· Irrtümer im Arbeitsrecht ‒ Teil 7
Dreimal abmahnen? Nein, die Schwere des Verstoßes entscheidet!
| Leserfrage: Eine Mitarbeiterin überzieht ihre Mittagspausen laufend um eine halbe Stunde. Da ich solch ein Verhalten nicht in Ordnung finde, will ich sie jetzt abmahnen. Jedoch befürchte ich, dass die Warnung nicht fruchtet. Wenn sie weiter überzieht, würde ich ihr kündigen müssen ‒ denn ich befürchte, dass die Führungsstärke im Unternehmen ansonsten infrage gestellt wird. Stimmt es, dass man einen Mitarbeiter immer dreimal abmahnen muss, bevor gekündigt werden kann? |
PRAXISTIPP | Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Martin Hane, Lünen: Wägen Sie ab: Ist die Kündigung wirklich die letzte Möglichkeit oder stehen auch noch „mildere Mittel“ zur Verfügung? Diese Frage sollte sich jeder Arbeitgeber vor einer überstürzten Kündigung stellen. Bei Pflichtverletzungen wie zum Beispiel ständigem Zuspätkommen sprechen Arbeitgeber zunächst immer besser erst eine Abmahnung aus, greifen also zu einem „milderen Mittel“ ‒ so wie Sie es planen! Wie viele Abmahnungen einer Kündigung wegen Fehlverhaltens vorausgehen müssen, hängt von der Art und Schwere der Pflichtverletzung ab und von dem Verlauf und der Dauer des Arbeitsverhältnisses. |
Grundsatz
Die Annahme, dass man einen Mitarbeiter dreimal abmahnen muss, bevor man ihm kündigen darf, ist so nicht haltbar.
Beachten Sie | Letztlich müssten Gerichte entscheiden, ob die Kündigung bei notorischem Pausen-Überziehen angemessen ist. Sie müssten dann auch nachweisen, dass das Überziehen schwerwiegende Folgen ‒ zum Beispiel im Produktionsprozess hat. Bei Bürotätigkeiten kann die halbe Stunde manchmal auch problemlos nachgearbeitet werden.
TIPP | Suchen Sie im persönlichen Gespräch nach den Gründen für das Überziehen. Wenn die Mitarbeiterin z.B. einen Familienangehörigen betreuen muss ‒ und deshalb überzieht, sollten Sie nach Lösungen suchen, wie die Arbeitszeit flexibilisiert werden kann. Anders liegt die Sache, wenn es nachweislich mit „Bummeln“ begründet wird. |
In den meisten Fällen ist eine Abmahnung ausreichend, um als Kündigungsgrundlage zu dienen. Mit einer Abmahnung geben Sie Ihrem Mitarbeiter die Chance, sein Verhalten zu bessern, und weisen ihn dabei ausdrücklich darauf hin, dass bei einer Wiederholung die Kündigung droht. Nutzt er seine Chance nicht und begeht denselben Fehler noch einmal, dann zählt das als Kündigungsgrund. Im Normalfall gilt: Abmahnung -> Wiederholung => Kündigung.
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Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. |
Beachten Sie | Nicht jede Abmahnung kann als Grund für jede Kündigung genutzt werden. Eine Kündigung ist nur dann möglich, wenn Ihr Mitarbeiter wiederholt gegen dieselbe Pflicht verstößt.
Gründe zur Aussprache mehrerer Abmahnungen
In manchen Fälllen kann es sein, dass mehrere Abmahnungen ausgesprochen werden müssen, bevor sie als Kündigungsgrund dienen.
- Wirkungsdauer: Abmahnungen verlieren im Laufe der Zeit ihre Wirkung. Als Faustregel kann man sich merken: je schwerwiegender der Regelverstoß, desto länger die Wirkungsdauer der Abmahnung. Liegt die erste Abmahnung zehn Jahre zurück, dann kann man davon ausgehen, dass sie nicht mehr gültig ist.
- Unerheblichkeit der Pflichtverletzung: Ist eine Abmahnung nicht rechtens, da der Pflichtverstoß so gering war, dass eine Abmahnung unangebracht ist, dann verliert sie ihre Wirkung. Um eine Kündigung durchzusetzen ist also mindestens noch eine rechtmäßige Abmahnung notwendig.
Beachten Sie | Vorsicht ist bei Sammelabmahnungen angebracht. Sammelt man mehrere Abmahnungen in einem Schreiben, so kann das dazu führen, dass das gesamte Schreiben aus der Personalakte entfernt werden muss, auch wenn nur eine einzige Abmahnung unwirksam ist.
Zu viele Abmahnungen führen zur Entwertung
Mit Urteil vom 16.09.2004 hat das BAG bestätigt (Az: 2 AZR 406/03), dass die Zahl der vorausgegangenen Abmahnungen ihre Wirksamkeit entwerten kann. Gleichzeitig kann aber auch die Zeitdauer, in der der Arbeitgeber nur abmahnt, von Bedeutung sein (siehe Checkliste ‒ unten). Daher gilt:
TIPPS | |
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Oft sind mehrere Abmahnungen erforderlich
Andererseits sind Fälle bekannt, in denen eine einzige Abmahnung zur Vorbereitung einer Kündigung nicht ausgereicht hat. Das hängt von der Schwere und Intensität der Vertragsverletzung ab.
Checkliste / Abmahnung von Mitarbeitern |
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HB/JT
Weiterführende Links
- Musterformulierung einer Abmahnung: Abruf-Nr. 44864707
- Irrtum 1: „You are fired“ ‒ das funktioniert nicht Abruf-Nr. 45011854
- Irrtum 2: Versehentlich gekündigt? Zurückholen ist schwierig Abruf-Nr. 45012861
- Irrtum 3: Sind Kündigungen auch ohne Begründung wirksam? Abruf-Nr. 45013611
- Irrtum 4: Anspruch auf Urlaubsgeld: Einmal zahlen immer zahlen? Abruf-Nr. 45046873
- Irrtum 5: Fristlose Kündigung: Keine Chance ohne Verdacht ... Abruf-Nr. 45351490
- Irrtum 6: Ohne Abmahnung kündigen: Ja, das ist möglich! Abruf-Nr. 45014904
- Irrtum 7: Dreimal abmahnen? Nein, die Schwere entscheidet! Abruf-Nr. 45017779