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  • · Fachbeitrag · Lohnsteuer

    Betriebsveranstaltungen im Jahr 2014: Fiskuswill steuergünstige BFH-Urteile aushöhlen

    | Seit 1. Januar 2015 gelten beim Thema „Betriebsveranstaltungen und Lohnsteuer“ neue Spielregeln. Für Betriebsveranstaltungen, die im Jahr 2014 stattgefunden haben, sollen die steuergünstigen BFH-Urteile vom 16. Mai 2013 gelten. Eine Verfügung der OFD Nordrhein-Westfalen lehrt aber, dass die Finanzverwaltung die BFH-Urteile durch Sonderregelungen in den LStR 2015 in Teilen aushöhlen will. Erfahren Sie, worauf Sie Ihr Augenmerk bei den Betriebsveranstaltungen des Jahres 2014 richten müssen. |

    OFD will Reisekosten teilweise in Gesamtkosten einbeziehen

    Der BFH hatte klargestellt, dass nur Kosten für solche Leistungen in die Gesamtkosten der Betriebsveranstaltung einzubeziehen sind, die ein Teilnehmer unmittelbar konsumieren kann. Bei Reisekosten, die der Arbeitgeber trägt, handelt es sich deshalb um steuerfreien Werbungskostenersatz (BFH, Urteil vom 16.5.2013, Az. VI R 94/10, Abruf-Nr. 133173; ASR 11/2013, Seite 10).

     

    Die OFD ist jetzt der Auffassung, dass das BFH-Urteil nur für Reisekosten gilt, die bis zum Beginn der Betriebsveranstaltung angefallen sind. Reisekosten während der Betriebsveranstaltung sind weiter in die Gesamtkosten einzubeziehen (R 19.5 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Lohnsteuer-Richtlinien [LStR]). Zu letzteren zählt die OFD auch Übernachtungskosten (OFD Nordrhein-Westfalen, Kurzinfo Lohnsteuer, Nr. 04/2015 vom 13.5.2015, Abruf-Nr. 144775).

     

    PRAXISHINWEIS | Die Ansicht der OFD ist nicht zu Ende gedacht. Sie stellt sich nicht die Frage, ob Fahrt- und Übernachtungskosten konsumierbare Leistungen sind. Keine Aussage trifft die OFD auch zu den vom Arbeitgeber übernommenen Abreisekosten. Auf Anfrage teilt die OFD mit: Die Abreisekosten zählen nicht zu den Gesamtkosten der Betriebsveranstaltung (und bleiben steuerfrei erstattbar), weil sie wie die Anreisekosten nicht während der Betriebsveranstaltung anfallen.

     
    • Beispiel

    Eine Autohaus-Kette lädt die 250 Mitarbeiter ihrer zehn Standorte zur Feier eines Firmenjubiläums in ein Fußballstadion ein. Als steuerfreien Werbungskostenersatz ansetzbare Reisekosten sind laut BFH und OFD folgende Kosten:

     

    Steuerfreie Reisekosten
    Kosten
     BFH
    OFD

    Anreisekosten

    10.000 Euro

    Übernachtungkosten

    20.000 Euro

    Fahrtkosten Hotel-Stadion und zurück bei der Veranstaltung

    5.000 Euro

     

     

    Abreisekosten

    10.000 Euro

     

     

    Folge: An- und Abreisekosten sind keine Kosten der Betriebsveranstaltung.

     

    Wichtig | Noch einschneidender ist die OFD bei den Reisekosten, wenn die Betriebsveranstaltung bereits am Unternehmenssitz oder an einem anderen Sammelpunkt beginnt und die Veranstaltung an einem anderen Ort stattfindet. Hier sind die Kosten für die gemeinsame Fahrt in die Gesamtkosten einzubeziehen. Das gilt selbst dann, wenn die Fahrt als solche keinen Erlebniswert hat. Als Beginn der Veranstaltung definiert die OFD hier zwischen den Zeilen den Beginn der „gemeinsamen“ Fahrt zur Veranstaltung.

     

    • Beispiel

    Anlässlich eines Firmenjubiläums lädt ein Autohaus aus Hannover seine Mitarbeiter zu einer Betriebsveranstaltung nach München ein. Dafür chartert es zwei Busse. Damit fahren die Mitarbeiter gemeinsam von Hannover nach München. Ein Mitarbeiter, der am Abreisetag noch als Zeuge vor Gericht aussagen muss, fährt am Nachmittag mit dem Zug nach München zur Betriebsveranstaltung. Als steuerfreien Werbungskostenersatz ansetzbare Reisekosten sind laut BFH und OFD folgende Kosten:

     

    Steuerfreie Reisekosten
     BFH
    OFD

    „Gemeinsame“ Anreisekosten mit Bussen

    Anreise des Mitarbeiters mit dem Zug

     

     

    Folge: Die „gemeinsamen“ Anreisekosten mit Bussen zählen nach Ansicht der OFD zu den Kosten der Betriebsveranstaltung.

     

    Was sind Kosten des äußeren Rahmens?

    Kosten für die Ausgestaltung der Betriebsveranstaltung sind in die Gesamtkosten der Betriebsveranstaltung nicht einzubeziehen. Folglich sind zum Beispiel auch Saalmieten prinzipiell lohnsteuerlich tabu.

     

    Beachten Sie | Etwas anderes gilt, wenn die Betriebsveranstaltung auf einem Ausflugsschiff stattfindet. Dann handelt es sich bei der Miete nach Auffassung der OFD nicht um Kosten der Ausgestaltung der Betriebsveranstaltung, sondern um Fahrtkosten während einer Betriebsveranstaltung. Und die sind in die Gesamtkosten einzubeziehen (siehe oben).

    Aufteilung von Catering-Rechnung tabu

    Die Ausschmückung eines Raums rechnet nach Ansicht des BFH (Urteil vom 16.5.2013, Az. VI R 94/10, Abruf-Nr. 133173) nicht zu den Gesamtkosten einer Betriebsveranstaltung. Daher böte es sich an, Catering-Rechnungen aufzuschlüsseln:

     

    • Die Ausgaben für Essen und Getränke wären in die Gesamtkosten einer Betriebsveranstaltung einzubeziehen (weil konsumierbar)
    • Personalkosten sowie die Kosten für Geschirr, Besteck oder Tische wären herauszunehmen (weil nicht konsumierbar)

     

    Die OFD erteilt dieser nach der BFH-Rechtsprechung konsequenten Aufteilung eine Absage. Dies ist fiskalisch nicht nachvollziehbar.

    Keine Änderung von Steuerbescheiden der Arbeitnehmer

    Hat ein Arbeitnehmer Lohnsteuer für den Besuch einer Betriebsveranstaltung bezahlen müssen, die vor dem 1. Januar 2015 stattgefunden hat, und wäre nach der neuen BFH-Rechtsprechung kein geldwerter Vorteil zu versteuern gewesen, lässt die OFD eine Änderung bestandskräftiger Einkommensteuerbescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 EStG nicht zu. Begründung: Dem Antrag fehlt es an der Rechtserheblichkeit.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Einschränkung, dass bestandskräftige Einkommensteuerbescheide nicht geändert werden können, dürfte in der Praxis jedoch nicht allzu viele Arbeitnehmer benachteiligen. Denn bei Überschreitung der 110-Euro-Grenze übernehmen meist die Arbeitgeber die Steuern, indem sie pauschale Lohnsteuer abführen.

     

    So sollten Arbeitgeber reagieren

    Das BMF hat fast zwei Jahre gewartet, um die BFH-Urteile vom 16. Mai 2013 zur lohnsteuerlichen Behandlung im Bundessteuerblatt zu veröffentlichen. Zwischenzeitlich haben viele Arbeitgeber gegen nachteilige Feststellungen zu Betriebsveranstaltungen bei Lohnsteuerprüfungen Einspruch eingelegt. Diese Einsprüche dürften nun wieder auf den Tisch kommen. Bei der Ermittlung der Gesamtkosten werden die Finanzämter zwar die positiven BFH-Urteile umsetzen, sie werden aber auch die von der OFD Nordrhein-Westfalen geschilderten Gegenmaßnahmen anwenden.

     

    PRAXISHINWEIS | Für Arbeitgeber empfiehlt sich folgendes Vorgehen:

    • Kommt das Finanzamt bei dem Einspruch zum Ergebnis, dass die 110-Euro-Grenze überschritten wird, weil es beispielsweise die Reisekosten während einer Betriebsveranstaltung in die Gesamtkosten einberechnet, sollten Arbeitgeber keinesfalls zustimmen.
    • Bevor das Finanzamt eine Einspruchsentscheidung fällt, gegen die Arbeitgeber nur per Klage beim Finanzgericht vorgehen können, sollten sie eine Anrufungsauskunft nach § 42e EStG beim Finanzamt einholen. Vielleicht hat dieser Bearbeiter mehr Weitblick.
    • Hat diese Anrufungsauskunft auch keinen Erfolg, müssen Arbeitgeber in den sauren Apfel beißen und nach Erhalt der Einspruchsentscheidung klagen.
     

    Weiterführende Hinweise

    • Beitrag „Betriebsveranstaltung 2015: 110-Euro-Freibetrag löst 110-Euro-Freigrenze ab“, ASR 2/2015, Seite 10 
    • Beitrag „Aufwendungen für Angehörige an Betriebsveranstaltungen richtig behandeln“, ASR 8/2014, Seite 8
    • Beitrag „Erfreulicher Schwenk des BFH: Weniger Leistungen fließen in die 110-Euro-Grenze ein“, ASR 11/2013, Seite 10
    Quelle: Ausgabe 08 / 2015 | Seite 11 | ID 43474755