· Fachbeitrag · Tippgeber/Umsatzsteuer
Welche Tippgeber sind umsatzsteuerbefreit, welche umsatzsteuerpflichtig?
| Versicherungsvertreter kooperieren gelegentlich mit Tippgebern bzw. betätigen sich neben der Vermittlung von Versicherungsverträgen selbst als Tippgeber. So vermitteln sie Kundenkontakte an Vermittlerkollegen, die in manchen Versicherungssparten spezialisierter sind als sie selbst, oder stellen Kundenkontakte über einen Link auf ihrer Homepage an einen Versicherer her. Damit stellen sich folgene Fragen: Wie ist die jeweilige Kontaktvermittlung umsatzsteuerlich zu werten? Wie ist es, wenn der Tippgeber kein Versicherungsvermittler ist? WVV beantwortet die Fragen. |
Grundsätzliches zum Tippgeber
Die Tätigkeit eines „Tippgebers“ ist darauf beschränkt, Möglichkeiten zum Abschluss von Versicherungsverträgen namhaft zu machen oder Kontakte zwischen einem potenziellen Versicherungsnehmer (VN) und einem Versicherungsvermittler oder Versicherer herzustellen. Dies stellt keine Vermittlung im Sinne des § 34d GewO dar (GDV: IDD-FAQs ‒ Nr. 1, Stand: 26.01.2018; BaFin-Rundschreiben 11/2018, Rz. 66). Denn sie zielt als vorbereitende Handlung nicht auf eine konkrete Willenserklärung des Interessenten zum Abschluss eines Vertrags ab, der Gegenstand der Vermittlung ist (Bundestagsdrucksache 16/1935, 17).
Das bedeutet im Umkehrschluss: Eine reine Tippgebertätigkeit liegt nicht (mehr) vor, wenn ein Tippgeber über ein Versicherungsprodukt berät oder bei der Ausfüllung eines Antrags für ein bestimmtes Versicherungsprodukt hilft (Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., München 2018, § 34d GewO, Rz. 8).
Tippgeber kann jedermann sein, also ein Versicherungsvermittler genauso wie ein Nicht-Versicherungsvermittler. Gewerberechtlich bedeutet das:
- Versicherungsvermittler sind nach § 34d GewO stets Gewerbetreibende. Agieren sie als Tippgeber, ist keine gesonderte Gewerbeanmeldung mit Blick auf ihre evtl. Tippgebertätigkeit notwendig.
- Sind Tippgeber nicht Versicherungsvermittler, benötigen sie keine Gewerbeerlaubnis nach § 34d GewO. Ggf. müssen sie aber nach § 14 GewO ein Gewerbe anzeigen (Gewerbeanmeldung). Das hängt davon ab, ob Tippgeber eine Gewinnerzielungsabsicht haben (BGH, Urteil vom 18.09.2013, Az. I ZR 183/12, Abruf-Nr. 133150) sowie in welchem Umfang sie tätig bzw. wie hoch die Provisionseinnahmen sind. Richtschnur für die Gewerbeanmeldung ist, ob die gewerberechtliche Bagatellgrenze überschritten wird. Diese dürfte überschritten sein bei mehr als sechs Versicherungen (hier: Kontaktvermittlungen) und/oder [Gesamt-]Provisionseinnahmen von über 1.000 Euro pro Jahr (Schönleiter, GewArch 2007, 267; Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., § 34d GewO, Rz. 11). Tippgeber, die die gewerberechtliche Bagatellgrenze nicht überschreiten, müssen kein Gewerbe anmelden.
Wichtig | VN, versicherten Personen oder Bezugsberechtigten darf bei einer „Tippgeberschaft“ in Bezug auf sich selbst grundsätzlich keine (Tippgeber-)Provision gewährt werden. Dies verstieße gegen das Sondervergütungs- und Provisionsabgabeverbot (§§ 48b VAG, 34d Abs. 1 S. 4 und 5 GewO; vgl. auch BaFin-Rundschreiben 11/2018, Rz. 67).
Umsatzsteuerbefreiung für Versicherungsvermittler
Nach § 4 Nr. 11 UStG sind die Umsätze aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter, Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler umsatzsteuerfrei. Umsatzsteuerfrei sind aber nur berufstypische bzw. althergebrachte Tätigkeiten des Versicherungsvermittlers, d. h. die Vermittlung von Verträgen und die damit verbundene vorherige Beratung und nachträgliche Betreuung.
Zur Tätigkeit des Versicherungsvermittlers gehört es, Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzubringen. Leistungen von Versicherungsvermittlern sind nach Ansicht des BFH aber nur umsatzsteuerfrei, wenn diese zugleich zum Versicherer und zum VN in Beziehung stehen (BFH, Urteil vom 06.09.2007, Az. V R 50/05, Abruf-Nr. 073881).
Versicherungsvermittler als Tippgeber und die Umsatzsteuer
Eine Zuführungsprovision, die ein Versicherungsvermittler nach erfolgtem Abschluss an einen Untervermittler zahlt, der den Kontakt zu dem Kunden hergestellt hat, ist nach § 4 Nr. 11 UStG umsatzsteuerfrei, so der BFH (Urteil vom 28.05.2009, Az. V R 7/08, Abruf-Nr. 092809).
Organisationsmodell frei wählbar
Nach Ansicht des BFH berechtigt der Grundsatz der steuerlichen Neutralität einen Versicherungsvermittler, seine Tätigkeit in verschiedene Dienstleistungen aufzuteilen. Daher könne er auch ein Organisationsmodell wählen, das seinen wirtschaftlichen Bedürfnissen am ehesten entspreche, und zwar ohne Gefahr zu laufen, seine grundsätzlich gegebene Steuerbefreiung zu verlieren.
Suche und Zuführung von potenziell interessierten Kunden
Weiter führt der BFH aus: Die Steuerfreiheit für die Tätigkeit als Versicherungsvermittler gemäß § 4 Abs. 11 UStG setze voraus, dass die Leistungen des Unternehmers die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Versicherungsvermittlung erfüllen, nämlich die am Abschluss der Versicherung interessierten Personen zusammenzuführen. Dies sei der Fall, wenn ein Unternehmer einem Versicherungsvermittler am Abschluss eines Versicherungsvertrags potenziell interessierte Personen nachweise und hierfür eine sog. Zuführungsprovision erhalte.
Denn für die erforderliche Verbindung zwischen dem Versicherungsvermittler und den Vertragsparteien genügt es laut BFH, dass der Untervermittler (Versicherungsvermittler, der zugleich Tippgeber ist) zu dem Versicherungsunternehmen eine mittelbare Verbindung über einen anderen Steuerpflichtigen (Hauptversicherungsvermittler) unterhält, der selbst in unmittelbarer Verbindung zu einer dieser Parteien steht.
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Versicherungsvertreter U gibt an einen auf Hufpfleger und Pferdebehandler spezialisierten Versicherungsmakler V Interessenten weiter, weil er die Versicherungen selbst nicht anbietet (Ventil-Lösung). Für die Benennung erhält U eine Provision von V. Diese Provision fließt nur, wenn V tatsächlich einen Versicherungsvertrag mit dem Interessenten schließt.
Ergebnis: Die Provision ist umsatzsteuerfrei. Die Suche und Zuführung von potenziellen Vertragskunden stellt den Kern der steuerfreien Vermittlungstätigkeit dar. Sie zielt ausschließlich auf die Zusammenführung der potenziellen Versicherungsvertragspartner ab. In dem Zusammenhang ist es für die Steuerbefreiung verzichtbar, dass Versicherungsvertreter U, der zugleich Tippgeber ist, nicht auch bei der Vorbereitung des Vertragsschlusses oder bei den nachgelagerten Verwaltungshandlungen mitgewirkt hat. |
Wichtig | Das BFH-Urteil vom 28.05.2009 (Az. V R 7/08, Abruf-Nr. 092809) bezieht sich explizit auf Tippgeber, die Versicherungsvermittler sind. In dem Urteil weist der BFH auch darauf hin, dass er an den Grundsätzen seiner Urteile zu „Backoffice“-Tätigkeiten, Schadenabwicklern und Werbeagenten festhält. Diese Leistungen hält er für nicht umsatzsteuerfrei, weil sie keinen spezifischen und wesentlichen Bezug zu einzelnen Vermittlungsgeschäften aufweisen.
Nicht-Versicherungsvermittler und die Umsatzsteuer
Für Tippgeber, die keine Versicherungsvermittler sind, gilt die Rechtsprechung des BFH zum Werbeagenten, wenn sie lediglich Kundendaten zur Vorbereitung eines Versicherungsabschlusses einholen (BFH, Urteil vom 06.09.2007, Az. V R 50/05, Abruf-Nr. 073881).
Umsatzsteuerpflicht der Tippgebertätigkeit des Werbeagenten
Die Tippgebertätigkeit eines Werbeagenten ist nach Ansicht des BFH nicht von der Umsatzsteuer befreit. Denn das bloße Einholen von Kundendaten, das die Voraussetzung für die Kontaktvermittlung bei der Tippgeberschaft ist, erfüllt laut BFH letztlich „nicht als im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Versicherungsvermittlungstätigkeit“.
Geht der Umfang über die gelegentliche Tätigkeit eines Nicht-Versicherungsvermittlers als Tippgeber hinaus, weil die o. g. Bagatellgrenze überschritten wurde, handelt es sich bei den Provisionen um Betriebseinnahmen aus seiner gewerblichen Tätigkeit. Ist der Tippgeber gewerblich tätig, ist die Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 S. 1 UStG umsatzsteuerpflichtig.
Ist der über der gewerblichen Bagatellgrenze liegende Tippgeber Kleinunternehmer, wird keine Umsatzsteuer erhoben, wenn
- sein Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr nicht höher als 17.500 Euro ist und im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich nicht größer als 50.000 Euro ist ‒ was meist in der Praxis der Fall sein dürfte ‒, und
- der Tippgeber nicht zur Umsatzsteuerpflicht optiert hat.
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Mitarbeiter M eines Unternehmens nennt einem Versicherungsvertreter V potenzielle Versicherungskunden und Interessenten aus seinem Unternehmen. Pro Benennung und Erfolgsfall erhält M eine Provision in Höhe von 125 Euro. Im Schnitt erhält M Provisionen für 10 bis 15 Benennungen im Jahr.
Ergebnis: M muss seine Tippgeberschaft als Gewerbe anzeigen, da die Bagatellgrenze überschritten wird. Als Nicht-Versicherungsvermittler ist er grundsätzlich nicht von der Umsatzsteuer befreit. Allerdings ist er umsatzsteuerlich Kleinunternehmer, sodass keine Umsatzsteuer von seinen Provisionen erhoben wird. |
Tippgebertätigkeit über die Leistungen eines Werbeagenten hinaus
Manche Tippgeber, die keine Versicherungsvermittler sind, beschränken sich nicht auf das bloße Einholen von Kundendaten. Sie benennen z. B. einem Versicherungsvertreter potenziell interessierte Personen für bestimmte Versicherungssparten, die sie zuvor, etwa über eine Internetseite, identifiziert haben, ggf. unter Berücksichtigung spezieller Anforderungsprofile, und erhalten vom Versicherungsvertreter nach einem erfolgreichen Abschluss eine Provision (vgl. Gebert/Erdmann/Beenken (HrsG.), Praxishandbuch, Vermittlerrecht, Rz. 832). Auch in diesen Fällen unterliegt der Tippgeber der Umsatzsteuer wie im vorstehenden Beispiel beschrieben.
Betreiber von Vergleichsrechnern und Leadgenerierung
Die Betreiber von Vergleichsrechnern im Internet generieren Leads, indem die potenziellen Kunden in den Vergleichsrechner eine Reihe von persönlichen Daten eingeben und Angebote einholen können. Diese Leads verkaufen sie an Versicherungsvermittler, die dann ein Angebot erstellen und bestenfalls einen Versicherungsvertrag abschließen.
Die meisten Betreiber des Vergleichsrechners dürften eine Vermittler-Erlaubnis haben. Daher gilt der Betreiber als jemand, der im Rahmen einer Versicherungsvermittlung tätig und daher nach § 4 Nr. 11 UStG von der Umsatzsteuer befreit ist. Denn es geht darum, die am Abschluss einer Versicherung interessierten Personen mit dem Versicherer zusammenzuführen.
Hat der Betreiber keine Vermittler-Erlaubnis, gilt die BFH-Rechtsprechung zum Werbeagenten. Die Vergütung für die Leadgenerierung ist nicht von der Umsatzsteuer befreit, wenn lediglich Kundendaten zur Vorbereitung eines Versicherungsabschlusses eingeholt werden.
„ClickOut“ von Vertreter-Website auf die des Versicherers
Gelegentlich erhalten Versicherungsvertreter dafür eine Vergütung, dass ein Kunde im Internet von der Vertreter-Website auf die Angebotsseiten z. B. des Versicherers gelangt, ohne dass sie dort qualifizierte Daten eingeben müssen. Mit dem Click wird die Vergütung fällig (sog. ClickOut). Das ClickOut ist u. E. keine steuerfreie Vermittlungsleistung, sondern eine steuerpflichtige Werbeleistung. Es fehlt ein spezifischer und wesentlicher Bezug zu einem abgeschlossenen Vertrag.