04, IX R 28/05, IX R 42/05, IX R 43/05).
Berücksichtigung von Spekulationsverlusten nach Bestandskraft?
Kann ein bislang nicht erklärter Spekulationsverlust noch nach Bestandskraft des Bescheids durch das Finanzamt festgestellt werden? Der BFH muss entscheiden, inwieweit die Auswirkung für künftige Jahre im Nachhinein zu berücksichtigen ist (Az: IX R 21/04).
Sonstige Einkünfte aus Stillhaltergeschäften
Erhaltene Optionsprämien sind Einkünfte nach §  22 Nummer 3 EStG. Die Erfassung dieser Einnahmen könnte ähnlich den Spekulationsgewinnen nach §  23 EStG verfassungswidrig sein. Das BVerfG muss noch entscheiden (Az: 2 BvL 8/05).

Unser Tipp: Bescheide ergehen bislang nicht vorläufig. Sie müssen somit für alle offenen Jahre Einspruch einlegen.

Zulässigkeit einer gesetzlichen Rückwirkung bei GmbH-Anteilen
Die rückwirkende Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze Ende 1998 und 2001 ist laut BFH nicht verfassungswidrig (Urteile vom 1.3.2005, Az: VIII R 92/03; Abruf-Nr.  051157 , Az: VIII R 25/02; Abruf-Nr.  051156 ). Die Herabsetzung der Beteiligungsgrenze führte dazu, dass auch eingetretene Wertsteigerungen steuerlich belastet werden, die nach bis dahin geltendem Recht nicht als wesentlich galten. Gegen beide Urteile ist eine Verfassungsbeschwerde eingelegt worden (Az: 2 BvR 753/05, 2 BvR 748/05).

Unser Tipp: GmbH-Gesellschafter und Aktionäre, die ihre Anteile ab 1999 veräußert haben und hierbei jeweils unter den vorherigen gesetzlichen Beteiligungsgrenzen von 25 oder 10 Prozent lagen, sollten ihre Bescheide offen halten.

Ansatz von Verlusten bei einer wesentlichen Beteiligung
Verluste aus einer GmbH-Beteiligung können steuerlich nur berücksichtigt werden, sofern der Besitzer fünf Jahre lang wesentlich beteiligt war. Schuldzinsen sind nur dann als Werbungskosten absetzbar, wenn die Einkunftsquelle auch weiter noch besteht. Der BFH muss klären, ob
  • Verluste zu berücksichtigen sind, wenn der Besitzer zwar fünf Jahre, aber nur kürzer wesentlich beteiligt war (Az: VIII R 20/04);
  • die Finanzierungskosten absetzbar sind, wenn die GmbH in eine andere eingebracht (Az: VIII R 28/04) oder verkauft wird (Az: VIII R 38/04).
    Ist die Besteuerung von Kapitaleinnahmen verfassungswidrig?
    Das BVerfG hatte 1991 Erhebungsdefizite bei der Erfassung von Kapitaleinnahmen beanstandet und dem Gesetzgeber eine gleichmäßige Belastung aller Bürger auferlegt. Sollte er nicht nachbessern, wäre die gesamte Rechtsnorm nichtig und die Steuer dürfte nicht mehr erhoben werden. Zwar wurde 1993 der Zinsabschlag eingeführt, doch führte dies zu massiven Geldbewegungen über die Grenze. Zudem erklären Anleger, deren Progression über den 30 Prozent des Zinsabschlags liegt, nicht immer ihre Einnahmen. Zusätzlich könnte §  20 EStG mit dem Grundgesetz insoweit unvereinbar sein, weil steuerunehrliche Sparer im Rahmen der Amnestie deutlich weniger Abgaben leisten mussten als redliche. Der BFH hält die Kontrollmaßnahmen für ausreichend (Urteil vom 7.9.2005, Az: VIII R 90/04; Abruf-Nr.  053268). Zu diesem und zu zwei weiteren Urteilen liegen dem BVerfG aber Verfassungsbeschwerden vor (Az: 2 BvL 14/05, 2 BVR 620/03, 2 BvR 2077/05).

    Unser Tipp: Solange die Finanzverwaltung diesen Sachverhalt nicht vorläufig festsetzt, müssen Sie gegen alle noch offenen Steuerbescheide Einspruch einlegen, sofern die Einnahmen über dem Sparerfreibetrag liegen. Das BVerfG könnte zu einer ähnlichen Entscheidung wie bei den Spekulationsgewinnen kommen. Zwar hat der Gesetzgeber in der Zwischenzeit einige Maßnahmen ergriffen. Aber die Kontrollmöglichkeiten des Finanzamts bei inländischen Banken waren ab 1993 weiter eingeschränkt.

    Kursverluste bei Finanzinnovationen durch Not leidende Schuldner
    Werden als Finanzinnovationen eingestufte Anleihen Not leidend, weil der Schuldner die Tilgung aussetzt oder insolvent wird, akzeptiert die Finanzverwaltung keine Kursverluste mehr als negative Kapitaleinnahmen (Stichwort: Vermögensebene). Nach dem Gesetzeswortlaut müsste ein Minus auch nach dem Eintritt negativer Ereignisse als negative Kapitaleinnahme gelten. Das letzte Wort hat der BFH in zwei Revisionen (Az: VIII R 48/04 und VIII R 62/04).
    Müssen Kursgewinne bei Finanzinnovationen als Kapitaleinnahmen versteuert werden?
    Bei Finanzinnovationen entstehen Kursgewinne bei Rating-Anleihen, deren Zinskupon ansteigt, wenn die Bonität des Emittenten schlechter eingestuft wird. Ähnliches geschieht bei Floatern, wenn der Referenzzins steigt. Dies könnte einen verfassungsrechtlich bedenklichen Systembruch darstellen, weil auch Wertänderungen ohne den Charakter eines Nutzungsentgelts als Kapitalertrag erfasst werden. Dies führt im Vergleich zu anderen Kapitalanlagen zu einer Ungleichbehandlung. Unser Tipp: Die Auswirkung können Sie zwar grundsätzlich durch den Ansatz der Emissionsrendite umgehen, aber nur bei Produkten wie Zerobonds, bei denen eine solche berechnet werden kann. Ansonsten sollten Sie auf die Revisionen beim BFH zu den Down-Rating-Anleihen (Az: VIII R 6/05) und Reverse-Floatern (Az: VIII R 97/02) verweisen.

    Wichtig: Der BFH hatte bereits in früheren Urteilen Bedenken geäußert, was dann zu einer Gesetzesänderung führte.

    Wie ist der "Spin Off" bei Aktien steuerlich zu behandeln?
    Der "Spin-Off", durch den die Anteilseigner der Muttergesellschaft die Aktien der Tochtergesellschaft unentgeltlich erhalten, ist bei inländischen Firmen kein steuerpflichtiger Vorgang. Bei ausländischen Firmen liegen aber nach gängiger Verwaltungspraxis Kapitaleinnahmen in Höhe des Börsenkurses vor (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8.6.2004, Az: 2 K 2223/02; Abruf-Nr.  052083 ). In jedem Fall gilt für alle erhaltenen Aktien eine neue Spekulationsfrist. Der Verkauf innerhalb der nächsten zwölf Monate ist steuerpflichtig, selbst wenn die Aktien der Mutter bereits seit Jahren im Depot liegen. Ob diese Verwaltungspraxis zutreffend ist, muss der BFH entscheiden (Az: I R 24/05):
  • Es könnte gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen, wenn "Spin-Offs" nur bei Auslandsfirmen als Kapitaleinnahmen gelten.
  • Die neuen Aktien könnten Aktionären auch wie bei einer verdeckten Gewinnausschüttung zufließen. Dann wäre der Kaufzeitpunkt der Altaktien weiter für alle Werte entscheidend.
    Dürfen ausländische Investmentfonds mit einer Pauschalsteuer bestraft werden?
    Erfüllen Investmentfonds ihre Veröffentlichungspflichten nicht, erfolgt eine pauschale und zumeist deutlich überhöhte Besteuerung der Erträge. Dies galt bis Ende 2003 für schwarze oder graue Auslandsfonds. Mit dieser gesetzlichen Regelung wurden Auslandsfonds eindeutig schlechter behandelt als inländische. Ab 2004 herrscht zwar Chancengleichheit. Allerdings müssen ausländische Gesellschaften immer noch extra für den deutschen Fiskus einen Zwischengewinn ermitteln, um der Pauschalsteuer zu entgehen (FG Berlin, Urteil vom 8.2.2005, Az: 7 K 7396/02; Abruf-Nr.  051398 ). Die Regel könnte EU-rechtswidrig sein, weil sie Auslandsfonds benachteiligt und damit gegen das Gebot des freien Kapitalverkehrs verstößt. Ob der Gesetzgeber dies darf oder ob diese Diskriminierung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt, hat der BFH zu entscheiden (Az: VIII R 20/05). Immerhin hatte die EU-Kommission die Mitgliedsstaaten zu einer Gleichbehandlung aufgefordert, dem Deutschland 2004 dann gefolgt ist. Bescheide sollten Sie auch hinsichtlich der Fonds offen halten, die aus Drittländern stammen.
    Anrechenbare Körperschaftsteuer bei Auslandsdividenden
    Erhielt ein deutscher Anleger bis ins Jahr 2001 hinein Auslandsdividenden, fiel der Netto-Ertrag stets schlechter aus als bei Inlandsdividenden. Dies lag am bis dahin geltenden Anrechnungsverfahren. §  36 EStG erlaubte, die auf ausgeschüttete Gewinne entfallende Körperschaftsteuer auf die eigene Steuerschuld anzurechnen, sofern die AG ihren Sitz im Inland hatte. Bei Auslandsfirmen versagte das Gesetz die Anrechnung. Der EuGH (Az: C-292/04) prüft, ob die Benachteiligung gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt. In einem ähnlichen Fall wurde dies bereits für Finnland bejaht.

    Unser Tipp: Sie sollten Ihre Bescheide bis 2001 offen halten; seit 2002 gilt das Halbeinkünfteverfahren, das die Ungleichbehandlung beseitigt. Die nachträgliche Anrechnung könnte aber nur zeitlich begrenzt sein. Das ergibt sich aus dem Schlussantrag beim EuGH.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2006 | Seite 18 | ID 97505