· Fachbeitrag · Werkstattrecht
Verbraucherrechte im Kfz-Handel und -Service: Zwei Praxisfragen zum neuen Widerrufsrecht
| Seit 13. Juni 2014 gelten neue Regeln zum Widerrufsrecht und neue Informationspflichten bei Geschäften mit Verbrauchern im Kfz-Handel und Kfz-Service. „ASR“ hat Sie in der Mai- und in der Juni-Ausgabe darüber umfassend informiert. Wie nicht anders zu erwarten, tauchen nun in der Autohaus-Praxis weitere Fragen zum neuen Widerrufsrecht auf. So möchten Leser wissen, ob die Nachtannahme bzw. eine telefonische Auftragserweiterung den Regeln des Fernabsatzes unterfallen. Die Antwort im ersten Fall lautet „streng genommen, ja“, im zweiten Fall „nein“. |
Nachtannahme als Fernabsatz?
Frage: Wir unterhalten eine gut organisierte Nachtannahme. Ausreichend beleuchtet findet der Kunden einen Kasten vor, in dem Umschläge mit vorbereiteten Auftragsformularen vorgehalten werden. Der Kunde füllt das Formular aus, steckt seinen Autoschlüssel in den Umschlag und wirft ihn in den Nachtannahmetresor ein. Persönlicher Kontakt findet zu dem Zeitpunkt naturgemäß nicht statt. Gelegentlich fragen Kunden nach Geschäftsbeginn telefonisch nach. Bei der Beschäftigung mit dem Widerrufsrecht stießen wir auf die Frage: Ist das Fernabsatz, wenn der Kunde Verbraucher ist?
Antwort: Streng nach dem Wortlaut von § 312c BGB wird man die Frage bejahen müssen. Ein vom Kunden auszufüllendes Formular ist nichts anderes als ein vorbereiteter Brief (siehe die offene Liste der Fernkommunikationsmittel in Absatz 2). Persönlicher Kontakt findet nicht statt.
Beachten Sie | Mancher Leser mag nun den Kopf schütteln und sich denken „Das kann doch wohl nicht sein. Fernabsatz auf dem Firmengelände …“ Die gleiche Reaktion gab es in der „ASR“-Redaktion, als diese Frage erstmals auftauchte. Deshalb ist auch die Antwort auf die Frage mit den Worten „Streng nach dem Wortlaut von § 312 c BGB …“ eingeleitet. Es ist zu hoffen, dass die Gerichte zum Ergebnis gelangen werden, dass der Gesetzgeber einen solchen Vorgang nicht gemeint haben kann. Sicher ist es aber angesichts des Wortlauts nicht, dass die Richter so entscheiden werden.
PRAXISHINWEISE |
|
|
Telefonische Auftragserweiterung als Fernabsatz?
Frage: Der Kunde kommt morgens in den Betrieb und unterschreibt den Werkstattauftrag. Im Zuge der Arbeiten an seinem Fahrzeug bemerken wir, dass die Sache umfangreicher ist, als vorhergesehen. Wir rufen den Kunden an und der stimmt der Auftragserweiterung telefonisch zu. Da diese Auftragserweiterung ja nun ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit mit einem Fernabsatz-Kommunikationsmittel geschieht: Wird der Vertrag dadurch zum Fernabsatz?
Antwort: Nein. Der ursprüngliche Vertrag wurde klassisch in der Werkstatt abgeschlossen. Für ihn gibt es folglich kein Widerrufsrecht. Mit dem ergänzenden Vorgang der Auftragserweiterung wird kein neuer Vertrag abgeschlossen, sondern der alte wird erweitert. Bildhaft gesprochen: Der Ballon wird weiter aufgeblasen, aber es wird kein weiterer Ballon hinzugenommen. Also bleibt es beim - modifizierten - alten Vertrag ohne Widerrufsrecht.
Beachten Sie | Selbst wenn man das anders sehen wollte, griffe die Ausnahme des § 312 c Abs. 1 Halbsatz 2 BGB: Das Ganze hat nicht in einem für den Fernabsatz eingerichteten System stattgefunden.
FAZIT | Also ist die Auftragserweiterung für den Kunden nicht widerruflich, eine Widerrufsbelehrung muss daher nicht erfolgen. |
Weiterführende Hinweise
- Schreiben Sie an asr.iww.de, wenn in Ihrem Autohaus oder Kfz-Betrieb Fragen auftauchen, die sich aus dem oben stehenden Beitrag und bisherigen Beiträgen zu diesem Themenkreis in „ASR“ nicht beantworten lassen. „ASR“ wird im Rahmen der Berichterstattung Ihre Fragen beantworten.
- Beitrag „Verbraucherrechte im Kfz-Handel und -Service: Ab 13. Juni 2014 gelten neue Regeln - Teil I“, ASR 5/2014, Seite 13
- Beitrag „Verbraucherrechte im Kfz-Handel und -Service: Ab 13. Juni 2014 gelten neue Regeln - Teil II“, ASR 6/2014, Seite 15