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· Fachbeitrag · Lebensversicherung

BGH: Rückkaufswert bei vorzeitiger Kündigung einer bis Ende 2007 abgeschlossenen LV

| Seit vielen Jahren wird vor den Gerichten gestritten, wie bei der vorzeitigen Kündigung eine Lebensversicherung (LV) der Rückkaufswert berechnet wird. Dazu hat der BGH jetzt zwei weitere Entscheidungen getroffen. Die beiden Fälle betreffen LV, die im Zeitraum zwischen 2002 und Ende 2007 abgeschlossen und gekündigt worden sind. |

Sachverhalt der aktuellen Entscheidungen

Zwei Versicherungsnehmer (VN) hatten unabhängig voneinander jeweils im Jahr 2004 eine LV abgeschlossen und nach nur fünf Jahren Vertragslaufzeit vorzeitig gekündigt. Die Versicherer beriefen sich auf die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) und verrechneten die gesamten Abschlusskosten mit den ersten gezahlten Versicherungsbeiträgen, sodass aus Sicht der VN die Rückkaufswerte zu Unrecht geschmälert wurden.

 

Die VN verlangten eine höhere Zahlung. Ihrer Meinung nach sind die Vorschriften zur Berechnung des Rückkaufswerts nach § 169 Abs. 3 Satz 1 VVG, die seit der VVG-Reform ab dem 1. Januar 2008 gelten, auch auf ihre Altverträge anzuwenden. Sie begründeten ihren Anspruch auch mit dem Urteil des BGH (Urteil vom 25.7.2012, Az. IV ZR 201/10; Abruf-Nr. 122532), wonach Klauseln in den AVB unwirksam sind, wenn die Abschlusskosten im Wege des Zillmerverfahrens direkt mit den ersten Beiträgen des VN verrechnet wurden.

Fortführung der bisherigen Rechtsprechung

Der BGH ist der Auffassung, dass der Rückkaufswert im Falle einer vorzeitigen Kündigung einen Mindestbetrag nicht unterschreiten darf. Im Ergebnis muss dem jeweiligen VN im Falle einer vorzeitigen Kündigung mindestens die Hälfte des ungezillmerten Deckungskapitals ausgezahlt werden. Dies entspricht dem Betrag, der ohne Abzug von Abschlusskosten durch Prämien und Zinsen angespart wurde (BGH, Urteil vom 11.9.2013, Az. IV ZR 17/13; Abruf-Nr. 132981; BGH, Urteil vom 11.9.2013, Az. IV ZR 114/13; Abruf-Nr. 132982).

 

PRAXISHINWEIS | Die gleichen Grundsätze gelten auch bei einer Beitragsfreistellung.

 

Der BGH hat mit diesen Entscheidungen seine Rechtsprechung aus der Tarifgeneration von 1994 bis 2001 fortgeführt und diese auf die Berechnung des Rückkaufswerts von bis Ende 2007 abgeschlossenen LV erweitert (BGH, Urteil vom 12.10.2005, Az. IV ZR 162/03; Abruf-Nr. 052956). Somit werden bei der Berechnung des Rückkaufswerts alle zwischen 2002 und Ende 2007 abgeschlossenen Verträge nach denselben Grundsätzen behandelt.

 

Wichtig | Trotz dieser Klarstellung hat der BGH in den beiden Fällen den VN eine Erhöhung der Rückkaufswerte und eine Nachzahlung verweigert. Auch eine rückwirkende Anwendung von § 169 Abs. 3 Satz 1 VVG für vor dem 1. Januar 2008 abgeschlossene Versicherungsverträge hat er abgelehnt; dem stünde der gesetzgeberische Willen entgegen.

Auswirkungen auf die Praxis und Handlungsempfehlungen

Wie viele LV - und auch Rentenversicherungen - in der Praxis von dieser Rechtsprechung betroffen sind, lässt sich nur erahnen. Fakten aber sind:

 

  • VN, die ihren Vertrag schon vorzeitig gekündigt haben und eine Erhöhung des ausgezahlten Rückkaufswerts für berechtigt erachten, müssen ihre Ansprüche gegenüber dem Versicherer aktiv anmelden. Den Versicherer trifft keine automatische Regulierungspflicht.

 

  • Der Nachforderungsanspruch verjährt innerhalb der allgemeinen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB). Das gilt nach der Streichung von § 12 VVG alter Fassung auch für Versicherungsverträge mit Abschluss vor 2008. Entsprechend verjähren Ansprüche aus Versicherungsverträgen, die der VN im Jahr 2010 gekündigt, mit dem 31. Dezember 2013.

 

  • Werden LV, die ab dem 1. Januar 2008 geschlossen wurden, frühzeitig gekündigt, muss der VN darauf achten, dass der Versicherer die Neuregelung in § 169 Abs. 3 Satz 1 VVG beachtet. Danach gilt Folgendes: „Der Rückkaufswert ist das nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode berechnete Deckungskapital der Versicherung, bei einer Kündigung des Versicherungsverhältnisses jedoch mindestens der Betrag des Deckungskapitals, das sich bei gleichmäßiger Verteilung der angesetzten Abschluss- und Vertriebskosten auf die ersten fünf Vertragsjahre ergibt;...“

 

  • Beispiel

Ein VN kündigt eine im Januar 2008 geschlossene LV, die eigentlich 20 Jahre laufen sollte, nach 3 Jahren. Dann darf der Versicherer dem VN bei der Abrechnung nur 3/5 der Abschlusskosten belasten.

 

 

PRAXISHINWEIS | Eine frühzeitige Kündigung einer LV bringt oftmals Nachteile für den VN. Sie als Vertreter sollten daher die jeweilige Situation konkret analysieren und Alternativen zur frühzeitigen Kündigung prüfen. Mögliche Lösungen können im Falle kurzfristigen Liquiditätsbedarfs ein Policendarlehen oder eine Verpfändung des Versicherungsvertrags sein. Auch die Senkung des Beitrags und der Versicherungssumme bis hin zur Beitragsstundung kann je nach Einzelfall eine vorzugswürdige und oftmals mit weniger finanziellen Nachteilen verbundene Option darstellen.

 
Quelle: Ausgabe 10 / 2013 | Seite 19 | ID 42316893