Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo

07.04.2022 · IWW-Abrufnummer 228533

Landesarbeitsgericht München: Urteil vom 19.01.2022 – 10 Sa 582/21


In dem Rechtsstreit
M.
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte/r:
gegen
Firma A....... GmbH ..........
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte/r:
hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19.01.2022 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Hauf und die ehrenamtlichen Richter Varschen und Hauser
für Recht erkannt:

Tenor:
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 28.07.2021, Az. 36 Ca 9963/20 wird abgeändert.


2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 1.732,32 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.09.2020 zu zahlen.


3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 238,73 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sei 01.01.2021 zu zahlen.


4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 489,83 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.03.2021 zu zahlen.


5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 825,00 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.06.2021 zu zahlen.


6. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtstreits.


7. Die Revision wird zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten über - in der Höhe unstreitige - Differenzlohnansprüche, die der Kläger wegen einer behaupteten Benachteiligung aufgrund seiner Tätigkeit als geringfügig Beschäftigter beansprucht.



Der Kläger ist seit dem 01.04.2015 bei der Beklagten als Rettungsassistent im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses tätig.



Die Beklagte betreibt ein Unternehmen, das im Auftrag des Rettungszweckverbandes Notfallrettung betreibt sowie Krankentransporte durchführt und sonstige sanitätsdienstliche Leistungen erbringt.



Die Beklagte zahlt an den Kläger einen Stundenlohn von 12,00 € brutto. § 3 des Arbeitsvertrages (Bl. 45 d. A.) enthält folgende Regelung:



"§ 3 Arbeitszeit, Arbeitsort



Von beiden Vertragsparteien ist ein möglichst regelmäßiger Arbeitseinsatz des Arbeitnehmers gewünscht.



Die durchschnittliche Arbeitszeit beträgt 16 Stunden pro Monat. darüber hinaus kann der Arbeitnehmer im gesetzlichen Rahmen der geringfügigen Beschäftigung weitere Stunden ableisten. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, sich aktiv um Schichten zu kümmern.



....."



Die Beklagte teilt den Kläger nicht zu Diensten ein, der Kläger erhält vielmehr einerseits u.a. über WhatsApp Anfragen bezüglich zu besetzender Dienste, die nicht angenommen werden müssen und kann andererseits Wunschtermine für Einsätze selbst benennen.



Im Betrieb werden zudem Rettungsassistenten in Vollzeit und Teilzeit beschäftigt, deren Stundenlohn bei mehr als € 17,00 brutto liegt. Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 15.05.2020 (vgl. Anlage K 1, Bl. 15 d. A.) unter Berufung auf das TzBfG auf, rückwirkend zum 01.01.2020 den Bruttostundenlohn auf € 17,00 zu erhöhen, was von der Beklagten mit Schreiben vom 29.05.2020 (vgl. Anlage K 2, Bl. 16 d. A.) unter Verweis auf eine Gleichbehandlung innerhalb der Gruppe der Minijobber zurückgewiesen wurde.



Der Kläger war vor dem Arbeitsgericht der Auffassung, dass er bei gleicher Arbeit aufgrund seiner geringfügigen Beschäftigung nicht so wie ein Vollzeitbeschäftigter behandelt und vergütet werde, was gegen § 4 TzBfG verstoße. Soweit die Beklagte behaupte, dass die geringfügig Beschäftigten eine freie Wahl hinsichtlich der zu leistenden Dienste hätten, sei dies für eine Ungleichbehandlung irrelevant und im Übrigen könnten auch die geringfügig Beschäftigten die Schichten nicht kurzfristig tauschen. Aus diesem Grund sei die Beklagte verpflichtet die von ihm im Zeitraum Januar 2020 bis April 2021 geleisteten Stunden mit einem Stundenlohn von € 17,00 brutto zu vergüten.



Der Kläger hat beantragt:



1. Die Beklagte wird verurteilt, 1.732,32 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.



2. Die Beklagte wird verurteilt, 238,73 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.



3. Die Beklagte wird verurteilt, 489,83 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.



4. Die Beklagte wird verurteilt, 825,00 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.



Der Beklagte hat beantragt:



Die Klage wird abgewiesen.



Die Beklagte hat vorgetragen, dass bei ihr verschiedene Arbeitnehmergruppen mit verschiedenen Gehaltsstrukturen existierten. Vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer würden nach einem Schichtsystem eingeteilt und könnten nur in Ausnahmefällen ihre Dienste tauschen. Der Kläger gehöre hingegen zur zweiten Gruppe der Mitarbeiter, die die Möglichkeit hätten, ihre Dienste nach der Art der Einsätze und ihrer zeitlichen Lage frei zu wählen. Diese Mitarbeiter würden nicht eingeteilt und erhielten lediglich Anfragen, über deren Annahme sie frei entscheiden könnten. Dies bringe der Gruppe des Klägers massive Vorteile, da sie in der Lage wären, die Arbeitszeit ihrem Leben anzupassen und nicht andersherum wie Vollzeitarbeitnehmer. Ausgleich für diesen flexiblen Arbeitsmodus sei der geringere Stundenlohn. Die unterschiedliche Vergütung resultiere aus den unterschiedlichen Arbeitszeitmodellen, weshalb die Gruppen nicht vergleichbar seien. Es werde also zwischen hauptamtlichen Mitarbeitern mit Vollzeit- und Teilzeitverträgen, deren Dienste und Schichten durch die Beklagte eingeteilt und geplant würden sowie nebenamtlichen Mitarbeitern - in der Regel geringfügige Beschäftigte -, die sich ihre Dienste entsprechend ihrer persönlichen Bedürfnisse und Dispositionen selbst aussuchen würden, unterschieden. Hinzu kämen noch die sogenannten Springer, die den hauptamtlichen Mitarbeitern zuzuordnen seien. Zu beachten sei, dass eine Ungleichbehandlung von Personengruppen innerhalb des Unternehmens dann sachlich gerechtfertigt sei, wenn hierfür objektive Gründe gegeben seien, die einem wirklichen Bedürfnis des Unternehmens dienen und für die Erreichung des Ziels geeignet und erforderlich seien. Dies sei hier der Fall. Die Beklagte habe eine Vorhalteverpflichtung von Rettungsmitteln und sei nicht frei Dienstleistungen anzubieten oder nicht. Um dieses Ziel zu erreichen, um kurzfristige Ausfälle zu kompensieren und um den betreffenden Mitarbeitern eine Flexibilität in ihrer Arbeitsleistung zu geben, sei diese Wahlmöglichkeit vor über zehn Jahren geschaffen worden und werde von den Arbeitnehmern gerne in Anspruch genommen.



Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, es liege keine Ungleichbehandlung wegen der Teilzeitarbeit vor. § 4 Abs. 1 TzBfG untersage ausschließlich eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung, wenn sie auf die Teilzeittätigkeit an sich zurückzuführen sei, wenn also die Dauer der Arbeitszeit Anknüpfungspunkt für die Ungleichbehandlung sei. Hieran fehle es. Die Beklagte differenziere in Bezug auf den Stundenlohn nicht nach vollzeitbeschäftigten und teilzeitbeschäftigten Mitarbeitern, sondern nach Mitarbeitern, deren Arbeitseinsätze und Schichten sie selbst plane und vorbestimme und solchen, die ihre Einsätze selbst wählen und planen können und damit in ihrer Arbeitszeitgestaltung frei und flexibel seien. Unbestritten beschäftige sie Mitarbeiter in Teilzeit mit derselben Stundenlohnvergütung von 17,00 € brutto wie Vollzeitarbeitnehmer, sie habe dies auch dem geringfügig beschäftigten Kläger wiederholt angeboten, knüpfe diesen Stundenlohn jedoch an die Art und Weise der Arbeitszuteilung und die eigene Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechtes an.



Hinsichtlich des gesamten erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien sowie der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf das Urteil vom 28.07.2021 (Bl. 94 ff. d. A.) Bezug genommen.



Der Kläger hat gegen das ihm am 30.07.2021 zugestellte Urteil am 30.08.2021 Berufung eingelegt und diese innerhalb verlängerter Frist am 27.10.2021 begründet. Die Beklagte hat am 06.11.2021 innerhalb verlängerter Frist erwidert.



Der Kläger ist der Ansicht, die Ansicht des erstinstanzlichen Gerichts, dass schon keine Ungleichbehandlung vorläge, die an eine Teilzeittätigkeit anknüpfe, sei fehlerhaft. Es übersehe, dass es verschiedene Abstufungen der Teilzeit gebe. Und dass Teilzeitkräfte, die einen geringen Stundenumfang hätten, jedenfalls im Vergleich zu Vollzeitkräften ungleich behandelt würden. Des Weiteren habe das Bundesarbeitsgericht ausgeführt (Urteil vom 28.05.2020, 3 AZR 266/11), dass das Benachteiligungsverbot des § 4 Abs. 1 S. 1 TzBfG auch gelte, wenn teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer untereinander unterschiedlich behandelt würden, sofern eine Gruppe der teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer wie vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer behandelt, die andere Gruppe der Teilzeitbeschäftigten hingegen von einzelnen Leistungen ausgeschlossen werde. Im streitgegenständlichen Fall gebe es keine qualitative Unterscheidung zwischen den Tätigkeiten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die € 17,00 pro Stunde verdienen und denen, die € 12,00 verdienen.



Für diese Ungleichbehandlung liege keine sachliche Rechtfertigung vor. Die schlechtere Vergütung lasse sich nicht aus der Tätigkeit des Klägers rechtfertigen. Seine Tätigkeit entspreche der, die die Vollzeitkräfte leisten. Die Tätigkeiten der Vergleichsgruppen würden sich einzig und allein in der Art und Weise der Diensteinteilung unterscheiden. Dies sei jedoch wiederum darin begründet, dass der zeitliche Umfang des Arbeitsverhältnisses so gering sei, dass eine Einteilung durch den Arbeitgeber nicht angemessen sei. Eine gleichartige Eingliederung in die Arbeitsorganisation bei Beschäftigten, die wenige Stunden tätig seien, sei nicht möglich. Auch liege in einer unterschiedlichen Bezahlung ein Widerspruch zum System des TzBfG. § 12 TzBfG regle im Grunde das Gegenteil des vorliegenden Arbeitsverhältnisses. In dessen Regelungsbereich würden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur auf Abruf des Arbeitgebers tätig. Es bestehe also äußerst wenig Flexibilität auf Arbeitnehmerseite. Dennoch werde im Gesetz keine höhere Vergütung dieser im Rahmen der Diensteinteilung äußerst unflexiblen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geregelt. Warum daher ein sachlicher Grund für eine schlechtere Bezahlung darin bestehen solle, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Diensteinteilung flexibel gestalten können, sei nicht ersichtlich.



Der Kläger beantragt:



1. Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 28.07.2021 (Az.: 36 Ca 9963/20) wird abgeändert.



2. Die Beklagte wird verurteilt, 1.732,32 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.



3. Die Beklagte wird verurteilt, 238,73 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.



4. Die Beklagte wird verurteilt, 489,83 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.



5. Die Beklagte wird verurteilt, 825,00 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.



Der Beklagte beantragt:



Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München Az. 36 Ca 9963/20 vom 29.07.2021 wird zurückgewiesen.



Die Beklagte ist der Ansicht, das Arbeitsgericht sei zu Recht zur Überzeugung gekommen, dass die Differenzierung bei den Stundenlöhnen der Beklagten ausschließlich davon abhängig sei, ob der Beschäftigte seine Dienste frei einteilen oder die Beklagte die Dienste vorgeben könne. Differenziert werde also nicht nach der Dauer der Arbeitszeit. Aus diesem Grund sei § 4 Abs. 1 TzBfG auch nicht einschlägig. § 4 Abs. 1 TzBfG untersage ausschließlich eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung, wenn sie auf die Teilzeitbeschäftigung an sich zurückzuführen sei, wenn also die Dauer der Arbeitszeit Anknüpfungspunkt für die Ungleichbehandlung sei. Vorliegend sei ausschließlicher Anknüpfungspunkt, ob der Beschäftigte seine Dienste frei planen könne oder die Beklagte den Beschäftigten einteilen dürfe. Die vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidungen seien nicht einschlägig. Es gebe bei der Beklagten keine Ungleichbehandlung im Hinblick auf die Stundenlöhne. Die Einsetzbarkeit und die Planbarkeit durch die Beklagte würden die entscheidende Rolle spielen. Dies habe die Beklagte dadurch belegt, dass sie dem Kläger, falls er sich zukünftig durch die Beklagte einteilen lasse, einen Stundenlohn von € 17,00 zahlen würde.



Die Differenzierung der Stundenlöhne entspringe einheitlichen, objektiven und sachlich gerechtfertigten Erwägungen der Beklagten. Die sachliche Rechtfertigung der Differenzierung ergebe sich alleine daraus, dass die Beklagte die hauptamtlich Voll- und Teilzeitbeschäftigten eigenständig zu den Diensten und Schichten einteilen könne und insoweit eine größere Planungssicherheit und einen deutlich geringeren Planungsaufwand habe. Für die sachliche Rechtfertigung dieser Differenzierung würden die Motive, weshalb ein Mitarbeiter (nur) eine nebenamtliche Beschäftigung eingehe, keine Rolle spielen und seien aus diesem Grund nicht zu berücksichtigen. Nicht nachvollziehbar sei, weshalb der Kläger meine, dass die Ansicht des Arbeitsgerichts systematisch dem TzBfG widerspreche, da die Arbeit auf Abruf (§ 12 TzBfG) für Arbeitnehmer äußerst wenig Flexibilität bedeute und das Gesetz dennoch keine höhere Vergütung regle. Dieser Behauptung könne nicht gefolgt werden. Es liege kein mit der Arbeit auf Abruf vergleichbarer Fall vor. Vorliegend teile sich der Kläger zu den Diensten frei ein, wohingegen bei der Arbeit auf Abruf eine Unsicherheit des Arbeitnehmers dahingehend bestehe, ob die Arbeitsleistung tatsächlich vom Arbeitgeber abgerufen werde.



Sollte man zu dem Ergebnis kommen, dass dem Kläger ein Stundenlohn von € 17,00 zustehe, sei seine Berechnung rechnerisch richtig.



Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufung wird auf die Schriftsätze vom 27.10.2021 (Bl. 138 ff. d. A.), vom 06.12.2021 (Bl. 160 ff. d. A.), nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 19.01.2022 (Bl. 166 ff. d. A.) Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf einen Stundenlohn von € 17,00 brutto.



I.



Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).



II.



Die Berufung ist jedoch begründet. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts ist die Klage begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Bezahlung eines Stundenlohns von € 17,00 brutto und damit auf die eingeklagte Differenzvergütung.



1. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf einen Stundenlohn von € 17,00 brutto ergibt sich als übliche Vergütung (§ 612 Abs. 2 BGB) entsprechend den Regeln, die die Beklagte für ihre vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer anwendet. Die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien über die niedrigere Stundenvergütung ist wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 TzBfG nach § 134 BGB nichtig. Die Praxis der Beklagten, teilzeit- und vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern, die von der Beklagten zur Arbeitsleistung eingeteilt werden, einen Stundenlohn von € 17,00 zu zahlen, während den von der Beklagten nicht zur Arbeitsleistung eingeteilten Arbeitnehmern wie dem Kläger nur ein Stundenlohn von € 12,00 gezahlt wird, verstößt gegen das Benachteiligungsverbot des § 4 Abs. 1 TzBfG.



a) Nach dieser Bestimmung darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, sachliche Gründe rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung. Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Auch tarifliche Regelungen müssen mit § 4 TzBfG vereinbar sein. Die in dieser Vorschrift geregelten Diskriminierungsverbote stehen gemäß § 22 TzBfG nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien (BAG, 10. Februar 2015, 9 AZR 53/14 (F), Rn. 16 m.w.N, juris).



b) Eine Ungleichbehandlung wegen der Teilzeitarbeit liegt vor, wenn die Dauer der Arbeitszeit das Kriterium darstellt, an das die Differenzierung hinsichtlich der unterschiedlichen Arbeitsbedingungen anknüpft. § 4 TzBfG schützt dabei vor einer unmittelbaren Benachteiligung ebenso wie vor einer mittelbaren. Die unterschiedliche Behandlung einer Gruppe teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer gegenüber den vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern entfällt nicht dadurch, dass der Arbeitgeber eine andere Gruppe teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer nicht benachteiligt (BAG, 19.01.2016, 9 AZR, 564/14, Rn. 15, juris).



Das Benachteiligungsverbot des § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG betrifft nach dem Wortlaut dieser Bestimmung das Verhältnis von teilzeit- zu vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern. Das Verbot gilt allerdings auch dann, wenn teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer untereinander unterschiedlich behandelt werden, sofern eine Gruppe der teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer wie vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer behandelt und die andere Gruppe der Teilzeitbeschäftigten von einzelnen Leistungen ausgeschlossen wird. Die unterschiedliche Behandlung einer Gruppe teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer gegenüber den vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern entfällt nicht, weil der Arbeitgeber eine bestimmte Gruppe Teilzeitbeschäftigter nicht benachteiligt. Verglichen werden damit nicht die unterschiedlichen Gruppen Teilzeitbeschäftigter, sondern eine bestimmte Personengruppe teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer mit Vollzeitbeschäftigten (BAG, 25.04.2007, 6 AZR 746/06, Rn. 22, juris).



c) Daran gemessen liegt eine Ungleichbehandlung wegen der Teilzeitarbeit vor.



Zwar differenziert die Beklagte hinsichtlich der Höhe des von ihr gezahlten Stundenlohnes nicht zwischen Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten. Sie differenziert vielmehr zwischen einer Beschäftigungsgruppe, die sie als "hauptamtlich" und einer Beschäftigungsgruppe, die sie als "nebenamtlich" bezeichnet. Die "hauptamtlich" Beschäftigten, die entweder in Vollzeit oder in Teilzeit tätig sind, werden von der Beklagten in ihre Dienstpläne eingeteilt. Die "nebenamtlich" Beschäftigten, i.d.R. geringfügig Beschäftigte, teilen sich selbst ein. Dass es bei der Beklagten auch Vollzeitbeschäftigte gibt, die nicht von der Beklagten in die Dienstpläne eingeteilt werden, behauptet auch die Beklagte nicht. Die Beklagte vergütet somit die Arbeitnehmergruppe der "nebenamtlich" Teilzeitbeschäftigten anders als die Arbeitnehmergruppe der Vollzeitbeschäftigten. Somit liegt eine unterschiedliche Behandlung von Vollzeitbeschäftigten und Teilzeitbeschäftigten vor, der den Anwendungsbereich von § 4 Abs. 1 TzBfG eröffnet. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Beklagte hinsichtlich des unterschiedlichen Stundenlohns nicht direkt an das Kriterium der Arbeitszeit anknüpft. Es liegt jedenfalls eine mittelbare Anknüpfung vor, da die Praxis der "Nichteinteilung" lediglich bei den "nebenamtlich" Teilzeitbeschäftigten d. h. bei geringfügig Beschäftigten angewandt wird.



d) Diese Ungleichbehandlung ist nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt.



aa) Eine unterschiedliche Behandlung von Teilzeitbeschäftigten kann nur gerechtfertigt sein, wenn sich ihr Grund aus dem Verhältnis von Leistungszweck und Umfang der Teilzeitarbeit herleiten lässt (BAG, 24.09.2003, 10 AZR 675/02, Rn. 43, juris). Allein das unterschiedliche Arbeitspensum rechtfertigt die unterschiedliche Behandlung nicht. Die Sachgründe müssen anderer Art sein, etwa auf Arbeitsleistung, Kommunikation, Berufserfahrung, unterschiedlichen Arbeitsplatzanforderungen oder der "sozialen Lage" beruhen (BAG, 25.10.1994, 3 AZR 149/94, Rn. 31, juris). Die getroffene Unterscheidung muss auch dem Zweck der jeweiligen Leistung entsprechen (a.a.O. Rn. 37). Die Ungleichbehandlung ist nur dann sachlich gerechtfertigt, wenn hierfür objektive Gründe gegeben sind, die einem wirklichen Bedürfnis des Unternehmens dienen und für die Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich sind. Geeignet ist eine Maßnahme, wenn mit ihr das angestrebte Ziel erreicht werden kann. Sie ist erforderlich, wenn sie das mildeste Mittel zur Zielerreichung darstellt, also kein anderes, gleich wirksames Mittel zur Verfügung steht, das gar nicht oder weniger nachteilig für die benachteiligte Arbeitnehmergruppe wäre.



bb) Unstreitig unterscheidet sich die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit nicht von der, die die "hauptamtlich" beschäftigten Rettungsassistenten ausüben. Die Art der Tätigkeit ist somit nicht geeignet den unterschiedlichen Stundenlohn zu rechtfertigen.



cc) Auch die Tatsache, dass der Kläger im Gegensatz zu den "hauptamtlich" Beschäftigten nicht von der Beklagten zur Arbeit eingeteilt wird, sondern selbst mitteilt welche von der Beklagten angebotenen Dienste er übernimmt bzw. Wunschtermine benennt, ist nicht geeignet den unterschiedlichen Stundenlohn zu rechtfertigen, da hierfür keine objektiven Gründe gegeben sind, die einem wirklichen Bedürfnis des Unternehmens dienen, zur Zielerreichung geeignet und erforderlich sind und die Unterscheidung nicht dem Zweck der Leistung entspricht.



Die Beklagte führt hier aus, durch die Einteilung der "hauptamtlich" Beschäftigten entstehe für sie eine größere Planungssicherheit und ein deutlich geringerer Planungsaufwand. Beides sei wichtig, insbesondere da die Beklagte eine "staatliche Vorhalteverpflichtung" habe und daher die Dienste besetzen müsse. Um dieses Ziel zu erreichen, um kurzfristige Ausfälle zu kompensieren und um den Arbeitnehmern eine Flexibilität in ihrer Arbeitsleistung zu geben, sei von der Beklagten die Wahlmöglichkeit geschaffen worden zwischen einer Diensteinteilung durch die Arbeitgeberin verknüpft mit einem höheren Stundenlohn und dem Modell "freie Dienstwahl verknüpft mit einem niedrigeren Stundenlohn". Der Kläger müsse sich diesem Dienstplanregime nicht unterwerfen, sondern habe die Möglichkeit für ihn passende Dienste zu wählen, die den Bedürfnissen seines sonstigen (Arbeits-)Lebens entsprächen. Dies rechtfertige die unterschiedliche Vergütungshöhe.



Letztlich trägt die Beklagte also vor, bei ihr bestehe ein Bedürfnis nach Planungssicherheit und geringem Planungsaufwand, was dadurch befriedigt werden könne, dass den Arbeitnehmern ein höherer Stundenlohn bezahlt wird, die vom Arbeitgeber in den Dienstplan eingeteilt werden. Die Beklagte übersieht hier, dass es dem Normalbild eines Arbeitsverhältnisses entspricht, dass der Arbeitnehmer dem Weisungsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich der Zeit der Arbeitsleistung gemäß § 106 GewO unterliegt. Warum es notwendig sein soll Arbeitnehmern, die entsprechend dieser gesetzlichen Regelung tätig werden, eine höhere Vergütung zu zahlen, erschließt sich nicht.



Diese Argumentation der Beklagten vernachlässigt weiterhin die Tatsache, dass die Flexibilität in der Wahl der konkreten Arbeitszeiten keineswegs ausschließlich oder überwiegend im Interesse des Klägers liegt. Der Beklagten ist zwar zuzugestehen, dass für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen eine freie Entscheidung darüber, wann Arbeitsleistung zu erbringen ist, einen nicht zu unterschätzenden Wert darstellt; dies insbesondere dann, wenn das Arbeitsverhältnis neben einem weiteren Arbeitsverhältnis besteht oder die Notwendigkeit besteht es mit einem Studium oder einer Betreuungssituation zu verbinden. Der geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer hat in einem solchen Fall den großen Vorteil, nicht die Anforderungen von zwei verschiedenen Arbeitsverhältnissen bzw. von Arbeitsverhältnis und Studium/Betreuungssituation fremdbestimmt in Übereinklang bringen zu müssen, sondern kann entsprechend seinen eigenen Wünschen und Präferenzen die Arbeitsleistung erbringen. Auf der anderen Seite ist das von der Beklagten angebotene flexible Arbeitszeitmodell für geringfügig Beschäftigte aber auch für die Beklagte von nicht unerheblichen Vorteil. Es enthebt sie einerseits der Mühe einen Dienstplan zu gestalten, der die diversen individuellen Arbeitszeitbedürfnisse der Mitarbeiter entsprechend § 106 GewO berücksichtigt. Gerade wenn eine höhere Anzahl von Mitarbeitern nur mit einem geringen Teilzeitkontingent tätig wird, ist eine mittel- oder langfristige Dienstplangestaltung häufig mühsam und mit einem ständigen Anpassungsbedarf verbunden. Die feste Einteilung bedeutet keineswegs einen deutlich geringeren Planungsaufwand und eine größere Planungssicherheit. Andererseits ermöglicht es das flexible System der Beklagten kurzfristig Lücken im Dienstplan aufzufüllen und auf diese Art und Weise ihrer "staatlichen Vorhalteverpflichtung" nachzukommen, wie sie selbst zugesteht, wenn sie ausführt, das verwendete Modell ermögliche ihr kurzfristige Ausfälle zu kompensieren.



e) Sogar wenn man mit der Beklagten davon ausgehen wollte, dass es grundsätzlich gerechtfertigt sein kann, sich den Verzicht auf die Ausübung des Weisungsrechts nach § 106 GewO durch die Zahlung eines geringeren Stundenlohns aufwiegen zu lassen, so rechtfertigt dies keinen Unterschied von nahezu 43 % des Stundenlohns.



2. Ob sich der Anspruch des Klägers auch aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben würde, bedarf keiner Erörterung mehr.



3. Ausgehend von einem Stundenlohn von € 17,00 brutto hat der Kläger für den Zeitraum Januar 2020 bis April 2021 Anspruch auf einen rechnerisch unstreitigen Differenzlohn von € 3.285,88 brutto.



4. Dieser Anspruch ist nicht verfallen gemäß § 15 des Arbeitsvertrages, da diese Klausel gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam ist.



Eine vom Arbeitgeber vorformulierte arbeitsvertragliche Verfallklausel, die entgegen § 3 S. 1 MiLoG auch den gesetzlichen Mindestlohn erfasst, verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und ist insgesamt unwirksam, wenn der Arbeitsvertrag nach dem 31.12.2014 abgeschlossen wurde (BAG, 18.09.2018, 9 AZR 162/18, Rn. 27, juris). Der streitgegenständliche Arbeitsvertrag wurde am 08.02.2015 abgeschlossen, die Verfallklausel ist somit unwirksam.



5. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.



III.



Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG, § 91 Abs. 1 ZPO.



IV.



Gegen dieses Urteil kann die Beklagte Revision einlegen. Im Einzelnen gilt:



Rechtsmittelbelehrung:



[...]

Hauf
Varschen
Hauser

RechtsgebietTzBfG § 4 Abs. 1 Vorschriften§ 4 TzBfG, § 4 Abs. 1 TzBfG, § 4 Abs. 1 S. 1 TzBfG, § 12 TzBfG, § 64 Abs. 2 ArbGG, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO, § 612 Abs. 2 BGB, § 134 BGB, § 22 TzBfG, § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG, § 106 GewO, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, § 3 S. 1 MiLoG, §§ 288, 291 BGB, § 64 Abs. 6 ArbGG, § 91 Abs. 1 ZPO