· Arbeitsschutz
Geimpft, genesen, getestet? Für Arbeitgeber gelten andere Regeln als im öffentlichen Raum!
| Die Bundesregierung definierte mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer die „3-G-Regel“ (geimpft, genesen oder getestet) als Voraussetzung, um weithin uneingeschränkt am öffentlichen Leben teilnehmen zu können. Als Arbeitgeber müssen Sie für die Beschäftigten andere Regeln beachten. Das sind die SARS-CoV-2-Arbeitschutzverordnung, die Arbeitsschutzregel, den SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard ‒ und nicht zuletzt müssen Sie das Grundgesetz und den Datenschutz berücksichtigen. CE Chef easy zeigt wichtige Unterschiede, die Sie kennen müssen. |
Regeln im öffentlichen Raum per Landesverordnung
Um im öffentlichen Raum uneingeschränkt Veranstaltungen, Restaurants oder Kulturangebote wahrnehmen zu können, sind Nachweise von Impfung, Genesungsstatus oder negativem Corona-Test zu erbringen. Um den Druck weiter zu erhöhen, wird ab 11.10.2021 die Kostenfreiheit für Testungen abgeschafft. Zusätzlich können die Länder weitergehende Durchführungsregelungen als Landesverordnungen bestimmen.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bringt indes sogar „2 G“ als Option (also den Ausschluss Getesteter) ins Spiel. Doch das erscheint verfassungswidrig, zumindest, wenn es der Staat anordnen würde. Justitzministerin Christine Lambrecht (SPD) hat Bedenken geäußert. Allenfalls über das Hausrecht könnten Unternehmen ihre Angebote für Kunden auf Geimpfte und Genesene beschränken.
Für Arbeitgeber gelten andere Vorschriften
Für Arbeitgeber gilt die SARS-CoV-2-Arbeitschutzverordnung (einschl. der Arbeitsschutzregel). Ob diese Verordnung demnächst ausläuft, wird sich in den nächsten zwei Wochen klären ‒ die Gültigkeit war bis 10.09.2021 begrenzt worden, kann aber jederzeit verlängert und verändert werden.
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Die per Landesverordnung definierten Vorschriften für den öffentlichen Raum gelten in Bezug auf die Beschäftigung von Arbeitnehmern nicht analog! Schauen Sie zum Beispiel auf die Frage der Testung: Ein Ladenbesitzer hat Vorschriften des öffentlichen Raums zu beachten: Abstand, Zahl der Kunden pro Quadratmeter, Maskenpflicht, 3-G-Nachweis. Er kann sogar über sein Hausrecht noch strenger vorgehen, 2-G zum Beispiel. Wenn diese Vorschriften einem Kunden zu viel Regelwerk sind, kann er das Angebot jederzeit meiden ‒ es ist also seine freie Entscheidung.
Arbeitnehmer sind dagegen „abhängig beschäftigt“ und deshalb auch ganz anders zu behandeln. Hier könnte bereits ein verpflichtender Corona-Schnelltest als Eingriff in das „Recht auf körperliche Unversehrtheit“ (Art. 2 II 1 GG) gewertet werden. Nur in Ausnahmen sieht der Gesetzgeber für bestimmte Branchen (z. B. in Gesundheits- und Pflegebetrieben) vor, dass eine Test-Verpflichtung durchgesetzt werden kann.
Beachten Sie | Die Selbstbestimmung über den eigenen Körper ist durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistet. Hinzu kommt: Impf- und Teststatus sind persönliche Gesundheitsdaten. Darauf haben Arbeitgeber kein Auskunfts-Anrecht (nicht einmal in der Pandemie). Eine Befragung bei Infektionsverdacht kann jedoch durch den Arbeitgeber erfolgen. Soweit Arbeitnehmer solche Angaben freiwillig machen, sind diese geheim zu halten.
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Arbeitgeber müssen mindestens zweimal pro Woche für alle in Präsenz Arbeitenden Antigenschnell- oder Selbsttests anbieten. Ausnahmen für vollständig Geimpfte bzw. von einer COVID-19 Erkrankung genesene Beschäftigte sind vorgesehen. |
Rechtliche Einordnung
„Anbieten“ heißt: Es gibt keine Verpflichtung zur Annahme der Antigenschnell- oder Selbsttests. Zwar empfiehlt die Bundesregierung, das Testangebot anzunehmen. Doch eine Testverpflichtung kann nur für bestimmte Beschäftigtengruppen (z. B. für im Gesundheitswesen Beschäftigte) verbindlich geregelt werden. Hier geben landesrechtliche Bestimmungen ‒ für entsprechend sensible Berufsgruppen ‒ Auskunft.
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Beachten Sie | Vermeiden Sie „Verpflichtungen“, die die Persönlichkeitsrechte berühren. Schnell könnten die Beschäftigten den „Eingriff in die körperliche Integrität gegen ihren Willen“ geltend machen. Solange Sie die „Freiwilligkeit“ beachten und den Selbsttest an den Arbeitnehmer oder die Abwicklung Ihrem Betriebsarzt übertragen, spricht nichts dagegen.
Fragen und Antworten zum Arbeitsschutz in der Pandemie
1. Kann ich als Arbeitgeber abfragen, ob meine Arbeitnehmer geimpft sind?
Nein, das dürfen Sie nicht. Impfen ist Privatsache. Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung unterscheidet nicht zwischen geimpften und nicht geimpften Beschäftigten und enthält auch keine Verpflichtung der Beschäftigten, dem Arbeitgeber Auskunft über ihren Impf- bzw. Genesungsstatus zu erteilen.
Ausnahmen gelten allein für gesetzlich bestimmte Beschäftigungsgruppen (z. B. Gesundheitswesen, Pflegebetriebe). Solche Regelungen gibt es nach § 23a IfSG u.a. in NRW, Hessen, Berlin und Sachsen. Da es aber keine allgemeine Impfpflicht gibt, sollten Sie alles vermeiden, was auf eine Diskriminierung im Arbeitsverhältnis hindeutet.
Beachten Sie | Soweit Sie freiwillig erfahren, wer geimpft ist, könnten Sie die Testangebote an diese Personen auch einstellen. Aber Sie müssen dann durch andere geeignete Schutzmaßnahmen einen gleichwertigen Schutz der Beschäftigten sicherstellen oder einen bestehenden gleichwertigen Schutz nachweisen können (§4 Abs. 2 Corona-ArbSchV).
Aber Vorsicht: Unterschiedliche Vorgaben zum betrieblichen Infektionsschutz je nach Impf- und Genesungsstatus der Beschäftigten können Störungen des Betriebsfriedens auslösen, insbesondere, wenn damit „Vergünstigungen“ wie z. B. die exklusive Nutzung von Pausenbereichen oder Kantinen verbunden sind.
Vergünstigungen würden unmittelbar den jeweiligen Impf- und Genesungsstatus jedes Betriebsangehörigen offenlegen. Dies kann zu Rechtfertigungsdruck der nicht geimpften Beschäftigten führen. Dabei ist zu beachten, dass auch medizinische Gründe gegen eine Impfung sprechen können und eine Offenlegung dieser Gründe nicht verlangt werden kann.
2. Darf ich eine Impfpflicht in einer Betriebsvereinbarung vorsehen?
Nein, weil es keine generelle Impfpflicht gibt.
Für Arbeitgeber gilt: Der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit von Arbeitnehmern wäre nicht zu rechtfertigen. Sie müssen die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten schützen (§ 75 Abs. 2 BetrVG). Auch beim Testen haben Sie lediglich ein Angebot zu unterbreiten. Ausnahmen gelten allein für gesetzlich bestimmte Beschäftigungsgruppen (z. B. Gesundheitswesen, Pflegebetriebe) ‒ siehe unter 1.
3. Habe ich eine Handhabe gegen ungeimpfte Mitarbeiter, die keine Begründung liefern?
Nein. Denn das wäre eine Diskriminierung im Arbeitsverhältnis aufgrund des Impfstatus. Würden Sie dem Betreffenden verwehren, zu arbeiten, geraten Sie in Annahmeverzug, weil der Beschäftigte seine Arbeitskraft ja anbietet. Da es keine Impfpflicht gibt, gibt es auch keine Auskunftspflicht (was die Begründung einschließt).
4. Wenn ein Ungeimpfter trotz Impfangebots an COVID-19 erkrankt, muss ich dann das Entgelt fortzahlen?
Ja, die Entgeltfortzahlung gilt auch dann bis zu sechs Wochen ‒ trotz des Bestehens einer Impfoption. Nur, wer sich vorsätzlich oder leichtfertig Risiken aussetzt, kann die Lohnfortzahlung gefährden. Dies kann bei Reisen in Risikogebiete der Fall sein. Wer hingegen eine Impfung nicht wahrnimmt, begründet einen solchen Verstoß nicht.
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Da mit einer Corona-Erkrankung stets eine Quarantäneanordnung verbunden ist, vertreten Arbeitgeber nach Berichten des DGB vereinzelt die Auffassung, nicht zur Entgeltfortzahlung verpflichtet zu sein. Aber: Die Quarantäneanordnung ist nicht die Ursache des Arbeitsausfalls, sondern die Folge der Erkrankung, so der DGB. Das Bundesarbeitsgericht habe schon 1978 entschieden, dass das Recht auf Entgeltfortzahlung weiterhin besteht (BAG, Urteil vom 26.04.1978, Az.5 AZR 7/77).
5. Ich bin im Außendienst im Einsatz. Bin ich dort zum Test verpflichtet?
Wenn Sie Einrichtungen besuchen, für die per Landesverordnung eine Testpflicht besteht, ja. Ansonsten ist es eine Abwägung im Einzelfall je nach gegenseitigen Interessen.
6. Kann ich mit Lockerungen der Kontaktbeschränkungen im Betrieb genau so verfahren, wie in der Öffentlichkeit in meinem Bundesland / Kreis?
Der Arbeitgeber hat Maßnahmen des betrieblichen Infektionsschutzes zum Schutz seiner Beschäftigten festzulegen, umzusetzen und auf ihre Wirksamkeit zu prüfen und bei Bedarf anzupassen.
Erst mit dem Auslaufen bzw. der Erklärung der Beendigung der „pandemischen Lage von nationaler Tragweite“ werden auch die Verpflichtungen und Vorgaben der SARS-CoV-2 Arbeitsschutzverordnung und -Regel zum betrieblichen Infektionsschutz entfallen.
7. Muss ich Homeoffice weiter anbieten, obwohl es nicht mehr in der SARS-CoV-2 Arbeitsschutzverordnung steht?
Homeoffice ist eine Maßnahme zur Reduzierung betriebsbedingter Personenkontakte und auch weiterhin Gegenstand der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel. Das Bundesarbeitsministerium schreibt: „Durch die Ausführung von Tätigkeiten im Homeoffice werden nicht nur Personenkontakte im Betrieb vermieden bzw. verringert, sondern auch auf dem Weg von und zur Arbeit. Der Arbeitgeber bleibt daher verpflichtet, Homeoffice im Rahmen der Erstellung des betrieblichen Hygienekonzeptes zu berücksichtigen.“
Beachten Sie | Viele Tätigkeiten in Produktion, Dienstleistung, Handel, Logistik etc. lassen eine Ausführung im Homeoffice nicht zu. Auch in anderen Bereichen können betriebstechnische Gründe vorliegen, die gegen eine Verlagerung ins Homeoffice sprechen. Dies kann z. B. in Betracht kommen, wenn die Betriebsabläufe sonst erheblich eingeschränkt würden oder gar nicht aufrechterhalten werden könnten.
Weitere Regeln der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung
Weiterhin fordert die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung betriebliche Hygienepläne (Gefährdungsbeurteilung nach §§ 5 und 6 Arbeitsschutzgesetz). Beachten Sie dazu SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel und die branchenbezogenen Praxishilfen der Unfallversicherungsträger (Beispiel für Bürobetriebe hier verlinkt).
Personenkontakte
- Betriebsbedingte Personenkontakte sind nach wie vor einzuschränken.
- Die gleichzeitige Nutzung von Räumen durch mehrere Personen ist auf das notwendige Minimum zu reduzieren.
- Auch während der Pausenzeiten und in Pausenbereichen muss der Infektionsschutz gewährleistet bleiben.
Maskenpflicht
Soweit Ihre Gefährdungsbeurteilung ergibt, dass ein Schutz der Beschäftigten durch technische und organisatorische Schutzmaßnahmen nicht ausreichend ist und das Tragen medizinischer Gesichtsmasken (Mund-Nase-Schutz) oder Atemschutzmasken erforderlich ist, müssen Sie diese bereitstellen. Ihre Mitarbeiter haben die zur Verfügung gestellten Masken oder gleichwertige Masken zu tragen.
Raumbelegung
Die Einhaltung einer Mindestfläche von 10 m² pro Person wurde aufgehoben. Der Mindestabstand von 1,50 m muss aber weiter eingehalten werden, ebenso ist weiterhin intensives Lüften sicherzustellen.
Homeoffice
Die verbindliche Vorgabe von Homeoffice im Infektionsschutzgesetz ist zum 30.06.2021 ausgelaufen und wird nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums nicht mehr in die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung aufgenommen. Homeoffice soll aber bei der Erstellung und Anpassung der betrieblichen Hygienepläne vom Arbeitgeber weiter berücksichtigt werden (SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel).
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(JT)
Quellen |
- SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Stand: 25.06.2021; gültig bis 10.09.2021)
- BMAS: FAQ zur Corona-Arbeitsschutzverordnung (Stand: 01.07.2021)
- DGB: Fragen und Antworten zur Corona-Impfung (Stand 03.08.2021)
- SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel (Stand 07.05.2021)
- SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard (Stand: 02/2021)